Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 28. Juni 2016 - 1 Ws 231/16

bei uns veröffentlicht am28.06.2016

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird angewiesen, die Ermittlungen gegen den Beschuldigten wieder aufzunehmen und bis zur Entscheidungsreife durchzuführen.

Gründe

I.

Der Antrag der Anzeigeerstatterin vom 06.06.2016, eingegangen beim Oberlandesgericht Nürnberg am selben Tage, auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren richtet sich gegen den ablehnenden Bescheid des Generalstaatsanwalts in Nürnberg vom 03.05.2016, zugegangen am 08.05.2016, durch den der Beschwerde der Anzeigeerstatterin vom 25.04.2016 gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 18.04.2016 keine Folge gegeben wurde.

II.

Der Klageerzwingungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist bei unterstellter tatsächlicher Begehung der behaupteten Tat Verletzte im Sinne des § 172 Abs. 1 StPO und daher antragsbefugt. Die sich aus § 172 StPO ergebenden Fristen der Antragstellung sind eingehalten und werden in der Antragsschrift mitgeteilt. Diese genügt auch in materieller Hinsicht den sich aus § 172 Abs. 3 StPO ergebenden Anforderungen, da sie eine aus sich heraus verständliche Schilderung des Sachverhaltes einschließlich des Inhalts der angegriffenen Bescheide und der Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit enthält.

III.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch in der Sache begründet. Allerdings kommt vorliegend nicht die Anordnung der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 175 StPO) in Betracht. Vielmehr ordnet der Senat, nachdem das Ermittlungsverfahren bislang - von der Erholung einer Bankauskunft abgesehen - nicht betrieben wurde, nur eine „Ermittlungserzwingung“, also die Anweisung, die Ermittlungen wegen Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB aufzunehmen und zu einem Abschluss zu führen, in Betracht.

1. Zwar ist das gerichtliche Verfahren nach §§ 172 ff. StPO grundsätzlich nur auf das Ziel der Klageerzwingung ausgerichtet, was sich bereits aus dem Wortlaut der §§ 171, 172, 173 Abs. 3 und 175 StPO ergibt. Dennoch ist in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft bereits den Anfangsverdacht verneinte und deshalb den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht überhaupt nicht aufgeklärt hat, ausnahmsweise das gerichtliche Verfahren nach §§ 172 ff. StPO nicht als Klage-, sondern als „Ermittlungserzwingungsverfahren“ zu behandeln, das mit der Anweisung an die Staatsanwaltschaft enden kann, die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (im Anschluss an OLG München NJW 2007, 3734-3737; a. A. OLG München StraFo 2014, 422-423).

2. Eine derartige Anweisung ist vorliegend geboten. Die Anordnung zur Anklageerhebung nach § 175 StPO scheidet nach dem vorhandenen Ermittlungsstand aus.

a) Zwar ergibt sich aus dem der Strafanzeige vom 03.03.2016 beigefügten Kreditvertrag vom 18.05.2015, dass der angezeigte Kreditnehmer angeblich über keinerlei monatliche Einkünfte verfügt habe. Dem hieraus in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 18.04.2016 gezogenen Schluss, es könne angesichts dieser Erklärung schon keinerlei Täuschung vorliegen, trat die Anzeigeerstatterin allerdings mit ihrer Beschwerde durch Vorlage der Angaben (dort Anlage 1) entgegen, welche der Beschuldigte bei Beantragung des Darlehens tatsächlich gemacht haben soll. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu den Eintragungen im Kreditvertrag vom 18.05.2015, der im Übrigen auch die monatlichen Verpflichtungen allesamt mit „0,00 €“ ausweist, um plausible Angaben. Diese sind bei der Frage, ob ein Anfangsverdacht für die Einleitung und Durchführung von Ermittlungen besteht, daher zu Grunde zu legen.

b) Ein Anfangsverdacht für das Vorliegen eines Eingehungsbetrugs nach § 263 Abs. 1 StGB ist demgemäß gegeben, da der Beschuldigte, diese Selbstauskunft zu Grunde gelegt, bei Vertragsschluss zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen Angaben gemacht hat, die ihn in Stande gesetzt hätten, die vereinbarten Monatsraten von 121,47 € leisten zu können. Nachdem ausweislich der Angaben der Anzeigeerstatterin bereits die Zahlung der ersten Rate mangels Kontodeckung scheiterte, kommt in Betracht, dass der Beschuldigte bereits bei Vertragsschluss entweder zahlungsunwillig oder entgegen seinen Angaben zahlungsunfähig war. Es bedarf somit der Abklärung der tatsächlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch Klärung seiner beruflichen Tätigkeit, durch Ermittlung und Auswertung seiner Konten, durch Abklärung, ob er die eidesstattliche Versicherung geleistet hat und/oder ob Zwangsvollstreckungsverfahren anhängig waren. Der Beschuldigte wurde bislang nicht vernommen. Im Rahmen seiner Vernehmung wird auch zu klären sein, ob dieser die behaupteten Angaben von Anlage 1 des Beschwerdeschreibens vom 25.04.2016 tatsächlich gemacht hat.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 28. Juni 2016 - 1 Ws 231/16 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 172 Beschwerde des Verletzten; Klageerzwingungsverfahren


(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der S

Strafprozeßordnung - StPO | § 173 Verfahren des Gerichts nach Antragstellung


(1) Auf Verlangen des Gerichts hat ihm die Staatsanwaltschaft die bisher von ihr geführten Verhandlungen vorzulegen. (2) Das Gericht kann den Antrag unter Bestimmung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung mitteilen. (3) Das Gericht kann

Strafprozeßordnung - StPO | § 171 Einstellungsbescheid


Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge oder verfügt sie nach dem Abschluß der Ermittlungen die Einstellung des Verfahrens, so hat sie den Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. In dem Be

Strafprozeßordnung - StPO | § 175 Anordnung der Anklageerhebung


Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.

Referenzen

(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.

Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Gibt die Staatsanwaltschaft einem Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge oder verfügt sie nach dem Abschluß der Ermittlungen die Einstellung des Verfahrens, so hat sie den Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. In dem Bescheid ist der Antragsteller, der zugleich der Verletzte ist, über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür vorgesehene Frist (§ 172 Abs. 1) zu belehren. § 187 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend für Verletzte, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt wären, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen, soweit sie einen Antrag auf Übersetzung stellen.

(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.

(1) Auf Verlangen des Gerichts hat ihm die Staatsanwaltschaft die bisher von ihr geführten Verhandlungen vorzulegen.

(2) Das Gericht kann den Antrag unter Bestimmung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung mitteilen.

(3) Das Gericht kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung Ermittlungen anordnen und mit ihrer Vornahme einen beauftragten oder ersuchten Richter betrauen.

Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)