Oberlandesgericht München Endurteil, 29. Apr. 2015 - 7 U 185/15

bei uns veröffentlicht am29.04.2015

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.12.2014, Az. 3 HK O 12420/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Forderung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Forderung.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin als ehemalige Handelsvertreterin der Beklagten macht nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses gegen die im US-Bundesstaat Wisconsin ansässige Beklagte im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Buchauszug und Abrechnung sowie in zweiter Stufe auf Zahlung von Provisionen und auf Handelsvertreterausgleich geltend. Zwischen den Parteien ist streitig, aufgrund welcher vertraglichen Grundlage zuletzt die Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte erfolgte. Nach dem jedenfalls unstreitig abgeschlossenen Vertrag vom 27.12.2004 (Anlage B 1) war die Anwendung des Rechts des Bundesstaats Wisconsin unter Ausschluss des UN-Kaufrechts vereinbart. Eine Gerichtsstandsvereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.

Die Klägerin hält die deutschen Gerichte international für zuständig, weil die Beklagte in Deutschland Vermögen habe; insbesondere sei sie alleinige Gesellschafterin der in Garching ansässigen H. GmbH (fortan: H.). Außerdem sei der Sitz der Klägerin Erfüllungsort für alle geltend gemachten Ansprüche. Bei der Klage vor einem Gericht in Wisconsin bestehe außerdem die Gefahr, dass die Anwendung der verbindlichen europäischen Handelsvertreterrichtlinie unterbleibe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Vorlage eines Buchauszuges, zur Erstellung einer Abrechnung über die im Zeitraum 01.01.2008 bis 30.04.2011 fällig gewordenen Provisionen, zur Zahlung der sich aus der Abrechnung ergebenden Provisionen sowie zur Zahlung des sich nach Auskunftserteilung ergebenden Handelsvertreterausgleichs zu verurteilen. Hinsichtlich des Wortlauts der Anträge wird im Einzelnen auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung (LGU 3 f) verwiesen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, deutsche Gerichts seien nicht zuständig. Es bestehe kein einheitlicher Erfüllungsort für die wechselseitigen Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis. Die Geschäftsanteile an der H... habe sie erst nach Klageerhebung erworben. Aus der Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von derogierenden Gerichtsstandsklauseln ergebe sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gleichfalls nicht. Außerdem bestünden die geltend gemachten Ansprüche nicht.

Die Klage gegen die frühere Beklagte zu 2) hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2014 zurückgenommen (Bl. 183 d. A.).

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestehe nicht.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Für den Gerichtsstand der Vermögensbelegenheit reiche der nachträgliche Erwerb von Vermögen aus. Die H.. sei wirtschaftlich betrachtet Nachfolger der Klägerin; die H... sei ausweislich der Bilanzen und insbesondere für die Beklagte werthaltig. Außerdem sei die Beklagte Inhaberin der Wortmarke „M.“.

Die Klägerin beantragt,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben, sowie weiter:

Die Beklagte wird verurteilt, Buchauszug gemäß § 87 c Abs. 2 HGB vorzulegen über alle mit Abnehmern in Europa in der Zeit vom 01.01.2008 bis 30.04.2011 abgeschlossenen Geschäfte, eingegangenen Aufträge und in dieser Zeit getätigten Auslieferungen von Produkten mit der Marken H., S. und M. unter Angabe folgender Informationen:

Name und Anschrift des Kunden

Datum der Auftragserteilung

Umfang des erteilten Auftrags nach Stück und Wert

Datum der Auftragsbestätigung

Inhalt der Auftragsbestätigung nach Stück und Wert

Datum der Lieferungen bzw. Teillieferungen

Umfang der Lieferungen nach Stück und Wert

Gründe für Lieferunterschiede gegenüber den Auftragsbestätigungen

Datum und Nummer der Rechnungen

Rechnungsbeträge nach Stück und Wert

Datum der Zahlung(en)

Höhe der Zahlungen(en)

Angabe der Gutschriften gegenüber Kunden und ihre Gründe.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, eine Abrechnung über die in der Zeit vom 01.01.2008 bis 30.04.2011 fällig gewordenen Provisionen gemäß § 87 c Abs. 1 HGB zu erteilen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die aus der Provisionsabrechnung und dem Buchauszug sich ergebenden noch offenen Provisionen zu bezahlen sowie einen Handelsvertreterausgleich nach § 89 b HGB, die nach Vorlage der Provisionsabrechnungen und des Buchauszugs in zweiter Stufe der Klage beziffert werden, jeweils verzinslich mit 5% Zinsen ab Fälligkeit (§§ 352, 353 HGB) und 8% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Verzug (§§ 286, 288 BGB).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Das Vorbringen der Klägerin zu den Markenrechten der Klägerin sei verspätet. Das inländische Vermögen der Beklagten begründe keinen internationalen Gerichtsstand in Deutschland.

Zum sonstigen Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf das schriftsätzliche Vorbringen in beiden Instanzen, auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Instanzen, sowie auf den Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint. Auch das ergänzende Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist ungeachtet der Regelung des § 513 II ZPO von Amts wegen zu prüfen (BGH v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, juris Rn. 12 ff).

1. Die Parteien haben unstreitig nicht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart.

2. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt nicht aus zwingenden europarechtlichen Bestimmungen.

a) Auf die „Ingmar“-Entscheidung des EuGH (09.11.2000 - C-381/98, NJW 2001, 2007) kann die Klägerin sich nicht berufen. Zwar hat der Gerichtshof dort entschieden, dass die Bestimmungen in der Handelsvertreterrichtlinie (RL 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986) dahingehend auszulegen sind, dass die Bestimmungen über die nachvertraglichen Ansprüche des Handelsvertreters gegen den Unternehmer auch dann anzuwenden sind, wenn - wie vorliegend - der Unternehmer seinen Sitz in einem Drittstaat hat, dessen Recht vertragsgemäß auf den Handelsvertretervertrag zur Anwendung kommt, der Handelsvertreter aber seine Tätigkeit in einem Mitgliedstaat der EU ausgeübt hat. Hiermit ist aber nur entschieden, dass die zwingenden Bestimmungen (vgl. Art. 17-19 der RL) nicht durch eine Rechtswahlklausel abbedungen werden können. Mit der Frage, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sein soll, befasst die Entscheidung sich hingegen nicht. Vor diesem Hintergrund wird es Aufgabe der Klägerin sein, die nach ihrer Auffassung zu ihren Gunsten zwingenden Vorschriften des Handelsvertreterrechts vor anderen als deutschen Gerichten durchzusetzen.

b) Auch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 17.05.2006 (7 U 1781/06, WM 2006, 1556 = IPRax 2007, 322) unterstützt nicht die Rechtsauffassung der Klägerin. Anders als im vorliegenden Fall (s. u. Ziff. 5) war im damals zu entscheidenden Sachverhalt die Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 23 ZPO zu bejahen (a. a. O. juris Rn. 24). Außerdem war im dortigen Fall nicht nur - wie hier - die Anwendung fremden Sachrechts, sondern - anders als vorliegend - zugleich ein US-amerikanischer Gerichtsstand vereinbart worden. Für diesen Fall hat der Senat entschieden, dass die Verbindung von Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung nicht dazu führen darf, dass die im Sinne des Art. 34 EGBGB a. F. zwingenden nationalen Normen nicht zur Anwendung kommen (a. a. O. juris Rn. 41).

So verhält sich der vorliegende Fall indessen nicht. Die Parteien haben keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Die Notwendigkeit, Gerichtsstandsvereinbarung und Rechtswahl „im Zusammenhang“ (a. a. O. juris Rn. 36) zu behandeln, stellt sich daher vorliegend nicht. Insbesondere geht die Klägerin im vorliegenden Fall nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung eines ansonsten gegebenen inländischen Gerichtsstands verlustig.

3. Die internationale Zuständigkeit kann, wie das Landgericht richtig erkannt hat, nicht aus Art. 5 Nr. 1 lit. b der VO 44/2001/EG (EuGVVO 2001) hergeleitet werden. Gem. Art. 66 I der VO 1215/2012/EG (EuGVVO 2012) findet die EuGVVO 2001 auf den vorliegenden Rechtsstreit noch Anwendung, weil dieser vor dem 10.01.2015 im Sinne dieser Vorschrift „eingeleitet“ worden ist. Gem. Art. 4 I EuGVVO 2001 kann aber die gerichtliche Zuständigkeit gegenüber der in den USA ansässigen Beklagten nicht auf die Verordnung gestützt werden, mithin auch nicht auf deren Art. 5. Vielmehr richtet sich die Zuständigkeit nach den nationalen Vorschriften des angerufenen Gerichts, also nach §§ 12 ff. ZPO (Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., Art. 4 EuGVVO Rn. 1).

