Oberlandesgericht München Endurteil, 03. Juli 2015 - 10 U 642/15

bei uns veröffentlicht am03.07.2015
vorgehend
Landgericht München II, 13 O 5453/12, 09.01.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 10 U 642/15

Im Namen des Volkes

Verkündet am 03.07.2015

13 O 5453/12 LG München II

Die Urkundsbeamtin …

In dem Rechtsstreit

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

1) …

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

2) …

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2: Rechtsanwalt …

wegen Schadensersatzes

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2015 folgendes

Endurteil

1. Auf die Berufung des Klägers vom 19.02.2015 wird das Endurteil des LG München II vom 09.01.2015 (Az. 13 O 5453/12) in Ziff. 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger 1.461,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.07.2012 sowie weitere 186,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.07.2012 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

I.

Da seitens des Klägers keine Einwände gegen die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts vorgebracht werden, sind hierzu weitere Ausführungen entbehrlich.

Sachlich-rechtliche Mängel des Ersturteils sind nur in geringem Umfang festzustellen. Zu Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass das Landgericht ohne Begründung die sich aus der Quote errechnende Kostenpauschale in Höhe von 7,50 € nebst Zinsen aberkannt hat. Im Übrigen lässt das Ersturteil Rechtsfehler jedoch nicht erkennen.

1. Die Haftungsverteilung gemäß § 17 StVG ist sachgerecht. Der Kläger übersieht, dass das Erstgericht zutreffend den vom Beklagten zu 2) benutzten Weg als durch bauliche Maßnahmen gekennzeichneten, für den fließenden Verkehr vorgesehenen Fahrweg klassifiziert hat. Da der Berufungskläger hiergegen keine Einwände vorgebracht hat, war der rechtliche Schluss des Erstgerichts (vgl. hierzu S. 6 des Ersturteils) zutreffend, dass der Beklagte zu 2) mit seinem Fahrzeug gegenüber dem von der Ehefrau des Klägers gesteuerten Fahrzeugs bevorrechtigt war. Die klägerische Fahrerin musste daher im Lichte des § 1 II StVO die besondere Vorsicht des § 10 StVO beachten. Allein dieser Verstoß rechtfertigt bereits die überwiegende Haftung des Klägers.

In der Berufungsbegründung wird verschwiegen, dass nicht nur der Beklagte zu 2), sondern auch die klägerische Fahrerin die Schrittgeschwindigkeit nicht eingehalten hat (vgl. S. 4 des Ersturteils: 13-15 km/h). Die Einwände des Klägers im Schriftsatz vom 13.04.2015 (Bl. 182/183 d. A.) überzeugen nicht. Bei Unterstellung des klägerischen Vortrags, dass die Sicht bei Ausfahrt aus einer Waschbox besonders schlecht war, muss derjenige, der eine schlechte Sicht hat, besondere Vorsicht walten lassen. Hier muss sich der Wartepflichtige „eintasten“, also sehr langsam („zentimeterweise“, „unter Schrittgeschwindigkeit“), stets bremsbereit einfahren und bei gegebenem Anlass sofort bremsen. Damit soll erreicht werden, dass einerseits der bevorrechtigte Verkehr genügend Zeit hat, sich auf dieses Eintasten einzurichten und andererseits, dass der Wartepflichtige nahezu ohne Anhalteweg anhalten kann, wenn er einen bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer wahrnimmt (Senat NZV 1989, 394; ebenso KG NZV 1998, 376; 2010, 511). Im Hinblick auf diese klarstellenden Ausführungen des Klägers hat die klägerische Fahrerin noch weitaus deutlicher als vom Landgericht angenommen die gebotene Geschwindigkeit überschritten, so dass es nicht ansatzweise eine Veranlassung gibt, den Verstoß der klägerischen Fahrerin im Verhältnis zum Verstoß des Beklagten zu 2) geringer zu gewichten.

