Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 17. Juli 2014 - 1 U 4/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Dezember 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 9.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 II; 313a I 1; 543 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 513 I ZPO. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Beklagte die Rückzahlung des Darlehens verweigern, weil der Anspruch aus § 488 I 2 BGB verjährt ist (§§ 214 I; 195; 199 I BGB).
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Nach Überzeugung des Landgerichts hat die Klägerin der Beklagten ein Darlehen in Höhe von 10.000,00 EUR zur Verfügung gestellt, das die Beklagte im Umfang der Restverbindlichkeit von 9.250,00 EUR zurückzuzahlen habe. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch, da die Beklagte nicht bewiesen habe, der Klägerin seit Beginn des Jahres 2010 keine Raten mehr gezahlt zu haben. Für den Eintritt der Verjährung sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
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Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung durch den Senat nicht stand.
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Die Darlegungs- und Beweislast für die von ihr behauptete Ratenzahlung trägt die Gläubigerin (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., vor § 194 Rdn. 24). Die Klägerin muss nämlich der zweifelsohne laufenden Verjährung mit dem Neubeginn nach § 212 I Nr. 1 BGB begegnen. Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens verjährt nach drei Jahren (§ 195 BGB). Gemäß § 199 I BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger, hier die Klägerin, von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Nach dem Klagevorbringen sollte die Beklagte noch im Jahr 2005 mit der vereinbarten Rückzahlung des zinslosen Darlehens beginnen. Damit trat die Fälligkeit des sich gegen die Beklagte richtenden Rückzahlungsanspruchs ein. Die Fälligkeit der Raten ist für den Lauf der Verjährungsfrist entscheidend (Berger, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 488 Rdn. 86). Ohne Einflussnahme auf das Verstreichen der Frist wäre mit Ablauf des Jahres 2008 Verjährung eingetreten. Insofern ist es die Klägerin, die aus den von ihr behaupteten Ratenzahlungen der Beklagten den ihr günstigen Neubeginn der Verjährung nach § 212 I Nr. 1 BGB herleitet. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt deshalb auch sie die Darlegungs- und Beweislast für die zum Neubeginn führenden Umstände.
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Die falsche Sicht der Darlegungs- und Beweislast durch das Landgericht ist nicht nur Anhaltspunkt für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit seiner entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 I Nr. 1 ZPO), sondern erlaubt es der Klägerin, im Berufungsrechtszug neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen (§§ 529 I Nr. 2; 531 II 1 Nr. 3 ZPO). Nach den deshalb gebotenen erneuten Feststellungen des Senats verbleibt es allerdings dabei, dass sich nicht klären lässt, ob die Beklagte tatsächlich noch eine weitere Rate im Jahr 2010 an die Klägerin zahlte, sodass zumindest im November 2012 Verjährung eintrat. Das erst Ende Januar 2013 beim Landgericht eingegangene Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin konnte die Frist nicht mehr nach §§ 209; 204 I Nr. 14 BGB hemmen.
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Es kann offen bleiben, ob die von der Klägerin benannten Zeuginnen M. und V. G. sowie A. F. den Senat davon überzeugen konnten, dass die Klägerin in der ersten Hälfte des Jahres 2010 erklärte, von der Beklagten über die Zeugin M. H. noch einmal 50,00 EUR erhalten zu haben. Die Zeugin H. hat bekundet, der Klägerin zu keiner Zeit Geld oder einen Beutel mit Kleidungsstücken übergeben zu haben. Anders als das Landgericht hält der Senat die Zeugin H. keinesfalls für unglaubwürdig. Ihre Bekundungen erschienen auch glaubhaft. Die Zeugin wird am besten wissen, was sie der Klägerin bei welcher Gelegenheit gab. Dass die Zeugin weder der Klägerin noch der hier streitigen Angelegenheit für sich nennenswerte Bedeutung beigemessen hat, ist keinesfalls atypisch und zu Zweifeln Anlass gebend. Hinzu kommt das Verhalten der Klägerin selbst, das der behaupteten Zahlung mit Skepsis begegnen lässt. Die handschriftliche Aufstellung der Klägerin, die von ihren Rechtsanwälten vorprozessual als mit äußerster Sorgfalt geführt bezeichnet wurde, weist eine Zahlung des Jahres 2010 nicht aus. Dementsprechend ließ die Klägerin von der Beklagten auch nicht die Klageforderung, sondern 50,00 EUR mehr und damit 9.300,00 EUR einfordern. Es mag noch irgendwie nachzuvollziehen sein, dass es die Klägerin ursprünglich vergaß, die 50,00 EUR aus dem Jahr 2010 in ihrer Liste zu vermerken. Spätestens aber als es darum ging, sich mit der Beklagten auseinander zu setzen und einen Rechtsanwalt einzuschalten, hätte sich die Klägerin an die Zahlung, so sie denn erfolgt war, erinnern müssen, vor allem weil sie in diesem Moment von der unvollständigen Liste Gebrauch machte und diese als zuverlässige Quelle hinstellte. Schließlich soll der Klägerin der Erhalt weiterer 50,00 EUR eine ausdrückliche Erwähnung gegenüber den Zeuginnen M. G. und A. F. wert gewesen sein, was es wenig nachvollziehbar erscheinen lässt, den eigenen Rechtsanwälten diesen wichtigen Umstand zunächst zu verschweigen. Insgesamt reichen der Inhalt der mündlichen Verhandlung und das Ergebnis der Beweisaufnahme danach nicht, um sich von der behaupteten Zahlung zu überzeugen (§ 286 I 1 ZPO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10; 713 ZPO.
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Die Revision lässt der Senat nicht zu. Es sind keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung fordern die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 II 1 ZPO).
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Referenzen - Gesetze
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.