Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 18. Nov. 2015 - 10 UF 260/15

18.11.2015

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Schwerin - Familiengericht - vom 18.09.2015 geändert:

Die Erbausschlagungserklärung der Kindesmutter A. P. als gesetzliche Vertreterin für das minderjährige Kind J. A. P. nach der am ... 2014 verstorbenen A. M. L. N. (Großmutter väterlicherseits) wird familiengerichtlich genehmigt.

Von der Erhebung von Kosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

1

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und im Übrigen auch sonst zulässige Beschwerde der Kindesmutter gegen die Versagung der Genehmigung ihrer Erbausschlagung für das Kind hat Erfolg.

2

Zwar ist das Familiengericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Erbausschlagung durch die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter der familiengerichtlichen Genehmigung gemäß § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB bedarf, weil die Erbschaft dem Kind J. erst durch die Ausschlagung seines nicht vertretungs- und sorgeberechtigten Vaters angefallen und damit der Ausnahmetatbestand des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht gegeben ist.

3

Allerdings hat das Familiengericht die für eine Überschuldung des Nachlasses sprechende Indizwirkung nicht hinreichend beachtet, die durch die Erbausschlagung des Kindesvaters und die von ihm hierfür angegebenen Gründe entstanden ist.

4

Schlägt nämlich ein nahes Familienmitglied der Verstorbenen die Erbschaft wegen befürchteter Überschuldung aus, bestehen allein schon deswegen indizielle Anhaltspunkte für die naheliegende Annahme, dass dann auch die Erbausschlagung seitens der gesetzlichen Vertreterin dem Kindeswohl dient (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2015, 1099 ff. Rn. 6 [zitiert nach juris]; OLG Schleswig, FamRZ 2013, 2000 ff. Rn. 10, 12 [zitiert nach juris]).

5

Diese Indizwirkung der Erbausschlagung durch den Kindesvater rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass dieser als naher Angehöriger der Verstorbenen eine deutlich bessere Sicht und eine bessere Erkenntnisquelle dahingehend hat, wie es um den Nachlass tatsächlich bestellt ist. Diese Indizwirkung wird durch die sehr pauschal gehaltenen Angaben des Ehemanns der Verstorbenen nicht beseitigt. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass dieser keinen konkreten Überblick über die Valutierung der Grundschulden hat und auch nicht darüber, ob die Grundschulden nicht auch Darlehensverträge absichern, die von anderen Kindern und Enkelkindern abgeschlossen wurden. Damit rechtfertigt sich die von der Kindesmutter befürchtete Gefahr, dass trotz der Wertangaben zum Grundstück gleichwohl an versteckter Stelle eine Verschuldenssituation besteht oder künftig entstehen könnte, der dann das Kind als Erbe ausgesetzt wäre.

6

Entscheidend ist hier also auf die Ausschlagungserklärung des Kindesvaters abzustellen, die vorliegend ganz konkret dahingehend lautet, dass sie zur Sicherheit erfolgt ist, falls es doch Schulden gibt. Diese Einschätzung des Nachlasses durch den Kindesvater muss auch für sein minderjähriges Kind gelten.

7

Denn das verbleibende Risiko, bislang nicht näher aufgeklärte Darlehensverträge bzw. sonstige Absicherungsverhältnisse der Grundschulden könnten sich doch noch zu Lasten des Kindes konkret nachteilig auswirken, ist nicht hinnehmbar; zumal der dem Kind rein theoretisch zukommende Erbteil so gering ausfällt, dass die Übernahme bzw. die Gefahr einer Schulden(mit)haftung demgegenüber völlig außer Verhältnis stünde.

8

Das Kind J. A. P. würde nämlich neben dem Ehemann der Erblasserin (50 %) und neben den drei Geschwistern seines Vaters (jeweils 12,5 %) sowie neben den anderen Abkömmlingen seines Vaters (3 x 3,125 %) letztlich nur ebenfalls einen Anteil von 3,125 % des Nachlasses seiner verstorbenen Großmutter väterlicherseits erben. Legt man - wie vom Amtsgericht angenommen - den Nachlasswert abzüglich der (bislang bekannten) Verbindlichkeiten mit etwa 40.000,00 Euro fest, würde dies bedeuten, dass hiervon auf das Kind J. P. ein rein theoretisches Erbe von 1.250,00 Euro entfallen würde. Setzt man im Wege der Abwägung die vage Aussicht auf die Erlangung dieses rein theoretischen Erbes ins Verhältnis zu dem bestehenden Risiko, dass der Nachlass doch mehr verschuldet ist als vom Ehemann der Erblasserin angegeben (worauf die Erbausschlagung des Kindesvaters hindeutet), entspricht die Erbausschlagung dem Interesse des Kindes, keinerlei Risiko eingehen zu wollen, weshalb die familiengerichtliche Genehmigung für die Erbausschlagung zu erteilen war.

9

Die Kostenentscheidung beruht - wie schon die Kostenentscheidung erster Instanz - auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1643 Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte


(1) Die Eltern bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts in den Fällen, in denen ein Betreuer nach den §§ 1850 bis 1854 der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, soweit sich nicht aus den Absätzen 2 bis 5 etwas anderes ergibt. (2) Nicht

Referenzen

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.