Unzutreffend wirft der Kläger dem Beklagten zu 2) vor, das Rechtsfahrgebot nicht beachtet zu haben (§ 2 II StVO). Das Rechtsfahrgebot beinhaltet nicht, dass stets rechts zu fahren ist, sondern nur, dass entsprechend der Verkehrssituation angemessen rechts zu fahren ist (vgl. BGH NZV 1996, 444). Nach den in der Berufung nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Beklagte zu 2) im Hinblick auf andere Verkehrsteilnehmer einen Sicherheitsabstand eingehalten und da das Vorrecht des Beklagten zu 2) sich auf die gesamte Fahrbahn der bevorrechtigten Straße bezog, kann der Kläger aus diesem Fahrverhalten des Beklagten zu 2) zu seinen Gunsten nichts herleiten.

Bei Heranziehung der überhöhten Geschwindigkeit und der Unachtsamkeit wegen des Angurtens ist in der Abwägung mit den schwerwiegenderen Verstößen der klägerischen Fahrerin eine Haftungsverteilung von 70 zu 30 zulasten des Klägers nicht zu beanstanden.

2. Bezüglich der Bemessung der Nutzungsausfallentschädigung sind Rechtsfehler ebenfalls nicht ersichtlich.

Bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem unstrittigen oder bewiesenen Haftungsgrund (Rechtsgutverletzung) und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO; vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 I 1 ZPO freier gestellt: Zwar kann er auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist; im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt - hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere oder deutlich höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301; BGH VersR 1968, 850 [851]; 1970, 924 [926 f.]; BGHZ 126, 217 ff. = NJW 1994, 3295 ff.; NJW 2003, 1116 [1117]; 2004, 777 [778]; NJW-RR 2005, 897; Senat NZV 2006, 261 [262], Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 546 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [juris] zurückgewiesen; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, Rz. 122] und zuletzt Urt. v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris]; OLG Schleswig NZV 2007, 203 [204]). § 287 I 1 ZPO entbindet aber nicht vollständig von der grundsätzlichen Beweislastverteilung und erlaubt es nicht, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den festgestellten Einzeltatsachen „alles offen“ bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (so BGH VersR 1970, 924 [927]; Senat NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]; v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschl. v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 [juris] zurückgewiesen; v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, Rz. 123]).

Bezüglich der Nutzungsausfallentschädigung hat das Landgericht unter sachgerechter Anwendung des § 287 ZPO eine Schätzung vorgenommen. Hierbei kann, wie der BGH zur Bemessung von Mietwagenkosten ausdrücklich bestätigt hat und wie von der Rechtsprechung auch zum Nutzungsausfallschaden seit Jahrzehnten angewandt wird, im Rahmen des Schätzermessens auf Listen wie der Schwacke-Liste zurückgegriffen und diese im Einzelfall wie hier durch Zu- oder Abschläge angepasst werden (vgl. BGH NJW 2011, 1947). Es bedurfte daher weder des Nachweises einer besonderen Sachkenntnis des Erstgerichts noch der Erholung eines Gutachtens über die Höhe des Tagessatzes der Nutzungsausfallentschädigung.

Das Erstgericht war im Hinblick auf das Alter des klägerischen Fahrzeugs nicht gezwungen, die - im Übrigen nicht begründete - Eingruppierung des Fahrzeugs in die Fahrzeugklasse A bei Sanden/Danner/Küppersbusch seitens des vorprozessualen Gutachters B. (vgl. Anlage K 9) zu übernehmen. Die vom Landgericht vorgenommene Schätzung erfolgte unter Beachtung der Rechtsprechung bei Fahrzeugen über 10 Jahren und ist daher nicht zu beanstanden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 92 II ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 17 Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge


(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 10 Einfahren und Anfahren


Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn ei

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(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Absicht einzufahren oder anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 29/07
vom
12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 29. Mai 2007 gegen den Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet.
2
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss NJW 2005, 1432). Der Senat hat bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das mit der Anhörungsrüge der Klägerin wiederholte Vorbringen in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
3
Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Unfallverletzung innerhalb von sieben Wochen ausgeheilt war und die Beschwerden der Klägerin erst spät nach dem Unfallereignis eingetreten sind. Im Hinblick darauf hat es gemäß § 287 ZPO keinen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beschwerdebild feststellen können. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.04.1999 - 17 O 6931/92 -
OLG München, Entscheidung vom 15.09.2006 - 10 U 3622/99 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.