Oberlandesgericht München Beschluss, 21. Apr. 2017 - Verg 1/17

bei uns veröffentlicht am21.04.2017
vorgehend
Vergabekammer Nordbayern, 21 VK-3194-42/16, 24.01.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 24.01.2017, Az. 21 VK-3194-42/16, aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, im Vergabeverfahren „Laborautomatisation, Klinische Chemie und Immunologie, Klinikum B. & R.-Kliniken“, EU Amtsblatt 2016/S 151-272849 auf Grundlage der derzeitigen Vergabeunterlagen und den geführten Verhandlungen den Zuschlag zu erteilen.

Im Falle fortbestehender Beschaffungsabsicht wird die Antragsgegnerin verpflichtet, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Erstellung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats durchzuführen.

II. Im Übrigen werden die sofortigen Beschwerde der Beigeladenen und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Beigeladenen je zu 1/3. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Verfahrensbeteiligten selbst.

-

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin schrieb die Laborautomatisation, Klinische Chemie und Immunologie für das Klinikum B. und die R.-Kliniken als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Streitgegenständlich ist ausschließlich das Los 2, das die R.-Kliniken betrifft. Die Bekanntmachung wurde im Supplement zum EU-Amtsblatt am 06.08.2016 veröffentlicht (Anlage ASt 1).

Am 17.10.2016 übersandte die Antragsgegnerin die Aufforderung zur Abgabe indikativer Angebote.

Im Leistungsverzeichnis führt die Antragsgegnerin unter „Ziele und Vorgaben“ aus, für die Kliniken des R.-Verbundes sei die Frage nach einer „Skalierbarkeit möglichst baugleicher Analyse-Automaten im Hinblick auf die Erfüllung sehr unterschiedlicher Kapazitätsanforderungen der 6 Kliniken … von besonderem Interesse“. „Im Zuge der engeren Zusammenarbeit der R.-Kliniken“ sollten „für alle R.-Standorte möglichst Systeme mit identischer Bedienoberfläche (Software) sowie identischen Reagenzien angeboten werden“ (Anlage BF 1).

Zudem enthält das Leistungsverzeichnis folgende „Ausschlusskriterien“:

„b) identische integrierte Systemplattformen für die Routineanalytik (identische Software, identische Reagenzien“) …

d) Troponin hs ist auf dem integrierten Routinesystem verfügbar…

e) Alle Routineparameter auf dem intergrierten System verfügbar“.

Unter „IT Los 2 R.“ Ziff. 5.1 „Bedienung“ ist ausgeführt:

„Die Systemsoftware aller Routine / Notfallsysteme verfügt über eine einheitliche durchgängige Anwenderoberfläche mit deutscher Bedienoberfläche“.

Es gingen verschiedene Bieteranfragen ein.

Auf die Bieteranfrage 16 „Alle Routineparameter auf dem integrierten System verfügbar. Was bedeutet in diesem Zusammenhang integriertes System?“ antwortete die Antragsgegnerin: „Unter dem Begriff integriertes System wird der gemeinsame Probeneingang für klinische Chemie und Immunologie verstanden“.

Zur Bieteranfrage 17 „Welche im Leistungsverzeichnis aufgeführten Parameter gelten als „Routineparameter“ erklärte die Antragsgegnerin: „Zu den Routineparametern werden alle Parameter mit einer Befundmenge von regelhaft > 500 p.a. verstanden“.

Bezüglich der Bieteranfrage 21 „Ist es möglich, die nachfolgenden Parameter (Anti-CCP, Cyfra, Holo-Transcobalamin, THS-Rezeptor-AK) über ein Fremdlabor (Standort B.) als Nachunternehmerschaft abarbeiten zu lassen?“ führte die Antragsgegnerin aus: „Der Anteil der im Rahmen des Angebots vorgestellten Fremdanalytik darf max. 15% der Gesamtbefundungsmenge darstellen“.