4. Zu Recht hat das Landgericht auch die Zuständigkeit aus § 29 ZPO verneint. Denn beim Handelsvertretervertrag besteht i. d. R. und auch hier kein einheitlicher Erfüllungsort; vielmehr ist die Pflicht des Unternehmers zur Erteilung von Buchauszügen und Auskünften sowie zur Zahlung von Provisionen und Ausgleich am Sitz des Unternehmers, also hier nicht in Deutschland zu erfüllen (Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 29 ZPO Rn. 25).

5. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt auch nicht aus § 23 ZPO. Die Beklagte hat kein „Vermögen“ im Sinne dieser Vorschrift in Deutschland.

a) Unrichtig ist allerdings die Auffassung des Landgerichts (LGU 6), für die Beurteilung dieser Frage komme es auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an; abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der vom Landgericht zitierten Entscheidung beiläufig den Zeitpunkt der Klageerhebung als relevant erwähnt (Urteil vom 18.03.1997 - XI ZR 34/96, NJW 1997, 2885, juris Rn. 20). Dies ist aber nur dahin zu verstehen, dass die Zuständigkeit begründet ist, wenn zu diesem Zeitpunkt Vermögen der Beklagtenseite in Deutschland vorhanden ist, und dass in diesem Fall die einmal begründete Zuständigkeit perpetuiert wird (Urteil v. 01.03.2011 - XI ZR 48/10, NJW 2011, 2515, Rn. 23). Dies heißt aber nicht, dass die Zuständigkeit nicht auch noch später (nämlich durch den Erwerb von Vermögen nach Klageerhebung) begründet werden kann. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es für die Begründung der internationalen Zuständigkeit ausreicht, dass sie im Laufe des Rechtsstreits eingetreten ist (Urteil v. 01.03.2011 - XI ZR 48/10, NJW 2011, 2515, Rn. 13 f). Zwar ist diese Entscheidung zu Art. 2 I EuGVVO 2001 ergangen, der dort ausgesprochene Rechtssatz ist aber verallgemeinerbar. So hält der Bundesgerichtshof für die Frage der internationalen Zuständigkeit denjenigen Zeitpunkt für maßgeblich, der dem tatsächlichen Erkenntnisstand des (dort: ausländischen) Urteils zugrunde liegt (BGH v. 29.04.1999 - IX ZR 263/97, BGHZ 141, 286, Rn. 23). Dass grds. der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich ist, dass es aber ausreicht, wenn bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen eintreten, ist überdies überwiegende Meinung in der Literatur (Beck-OK-Toussaint, Stand 01.01.2015, § 23 Rn. 10; MüKo-Patzina, ZPO, 4. Aufl., § 23 Rn. 21, jeweils m. w. N.; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 36. Aufl., § 23 Rn. 6; undifferenziert Musielak-Heinrich, ZPO, 11. Aufl., § 23 Rn. 14).

b) Die anzunehmenden Vermögenswerte der Beklagten in Deutschland stellen aber kein „Vermögen“ im Sinne des § 23 ZPO dar und begründen die internationale Zuständigkeit daher nicht. Zwar reicht nach der älteren Rsp. des Bundesgerichtshofs hierfür jedes Vermögen aus, unabhängig davon, ob es pfändbar ist oder eine Befriedigung ermöglicht; die Relation von Streitwert und Vermögen soll hiernach nicht zu prüfen sein (BGH v. 12.11.1990 - II ZR 249/89, WM 1991, 384, juris Rn. 14; BGH v. 28.10.1996 - X ARZ 1071/96, WM 1996, 2351, juris Rn. 6). Ausreichend sollte also jeder Gegenstand, der einen - wenn auch geringen - Geldwert hat, sein (OLG München v. 17.05.2006, a. a. O., juris Rn. 24).

Die Zuständigkeit nach § 23 ZPO ist hingegen nach neuerer Rsp. zu verneinen, wenn ein schutzwürdiges und anzuerkennendes Interesse des Klägers schlechthin nicht besteht, insbesondere dann, wenn der mögliche Erlös aus der Zwangsvollstreckung aufgezehrt würde durch die Kosten (dort: nach § 825 ZPO) der Verwertung (BGH v. 22.09.2005 - IX ZR 1/05, BGHReport 2005, 1611, juris Rn. 1 f).

Diese Auffassung wird in der Literatur - vorbehaltlich der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme inländischer Zuständigkeit - grds. geteilt (BeckOK -Toussaint a. a. O., Rn. 6.2 ; MüKo-Patzina a. a. O., Rn. 8, 16; Musielak-Heinrich, a. a. O., § 23 Rn. 8).

c) Nach diesem Maßstab (kritisch hierzu OLG Celle v. 29.10.1998 - 13 W 106/98, NJW 1999, 3722, juris Rn. 7-9:§ 23 ZPO ist einschränkend auszulegen“) besteht Vermögen der Beklagten im Sinne des § 23 ZPO in Deutschland nicht.

aa) Soweit die Klägerin auf in anderweitigen Rechtsstreitigkeiten rechtshängige Forderungen verweist, die die Beklagte gegen die Klägerin selbst erhebt und die die Klägerin dort in Abrede stellt, kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen. Der Senat schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (LGU 5 f) vollumfänglich an. Hiergegen hat die Berufung Einwendungen nicht erhoben.

bb) Gleiches gilt für das klägerseits hier behauptete und anderweit bestrittene Eigentum der Beklagten an mehreren Gegenständen (LGU 6); auch hiergegen wendet die Berufung sich nicht.

cc) Auch die Beteiligung der Beklagten an der H. stellt kein Vermögen dar. Insbesondere war dem erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.04.2015 gestellten Antrag der Klägerseite auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der gleichfalls erstmals im Termin aufgestellten Behauptung, die H. habe einen Marktwert von 500.000 €, nicht nachzukommen.

(1) Die Klägerin hat erstinstanzlich lediglich die Beteiligung der Beklagten an der H. vorgetragen und ausgeführt, ihre Forderungen würden „nach Pfändung der Gesellschafteranteile“ aus dem Vermögen der H. zu realisieren sein (Schriftsatz vom 01.03.2012, S. 2 = Bl. 138 d. A.). Konkrete Wertangaben machte die Klägerin indessen nicht. Demgegenüber hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen (Schriftsatz vom 30.08.2012, S. 2 = Bl. 153 d. A.), dass Forderungen der H. gegen deren Kunden kein Vermögen der Beklagten darstellen; die H. habe ein Stammkapital von lediglich 25.000 €, es sei daher fraglich, ob dieser Betrag in einem angemessenen Verhältnis zum hiesigen Streitgegenstand (Streitwert: 510.000 €) stehe. Ergänzend hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen (Schriftsatz vom 22.04.2014, S. 4 = Bl. 193 d. A.), dass jeder klägerseitige Vortrag zum Wert des Gesellschaftsanteils und zu dessen Verhältnis zum Streitwert fehlt; die H. als reine Vertriebsgesellschaft habe aber bislang keine Gewinne erzielt.

(2) In der Berufungsbegründung finden sich keine Ausführungen zum Wert des Gesellschaftsanteils

(3) Auf den Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats in der Terminsverfügung vom 13.03.2015 (Bl. 239 d. A., unter Fristsetzung zum 13.04.2015 zum weiteren Vortrag zum Wert der Beteiligung der Beklagten an der H.), dass die Anwendung des § 23 ZPO ein adäquates Wertverhältnis von Streitwert und Vermögen voraussetzt, hat die Klägerin fristgerecht vorgetragen (Schriftsatz vom 26.03.2015, Bl. 238 ff d. A.), nach Auskunft der Creditreform (BK 5 betr. das Geschäftsjahr 2012) arbeite die H. mit einer Bilanzsumme von rd. 1,8 Mio. € und verfüge über Umlaufvermögen in Höhe von rd. 1,1 Mio. €. Nach der Bilanz 2013 belaufe sich das Umlaufvermögen auf rd. 1,6 Mio. €, allein der Kassenbestand betrage über 600.000 € (BK 6).

