I.
Der Kläger produziert ausschließlich konventionelle Kuhmilch, die er bis März 2015 an die Beklagte lieferte, die eine Großmolkerei betreibt. Die Parteien streiten um die Jahresendabrechnung des Milchgelds für die Jahre 2010 bis 2013 aufgrund einer bezifferten Leistungsklage sowie für 2014 und 2015 um den Berechnungsmodus aufgrund einer Stufenklage, mit der der Kläger in der 1. Stufe Rechnungslegung fordert.
Der Kläger ist Mitglied der nicht rechtsfähigen Milchliefergemeinschaft (MLG) M. und H. und als solches auch Mitglied der Milchvertriebsgemeinschaft (MVG) K., die für die in ihr organisierten Landwirte durch ihre Sprecher - die Zeugen H.-J. S., W. J. und J1. F. - mit der Beklagten die Milchkaufverträge aushandelte. Die Verträge wurden jeweils von den einzelnen Landwirten und der Beklagten unterzeichnet.
Im Milchkaufvertrag vom 10.04.2006 (Anlage K2) war bestimmt, dass sich der monatliche Milchauszahlungspreis aus dem Bayerischen Erzeugerorientierungspreis (EOP) sowie einem Verwertungszuschlag zusammensetzte (§ 4 Abs. 1). Hinzu kam ein milchmengenabhängiger Bonus nach einer in § 4 Abs. 3 enthaltenen Tabelle. In § 4 Abs. 4 sicherte die Beklagte zu, dass der Milchpreis im Jahresdurchschnitt um mindestens 0,15 ct über dem Durchschnitt aus dem durch die Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft GmbH veröffentlichten Milchpreis für die Region A. (ZMP-A.) liegt. Hierzu sollten eine Jahresauswertung durchgeführt und sich ergebende Nachforderungen bei der nächstfolgenden Milchgeldabrechnung ausgeglichen werden.
Während der Laufzeit des bis 31.03.2011 befristeten Vertrags fielen sowohl der Bayerische Erzeugerorientierungspreis (EOP) als auch der Milchpreis für die Region A. (ZMP-A.) weg. Der monatliche Milchauszahlungspreis wurde seither von der Beklagten einseitig festgesetzt. Für die jährliche Abrechnung vereinbarten die Parteien in einem Nachtrag vom 19.08.2009 als Ersatz für den bisherigen § 4 Abs. 4 folgende Regelung (Anlage K3):
„Der Käufer sichert zu, dass der Milchpreis des Käufers für die ganzjährige Lieferung von konventioneller Milch und bei Zahlung aller Zuschläge im Jahresdurchschnitt mindestens dem durchschnittlichen Milchpreis des Bundeslandes Bayern laut LfL + 0,15 Cent/kg entspricht. Datengrundlage ist die monatliche Meldepflicht der Milchwirtschaft nach § 5 Marktordnungswarenmeldeverordnung.“
Zugleich wurde eine Nachzahlung von 0,4 ct/kg für 2008 vereinbart.
Am 16.02./04.03.2011 verlängerten die Parteien diesen Vertrag unverändert bis 31.03.2012.
Der nächste Milchkaufvertrag vom 28.03.2012 (Anlage K5), der vom 01.04.2012 bis 31.03.2015 lief, verwies in § 4 Abs. 1 für die Berechnung des monatlich zu zahlenden Milchpreises auf Anlage 1 zu dem Vertrag sowie auf die jeweils gültigen Bestimmungen der Milch-Güteverordnung. In Anlage 1 wurde die oben zitierte Regelung aus dem Nachtrag vom 19.08.2009 wörtlich übernommen.
Allerdings war zum 15.11.2011 eine Änderung von § 5 Marktordnungswarenmeldeverordnung (im Folgenden MMV) in Kraft getreten, nach der die Preise und Milchmengen untergliedert nach Tierarten, jeweils unter gesonderter Angabe der Anlieferung der Milch, die nach unionsrechtlichen Vorschriften über die ökologische Produktion nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 erzeugt wurde, erfasst wurden. Infolgedessen wies die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Preise nicht mehr wie bis 2011 in einer Tabelle „Milchgeldauszahlung in Bayern“ aus, sondern ab 2012 in getrennten Tabellen „Milchgeldauszahlung an bayerische Erzeuger für Kuhmilch konventionell“ und „Milchgeldauszahlung an bayerische Erzeuger für Bio-Kuhmilch“ aus.
Aufgrund dieser Verträge erfolgte die monatliche Milchpreisermittlung für den streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig wie folgt:
„1. Der monatliche Grundpreis wird durch die Beklagte einseitig, jedoch unter Berücksichtigung des Marktpreises, bestimmt. Er gilt für alle Erzeuger, die an die Molkerei der Beklagten in A. liefern (Milchpreis A.). Von diesem Preis werden zunächst die Zuschläge für Landwirte, die nur jeden 2. Tag anliefern (Zwei-Tages-Zuschlag) mit 0,25 ct/kg, die Ausgleichszahlung mit 0,10 ct/kg sowie der durchschnittliche Mengenzuschlag von 0,62 ct/kg abgezogen und der Grundpreis ermittelt (vgl. Anlage B2).
2. Dieser Grundpreis gilt - wie bei allen bayerischen Molkereien - für Milch mit einem Fettgehalt von 4,2% und einem Eiweißgehalt von 3,4%. Liegen Fett- und Eiweißgehalt im monatlichen Durchschnitt höher oder niedriger, wird eine Preiskorrektur nach § 4 Abs. 2 Milch-Güteverordnung durchgeführt.“
Entsprechend werden Abzüge für Hemmstoffe nach § 4 Abs. 3 Milch-Güteverordnung vorgenommen.
3. Für jeden Erzeuger wird eine Ausgleichszahlung mit 0,10 ct/kg addiert (vgl. Anlage 1 (2) zum Vertrag vom 28.03.2012 (Anlage K5).
4. Diejenigen Erzeuger, die nur jeden 2. Tag anliefern, erhalten einen Lagerausgleich von 0,25 ct/kg, der ebenfalls monatlich ausbezahlt wird.
5. Jeder Erzeuger erhält einen Mengenbonus in unterschiedlicher Höhe abhängig von der monatlichen Menge der angelieferten Milch .