Auf die Bieteranfrage 32 „Los 2: Bezüglich der Parameter IL-6 ACTH, PTH 184 (Parathormon 1-84) und VD3H 1,25-(OH)2 Vitamin D3: Müssen diese Parameter zwingend auf dem integrierten System verfügbar sein / angeboten werden? Ist es auch akzeptabel, wenn Parameter der Gesamtliste (Befundzahlen < 650) auf einem Fremdgerät abgearbeitet werden?“ antwortete die Antragsgegnerin: „Ja, soweit diese insgesamt nicht mehr als 15% der gesamten Befundmenge betragen“.

Zur Bieteranfrage 44 „Wir bitten hier um Auflösung des Widerspruchs dergestalt, dass aufgrund der Maßgabe, dass alle Routineparameter, d.h. alle > 500 Befunde p.a., zwingend auf dem integrierten System anzubieten sind, die zulässige Fremdanalytik sich nur auf Parameter < 500 Befunde p.a. beziehen kann. D.h. Parameter wie Anti-CCP etc. mit über 500 Befunden p.a. können als Routineparameter nur auf dem integrierten System laufen und nicht als Fremdanalytik“ erklärte die Antragsgegnerin: „In den bisherigen Stellungnahmen wird angedeutet, dass alle Routineparameter mit einer Befundmenge > 500 Befundungen „regelhaft“ auf dem integrierten System anzubinden sind und nicht zwingend auf dem integrierten System vorhanden sein müssen“.

Bezüglich der Bieteranfrage 46 „Der „Routineparamter“ 1-25-OH Vitamin D (Los 2, Standort C., > 500 Befunde p.a.) kann unseres Wissens von keinem Anbieter auf einem hier geforderten integrierten System angeboten werden. Wir gehen davon aus, dass dieser Parameter auf einem Fremdsystem abgearbeitet werden oder in den Versand gegeben werden kann. Bitte bestätigen Sie uns diese Annahme“ führte die Antragsgegnerin aus: „Diese Annahme ist korrekt“.

Auf die Bieteranfrage 50 (gestellt von der Beigeladenen) „Dürfen wir davon ausgehen, dass eine Einreichung einer Standardvertragsvorlage inklusive der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig ist, wenn dies unter der Prämisse erfolgt, dass die Vorgaben aus den Vergabeunterlagen vorgehen und etwaige entgegenstehende vertragliche Regelungsvorschläge unwirksam sind?“ bestätigte die Antragsgegnerin am 26.10.2016: „Ja, diese Annahme ist korrekt“.

Die Antragsgegnerin führte am 15.11.2016 Bietergespräche u.a. mit der Beigeladenen und der Antragstellerin. Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben ein finales Angebot ab. Die Beigeladene bot für die Standorte N. und H. die Systemplattform Cobas 4000, bestehend aus den Geräten c 311 und e 411, für die übrigen Standorte die Systemplattform Cobas 6000 an. Nach der Wertung der Antragsgegnerin lag das Angebot der Antragstellerin auf der Rangstelle hinter dem Angebot der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 28.11.2016 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot aus vornehmlich wirtschaftlichen Gründen nicht berücksichtigt werde. Es sei beabsichtigt, spätestens am 09.12.2016 den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit E-Mail vom 04.12.2016 (Anlage ASt 7) wandte sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin:

„Es ist wichtig für mich zu wissen, wann das Musskriterium „identische, INTEGRIERTE Systeme, für das Los 2 R. aufgehoben wurde. Denn wenn dies nicht aufgehoben wurde … dann haben wir die Frage, wie der Zuschlag auf Roche mit Cobas C4000 an 2 Standorten fallen kann (es handelt sich dabei DEFINITIV nicht um INTEGRIERTE Geräte entsprechend ihrer Antwort auf die Bieteranfrage Nr. 16. … Cobas 4000 und Cobas 6000 haben weder identische Software noch identische Reagenzien … Aufgrund dieser Aspekte haben wir Zweifel daran, ob der Zuschlag auf die Firma R. mit einem Angebot, welches neben Cobas 6000 auch Cobas 4000 enthält, entfallen kann / darf. Es liegt mir viel daran, mit ihnen ein kurzes Gespräch zu führen, um diesen Sachverhalt zu klären“.