Dem hat die Beklagte zutreffend entgegengehalten (Berufungserwiderung S. 3 = Bl. 243 d. A.), der Umsatz sei für die Feststellung des Werts eines Unternehmens keine sinnvolle Größe. Der Wert des Vermögens der Beklagten bemesse sich nach dem durch Pfändung des Gesellschaftsanteils - insbesondere des Gewinnanspruchs - zu erzielenden Erlös. Die H. habe aber keine Gewinne, sondern vielmehr hohe Verluste erwirtschaftet. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sich aus den klägerseits vorgelegten Anlagen hohe Verluste bzw. Jahresfehlbeträge ergeben (2012: rd. 650.000 € 2013: rd. 277.000 €). Maßgeblich ist insbesondere der Verweis der Beklagten auf eine Rangrücktrittsvereinbarung zwischen der Beklagten und der H. vom 18.12.2014 betreffend eine Forderung über 1 Mio. € (BB 1), die nach Darstellung der Beklagten sie und die H. zur Abwendung einer Überschuldung der H. getroffen haben. Hierzu hat die Klägerin nicht mehr Stellung genommen, sondern nur zur weiteren Frage von Sicherungsrechten anderer Unternehmen (Schriftsatz vom 22.04.2015, S. 5 = Bl. 258 d. A.).

Es ist daher für die Entscheidung des Rechtsstreits davon auszugehen, dass der Wert der Beteiligung der Beklagten an der H... im negativen Bereich liegt; die H. erzielt keine Gewinne und kann nur durch einen Rangrücktritt der Beklagten vor der Überschuldung und damit vor der Insolvenz bewahrt werden. Die Beteiligung stellt somit kein Vermögen im Sinne des § 23 ZPO dar.

(4) Die Klägerin hat weiter ausgeführt (Schriftsatz vom 26.03.2015, Bl. 238 ff d. A.), die H. sei wegen ihrer Stellung im Markt für die beklagte Muttergesellschaft äußerst wertvoll, so dass zu erwarten sei, dass die Beklagte zur Vermeidung eines Pfändungszugriffs zugunsten der Klägerin ausgeurteilte Verbindlichkeiten erfüllen werde. Dem hält die Beklagte zutreffend entgegen (Berufungserwiderung S. 6 = Bl. 246 d. A.), dass eine derartige Erwartung betreffend ein künftiges Verhalten der Beklagten kein „Vermögen“ der Beklagten selbst darstellt; hierunter fallen nämlich nur gegenwärtig vorhandene geldwerte Gegenstände, nicht aber künftige Rechte (Thomas/Putzo - Hüßtege, a. a. O., § 23 Rn. 6) und somit erst recht nicht bloße Erwartungen über künftiges mögliches Verhalten von Prozessparteien.

(5) Dem im Termin gestellten Beweisantrag der Klägerin betreffend den Wert der H. war nicht nachzukommen. Angesichts des Umstands, dass die Klägerin die erwirtschafteten Verluste der H... nicht plausibel erklärt, muss der Vortrag, der Wert der H. betrage 500.000 €, als ins Blaue hinein aufgestellt betrachtet werden. Dem Senat sind aus zahlreichen Verfahren die Regelungen der Unternehmensbewertung nach dem Standard IDW S 1 hinlänglich geläufig. Für die Behauptung, dass aus den klägerseits allenfalls rudimentär dargestellten Umständen (Anlagen BK 4, 5 und 6) ein kapitalisierter Ertragswert (den der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Recht als die insoweit maßgebliche Größe bezeichnet hat) von 500.000 € ableitbar sei, fehlt es an zureichenden Anknüpfungstatsachen, die die Klägerin darstellen müsste. So hat die Klägerin nicht vorgetragen, welche Kosten den Umsatzerlösen gegenüberstehen. Einzelne Parameter der Unternehmensbewertung, wie etwa die Marktrisikoprämie oder der Kapitalisierungszins, wären zwar durch einen Sachverständigen feststellbar. Es fehlt aber jeglicher Vortrag, der eine nach dem Standard IDW S 1 zwingend erforderliche Prognose des künftigen Geschäftsverlaufs erlauben würde.

Auch der Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, ein Konkurrent würde bei einer Versteigerung der Gesellschaftsanteile hohe Preise bieten, bleibt angesichts des unstreitig gebliebenen Umstandes, dass die H... hohe Verluste erzielt, ohne jeden Beleg. Substantiierter Vortrag dazu, welchen Wert die (nicht durch eine andere, ggfs. durch die Beklagte neu zu gründende Vertriebsgesellschaft übernehmbaren) Geschäftsbeziehungen der H. haben sollten, ist nicht erfolgt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um die naheliegende Annahme ausschließen zu können, dass der Marktwert der H. ausschließlich auf ihrer Eigenschaft als Tochtergesellschaft gerade der Beklagten beruht.

Der Vortrag der Klägerin ist somit nicht ansatzweise präzise genug, um hierauf aufbauend die Einholung eines Gutachtens veranlassen zu können.

dd) Auch darauf, dass die Beklagte Inhaberin der Wortmarke „M.“ ist, kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg berufen.

Hierzu hat die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen. Gleichwohl kann dieses Vorbringen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schlechthin als verspätet zurückgewiesen werden gemäß § 531 II ZPO. Denn mangels zulässigen Bestreitens durch die Beklagte hat als unstreitig zu gelten (und ist somit grds. zuzulassen; Thomas/Putzo-Reichold, a. a. O., § 531 Rn. 1), dass die Beklagte Inhaberin der Marke ist. Trotz Vorlage eines entsprechenden Auszugs (BK 3) aus dem Markenregister des Deutschen Marken- und Patentamts hat die Beklagte „offen gelassen“ (Berufungserwiderung S. 2 = Bl. 242 d. A.), ob dieser Vortrag zutrifft; gem. § 138 IV ZPO hätte sich aber die Beklagte, die wissen muss, ob sie Inhaberin der Marke ist, explizit hierzu erklären müssen.

Es fehlt aber jeglicher substantiierte Vortrag der Klägerin dazu, welchen Wert dieses Markenrecht hat. In der Berufungsbegründung (S. 5 f = Bl. 228 d. A.) finden sich hierzu keine Ausführungen. Im Schriftsatz vom 26.03.2015 (S. 3 = Bl. 240 d. A.) ist davon die Rede, dass die Marke in den „einschlägigen Verkehrskreisen“ sehr geschätzt sei; dies ist einer näheren Bewertung, insbesondere aber einem Sachverständigenbeweis über den Verkehrswert der Marke nicht zugänglich. Der Schriftsatz vom 22.04.2015 (Bl. 254 d. A.) befasst sich mit dem Wert der Marke nicht. Die Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung schließlich, die Marke „würde einen Käufer finden“, ist einerseits in der Tat verspätet, beinhaltet aber andererseits keine Aussage zu einem möglichen Veräußerungswert der Marke.

Einen vermögenswerten Gegenstand im Sinne des § 23 ZPO, nämlich einen die anfallenden Verwertungskosten übersteigenden Wert der Marke hat die Klägerin somit auch insoweit nicht dargestellt.

III.

Hinsichtlich der Kosten bleibt es betreffend die frühere Beklagte zu 2) bei dem Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 27.03.2014 (Bl. 188 d. A.). Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf §§ 91 I, 97 I ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO, zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des vorliegenden Beschlusses gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht; der Senat folgt der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere der Entscheidung vom 22.09.2005 - IX ZR 1/05, BGH-Report 2005, 1611, juris Rn. 1 f.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Zivilprozessordnung - ZPO | § 29 Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts


(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. (2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 23 Besonderer Gerichtsstand des Vermögens und des Gegenstands


Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderunge

Handelsgesetzbuch - HGB | § 352


(1) Die Höhe der gesetzlichen Zinsen, mit Ausnahme der Verzugszinsen, ist bei beiderseitigen Handelsgeschäften fünf vom Hundert für das Jahr. Das gleiche gilt, wenn für eine Schuld aus einem solchen Handelsgeschäfte Zinsen ohne Bestimmung des Zinsfuß

Handelsgesetzbuch - HGB | § 353


Kaufleute untereinander sind berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Zinsen von Zinsen können auf Grund dieser Vorschrift nicht gefordert werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 825 Andere Verwertungsart


(1) Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann der Gerichtsvollzieher eine gepfändete Sache in anderer Weise oder an einem anderen Ort verwerten, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist. Über die beabsichtigte Verwertung hat der Geri

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2011 - XI ZR 48/10

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Referenzen

(1) Die Höhe der gesetzlichen Zinsen, mit Ausnahme der Verzugszinsen, ist bei beiderseitigen Handelsgeschäften fünf vom Hundert für das Jahr. Das gleiche gilt, wenn für eine Schuld aus einem solchen Handelsgeschäfte Zinsen ohne Bestimmung des Zinsfußes versprochen sind.