Zwischen den Parteien streitig ist, wie die Jahresendabrechnung vorgenommen werden muss, mit der die Regelung aus § 4 Abs. 4 des Vertrags vom 10.04.2006 (Anlage K2), dem Nachtrag vom 16.02./04.03.2011 (Anlage K4) und der Anlage 1 (1) zum Vertrag vom 28.03.2012 (Anlage K5) umgesetzt werden soll.
Der Kläger ist der Ansicht, der jährliche Betrag berechne sich aus der Differenz zwischen dem Basispreis des LfL + 0,15 ct/kg angelieferter Milch und dem durchschnittlich an alle Mitglieder der „MVG K.“ im jeweiligen Rechnungsjahr ausgezahlten Milchgeld. Außerdem dürfe auch für die Jahre ab 2012 nur der Preis für „Rohmilch aller Tierarten“ als LfL-Preis zugrunde gelegt werden, der dem in den Jahren zuvor allein veröffentlichten Basispreis entspreche.
Die Beklagte hat dagegen auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung den jährlichen Betrag aus der Differenz zwischen dem Basispreis des LfL + 0,15 ct/kg angelieferter Milch und dem Milchpreis A. berechnet. Seit dem Jahr 2012 legt sie als Basis den Preis laut der Statistik des LfL für konventionelle Kuhmilch zugrunde, da dieser die sachnächste Bezugsgröße darstelle.
Aus den unterschiedlichen Rechtsauffassungen ergeben sich folgende Nachforderungen, die der Kläger geltend macht:
Jahr
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Berechnung Kl.
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Zahlung Bekl.
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Klageforderung incl. 10,7% MWSt
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2010
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8.289,67 €
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5.663,24 €
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2.907,46 €
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2011
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10.806,19 €
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9.152,18 €
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1.830,99 €
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2012
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14.693,57 €
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6.791,15 €
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8.747,99 €
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2013
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14.281,26 €
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5.740,51 €
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9.454,62 €
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Summe
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22.941,05 €
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Für das Jahr 2014 hat der Kläger in 1. Instanz im Weg einer Stufenklage zunächst Rechnungslegung gefordert und nur eine unbezifferte Leistungsklage erhoben, für das Jahr 2015 hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Rechnungslegung auf der Basis seiner Rechtsauffassung verpflichtet sei.
Das Landgericht Augsburg hat einen gemeinsamen Gütetermin in diesem sowie 16 weiteren Verfahren, die die Milchgeldnachforderungen anderer Mitglieder der MVG K. gegen die Beklagte betreffen, durchgeführt und in diesem den Verhandlungsführer der MVG S. angehört. Sodann hat es die Klage insgesamt abgewiesen, da es in beiden Streitfragen der Rechtsauffassung der Beklagten gefolgt ist. Für die klägerische Behauptung, der Milchpreis für die jährliche Endabrechnung sei auf der Basis eines Vergleichs zum „Durchschnitt MVG K.“ zu ermitteln, enthalte der Vertrag nichts. Auch bei der Berechnung des Milchpreises auf der Basis „alle Lieferanten der Beklagten“ sei den Interessen des Klägers Rechnung getragen. Der gesetzliche Ausgleich für den Fett- und Eiweißgehalt der Milch finde statt; bei einer Bezugnahme auf den Durschnitt MVG K. käme es zu einer doppelten Berücksichtigung.
Für die Zeit ab Inkrafttreten der Änderung der MMV enthalte der Vertrag keine Regelung. Die Bezeichnung „Rohmilch aller Tierarten“ sei im Vertrag nicht enthalten. Die „Lieferung konventioneller Milch“ sei im Vertrag erwähnt, allerdings nicht in der Formulierung des § 5 MMV. Daher sei eine ergänzende Vertragsauslegung erforderlich. Der erkennbare Wille der Parteien gehe dahin, dass sie eine objektive, durch die Parteien nicht veränderbare Bezugsgröße für die Mindestpreisgarantie gewählt hätten. Da Kaufgegenstand konventionelle Kuhmilch sei und der Preis „Milchgeldauszahlung in Bayern“ gemäß MMV in den Vorjahren auch die Milch anderer Tierarten und biologische Milch umfasst habe, ohne dass erkennbar gewesen sei mit welchen Anteilen, sei der Vertrag ursprünglich so zu verstehen, dass die Beklagte sich auf einen Näherungswert in Ermangelung eines konkreteren Wertes eingelassen habe. Dies entspreche auch dem Interesse des Klägers an einem marktgerechten Preis.
Auch der Neuvertrag vom 28.03.2012 enthalte keine Regelung. Es sei nicht zu entnehmen, ob die Parteien sich der Änderung des § 5 MMV bewusst gewesen seien. Falls der Beklagten die Änderung bekannt gewesen sei, der Verkäuferseite aber nicht, komme eine Anfechtung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt des Irrtums in Betracht, die aber nicht erklärt worden sei. Der Bezug auf den Wert für konventionelle Kuhmilch ergebe sich aus dem Vertragstext. Der Kläger könne auch unter Schadensersatzgesichtspunkten keinen höheren Preis verlangen, weil er nicht dargetan habe, dass er durch anderweitigen Verkauf einen Mehrerlös in Höhe der Klageforderung hätte erzielen können.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge zunächst weiter verfolgt hat. Mit Schriftsatz vom 24.08.2016 (Bl. 315 ff. d. A.) hat er seinen Antrag hinsichtlich des Jahres 2015 umgestellt und beantragt nunmehr (korrigiert in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2016, Prot. S. 5 = Bl. 353 d. A.):
I.
Das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 18.11.2015, Az.: 24 U 24780/15, wird aufgehoben (gemeint ist offensichtlich Az.: 081 O 4758/14, vgl. Schriftsatz vom 25.01.2016, S. 2 = Bl. 213 d. A.).
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.941,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz
aus einem Betrag von 2.907,46 € seit 01.04.2011,
aus einem Betrag von 1.830,99 € seit 01.04.2012,
aus einem Betrag von 8.747,99 € seit 01.07.2013 und aus einem Betrag von 9.454,62 € seit 01.06.2014, zu bezahlen (Hauptforderung).