Die Antragsgegnerin erklärte mit Schreiben vom 06.12.2016, es liege ein vergaberechtskonformes Vorgehen vor. Die potentielle Abschwächung des Ausschlusskriteriums „Integrierte Plattform“ sei insbesondere auf die Bieteranfragen Nr. 32 und 44 allen Bietern bereits vor den Verhandlungsgesprächen am 15.11.2016 mitgeteilt worden.

Am 08.12.2016 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag eingereicht und beantragt,

  • 1.der Antragsgegnerin zu untersagen, im vorgenannten Vergabeverfahren den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen;

  • 2.die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in einen in das Ermessen der Vergabekammer gestellten Zeitpunkt vor Angebotswertung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, die Antragsgegnerin habe gegen § 17 Abs. 10 VgV verstoßen, indem sie über die von ihr selbst festgelegten Mindestanforderungen verhandelt habe. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbiete es, zu Gunsten eines Bieters auf bestimmte Mindestbedingungen zu verzichten, insbesondere wenn mindestens ein Bieter sie erfülle. Die von der Beigeladenen angebotene Systemplattform Cobas 4000 sei keine integrierte Systemplattform. Zudem fehle es bei den von der Beigeladenen angebotenen Systemplattformen Cobas 6000 und Cobas 4000 an einer einheitlichen, identischen Software und Bedienführung. Das zur Systemplattform Cobas 4000 gehörende Gerät c 311 könne Troponin hs nicht bearbeiten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Nachprüfungsantrag zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen. Die E-Mail vom 04.12.2016 erfülle nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge. Ein Vergaberechtsverstoß liege nicht vor. Verhandlungen über die Mindestanforderungen hätten nicht stattgefunden. Das Angebot der Beigeladenen weiche nicht von den Mindestanforderungen ab, die allen Bietern mit der Leistungsbeschreibung und konkretisiert durch die Antworten auf die Bieteranfragen zugänglich gemacht worden seien. Auf dem Gerät c 311 könnten sowohl immunologische als auch klinisch-chemische Parameter über den gleichen Probeneingang abgearbeitet werden. Eine komplett identische Bedienoberfläche habe die Antragsgegnerin nicht gefordert.

Die Beigeladene hat beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Die Antragstellerin habe etwaige Vergaberechtsverstöße nicht fristgerecht gerügt. Das Mindestkriterium identische Systeme sei niemals gefordert gewesen, sondern nur identische integrierte Systemplattformen für die Routineanalytik. Das Angebot der Beigeladenen erfülle die Anforderungen der Antragsgegnerin. Es sei widersinnig und bedienerunfreundlich, völlig identische Bedienoberflächen zu fordern. Das Angebot verstoße nicht gegen das Ausschlusskriterium „Troponin hs ist auf dem integrierten Routinesystem verfügbar“. Es gehe der Antragsgegnerin darum, Troponin hs In-House bearbeiten zu können und den Versand an ein externes Labor auszuschließen.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 24.01.2017 die Vergabestelle verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere genüge die E-Mail vom 04.12.2016 den inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge. Unschädlich sei, dass die Antragstellerin die Nichteinhaltung des Ausschlusskriteriums „Troponin hs ist auf dem integrierten Routinesystem verfügbar“ nicht gerügt habe. Dies sei für die Antragstellerin erst während des Nachprüfungsverfahrens erkennbar gewesen. Der Nachprüfungsantrag sei begründet. Das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen, da es gegen das Ausschlusskriterium „d) Troponin hs ist auf dem integrierten System verfügbar“ verstoße. Das Gerät e 411 der Systemplattform Cobas 4000 sei nur für immunologische Tests vorgesehen und daher kein integriertes System im Sinne der Definition. Die Bearbeitung von Troponin hs finde aber auf diesem Gerät statt. Das Ausschlusskriterium d) sei durch die Beantwortung der Bieteranfragen 32 und 44 auch nicht abbedungen worden. Eine teleologische Auslegung des Ausschlusskriteriums d) dahingehend, dass es der Antragsgegnerin nur um eine schnelle In-House-Bearbeitung gegangen sei, komme nicht in Betracht. Ob die Software der Systemplattformen Cobas 4000 und Cobas 6000 identisch sei, werde kritisch gesehen, sei aber nicht mehr entscheidungserheblich.