(2) Ist in diesem Gesetzbuche die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen ohne Bestimmung der Höhe ausgesprochen, so sind darunter Zinsen zu fünf vom Hundert für das Jahr zu verstehen.

Kaufleute untereinander sind berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Zinsen von Zinsen können auf Grund dieser Vorschrift nicht gefordert werden.

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 474/02 Verkündet am:
16. Dezember 2003
Weber
Justizhauptsektretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
ZPO § 513 Abs. 2; EuGVÜ Art. 5 Nr. 1

a) Die Berufung kann auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des
Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) darauf gestützt werden, daß
das Gericht des ersten Rechtszuges seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht
angenommen hat.

b) Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ begründet für die Klage aus einem Scheck, der zur
Begleichung einer Kaufpreisschuld hingegeben wurde, keinen Gerichtsstand
am Erfüllungsort der Kaufpreisforderung.
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003 - XI ZR 474/02 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 16. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und
Dr. Appl

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. November 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die B. Gerüstbau (im folgenden: Verkäuferin) verkaufte der Beklagten , die ihren Sitz in der Gemeinde K. in Österreich hat, gebrauchtes Gerüstbaumaterial zum Preis von 220.000 DM. Die Beklagte holte einen Teil der Ware in der Niederlassung der Verkäuferin in M. ab und zahlte 120.000 DM. Über den Restbetrag von 100.000 DM stellte sie an ihrem Geschäftssitz am 18. September 2001 auf Bitte der Verkäuferin einen auf die Bank ... in G. /Österreich gezogenen Scheck für die Klägerin als Zahlungsempfängerin aus. Die Verkäuferin hatte dieser den Restkaufpreisanspruch abgetreten. Der Scheck wurde von der bezogenen Bank bei Vorlage nicht eingelöst.

Die Klägerin hat die Beklagte im Scheckprozeß auf Zahlung von 100.208,24 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat gerügt, daß das angerufene Landgericht Duisburg international nicht zuständig sei. Zur Zahlung der Schecksumme sei sie nicht verpflichtet, da das verkaufte Gerüstbaumaterial Mängel aufweise.
Das Landgericht hat der Klage durch Scheckvorbehaltsurteil stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte für die Scheckklage die Abstandnahme vom Urkundenprozeß erklärt, ihre Klage auf den Anspruch aus dem Kaufvertrag gestützt und die Scheckklage nur für den Fall weiterverfolgt, daß das Berufungsgericht die Abstandnahme nicht zulasse. Die Beklagte hat dem widersprochen. Das Oberlandesgericht hat den Übergang in das ordentliche Verfahren sowie die Klageänderung nicht zugelassen und die Scheckklage als unzulässig abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht, dessen Urteil in IHR 2003, 81 ff. veröffent- licht ist, hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die im Scheckprozeß erhobene Klage sei unzulässig, da den deutschen Gerichten die internationale Zuständigkeit fehle. Die Neufassung des § 513 Abs. 2 ZPO durch die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene ZPO-Reform stehe einer Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts nicht entgegen. Zwar könne die Berufung danach nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Dies umfasse dem Wortlaut nach auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich indes nicht, daß der Gesetzgeber die Frage der Kontrolle der internationalen Zuständigkeit im zweiten Rechtszug geprüft und entschieden habe.
Nach Art. 2 EuGVÜ sei die Beklagte grundsätzlich an ihrem Sitz in Österreich zu verklagen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Danach könne eine Person, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildeten, vor dem Gericht des Erfüllungsortes verklagt werden. Streitgegenstand sei ein Anspruch aus einem Scheckbegebungsvertrag , der in Österreich zu erfüllen sei. Der Erfüllungsort bestimme sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit der Sache befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich sei. Art. 63 ScheckG unterstelle die Wirkungen der Scheckerklärungen dem
Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden seien, d.h. hier Österreich. Nach Art. 2 Abs. 2 des österreichischen Scheckgesetzes gelte mangels besonderer Angabe der bei dem Namen des Bezogenen angegebene Ort G. /Österreich als Zahlungsort.
Die Klägerin könne ihren Klageantrag im Berufungsverfahren nicht durch Übergang in das ordentliche Verfahren und Klageänderung auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag stützen. Die Regelung des § 596 ZPO, die ein Abstehen von dem Urkundenprozeß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erlaube, betreffe nach Inkrafttreten der ZPO-Reform jedenfalls nicht mehr das Verfahren im Scheckprozeß in zweiter Instanz. Das Berufungsverfahren wiederhole nicht die Tatsacheninstanz, sondern diene der Fehlerkontrolle und -beseitigung. Wechsele der Kläger die Prozeßart und stütze er sich auf Ansprüche aus dem Grundgeschäft, so verändere er den Streitgegenstand. Bei Zulassung einer solchen Abstandnahme müsse das Berufungsgericht sich mit Anspruchsgründen und Einwendungen sowie Einreden befassen, die gegenüber dem zuoder aberkannten Scheckanspruch des erstinstanzlichen Urteils einen völlig neuen Streitstoff einführten, für den das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung nicht verwertet werden könne. Sinn und Zweck der Beschränkung des Tatsachenstoffs (§ 529 ZPO) und der Novenbeschränkung nach § 531 Abs. 2 ZPO ließen dies nicht zu.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Klägerin im Scheckprozeß erhobene Klage unzulässig ist. Obwohl das Landgericht seine Zuständigkeit angenommen hatte, war das Berufungsgericht zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte befugt. Diese ist nicht gegeben.

a) Da die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht nach dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde, gelten sowohl für die Berufung als auch für die Revision die Regelungen der Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl. § 26 Nr. 5 und 7 EGZPO). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist das Revisionsgericht auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen (BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 203/02, WM 2003, 1542, 1543).

b) Dies gilt auch für das Berufungsgericht. Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, nach der die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, daß das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, bezieht sich - wie § 545 Abs. 2 ZPO im Revisionsverfahren - nicht auf die internationale Zuständigkeit (OLG Celle ZIP 2002, 2168, 2170; Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Rdn. 1009 und 1855; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 24. Aufl. § 513 Rdn. 8; Albers, in:
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. § 513 Rdn. 5; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 513 Rdn. 3; a.A. OLG Stuttgart MDR 2003, 350 f.; MünchKomm/Rimmelspacher, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsbd. § 513 Rdn. 16; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 513 Rdn. 7). Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses war anerkannt, daß die internationale Zuständigkeit in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen war (BGHZ 44, 46 ff.; 115, 90, 91; 134, 127, 129 f.; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97, WM 1999, 226, 227). Weder dem Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO noch der Gesetzesbegründung ist in hinreichender Weise zu entnehmen, daß der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.
Das Gesetz stellt darauf ab, daß das Gericht des ersten Rechtszugs "seine" Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Dieser Wortlaut läßt sich auch dahin verstehen, daß unter diesen Voraussetzungen nur die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten, nicht aber diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht entzogen ist (vgl. BGHZ 153, 82, 85 zu § 545 Abs. 2 ZPO).
Nach der Gesetzesbegründung sollen durch § 513 Abs. 2 ZPO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Berufungsgerichte Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gestützt werden. Die von diesem geleistete Sacharbeit solle nicht wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werden (BT-Drucks. 14/4722, S. 94). Diese Hinweise sind zu allgemein, als daß angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe die internationale Zuständigkeit ebenso wie die Zustän-
digkeitsverteilung unter den - unterstelltermaßen gleichwertigen (BGHZ 44, 46, 49) - innerstaatlichen Gerichten teilweise der Nachprüfung im Berufungsverfahren entziehen wollen (vgl. BGHZ 153, 82, 86). Die internationale Zuständigkeit hat ein ungleich höheres Gewicht als die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit. Sie betrifft die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten und sie entscheidet über das internationale Privatrecht - und damit nicht selten mittelbar über das materielle Recht - sowie das Verfahrensrecht, das Anwendung findet. Die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit kann demgemäß im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGHZ 44, 46, 50; 153, 82, 86).

c) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist für die von der Klägerin im Scheckprozeß erhobene Klage nicht gegeben.
aa) Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte mit Recht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) beurteilt, das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich anwendbar ist. Die Vorschriften der Verordnung 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sind nur auf solche Klagen anwendbar, die nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1, Art. 76 Abs. 1 EuGVVO). Die Klage im Scheckprozeß ist der Beklagten jedoch bereits im November 2001 zugestellt worden.

bb) Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ können Personen, die ihren Wohn- sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, grundsätzlich nur vor den Gerichten dieses Staats verklagt werden. Der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen steht dabei dem Wohnsitz gleich (Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ). Die Beklagte hat ihren Sitz in dem Vertragsstaat Österreich. Die Gerichte eines anderen Vertragsstaats sind gemäß Art. 3 EuGVÜ international nur zuständig, soweit das Übereinkommen Ausnahmen regelt. Aus den Zuständigkeitsbestimmungen der Zivilprozeßordnung, insbesondere aus § 23 ZPO, dessen Anwendung in Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann die Zulässigkeit der Klage daher entgegen der von der Klägerin zunächst vertretenen Ansicht nicht hergeleitet werden.
cc) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht durch rügelose Einlassung der Beklagten gemäß Art. 18 EuGVÜ begründet worden. Die Begründung der internationalen Zuständigkeit wird verhindert, wenn der Beklagte die internationale Zuständigkeit rügt und sich gleichzeitig hilfsweise zur Hauptsache einläßt (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - Rs 150/80, Slg. 1981, 1671, 1685, Rz. 12 ff. - Ele- fanten Schuh). So liegt es hier.
dd) Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daß sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ergibt. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Ge-
richt des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
In diesem Zusammenhang braucht die umstrittene Frage, ob der Rückgriffsanspruch des Schecknehmers gegen den Aussteller als vertraglicher Anspruch (so Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl. Einl. WG Rdn. 28 und Einl. ScheckG Rdn. 16; Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 62 Rdn. 23; MünchKomm/Häuser, HGB Bd. V ZahlungsV Rdn. D 203) oder als gesetzlicher Anspruch (so LG Göttingen RIW 1977, 235; LG Bayreuth IPRax 1989, 230 f.; LG Frankfurt a.M. IPRax 1997, 258 f.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere 12. Aufl. § 3 I 2 b) anzusehen ist, nicht entschieden zu werden. Auch wenn man den von der Klägerin geltend gemachten Rückgriffsanspruch als Anspruch aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ansieht, folgt aus dieser Bestimmung keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts liegt in diesem Fall nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Die maßgebliche scheckrechtliche Verpflichtung der Beklagten ist vielmehr in Österreich zu erfüllen.
(1) Der Ort, an dem die Kaufpreisschuld von der Beklagten zu erfüllen ist, ist für die internationale Zuständigkeit des Gerichts, das über die von der Klägerin im Scheckprozeß erhobene Klage zu entscheiden hat, entgegen der Auffassung der Revision unerheblich.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist für die Bestimmung des Erfüllungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ die Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (EuGH,
Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs 14/76, Slg. 1976, 1497, 1508, Rz. 13/14 - de Bloos, vom 15. Januar 1987 - Rs 266/85, Slg. 1987, 239, 254, Rz. 9 - Shenavai und vom 5. Oktober 1999 - Rs C-420/97, Slg. I 1999, 6747, 6790, Rz. 31 - Leathertex). Etwas anderes gilt dann, wenn der Kläger seine Klage in einem Rechtsstreit auf mehrere Verpflichtungen stützt, die sich aus einem einzigen Vertrag ergeben. In diesem Fall folgt Nebensächliches der Hauptsache. Bei mehreren streitigen Verpflichtungen entscheidet die Hauptpflicht über die Zuständigkeit des Gerichts (EuGH, Urteile vom 15. Januar 1987 aaO S. 256 Rz. 19 und vom 5. Oktober 1999 aaO S. 6792 Rz. 39). Wird die Erfüllung mehrerer gleichrangiger Pflichten aus einem Vertragsverhältnis eingeklagt, so ist für jede von ihnen gesondert zu prüfen, ob der Erfüllungsort im Gerichtsstaat liegt (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1999 aaO Rz. 40 f.).
Nach diesen Grundsätzen scheidet der Erfüllungsort der Kaufpreisschuld als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit des Gerichts, das über den Rückgriffsanspruch des Schecknehmers gegen den Aussteller zu entscheiden hat, aus. Auch wenn der Scheck erfüllungshalber hingegeben wird und damit letztlich dem Ausgleich der Kaufpreisforderung dient, so ergibt sich die Verpflichtung des Ausstellers keinesfalls - schon gar nicht als Nebenpflicht - aus dem Kaufvertrag. Sieht man die Verpflichtung als vertragliche an, so beruht sie auf dem schuldrechtlichen Teil des gesondert abgeschlossenen Begebungsvertrags.
(2) Die scheckrechtliche Verpflichtung der Beklagten ist, wie das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, in dem Ort G. in Österreich zu erfüllen.

Der Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist nach dem Recht zu ermitteln, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich ist (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs 12/76, Slg. 1976, 1473, 1486, Rz. 15 - Tessili; vom 5. Oktober 1999 aaO S. 6791 Rz. 33 und vom 19. Februar 2002 - Rs C-256/00, Slg. I 2002, 1699, 1728 Rz. 33 - Besix). Gemäß Art. 63 ScheckG bestimmen die Wirkungen der Scheckerklärungen sich nach dem Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden sind. Zu den Wirkungen einer Scheckerklärung gehört alles, was die Haftung des Scheckschuldners betrifft (vgl. Baumbach /Hefermehl, 22. Aufl. Art. 63 SchG Rdn. 1 und Art. 93 WG Rdn. 1; Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 62 Rdn. 20). Dazu gehört auch der Erfüllungsort. Da die Beklagte den Scheck in K. /Österreich unterschrieben hat, ist das österreichische Recht, das keine Rückverweisung auf das deutsche Recht enthält (vgl. Art. 63 des österreichischen Scheckgesetzes), maßgeblich.
Das Berufungsgericht ist unter Anwendung des Art. 2 Abs. 2 des österreichischen Scheckgesetzes zu dem Ergebnis gelangt, daß die Verpflichtung der Beklagten aus dem Scheck in G. /Österreich zu erfüllen ist. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung für das Revisionsgericht bindend, weil sie auf der Anwendung ausländischen Rechts beruht (§ 545 Abs. 1, § 560 ZPO). Diese Bindung besteht auch, soweit von der Anwendung ausländischen Rechts die Entscheidung über eine von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung, insbesondere die internationale Zuständigkeit, abhängt (BGHZ 89, 325, 331; BGH, Urteil vom 6. November 1991 - XII ZR 240/90, NJW 1992, 438, 439; a.A. Geimer,
Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Rdn. 2606). Ihr steht nicht entgegen , daß die vom Berufungsgericht herangezogene Vorschrift des ausländischen Rechts - wie hier - den gleichen oder einen ähnlichen Wortlaut wie die entsprechende Vorschrift des deutschen Rechts hat (BGH, Urteile vom 29. September 1977 - II ZR 204/75, WM 1977, 1322 und vom 23. Januar 1996 - VI ZR 291/94, NJW-RR 1996, 732).
2. Soweit das Berufungsgericht die vom Kläger in zweiter Instanz vorgenommene Umstellung der Klage auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag als unzulässig angesehen hat, hält dies jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
Dabei kann offenbleiben, ob dem Berufungsgericht insoweit zu folgen ist, als es für den Scheckprozeß davon ausgeht, daß die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bejahte grundsätzliche Anwendbarkeit des § 596 ZPO auch im Berufungsverfahren (vgl. BGHZ 29, 337, 339 f.; 69, 66, 69; Senatsurteile vom 1. Februar 1994 - XI ZR 105/93, WM 1994, 455, 456 und vom 19. Oktober 1999 - XI ZR 308/98, WM 1999, 2324, 2326) seit dem Inkrafttreten der ZPO-Reform am 1. Januar 2002 keine Geltung mehr beanspruchen könne (so auch Zöller/ Greger, ZPO 24. Aufl. § 596 Rdn. 4; a.M. dagegen Schellhammer, Zivilprozeß 10. Aufl. Rdn. 1841; Musielak/Voit, ZPO 3. Aufl. § 596 Rdn. 7). Die Klägerin hat sich nicht darauf beschränkt, in der Berufungsinstanz vom Urkundenprozeß (Scheckprozeß) abzustehen und in das ordentliche Verfahren überzugehen. Sie hat darüber hinaus den Klageanspruch ausgewechselt , indem sie ihre Klage nicht mehr auf Forderungen aus dem Scheck, sondern auf solche aus dem Kaufvertrag gestützt hat. Die Zulässigkeit der darin liegenden Klageänderung muß - unabhängig von der
Frage der Zulässigkeit der Abstandnahme vom Urkundenprozeß - am Maßstab des § 533 ZPO geprüft werden. Die Zulässigkeit dieser Klageänderung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint.
Nach § 533 Nr. 2 ZPO ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn die geänderte Klage auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat zur Berechtigung der Kaufpreisforderung keine Feststellungen getroffen. Ohne die Klageänderung kommt es auf solche Feststellungen auch nicht an, da die Scheckklage - wie dargelegt - unzulässig ist.