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.542,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen (außergerichtliche Rechtsanwaltskosten)
IV. Die Beklagte wird verurteilt, für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2014
-
1.auf erster Stufe ordnungsgemäß Rechnung zu legen über das dem Kläger vertraglich geschuldete Milchgeld, insbesondere unter Zugrundelegung des sog. Differenzbetrages, ermittelt aus dem Basispreis der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft für die betriebseigene Auszahlung für Rohmilch aller Tierarten, einschließlich aller Zuschläge, ohne Umsatzsteuer, ab Erfassungsstelle, mit Abschlusszahlung und Rückvergütung, bei 4,2% Fettgehalt und 3,4% Eiweißgehalt für 2014 in Höhe von 39,74 ct/kg und dem durchschnittlich im Jahr 2014 gezahlten Milchgeld an alle Mitglieder der MVG K. gesamt inklusive aller Zuschläge, ohne Umsatzsteuer, bei 4,2% Fettgehalt und 3,4% Eiweißgehalt (sog. Durchschnitt MVG K.),
-
2.auf zweiter Stufe erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Rechnungslegung an Eides Statt zu versichern und
-
3.auf dritter bzw. weiterer Stufe dem Kläger in noch zu bestimmender Höhe den nach der entsprechenden Rechnungslegung geschuldeten sog. Differenzbetrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.06.2015 auszuzahlen.
V. Die Beklagte wird verurteilt, für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.03.2015
-
1.auf erster Stufe ordnungsgemäß Rechnung zu legen über das dem Kläger vertraglich geschuldete Milchgeld, insbesondere unter Zugrundelegung des sog. Differenzbetrages, ermittelt aus dem Basispreis der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft für die betriebseigene Auszahlung für Rohmilch aller Tierarten, einschließlich aller Zuschläge, ohne Umsatzsteuer, ab Erfassungsstelle, mit Abschlusszahlung und Rückvergütung, bei 4,2% Fettgehalt und 3,4% Eiweißgehalt für 2015 in Höhe von 32,55 ct/kg und dem durchschnittlich im Jahr 2015 gezahlten Milchgeld an alle Mitglieder der MVG K. gesamt inklusive aller Zuschläge, ohne Umsatzsteuer, bei 4,2% Fettgehalt und 3,4% Eiweißgehalt (sog. Durchschnitt MVG K.),
-
2.auf zweiter Stufe erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Rechnungslegung an Eides Statt zu versichern und
-
3.auf dritter bzw. weiterer Stufe dem Kläger in noch zu bestimmender Höhe den nach der entsprechenden Rechnungslegung geschuldeten sog. Differenzbetrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.06.2016 auszuzahlen.
Der Kläger beanstandet, dass das Landgericht für alle dort anhängigen 17 Verfahren pauschal entschieden habe, obwohl es unterschiedliche Ortsgruppen gebe. Das Landgericht habe die Berechnung des Milchgeldes nicht verinnerlicht.
Der Wortlaut der Verträge ergebe nicht eindeutig, ob als Bezugsgröße der Durchschnitt MVG K. oder der Durchschnitt Molkerei M. heranzuziehen sei. Für die Auslegung des Klägers spreche, dass die MVG K. in den Verträgen erwähnt sei. Am 15.03.2012 sei zusätzlich vereinbart worden, dass die Landwirte der MVG K. stets als Gruppe betrachtet und Verhandlungen generell mit den Vertretern der Liefergruppe geführt würden (Anlage K11). Die Berechnung anhand des der Durchschnitts MVG K. führe nicht zu einer doppelten Berücksichtigung der Zuschläge für Fett und Eiweiß. Die Beklagte habe 2010 bis 2013 jährliche Milchgeldabrechnungen für die MVG K. erstellt (Anlage K7-10). Die Berechnung sei nicht einmal nach den Angaben der Beklagten richtig, weil bei der Ermittlung des Grundpreises schon der Mengenzuschlag eingerechnet sei, der nicht für jeden Lieferanten gleich sei.
Bis 2011 habe es nur einen Wert für den Milchpreis gewesen, der vom LfL veröffentlicht worden sei. Dabei handele es sich um den nunmehrigen Preis für „Rohmilch aller Tierarten“. Der Preis für konventionelle Kuhmilch sei zwischen 0,40 und 0,45 ct/kg niedriger als dieser. Die Höhe des Zuschlags zur Bezugsgröße des LfL sei stets Kern der Verhandlungen gewesen. Den Parteien sei die Änderung der Bezugsgröße nicht bekannt gewesen. Das Landgericht habe die angebotenen Zeugenbeweise nicht erhoben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine vertragliche Vereinbarung, dass als Maßstab der Ausgleichszahlung der „Durchschnitt MVG K.“ gelten soll, habe es nie gegeben; sie werde auch vom Kläger nicht behauptet. Weder die MVG K. noch die Ortsgruppe M./H. werde im Vertrag erwähnt. Die Statistik in Anlagen K7-10 sei nie als Abrechnungsbasis vereinbart und erstellt worden. Der vereinbarte und gezahlte Milchpreis liege zwingend über dem Marktpreis.
Sowohl im Altvertrag als auch im Neuvertrag vom 28.03.2012 sei der „durchschnittliche Milchpreis des Bundeslandes Bayern“ die Bezugsgröße gewesen. Schon der Bestand einer Regelungslücke sei fraglich, jedenfalls sei sie nicht planwidrig.
In den Anlagen zu den Verträgen sei erwähnt, dass der Kläger „für die Lieferung seiner konventionellen Milch“ den Preis erhalte. Eine Bezugnahme auf „Rohmilch aller Tierarten“ sei nicht zu entnehmen. Diese habe die MVG K. erstmals im Schreiben vom 14.08.2013 (Anlage B4) gefordert. Die Beklagte habe 2012 eine Sonderzahlung von 0,21 ct/kg geleistet, die jedenfalls berücksichtigt werden müsse.
Der Senat hat den Parteien mit der Ladungsverfügung vom 04.05.2016 eine vorläufige Einschätzung der Rechtslage mitgeteilt und in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2016 die Zeugen S., F., J. und M. vernommen. Auf die weiter benannten Zeugen R., L., M. und Sch. hat der Kläger verzichtet (Prot. S. 15 = Bl. 363 d. A.).