Dagegen wendet sich die Beigeladene mit ihrer sofortigen Beschwerde. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer habe die Antragsgegnerin mit den Antworten auf die Bieteranfragen 32 und 44 gleichzeitig auch das Ausschlusskriterium d) „Troponin hs ist auf dem integrierten System verfügbar“ aufgehoben. Daran ändere auch die Zeitkritikalität von Troponin hs nichts. Für einen kundigen Bieter sei offensichtlich, dass dieser Parameter nicht an ein Fremdlabor versendet werden könne. Das Ausschlusskriterium b) „identische Systemplattformen für die Routineanalytik (identische Software, identische Reagenzien)“ erfülle das Angebot der Beigeladenen ebenfalls. Die den Plattformen Cobas 6000 und Cobas 4000 zugrundeliegende Software sei identisch, daran änderten auch geringfügige Unterschiede in der Bedienoberfläche nichts. Zudem habe die Antragsgegnerin im Verhandlungsgespräch mit der Beigeladenen diese aufgefordert, ein überarbeitetes Angebot mit der Systemplattform Cobas 4000 für die Standorte N. und H. abzugeben. Die Antragsgegnerin habe bestätigt, dass die kleineren Anlagen die Anforderungen nach den Vergabeunterlagen erfüllten.

Zudem sei eine Wertung der Angebote nicht möglich. Da jeder Bieter eigene Standardvertragsunterlagen samt Allgemeiner Geschäftsbedingungen einreichen dürfe, seien die Angebote nicht vergleichbar. Auf diesen Verstoß hätten erst die Prozessbevollmächtigten die Beigeladene aufmerksam gemacht.

Die Beigeladene beantragt daher, den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern aufzuheben;

hilfsweise, der Antragsgegnerin zu untersagen, im Vergabeverfahren „Laborautomatisation, Klinische Chemie und Immunologie, Klinikum B. & R.-Kliniken“, EU- Amtsblatt 2016/S. 151-272849 auf Grundlage der derzeitigen Vergabeunterlagen den Zuschlag zu erteilen, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Beantwortung der Bieterfragen 16 ff. und der Abgabe der Angebote zurückzuversetzen und das Verfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht auf Basis überarbeiteter Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats fortzusetzen;

äußerst hilfsweise, andere geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Rechtsverletzung der Beigeladenen zu treffen.

Die Antragsgegnerin hat sich der sofortigen Beschwerde der Beigeladenen angeschlossen und beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt ebenfalls den Standpunkt, das Ausschlusskriterium d) „Troponin hs ist auf dem integrierten System verfügbar“ sei durch die Antworten auf die Bieteranfragen aufgehoben worden. Entgegen der Behauptung der Beigeladenen habe die Antragsgegnerin allerdings im Verhandlungsgespräch am 15.11.2016 nicht bestätigt, dass mit dem kleineren Analysesystem Cobas 4000 alle Anforderungen erfüllt seien, das Angebot sei nicht endgültig bewertet worden.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hält die sofortige Beschwerde für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Die Antragsgegnerin habe weder das Ausschlusskriterium e) noch das Ausschlusskriterium d) im Vergabeverfahren aufgegeben, jedenfalls nicht gegenüber allen Bietern. Das Angebot der Beigeladenen erfülle das Mindestkriterium d) nicht. Im Übrigen verletze das Angebot der Beigeladenen auch das Ausschlusskriterium b). Die Bedienoberfläche sei immanenter Teil der Software und müsse daher für alle Standorte identisch sein. Wenn die Antragsgegnerin tatsächlich der Beigeladenen erlaubt habe, Mindestkriterien nicht zu erfüllen, liege darin ein Verstoß gegen § 17 Abs. 10 VgV.