III.


Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl

Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.

Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 48/10 Verkündet am:
1. März 2011
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 2 Abs. 1

a) Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte
nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO reicht es aus, dass diese erst im Laufe des
Rechtsstreits eingetreten ist.

b) Die danach einmal begründete internationale Zuständigkeit des Gerichts
bleibt auch dann erhalten, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe
des Rechtsstreites wegfallen (perpetuatio fori).
BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Dr. Matthias

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Zwischenurteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 28. Januar 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten im Rahmen eines Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
2
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung und Rückzahlung mehrerer Darlehen in Anspruch, die sie dem Beklagten , einem Steuerberater und Wirtschaftprüfer, gewährt hatte. Der Beklagte, der bis dahin in G. gelebt hatte, meldete sich am 3. März 2006 nach D. ab und mietete sodann ab dem 26. Mai 2006 eine Wohnung in S. (Frankreich) an.
3
Rund einen Monat später, am 6. Juli 2006, hat die Klägerin bei dem Amtsgericht U. Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklag- ten über eine Hauptforderung von 485.362,99 € nebst Zinsen und Kosten gestellt. Nach antragsgemäßem Erlass des Mahnbescheids und Zustellung des darauf gestützten Vollstreckungsbescheides am 12. Oktober 2006 hat der Beklagte mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 Einspruch eingelegt und die mangelnde "örtliche Zuständigkeit" des Landgerichts G. gerügt, an das die Sache vom Mahngericht abgegeben worden war. In der Folge hat der Beklagte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gerügt, sodann im Dezember 2007 mitgeteilt, er habe seinen Wohnsitz "ab Weihnachten 2006" wieder nach G. verlegt, und schließlich kurz vor der auf den 8. Mai 2008 terminierten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht G. mit Schriftsatz vom 6. Mai 2008 vorgetragen, seine ladungsfähige Anschrift befinde sich nunmehr wieder in S. (Frankreich). In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht G. hat der Beklagte die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit aufrechterhalten und hilfsweise zur Sache verhandelt.
4
Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung von 466.678,57 € nebst Zinsen verurteilt; der von ihm erhobenen Widerklage hat es teilweise stattgegeben und im Übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die dagegen von beiden Parteien eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und mit dem angefochtenen Zwischenurteil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassen Revision.

Entscheidungsgründe:

5
Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestehe ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte seinen Wohnsitz erst nach Rechtshängigkeit des Verfahrens wieder nach Deutschland und vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erneut nach Frankreich verlegt habe. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich aus Art. 5 Abs. 1 a) EuGVVO (Gerichtsstand des Erfüllungsortes). Etwas anderes folge auch nicht aus den Sonderregelungen der Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 EuGVVO, die für Verbrauchersachen eine ausschließliche Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Verbrauchers begründeten. Dabei könne die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei den Darlehensverträgen um Verbraucherdarlehen handle, offen bleiben. Verlege nämlich der Verbraucher - wie hier geschehen - seinen Wohnsitz während des Prozesses in den Mitgliedstaat, in dem der Prozess anhängig sei, so seien die Voraussetzungen der Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 EuGVVO am Gerichtsort erfüllt, ohne dass es auf eine daneben bestehende besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 a) EuGVVO und auf deren Verhältnis zur ausschließlichen Zuständigkeit gemäß Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 EuGVVO ankomme. Für die nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen begründete internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte genüge auch ein nachträglicher Eintritt der Zuständigkeit; der erneute Wegzug des Beklagten nach S. (Frankreich) ändere an der Zuständigkeit nichts, da eine einmal begründete Zuständigkeit unabhängig von einer späteren Veränderung der sie begründenden Umstände fortbestehe (sogenannter Grundsatz der perpetuatio fori).

II.