Für die Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
II.
1. Der Kläger kann für die Jahre 2010 und 2011 keine Nachzahlung beanspruchen. Die Beklagte hat den Betrag der Nachzahlung korrekt ermittelt.
In § 4 Abs. 4 des Milchkaufvertrags vom 10.04.2006 (Anlage K2) und Ziffer 1 des Nachtrags vom 19.08.2009 (Anlage K3) sichert die Beklagte dem Kläger zu, dass der Milchpreis für die ganzjährige Lieferung von konventioneller Milch und bei Zahlung aller Zuschläge, im Jahresdurchschnitt mindestens dem durchschnittlichen Milchpreis des Bundeslandes Bayern laut LfL entspricht. Diese Zusicherung, immer um 0,15 ct/kg über dem durchschnittlichen Marktpreis in ganz Bayern zu bezahlen, wird eingehalten, wenn man - wie es die Beklagte getan hat - die Ausgleichszahlung aus der Differenz des durchschnittlichen Milchpreises des Bundeslandes Bayern laut LfL + 0,15 ct/kg minus dem Milchpreis der Beklagten („Milchpreis A. “ laut Anlage B1) errechnet. Der von der Beklagten nach Ermessen festzusetzende Milchpreis A. ist Ausgangspunkt der Berechnung für das monatlich zu zahlende Milchgeld. Es ist konsequent, die vertragliche Zusicherung eines Mindestpreises durch die jährliche Ausgleichszahlung auf denselben Milchpreis A. zu beziehen. Die Zusicherung in Ziffer 1 des Nachtrags vom 19.08.2009 zum Milchkaufvertrag vom 10.04.2006 und in Ziffer 1 der Anlage 1 zum Milchkaufvertrag vom 28.03.2012 dient - gerade seitdem der Bayerische Erzeugerorientierungspreis (EOP) nicht mehr zur Verfügung steht - dazu, sicherzustellen, dass die Ermessensausübung der Beklagten bei Bestimmung des Milchpreises A. in einer Weise erfolgt, die die Interessen der Erzeuger beachtet; denn wenn der Milchpreis A. besonders niedrig festgesetzt würde, müsste die Beklagte dies mit einer besonders hohen Nachzahlung am Jahresende ausgleichen.
Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass die Zusicherung eine nochmalige Entlohnung der konkret von den Mitgliedern der MVG K. angelieferten Milch nach deren Qualitätsmerkmalen betreffen sollte; die Qualitätsmerkmale der Gehalte an Eiweiß und Fett einerseits sowie an Hemmstoffen andererseits werden ja bereits bei der Ermittlung des monatlichen Milchgelds berücksichtigt, ebenso wie die Zuschläge für Lagerhaltung (Zwei-Tages-Zuschlag) und der Mengenbonus.
Aus den Vertragstexten ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Berechnung anhand eines durchschnittlichen Milchpreises der MVG K. Der Begriff „MVG K.“ wird allein in der Fußzeile des Milchkaufvertrags vom 10.04.2006 (Anlage K2) bei der Wiedergabe des Dateinamens (LG MVG K. 2006.doc) erwähnt. Hieraus kann kein Schluss auf die Vereinbarung des Berechnungsmodus, den sich der Kläger vorstellt, gezogen werden.
Aus den Aussagen der Zeugen S., J. und F. ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Zeuge S., der Verhandlungsführer der MVG K. bei allen Verträgen war, angegeben, es sei klar gewesen, dass für die Berechnung des Nachschlags der an „uns“ (die MVG K.) gezahlte Milchpreis abzuziehen sei. Keiner der Zeugen behauptet aber, dass darüber mit dem Zeugen M., dem Verhandlungsführer der Beklagten, gesprochen worden wäre. Der Umstand, dass der Zeuge St. nach seiner Aussage (Prot. vom 15.09.2016, S. 8 = Bl. 356 d. A.) dem Zeugen M. deutlich gemacht hat, dass „wir nur für uns verhandeln, nicht für andere“, lässt keinen Schluss auf die vom Kläger behauptete Auslegung zu. Gegenstand der Verhandlungen war sowohl 2006 als auch beim Nachtrag 2009 jeweils die Höhe des Zuschlags zum ZMPbzw. LfL-Preis, nicht aber die Berechnungsweise.
Der erstmals vom Kläger in der Berufungsbegründung vom 25.01.2016 (S. 35 = Bl. 246 d. A.) erhobene Vorwurf, die Beklagte habe zu Unrecht vom „Milchpreis A.“ zunächst den vollen Zwei-Tages-Zuschlag abgezogen, während der Mengenzuschlag (zu Recht) nur mit einem Durchschnittswert berücksichtigt worden sei, bezieht sich auf die Ermittlung des monatlichen Milchpreises. Sie wurde vom Kläger während der gesamten Laufzeit der Milchkaufverträge seit 2006 bis 2015 nie beanstandet und wurde auch in erster Instanz von ihm nicht vorgebracht; die Berechnung der Klageforderung laut Anlagen K25, K27, K29 und K31 beruht auf dieser Vorgehensweise. Sie hält sich innerhalb des der Beklagten eingeräumten Ermessens bei der Ermittlung des Grundpreises, die vertraglich seit der Abschaffung des bayerischen EOP nicht geregelt war.
2. Für das erste Quartal 2012 kann der Kläger eine Nachzahlung beanspruchen, weil die Beklagte zu Unrecht als Vergleichswert den LfL-Preis für konventionelle Kuhmilch angesetzt hat.
Der Vergleichspreis, dessen Zahlung + 0,15 ct/kg die Beklagte im Nachtrag vom 19.08.2009 (Anlage K3) zusicherte, war mit dem „durchschnittlichen Milchpreis des Bundeslandes Bayern laut LfL“ eindeutig geregelt. Dieser Preis beruhte auf der Berechnung nach dem in Bezug genommenen § 5 MMV, der in seiner damaligen Fassung nur einen „Auszahlungsbetrag für Milch“ kannte, der neben konventioneller Kuhmilch auch ökologisch erzeugte Milch sowie Milch anderer Tierarten umfasste. Die Auslegung der Klausel war daher eindeutig.