Der Vortrag der Beigeladenen, die Angebote seien nicht vergleichbar, könne nicht mehr berücksichtigt werden, da die Beigeladene dies schon vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens hätte rügen müssen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 den Zeugen F. vernommen. Auf das Protokoll der Verhandlung und die gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht nach § 172 Abs. 1 GWB erhoben. Die Entscheidung der Vergabekammer wurde der Beigeladenen am 01.02.2017 zugestellt. Gemäß § 175 Abs. 2, § 73 Nr. 2 GWB, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB begann die Frist mithin am 02.02.2017 um 0.00 Uhr und endete am 15.02.2017 um 24.00 Uhr. Die sofortige Beschwerde ging per Fax am 15.02.2017 um 18.06 Uhr bei Gericht ein.

2. Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit die Beigeladene sich gegen den Ausschluss ihres Angebots wendet. Allerdings hat auch der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin Erfolg, da eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen aufgrund der Vergabeunterlagen und der geführten Verhandlungen ebenfalls nicht in Betracht kommt. Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in das Stadium vor der Erstellung der Vergabeunterlagen und den geführten Verhandlungen zurückzuversetzen. Soweit die Beigeladene und die Antragstellerin weitergehende Ziele im Nachprüfungsverfahren verfolgen, bleiben sie erfolglos.

2.1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

2.1.1. Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 a) GWB, der Schwellenwert nach § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB ist überschritten.

2.1.2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat ein finales Angebot eingereicht, das die Antragsgegnerin aus wirtschaftlichen Gründen als - lediglich - zweitplatziertes Angebot gewertet hat. Die Antragstellerin hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, damit in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB und § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV verletzt zu sein. Aus welchen Gründen die Beigeladene meint (Schriftsatz vom 28.12.2016, S. 4, Bl. 335 der Akten der Vergabekammer), die Antragstellerin sei zwingend auszuschließen und daher nicht antragsbefugt, wird von der Beigeladenen nicht näher ausgeführt und erschließt sich auch sonst nicht.

2.1.3. Zu Recht hat die Vergabekammer einen Verstoß der Antragstellerin gegen die Rügeobliegenheiten, § 160 Abs. 3 GWB, verneint.

2.1.3.1. Das Schreiben der Antragstellerin vom 04.12.2016 (Anlage ASt 7) ist als ausreichende Rüge zu werten.

Hierfür muss die fragliche Äußerung des späteren Antragstellers gegenüber der Vergabestelle nur erkennen lassen, dass er einen bestimmten Sachverhalt als Vergaberechtsverstoß ansieht und eine Abhilfe erwartet. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller persönlich ohne Anwalt sowohl die Rüge erheben als auch das Verfahren vor der Vergabekammer betreiben kann, dürfen an den Wortlaut keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere muss eine Rüge nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2011, Verg 81/11, juris Tz. 25; Thüringer OLG, Beschluss vom 31.08.2009, 9 Verg 6/09, juris Tz. 36). Bei der Auslegung ist - in höherem Maße als bei einem Anwaltsschriftsatz - darauf abzustellen, was der Bieter vernünftigerweise meint und will (OLG München, Beschluss vom 06.12.2012, Verg 29/12, juris Tz. 23).

Diesen Anforderungen genügt die E-Mail der damals nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin vom 04.12.2016. Zwar beginnt die Mail mit einer Bitte um Rückruf und um Erläuterung, wann das Mindestkriterium „identische, Integrierte Systeme“ aufgehoben worden sei. Zugleich erklärt die Antragstellerin aber auch, sie hätte entsprechende Informationen nicht gehabt. Zudem macht die Antragstellerin geltend, sie habe Zweifel, ob der Zuschlag auf die Firma R. mit einem Angebot, welches neben Cobas 6000 auch Cobas 4000 enthalte, fallen könne / dürfe. Damit bringt die Antragstellerin hinreichend klar zum Ausdruck, dass sie die ihr unbekannte Aufhebung des Mindestkriteriums und die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Firma R. beanstandet. Eine Bezeichnung als Rüge ist, wie ausgeführt, nicht erforderlich.

2.1.3.2. Mit ihrem Schreiben vom 04.12.2016 rügt die Antragstellerin ausdrücklich, dass das von der Beigeladenen angebotene System Cobas 4000 kein integriertes System sei und die Systeme Cobas 4000 und Cobas 6000 nicht über eine identische Software verfügten, also die Mindestanforderungen „identische integrierte Systeme“ und „identische Software“ nicht erfüllen.