8
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
9
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urteile vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff. und vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 17 mwN) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht.
10
1. Diese richtet sich hier - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO; im Folgenden : Verordnung), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden (Art. 76, 66 EuGVVO) und weil der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Frankreich als Mitgliedstaaten eröffnet ist.
11
2. Danach sind die deutschen Gerichte bereits deshalb zuständig, weil der allgemeine Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO begründet ist. Personen , die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, sind nach dieser Vorschrift, vorbehaltlich hier nicht gegebener Sonderfälle, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, hat der Beklagte ab Weihnachten 2006, also zumindest nach Klageerhebung (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) und vor dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung seinen Wohnsitz in G. unterhalten. Dies war zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausreichend. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
12
a) Ohne Erfolg wendet sie ein, der Beklagte habe nicht vorgetragen, seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegt zu haben, sondern lediglich - was nicht ausreichend sei - seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Diese Rüge geht bereits deshalb fehl, weil es sich bei der von der Revision beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nach seinen Angaben ab Weihnachten 2006 seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegt, um eine tatbestandliche Feststellung handelt. Diese ist auch dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen, weil der dagegen erhobene Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) des Beklagten durch das Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Diese Zurückweisung ist nach § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO endgültig; sie kann nicht mit der Revision angegriffen (§ 557 Abs. 2 ZPO) und die begehrte Richtigstellung des Tatbestands nicht mit Hilfe einer Verfahrensrüge erreicht werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 24 mwN sowie Beschluss vom 5. Februar 2009 - V ZR 159/08, juris Rn. 2).
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b) Zutreffend ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte reiche es aus, dass diese erst im Laufe des Rechtsstreits eingetreten sei.
14
aa) Wie auch die Revision nicht in Abrede stellt, entspricht dies der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (Saenger/Dörner, ZPO, 4. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 4; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 1828; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 20; Wieczorek/ Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., Anh. I § 40, EuGVÜ Art. 2 Rn. 26; Musielak/ Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 8; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., vor Art. 2 EuGVO Rn. 13; MünchKommZPO/Patzina, 3. Aufl., § 12 Rn. 80; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 56; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 447; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. Art. 2 EuGVVO Rn. 7, jeweils mwN) und in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (siehe etwa OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1997, 66, 67 und OLG Saarbrücken, RIW 1980, 796, 799 zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ). Auch der Bundesgerichtshof hat - nach Erlass des Berufungsurteils - zu der im Wesentlichen vergleichbaren Regelung des Art. 8 Abs. 1 EuEheVO entschieden, dass der nachträgliche Eintritt der Voraussetzungen für die Begründung der internationalen Zuständigkeit ausreichend ist (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9). Der erkennende Senat schließt sich dem an. Da Art. 8 Abs. 1 EuEheVO - anders als Art. 2 EuGVVO - seinem Wortlaut nach für die internationale Zuständigkeit sogar ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9), muss der Grundsatz für Art. 2 EuGVVO, der eine entsprechende Regelung zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts nicht enthält, erst recht gelten. Nur bei einer solchen Sichtweise lässt sich die den Grundsätzen der Prozessökonomie widersprechende Folge vermeiden, dass sich das angerufene Gericht zunächst gemäß Art. 26 Abs. 1 EuGVVO für unzuständig erklären müsste, der Kläger aber im Anschluss daran vor demselben Gericht angesichts des nunmehr in dessen Zuständig- keitsbereich wohnenden Beklagten sogleich ein neues Verfahren einleiten könnte (ebenso BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 EuEheVO).
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bb) Anders als die Revision meint, steht dies auch nicht in Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Verordnung. Dabei kann die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage dahin stehen, ob die EuGVVO - wie die Revision geltend macht - gerade auch in der hier interessierenden Frage, an welcher Sach- und Rechtslage sich das Gericht bei der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit in zeitlicher Hinsicht zu orientieren hat, autonom auszulegen ist, obwohl die Verordnung für die Entscheidung, woran sich die internationale Zuständigkeit in zeitlicher Hinsicht zu orientieren hat, keine unmittelbar einschlägige Regelung enthält (vgl. hierzu etwa MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 19; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., vor Art. 2 EuGVO Rn. 12 und 19; Musielak/ Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 5). Auch bei autonomer Auslegung der Begriffe der Verordnung stehen die in ihr enthaltenen Gerichtsstandsbestimmungen der Berücksichtigung eines nach Klageerhebung begründeten Wohnsitzes nicht entgegen, so dass keine Gefahr besteht, entgegen den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) könnten die Gleichheit und Einheitlichkeit der sich aus der Verordnung für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen ergebenden Rechte und Pflichten beeinträchtigt werden (vgl. EuGH, Slg. 1983, 3663 Rn. 13 f.).
16
(1) Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihre entgegenstehende Auffassung auf den Schutzzweck der Wohnsitzanknüpfung in Art. 2 EuGVVO. Wie sie zutreffend sieht, besteht dieser nach der Rechtsprechung des EuGH darin, dem Beklagten als dem in der Regel schwächeren Vertragspartner die gerichtliche Wahrnehmung seiner Rechte zu erleichtern; er soll sich möglichst vor dem für ihn am leichtesten zugänglichen Gericht gegen die Klage verteidigen dürfen (vgl. EuGH, Slg. 2000, I-5925 Rn. 34 f. zur gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 2 Satz 1 EuGVÜ; ebenso: Saenger/Dörner, ZPO, 4. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 1; Staudinger/Hausmann, BGB, Bearb. 2002, Anh. II zu Art. 27-37 EGBGB Rn. 18). Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, spricht dieser Schutzzweck für die Auffassung des Berufungsgerichts, die nachträglich eingetretene internationale Zuständigkeit zu berücksichtigen, und dagegen, für die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts abschließend auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen. Das für den Beklagten nach Klageerhebung am leichtesten zugängliche Prozessgericht ist nämlich für gewöhnlich das örtlich zuständige Gericht seines aktuellen Wohnsitzes, nicht hingegen das Gericht seines früheren Wohnsitzes. Jedenfalls nachdem der Beklagte seinen Wohnsitz wieder nach G. verlegt hatte, war es für ihn leichter, sich vor dem dortigen Landgericht zu verteidigen als vor den Gerichten eines anderen Staates. Ein schützenswertes Interesse des Beklagten, sich vor dem Gericht seines früheren Wohnsitzes gegen die - dort noch nicht erhobene - Klage zu verteidigen, ist hingegen nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht aufgezeigt.
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(2) Entgegen der Auffassung der Revision steht die hier vertretene Auffassung auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH, nach welcher die Auslegung der für die Gerichtsstandsbestimmung maßgeblichen Vorschriften nicht zu einer Zuständigkeit führen darf, die von ungewissen Umständen abhängt und damit dem Ziel der Verordnung zuwiderliefe, den Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und dass für einen verständigen Beklagten erkennbar ist, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (EuGH, Slg. 2004, I-1417 Rn. 36 und Slg. 2006, I-6827 Rn. 25, jeweils mwN). Ein nach Klageerhebung eintretender Wohnsitzwechsel des Beklagten ist als tatsachenabhängige Sachurteilsvoraussetzung feststellbar und begründet gemäß Art. 27 ff. EuGVVO nur dann nachträglich die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, wenn nicht bereits zuvor wegen desselben Anspruchs eine Klage vor dem bis zu dem Wohnsitzwechsel des Beklagten international zuständigen Gericht eines anderen Mitgliedstaates angebracht wurde (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 EuEheVO). Soweit in einem solchen Fall voneinander abweichende nationale Prozessordnungen aufeinander treffen, gelten hierfür nach Art. 30 EuGVVO klare Regeln, die einem strikten Prioritätsprinzip folgen (Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 30 Rn. 1). Unklarheiten über den nach Art. 2 Abs. 1, Art. 16 Abs. 2 EuGVVO maßgeblichen Gerichtsstand des Beklagten können demzufolge nicht entstehen.
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(3) Aus den weiteren Bestimmungen der Verordnung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision ebenfalls nichts, das gegen die Berücksichtigung eines nach Klageerhebung begründeten Wohnsitzes spricht.
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(a) Soweit es dort in verschiedenen Regelungen heißt, dass Personen vor einem bestimmten Gericht "zu verklagen" sind (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO) bzw. "verklagt werden" können (Art. 3 Abs. 1 EuGVVO), wird hierdurch ersichtlich nur der tatsächliche Vorgang bezeichnet; eine Aussage über den Zeitpunkt, in welchem die Zuständigkeitsvoraussetzungen vorliegen müssen, enthalten die Vorschriften der Verordnung nach allgemeiner Meinung nicht (Geimer/ Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 2 EuGVVO Rn. 137; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 19; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., vor Art. 2 EuGVO Rn. 12; Musielak/ Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozess recht, 3. Aufl., EuGVVO Vor Art. 2 Rn. 7).
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(b) Aus Art. 26, 27 EuGVVO, wonach sich das angerufene Gericht unter bestimmten Voraussetzungen für unzuständig zu erklären hat, kann die Revision ebenfalls nichts für ihre Auffassung herleiten. Das Gericht hat sich nach diesen Vorschriften nur dann für unzuständig zu erklären bzw. das Verfahren auszusetzen , wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu dem jeweils maßgeblichen Zeitpunkt gegeben sind. Dass maßgeblicher und - wie die Revision geltend macht - im Interesse einer schnellen Entscheidung abschließender Zeitpunkt zwingend derjenige der Verfahrenseinleitung sein müsste, lässt sich den Vorschriften nicht entnehmen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wie schon daraus folgt, dass sich der Beklagte - außer in den vorliegend nicht einschlägigen Fällen eines ausschließlichen Gerichtsstandes i.S.d. Art. 22 EuGVVO - gemäß Art. 24 Satz 1 EuGVVO rügelos zur Sache einlassen kann. Das ist ihm naturgemäß erst im Prozessverfahren möglich (vgl. MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 26 Rn. 2 f.).