Ab dem 01.01.2012 greift jedoch die Änderung von § 5 MMV, die zum 15.12.2011 in Kraft getreten ist, und die getrennte Erfassung der Mengen und Preise konventioneller Kuhmilch, ökologisch erzeugter Milch sowie Milch anderer Tierarten vorsieht. Die Auslegung der Regelung im Nachtrag vom 19.08.2009 führt daher zu keinem eindeutigen Ergebnis mehr. Da unstreitig keine der Parteien im Jahr 2009 vorhergesehen hatte, dass es während der Vertragslaufzeit zu einer Aufspaltung der in Bezug genommenen Statistik der LfL kommen wird, führt auch eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu keinem eindeutigen Ergebnis.
Der Vertrag enthielt daher eine planwidrige Regelungslücke, die durch die nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse geschaffen wurde; sie ist im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (BGH, Urteil vom 20. 09. 1993 - II ZR 104/92 -, BGHZ 123, 281, Rn. 17, Palandt / Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 157 Rn. 3). Dazu ist der hypothetische Parteiwille zu ermitteln.
Der Beklagten ging es darum - wie der Zeuge M. zum Ausdruck gebracht hat - einen Orientierungswert zu haben, der auf einer verlässlichen Datengrundlage beruhte; dazu wurde 2009 der von der LfL veröffentlichte „Auszahlungsbetrag für Milch“ gewählt, weil er der gelieferten konventionellen Milch am nächsten kam (Prot. vom 15.09.2016, S. 10 = Bl. 358 d. A.). Den Erzeugern ging es dagegen darum, einen über dem durchschnittlichen Marktpreis liegenden Preis für die von ihnen gelieferte Milch zu erzielen. Die Herausnahme der ökologisch erzeugten Milch aus der Statistik führt unstreitig zu einer Reduktion des Auszahlungsbetrages für konventionell erzeugte Kuhmilch gegenüber dem bis 2011 erhobenen alle Milcharten umfassenden Durchschnittswert um 0,40 bis 0,45 ct/kg. Der Vorteil der Erzeuger, die in den Verhandlungen seit 2006 stets einen um 0,15 ct/kg über dem veröffentlichten Vergleichswert liegenden Preis erzielt hatten, der Rohmilch aller Tierarten konventionell und biologisch erzeugt umfasste, hätte sich dadurch in einen Nachteil verwandelt.
Es ist nicht anzunehmen, dass die Erzeuger kompensationslos die Änderung der Bezugsgröße auf „Rohmilch konventionell“ hingenommen hätten. Wie kritisch die Erzeuger in den Verhandlungen auf eine Umstellung der Bezugsgröße reagierten, wurde schon im Jahr 2009 bei der Umstellung vom Preis „ZMP-A. “ auf den „Auszahlungsbetrag für Milch“ der LfL Bayern deutlich, wo der Zeuge S. - allerdings vergeblich - versuchte, einen erhöhten Zuschlag auszuhandeln, da die A. Preise etwas höher als der bayerische Durchschnitt lagen; erreichen konnte er jedoch einen einmaligen Bonus von 0,4 ct/kg für das Jahr 2008 (vgl. Prot. vom 15.09.2016, S. 6 = Bl. 354 d. A. und Anlage K3 unter Nr. 2). Der Zeuge S. hat glaubhaft angegeben, dass er als Verhandlungsführer der MVG K. einer Umstellung auf den nun ab 2012 zur Verfügung stehenden Vergleichswert ohne eine Kompensation bei der Höhe des Zuschlags nicht zugestimmt hätte.
Eine Treu und Glauben entsprechende Lösung, die den beiderseitigen Interessen entspricht, bietet die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, da sie - ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage - für die Jahre 2012 und 2013 noch den Wert für Rohmilch (alle Tierarten, konventionell und biologisch) ermittelt und veröffentlicht hat (vgl. http://www.lfl.bayern.de/ iem/milchwirtschaft/026234/index.php, wo die vom LfL ermittelten Werte seit 2003 abgerufen werden können) . Dieser Wert entspricht trotz einer weiteren statistischen Umstellung - ab 2012 ist die Anlieferung von Lieferanten aus anderen Mitgliedstaaten zu bayerischen Molkereien in der Statistik nicht mehr enthalten - dem früheren einheitlichen Wert am ehesten; das ergibt sich schon daraus, dass die LfL bei der Tabelle für Rohmilch (alle Tierarten, konventionell und biologisch) neben den Werten für 2012 die Vergleichswerte der alten Statistik für 2011 angibt. Bei der Statistik für Kuhmilch konventionell finden sich dagegen keine Vergleichswerte, sondern der Vermerk: „Aufgrund geänderter Datengrundlage ist der Vergleich zum Vorjahr nur bedingt möglich. Bis einschließlich 2011 wurde der Auszahlungspreis für Milch aller Tierarten (Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch) ausgewiesen. Es wurde nicht nach biologisch oder konventionell erzeugter Milch unterschieden. Ab 2012 werden konventionell und biologisch erzeugte Kuhmilch separat erfasst.“
Diese Lösung entspricht auch dem Interesse der Beklagten, der es vorrangig darauf ankam, dass der Preis an einen Marktpreis gebunden ist, für den es eine öffentliche Notierung gibt.
3. Auch für den Rest des Jahres 2012 sowie für 2013 kann der Kläger eine Nachzahlung auf der Grundlage des Wertes für Rohmilch aller Tierarten + 0,15 ct/kg verlangen.
Bei der Auslegung der Anlage 1 zum Neuvertrag vom 28.03.2012 (Anlage K5) ist zu berücksichtigen, dass im März 2012 die „Erste Verordnung zur Änderung der Marktordnungswarenmelde-Verordnung“ vom 02.12.2011 bereits im Bundesgesetzblatt vom 14.12.2011 (BGBl. I S. 2634) veröffentlicht war, die in ihrem § 5 die Umstellung der Statistik vorsah.
Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die nunmehr vorgesehene Statistik für Kuhmilch konventionell enthält der Vertragstext nicht. Er entspricht hinsichtlich der Vereinbarung des Milchpreises fast wörtlich dem Nachtrag vom 19.08.2009. Insbesondere ist die Zusicherung eines Milchpreises, der im Jahresdurchschnitt dem durchschnittlichen Milchpreis des Bundeslandes Bayern laut LfL + 0,15 ct/kg entspricht, gleich geblieben. Diese Zusicherung erfolgt zwar „für die Lieferung seiner konventionellen Milch“; diese Formulierung ist jedoch seit 2009 unverändert geblieben, als sie unstreitig keine Bedeutung hinsichtlich der Bezugsgröße hatte. Eine Bindung an den durchschnittlichen Milchpreis des Bundeslandes Bayern für konventionelle Milch laut LfL haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart.
Da die Wortlautauslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen und der Vertrag nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Für die Ermittlung des wirklichen Willens und die Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben kommt es darauf an, inwieweit die Vertragsparteien - bzw. auf der Seite des Klägers der Verhandlungsführer - Kenntnis von der Änderung der in Bezug genommenen Statistik hatten. Unstreitig wusste die Beklagte, dass diese Änderung bevorstand. Ihr Verhandlungsführer, der Zeuge M., hat bestätigt, dass es damals „Bestrebungen“ gegeben habe, „die biologische Ökomilch gesondert auszuweisen, was zu einem Sinken der bisherigen Bezugsgröße (LfL-Wert all in) in Höhe von etwa 0,4 ct/kg geführt hätte“ (Prot. vom 15.09.2016, S. 11 = Bl. 359 d. A.). Streitig ist dagegen, ob die Erzeugerseite diese Kenntnisse hatte, was der Kläger bestreitet. Die Beklagte behauptet dagegen, die Gesetzesänderung sei den Parteien bei den Verhandlungen bereits grob bekannt gewesen, weil sie in der Branche und den Verbänden über Jahre im Vorfeld diskutiert worden seien. Konkret behauptet sie, der Zeuge S. habe in den Verhandlungen die Auffassung vertreten, die geänderte Statistik müsse in dem neuen Vertrag durch eine höhere Preisgarantie (etwa LfL + 0,30 ct/kg) berücksichtigt werden (Schriftsatz vom 09.07.2015, S. 11 = Bl. 118 d. A.). Der Zeuge M. hat in seiner Vernehmung durch den Senat dazu angegeben, die bevorstehende Änderung sei auch Gegenstand seiner Verhandlungen mit dem Zeugen S. gewesen. Es sei aber noch nicht absehbar gewesen, wann und in welcher Weise Änderungen in der Veröffentlichungspraxis der LfL insoweit erfolgen würden. Im Ergebnis sei es bei der bisherigen Regelung „Milchpreis des Bundeslandes Bayern laut LfL + 0,15 ct/kg“ geblieben. Es sei ausdrücklich darüber gesprochen worden, dass es um konventionelle Milch gehe. Zugeständnisse habe die Beklagte bei der eintägigen Milchabholung, den Tabellenwerten für den mengenabhängigen Bonus und durch einen 0,5 ct/kg-Treuebonus gemacht, der zu dieser Zeit keineswegs üblich gewesen sei.
Der Zeuge S. hat dagegen bekundet, dass er erstmals im Februar/März 2013 - also fast ein Jahr nach Abschluss der Verhandlungen - aufgrund eines Artikels im landwirtschaftlichen Wochenblatt auf die Problematik mit den geänderten LfL-Veröffentlichungen aufmerksam geworden sei und den Zeugen M. beim nächsten der regelmäßigen Gespräche darauf angesprochen habe. Der Zeuge S. hat ebenso wie die Zeugen J. und F. ausgesagt, ihnen sei zur Zeit der Verhandlungen nichts von der bevorstehenden Änderung bekannt gewesen. Der Senat glaubt den Zeugen S., J. und F. Zwar ist nach Überzeugung des Senat der Zeuge S. tatsächlich mit der Forderung in die Verhandlungen gegangen, für die Nachschlagszahlungen eine Basis des LfL-Preises + 0,50 ct/kg zu erreichen, wie der Zeuge M. behauptet hat, und nicht nur mit + 0,30 ct/kg, wie der Zeuge S. selbst angegeben hat. Die 0,50 ct/kg wurden von den Zeugen J. und F. bestätigt. Jedoch wurde die 0,50 ct/kg-Forderung, die in den Verhandlungen schnell auf 0,30 ct/kg reduziert wurde (vgl. Schreiben des Zeugen S. an die Beklagte vom 02.02.2012, Anlagenkonvolut K37), nicht mit der Änderung der Bezugsgröße begründet. Dem Zeugen F. war keine konkrete Begründung bekannt. Der Zeuge J. sprach von einer Einstiegsforderung, die wie bei Tarifverhandlungen von Gewerkschaften höher liegen müsse. Aber auch der Verhandlungsführer der Beklagten, der Zeuge M., nannte als wesentliche Begründung, er sei gemunkelt worden, die Molkerei E. gewähre einen Zuschlag in dieser Höhe. Zwar nannte der Zeuge M. auch die bevorstehende Änderung der Veröffentlichungspraxis der LfL als Grund. Er schränkte aber selbst ein, dass noch nicht absehbar gewesen sei, wann und in welcher Weise eine Änderung erfolgen werde.
Die Aussage der Zeugen S., J. und F. erscheint insbesondere vor dem Hintergrund glaubhaft, dass eine „Einstiegsforderung“ von 0,50 ct/kg angesichts der durch die Veränderung der LfL-Veröffentlichung erwarteten Verschlechterung um 0,40 bis 0,45 ct/kg in Wirklichkeit eine Verschlechterung gegenüber dem zuvor gewährten Zuschlag von 0,15 ct/kg dargestellt hätte. Es erscheint für den Senat ausgeschlossen, dass der Zeuge S. als Verhandlungsführer der MVG mit einer derartigen Forderung in die Verhandlung mit der Beklagten gegangen wäre, wenn er von der bevorstehenden Veränderung der Bezugsgröße Kenntnis gehabt hätte. Die Verhandlungen haben auch - wie das Schreiben des Zeugen S. an seine Vorstandskollegen der MVG vom 04.11.2011 belegt (Anlage K37) - am 02.12.2011 und damit vor Bekanntmachung der Änderung der MMV begonnen. Hätte der Zeuge S. vor Abschluss der Verhandlungen von der Veränderung der Bezugsgröße während dem Lauf der Verhandlungen erfahren, so wäre mit einer Erhöhung der Forderung zu rechnen gewesen. Tatsächlich reduzierte der Zeuge S. die Forderung der MVG jedoch von zunächst +0,50 ct/kg über dem LfL-Wert auf +0,30 ct/kg; der Abschluss erfolgte schließlich bei +0,15 ct/kg.