Des Weiteren führt die Antragstellerin aus, sie habe die Information, dass die Mindestanforderung „identische integrierte Systeme“ aufgehoben worden sei, nicht gehabt und könne nicht feststellen, dass derartiges an alle Ausschreibungsteilnehmer kommuniziert worden sei. Damit rügt die Antragstellerin einen unzulässigen Verzicht auf das Mindestkriterium nur gegenüber der Beigeladenen.

Die Antragstellerin hat die Rügen rechtzeitig erhoben, § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Die angeführten Verstöße waren frühestens nach der Mitteilung der Antragsgegnerin vom 28.11.2016 (Anlage ASt 5), wem sie den Zuschlag erteilen wolle, für die Antragstellerin erkennbar.

2.1.3.3. Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren bemängelt, das Angebot der Beigeladenen verstoße ferner gegen das Mindestkriterium d) „Troponin hs ist auf dem integrierten System verfügbar“, fehlt es an einer Rüge vor Einreichung des Nachprüfungsantrags. Jedoch liegt darin, wie die Vergabekammer zutreffend ausführt, kein Verstoß gegen § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin bereits vor dem Nachprüfungsverfahren Kenntnis hatte, dass Troponin hs im Rahmen des Angebots der Beigeladenen für N. und H. nur auf dem Gerät Cobas e 411 getestet wird, das kein integriertes System darstellt. Zum einen konnte die Antragstellerin vor dem Nachprüfungsverfahren allenfalls Vermutungen anstellen, welche konkreten Systeme bzw. Geräte die Beigeladene angeboten hat. Zum anderen können von ihr, wie die Vergabekammer zutreffend ausführt, keine technischen Detailkenntnisse bezüglich der von einem Mitbewerber angebotenen Geräte erwartet werden. Schriftsätzlicher Vortrag der Antragsgegnerin hierzu findet sich auch erst im Nachprüfungsverfahren.

Einen erst während des Nachprüfungsverfahrens erkannten und - wie vorliegend - nicht aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbaren Verstoß kann der Antragsteller sofort zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, ohne dass es zuvor noch einer Rüge gegenüber der Vergabestelle bedürfte (vgl. Wiese in Kulartz / Kus / Portz / Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl, § 160 Rz. 180).

2.2. Soweit die Beigeladene ihrerseits erstmals im Beschwerdeverfahren bemängelt, die Angebote seien nicht vergleichbar und nicht wertbar, da jeder Bieter eigene Standardvertragsunterlagen beifügen dürfe, fehlt es an einer rechtzeitigen Rüge. Der von der Beigeladenen gerügte Verstoß war jedenfalls aus den Vergabeunterlagen erkennbar und hätte daher von ihr nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gerügt werden müssen.

Die Beigeladene selbst hat eine Bieterfrage gestellt, ob sie davon ausgehen könne, dass die Einreichung der Standardvertragsvorlage inklusive der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig sei. Dies hat die Antragsgegnerin am 26.10.2016 bestätigt. In der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe vom 16.11.2016 weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Grundlage der Angebotserstellung die bereits übermittelten Verfahrenshinweise und Vergabeunterlagen bildeten und die im Fragenkatalog der Bieter aufgeführten Modifikationen / Anpassungen zu berücksichtigen seien. Im Anhang hierzu findet sich unter Ziff. 5 die Regelung: „Vertragsbedingungen: Die Bieter sind aufgefordert, die ihrem finalen Angebot zu Grunde liegenden Vertragsbedingungen mit dem finalen Angebot einzureichen. Die Vertragsbedingungen dürfen die Vorgaben des Auftraggebers aus den Vergabeunterlagen nicht abändern“.

Damit war spätestens am 16.11.2016 erkennbar, dass jeder Bieter eigene Standardvertragsunterlagen beifügen könne und daher die rechtlichen Rahmenbedingungen der Angebote (z.B in Bezug auf Regelungen zur Gewährleistung) nicht völlig identisch sein würden.