21
(c) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Hinweis der Revision auf Art. 30 EuGVVO. Nach dieser Vorschrift ist in Fällen doppelter Rechtshängigkeit einer Rechtssache bei verschiedenen Gerichten der Mitgliedstaaten für die Frage, welches Gericht im Sinne der Art. 27 ff. EuGVVO zuerst angerufen worden ist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der verfahrenseinleitende Schriftsatz bei der für die Zustellung zuständigen Stelle eingereicht worden ist. Auch das steht der Berücksichtigung eines nach Klageerhebung begründeten Wohnsitzes nicht entgegen. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, im Grundsatz solle der in Art. 30 EuGVVO geregelte Prüfzeitpunkt auch für die Gerichtsstandsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO gelten (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Anh. I Art. 2 EuGVVO Rn. 27; MünchKommZPO /Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 19; Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Vor Art. 2 Rn. 7), soll dies erklärtermaßen nicht ausschließen, dass das angerufene - zunächst nicht zuständige - Gericht durch eine Wohnsitzverlegung des Beklagten während des Prozesses ("ex nunc") international zuständig wird (MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 20; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Vor Art. 2 Rn. 7; für die nachträgliche Wohnsitzverlegung aus einem Nicht-Mitgliedstaat ebenso Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Anh. I Art. 2 EuGVVO Rn. 18; Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 5). Darüber hinaus fehlt es wegen der ausdrücklichen Begrenzung im Wortlaut des Art. 30 EuGVVO auf die Art. 27 ff. EuGVVO auch an einem normativen Anknüpfungspunkt dafür, den in Art. 30 EuGVVO geregelten Prüfzeitpunkt auch auf Art. 2 EuGVVO zu erstrecken (Löser, Zuständigkeitsbestimmender Zeitpunkt und perpetuatio fori im internationalen Zivilprozess, Diss. jur. 2009 S. 114).
22
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die einmal begründete internationale Zuständigkeit durch den während des Rechtsstreits erfolgten erneuten Wegzug des Beklagten nach Frankreich nicht nachträglich wieder weggefallen ist.
23
aa) Der im deutschen Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz (BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00, WM 2001, 1078, 1079 mwN), dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreites wegfallen (perpetuatio fori), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 9 U 47/07, juris Rn. 68; LAG Düsseldorf, EuZW 2008, 740, 742; Saenger/Dörner, ZPO, 4. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 4; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Anh. I Art. 2 EuGVVO Rn. 17; Geimer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 2 EuGVVO Rn. 137; MünchKommZPO/ Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 20; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 8; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., vor Art. 2 EuGVO Rn. 14 und Art. 16 EuGVO Rn. 2; Musielak/ Lackmann, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 2 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 56; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 451; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Vor Art. 2 Rn. 7) auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar.
24
bb) Wie die Revisionserwiderung zu Recht ausführt, ist er auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO anzuwenden. Von der Geltung des Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des EuGH für gemeinschaftsrechtliche Gerichtstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls - das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates - verfehlt würden (EuGH, Slg. 2004, I-1417 Rn. 35 ff. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und Slg. 2006, I-701 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; für eine Anwendbarkeit des Grundsatzes auch BGH, Beschlüsse vom 2. September 2009 - XII ZB 50/06, BGHZ 182, 204 Rn. 16 zu Art. 4, 7 HUVÜ 73 und vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 EuEheVO). Wie der EuGH entschieden hat, muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts in Fällen bleiben, in denen die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient (EuGH, Slg. 2006, I-701 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO), da man andernfalls den Gläubiger zwingen würde, gegen den Schuldner immer wieder dort vorzugehen, wo dieser sich gerade für kürzere oder längere Zeit niederlasse, und dadurch in der Praxis häufig eine Verlängerung des Verfahrens drohe (EuGH, Slg. 2006, I-701 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO).
25
So ist es hier. Das im Erwägungsgrund 11 der Verordnung zum Ausdruck gebrachte Ziel, im Interesse der Parteien Kompetenzkonflikte zu vermeiden , also die Frage, welches Gericht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für die Entscheidung zuständig ist, möglichst schnell zu beenden, würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn ein Kläger gehalten wäre, gegen den Beklagten immer wieder dort aufs Neue vorzugehen, wo dieser gerade für kürzere oder längere Zeit seinen Wohnsitz genommen hat (vgl. EuGH, Slg. 2006, I-701 Rn. 26 zu Art. 3 EuInsVO; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., vor § 12 Rn. 56; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rn. 451).
26
cc) Soweit die Revision für ihren gegenteiligen Standpunkt auf den Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 22. Juni 2005 (XII ZB 186/03, BGHZ 163, 248, 259 ff.) verweist, bleibt dies schon deshalb ohne Erfolg , weil der XII. Zivilsenat - anders als die Revision meint - mit dieser Entscheidung , die durch Besonderheiten des eine Kindesentführung betreffenden Falles gekennzeichnet war, den Grundsatz der perpetuatio fori für die internationale Zuständigkeit keineswegs generell ausgeschlossen hat; dies belegen schon die späteren Beschlüsse des selben Senats vom 2. September 2009 (XII ZB 50/06, BGHZ 182, 204 Rn. 16 zu Art. 4, 7 HUVÜ 73) und vom 17. Februar 2010 (XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 EuEheVO). Für den Streitfall kommt - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - insbesondere dem zuletzt genannten Beschluss Bedeutung zu, mit dem die Geltung des perpetuatio-fori-Grundsatzes für eine dem Art. 2 Abs. 1 EuGVVO vergleichbare Zuständigkeitsregel (Art. 8 Abs. 1 EuEheVO) bejaht wurde.
27
dd) Die Anwendung des Grundsatzes der perpetuatio fori steht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht im Widerspruch dazu, dass aus den dargelegten Gründen die zuständigkeitsbegründende Verlegung des Wohnsitzes nach Einleitung des Verfahrens zu berücksichtigen ist. Perpetuiert wird nur die Zuständigkeit, nicht die Unzuständigkeit. Die nachträgliche Zuständigkeitsbegründung des angerufenen Gerichts ist durch den Zuzug des Beklagten daher nur möglich, wenn nicht zuvor das bis zu diesem Zeitpunkt international zuständige Gericht eines anderen Vertragsstaates wegen desselben Anspruchs angerufen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, BGHZ 184, 269 Rn. 9 zu Art. 8 EuEheVO; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht , 8. Aufl., vor Art. 2 EuGVO Rn. 15; Staudinger/Pirrung, BGB, Bearb. 2009, C. ESGVO, Art. 8 Rn. C 55 f.).
28
3. Aus Rechtsgründen ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht hat, ohne zu klären, ob der Beklagte Verbraucher i.S.d. Art. 15, Art. 16 Abs. 2 EuGVVO ist. Auch in diesem Fall besteht nach dem Voranstehenden die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da die für Verbraucher geltende Sonderregelung des Art. 16 Abs. 2 EuGVVO - ebenso wie Art. 2 Abs. 1 EuGVVO - auf den Wohnsitz des Verbrauchers abstellt und lediglich dort für die Klage gegen einen Verbraucher einen ausschließlichen Gerichtsstand vorsieht (vgl. Saenger/Dörner, ZPO, 4. Aufl., EuGVVO Art. 16 Rn. 5). An der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte - gegebenenfalls nach Art. 16 Abs. 2 EuGVVO ausschließlich - begründende Wohnsitz des Beklagten sich innerhalb des hierfür relevanten Zeitraums vorübergehend in G. befand, ändert dies nichts.
29
4. Ob sich, wie das Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - angenommen hat, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Streitfall zusätzlich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO (Gerichtsstand des Erfüllungsortes ) ergibt, kann offen bleiben. An der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten ändert dies nichts. Sofern die Son- derregelungen für Verbrauchersachen keine Anwendung finden, kann die Klägerin - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - zwischen dem nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO am Wohnsitz des Beklagten eröffneten allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland und einem besonderen Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO frei wählen (vgl. nur Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., Anh. I Art. 3 EuGVVO Rn. 4; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 2 Rn. 5 und Art. 3 Rn. 1). Sind hingegen die für Verbrauchersachen geltenden Regelungen anwendbar, verdrängen sie gemäß Art. 15 Abs. 1, 16 Abs. 2 EuGVVO einen nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO am Erfüllungsort begründeten Gerichtsstand zu Gunsten des am Wohnsitz des Beklagten eröffneten Gerichtsstandes (vgl. EuGH, Slg. 2005, I-481 Rn. 32; OLG Frankfurt, WM 2009, 718, 719; Mankowski, RIW 1996, 1001, 1004).
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5. Die Auslegung der Art. 2 Abs. 1, 16 Abs. 2 EuGVVO erfordert entgegen der Anregung der Revision keine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung. Dies folgt zur Frage der Geltung des perpetuatio-fori-Grundsatzes bereits daraus, dass die betreffende Rechtsfrage vom EuGH grundsätzlich beantwortet ist und der erkennende Senat sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs anschließt (EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 13 f. und 21). Hinsichtlich des maßgeblichen Prüfzeitpunkts für die nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO zu beurteilende internationale Zuständigkeit ist die richtige Auslegung der Richtlinie aus den genannten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21; BVerfG, NJW 1988, 1456; BGH, Urteile vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 92 und vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09, WM 2010, 647 Rn. 35 mwN).
Wiechers Joeres Mayen Ellenberger Matthias

Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 30.10.2008 - 2 O 808/06 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 28.01.2010 - 8 U 161/08 -

Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

(1) Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann der Gerichtsvollzieher eine gepfändete Sache in anderer Weise oder an einem anderen Ort verwerten, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist. Über die beabsichtigte Verwertung hat der Gerichtsvollzieher den Antragsgegner zu unterrichten. Ohne Zustimmung des Antragsgegners darf er die Sache nicht vor Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung der Unterrichtung verwerten.

(2) Die Versteigerung einer gepfändeten Sache durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners anordnen.

Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.