Dies zugrundegelegt geht der Senat davon aus, dass der Zuschlag von 0,15 ct/kg nicht in unveränderter Höhe und mit einem unveränderten Wortlaut vereinbart worden wäre, wenn die Verhandler der MVG K. gewusst hätten, dass nunmehr die Preise für konventionelle Kuhmilch als Bezugsgröße gelten würden. Ihr tatsächlicher Wille ging vielmehr dahin, dass Bezugsgröße -wie in den Jahren 2009 bis 2011 - der Durchschnittswert für konventionelle Kuhmilch, ökologisch erzeugte Kuhmilch und Milch anderer Tierarten sein sollte. Der unveränderte Wortlaut spricht ebenfalls für diese Auslegung. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Vertragsparteien eine wesentliche inhaltliche Änderung im Vertragstext ausdrücklich und erkennbar festgehalten hätten.
Das Argument der Beklagtenseite, sie habe eine Bindung an einen Orientierungswert gewollt, der auf einer verlässlichen Datengrundlage den Marktpreis abbildet, erscheint demgegenüber aus Sicht des Senats nicht zwingend. Aus den bis 2011 veröffentlichten Daten des LfL ergeben sich nicht nur die Preise je kg bei tatsächlichem Fett- und Eiweißgehalt sowie umgerechnet auf die bundesweit gültigen Normwerte von 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß, sondern auch die gesamte Milchanlieferung in Bayern in kg sowie die gesamte Auszahlung ab Erfassungsstelle. Werden die Daten - wie ab 2012 - getrennt für konventionelle Kuhmilch und biologische Kuhmilch veröffentlich, kann rechnerisch ein gewichteter Durchschnittswert ermittelt werden. Tatsächlich hat die LfL diesen Durchschnittspreis für „Rohmilch (alle Tierarten, konventionell und biologisch)“ für die Jahre 2012 und 2013 dieser Durchschnittspreis noch veröffentlicht; er kann auf der bereits zitierten Website abgerufen werden. Ob der Wert für die Jahre 2014 und 2015, in denen eine Veröffentlichung nicht mehr erfolgt ist, bei der LfL abgefragt werden kann, ist zwar streitig. Doch selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre die Ermittlung des Durchschnittswertes aus den in der offiziellen Statistik veröffentlichten Daten möglich. Die damit verbundenen Umstände fallen angesichts der von der Beklagten insgesamt von den Mitgliedern der MVG K. angekauften Milchmenge nur wenig ins Gewicht, zumal der Vorgang nur einmal pro Jahr vorzunehmen wäre.
Diese Auslegung führt nicht zu einer gegen Treu und Glauben (§ 157 BGB) verstoßenden Benachteiligung der Beklagten. Im Gegenteil wird der Milchpreis für die jährliche Ausgleichzahlung im Ergebnis in gleicher Weise wie in den Jahren zuvor ermittelt. Dass die Beklagte ein solches Verständnis des Vertrages durch die Erzeugerseite nicht von vorneherein als undenkbar angesehen hat, zeigt sich in dem Umstand, dass sie im August 2013 eine einmalige Sonderzahlung von 0,21 ct/kg auf die Liefermenge von 2012 an alle Lieferanten der Molkerei A. geleistet hat. Der Zeuge S. hat überzeugend geschildert, dass es nach seinen Protesten und mehreren Gesprächen mit dem Zeugen M. schließlich zu einem Gespräch gekommen sei, bei dem auch der Geschäftsführer K. der Beklagten anwesend gewesen sei. Dieser habe zwar auf der Bindung an den LfL-Wert für konventionelle Kuhmilch beharrt, aber eine Einmalzahlung von 0,21 ct/kg angeboten (Prot. vom 15.09.2016, S. 7 = Bl. 355 d. A.). Zwar hat die Beklagte die Leistung als „Dankeschön für die Liefertreue, die Sie durch den Abschluss eines neuen Milchkaufvertrages bestätigt haben“ bezeichnet (vgl. Anlage BK22). Nach der Überzeugung des Senats stellt sich die Sonderzahlung jedoch als Entgegenkommen für die zahlreichen Lieferanten - nicht nur aus der MVG K. - dar, die nach Erhalt der Jahresabrechnung 2012 gegen die Zugrundelegung des Wertes für konventionelle Kuhmilch und die damit verbundene Schlechterstellung protestiert haben. Für dieses Verständnis der Sonderzahlung spricht auch, dass sie am 26.07.2013, also sehr spät für eine Treueprämie für den Vertragsabschluss vom 28.03.2012 angekündigt wurde. Außerdem war im Vertrag vom 28.03.2012 selbst bereits ein Treuebonus von 0,5 ct/kg auf die Jahresanlieferungsmenge 2011 gewährt worden (Anlage K5, § 4 Abs. 2). Schließlich hat die Beklagte ihren Lieferanten im Jahr 2014 noch eine weitere Treueprämie auf die Jahresanlieferungsmenge 2013 angeboten, die jedoch vom Kläger und weiteren Mitgliedern der MVG K. abgelehnt wurde. Die Beklagte selbst hat im Schriftsatz vom 09.07.2015 vorgetragen, dass die Sonderzahlung gewährt wurde, weil der Markt aufgrund der Änderung der Systematik bei der LfL-Veröffentlichung im Jahre 2012 leicht in Unruhe gewesen sei, weil kein Marktteilnehmer gewusst habe, wie die LfL in Zukunft die Preisveröffentlichungen handhaben würde. Die Preisveröffentlichung des LfL für 2012 war am 18.06.2012 erfolgt (vgl. Anlage K18).
Da es sich bei der Sonderzahlung daher nicht um einen Treuebonus, sondern um ein Entgegenkommen auf die berechtigte Nachforderung des Klägers und der weiteren Mitglieder der MVG K. handelt, ist sie auch auf die von der Beklagten geschuldete Nachzahlung anzurechnen.
Demgegenüber ist die im Jahr 2012 ausgezahlte Treueprämie gemäß § 4 Abs. 2 des Vertrags vom 28.03.2012 (Anlage K5) von 0,5 ct/kg auf die Jahresanlieferungsmenge des Klägers im Jahr 2011 nicht anzurechnen, weil sie auch nach Auffassung des Senats eine Vertragsabschlussprämie darstellt und in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Milchgeldberechnung steht.
4. Auf dieser Grundlage ergibt sich für den Kläger für die Jahre 2012 und 2013 folgender Anspruch auf eine Nachzahlung:
5. Der Zinsanspruch in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 291 BGB, für den Anspruch aus dem Jahr 2012 ab Ablauf der im Schriftsatz vom 15.04.2014 (Anlage K35) gesetzten Frist. Für das Jahr 2013 besteht der Anspruch erst ab Rechtshängigkeit der Klage, da insoweit keine Mahnung vorgetragen ist. Eine Bestimmung der Leistungszeit aus dem Kalender ergibt sich weder aus § 4 Abs. 4 des Milchkaufvertrages vom 10.04.2006 noch aus den späteren Verträgen.
Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus dem Anspruch auf Nachzahlung für das Jahr 2012 in Höhe von 2.597,06 € folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB. Einer Mahnung vor Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bedurfte es nicht, da die Beklagte gegenüber dem Verhandlungsführer der MVG K., dem Zeugen S., eine Nachzahlung abgelehnt hatte. Angesichts der Schwierigkeit der Rechtslage ist eine 1,6-Gebühr im Rahmen der Nr. 2300 VV-RVG angemessen; sie beträgt 321,60 €. Die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 € kommt hinzu.
In Bezug auf die Nachzahlung 2013 ist eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit nicht ersichtlich.
6. Bei der nach der zulässigen Klageänderung im Schriftsatz vom 24.08.2016 für die Jahre 2014 und 2015 erhobene Stufenklage ist derzeit nur über die erste Stufe zu entscheiden, die vom Kläger als Klage auf Rechnungslegung formuliert ist. Ein solcher Anspruch besteht nicht.
a) Zwar hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass mit dem Begriff „Rechnungslegung“ in den Anträgen IV. und V. des Schriftsatzes vom 24.08.2016 nicht gemeint sei, dass die Beklagte durch Vorlage von Belegen darstellen müsse, welche Zahlungen an die Mitglieder der MVG K. im einzelnen erfolgt seien (vgl. Prot. vom 15.09.2016, S. 3 = Bl. 351 d. A.); eben dies würde man allerdings unter dem Rechtsbegriff der Rechnungslegung verstehen (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O., § 259 Rn. 8). Ein solcher Anspruch besteht auch nicht, da der zwischen den Parteien bestehende Kaufvertrag keine Rechnungslegungspflicht für die Beklagte mit sich bringt.
Es besteht jedoch auch kein Anspruch darauf, dass die Beklagte die erforderlichen Daten dem Kläger zur Verfügung stellt, die er benötigt, damit der nach seiner Auffassung als zutreffend angesehene „Gesamtpreis MVG K.“ berechnet werden kann. Der „Gesamtpreis MVG K.“ hat für die Berechnung der jährlichen Nachzahlung keine Bedeutung (vgl. oben 1.). Zu dessen Berechnung kommt es auf den „Milchpreis A.“ in den betreffenden Jahren an, der dem Kläger aufgrund der Veröffentlichungen in der „Milchpost“ der Beklagten bekannt ist. Daneben kommt es auf den Preis gemäß der Statistik der LfL für „Rohmilch (alle Tierarten, konventionell und biologisch)“ an. Dieser Preis wurde zwar für die Jahre 2014/15 nicht mehr veröffentlicht, kann jedoch aufgrund der von der LfL veröffentlichten Daten berechnet werden. Der Kläger hat schon in 1 . Instanz für das Jahr 2014 einen „Milchpreis für konv. und ökol./biol. Kuhmilch“ von 39,20 ct/kg behauptet, der um 0,45 ct/kg über dem von der Beklagten herangezogenen Milchpreis für konventionell erzeugte Kuhmilch von 38,75 ct/kg liegt (vgl. Anlage K36 Rückseite); dabei dürfte es sich um den Preis für Rohmilch aller Tierarten konventionell und biologisch handeln, da die Milch anderer Tierarten neben der Kuhmilch mengenmäßig kaum ins Gewicht fallen dürfte.
Für 2015 behauptet der Kläger einen Auszahlungspreis für Kuhmilch gesamt (biologisch und konvetionell erzeugt) von 32,01 ct/kg bei 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß (vgl. Schriftsatz vom 24.08.2016, S. 16 = Bl. 330 d. A., Anlage Bk11). Eine Auskunft der Beklagten war zur Feststellung dieser Werte nicht erforderlich.
Darüberhinaus ist die vom Kläger gelieferte Milchmenge maßgeblich, die er zumindest aus seinen monatlichen Milchgeldabrechnungen kennt.
b) Insoweit ergeht die Entscheidung durch Teil-Endurteil. Über die weiteren Stufen der Anträge IV. und V. aus dem Schriftsatz vom 24.08.2016 kann der Senat noch nicht entscheiden. Ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Rechnungslegung entfällt zwar, da schon kein Rechnungslegungsanspruch besteht; der Antrag ist aber noch nicht unbedingt gestellt („erforderlichenfalls“). Ein bezifferte Leistungsklage hinsichtlich des sich ergebenden Betrages liegt noch nicht vor. Über die Leistungsstufe wird ggfls. zunächst das Landgericht zu entscheiden haben.
7. Die Zulassung der Revision beruht auf der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Die streitgegenständlichen Vertragsregelungen wurden von der Beklagten in Milchkaufverträgen mit einer Vielzahl von Erzeugern verwendet; allein beim Senat sind 16 weitere Rechtsstreitigkeiten anhängig, in denen es um die Auslegung dieser Verträge geht. Darüberhinaus ist die Ableitung des auszuzahlenden Milchpreises aus dem durchschnittlichen Milchpreis (eines Bundeslandes) branchenüblich.