Zwar verweist die Beigeladene zutreffend darauf, dass es nicht nur auf die Erkennbarkeit der den behaupteten Rechtsverstoß begründenden Tatsachen, sondern auch auf die Erkennbarkeit der rechtlichen Bewertung als Vergaberechtsverstoß ankommt. Eine Präklusion ist nur bei offensichtlichen Verstößen, die einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung des Angebots bzw. der Bewertung auffallen müssen, möglich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014, Verg 26/13, juris Tz. 30). Dies ist vorliegend der Fall. Dass die Verwendung unterschiedlicher Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch die Bieter dazu führt, dass die Angebote in den rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. bezüglich der Gewährleistung) divergieren können und daher, wie die Beigeladene meint, nicht mehr exakt vergleichbar seien, drängt sich jedem Bieter auf. Zudem ist es äußerst ungewöhnlich, dass eine Vergabestelle den Bietern die Beifügung eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen gestattet. Der unstreitig in Vergaben von Aufträgen durch öffentliche Träger erfahrenen Beigeladenen erschien dies offensichtlich bemerkenswert und klärungsbedürftig, wie sich aus der von ihr gestellten Bieteranfrage Nr. 50 ergibt. Es wäre daher ohne weiteres möglich, aber auch nötig gewesen, spätestens bis zum Fristablauf zur Angebotsabgabe gegenüber der Antragsgegnerin etwaige vergaberechtliche Bedenken zu äußern, mithin einen möglichen Vergabeverstoß zu rügen.

Ob die Eröffnung der Möglichkeit, eigene Geschäftsbedingungen bei der Angebotsabgabe einzureichen, vergaberechtlich zulässig ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, zumal der Senat aus anderen Gründen eine Korrektur der Vergabeunterlagen für erforderlich hält. Falls die Antragsgegnerin an ihrer Beschaffungsabsicht festhält, obliegt ihr, zu entscheiden, wie sie mit der Problematik verfährt.

2.3. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat in der Sache insoweit Erfolg, als eine Zuschlagserteilung auf der Grundlage der derzeitigen Vergabeunterlagen und den geführten Verhandlungen unzulässig ist. Anhand der Vergabeunterlagen und der Antworten auf die Bieteranfragen bleibt unklar, ob die Antragsgegnerin die Mindestbedingung d) „Troponin hs ist auf dem integrierten System verfügbar“ aufgehoben hat. Unklar ist des Weiteren, ob zur Mindestbedingung b) „identische integrierte Systemplattformen für die Routineanalytik (identische Software, identische Reagenzien)“ auch eine völlig identische Bedieneroberfläche gehört. Zudem ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Antragsgegnerin in dem Verhandlungsgespräch mit der Beigeladenen - in der irrigen Meinung, dies entspreche ohnehin den objektiven Vorgaben der Vergabeunterlagen - den Anschein erweckte, ihr komme es weder darauf an, dass Troponin hs auf dem integrierten System getestet wird noch dass eine völlig identische Benutzeroberfläche für alle Standorte angeboten werden muss. Im Vertrauen darauf hat die Beigeladene ihr finales Angebot abgegeben, ohne dass Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken zwischen Antragsgegnerin und Beigeladener gegeben sind. Ein Ausschluss der Beigeladenen kommt daher entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht in Betracht.

2.3.1. Nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind von der Wertung Angebote auszuschließen, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn Unternehmen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweichen, i.E. also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbieten (BR-Drucksache 87/16 S. 211, § 57 zu Nummer 4). Dabei genügt bereits die formale Abweichung für einen Ausschluss des Angebots, auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit der Abweichung kommt es nicht an (Dittmann in Kulartz / Kus / Marx / Portz / Prieß, VgV, § 57 Rz. 56). Auch im Verhandlungsverfahren trifft den Bieter die Obliegenheit, bei der Abgabe seines Angebots die aufgestellten Mindestanforderungen zu beachten und sein Angebot gemäß den Anforderungen abzugeben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2010, VII-Verg 46/09, juris Tz. 36). Ein Verhandeln über die Mindestanforderungen ist unzulässig, § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV. Was konkret - als Mindestanforderung - nachgefragt wurde, ist aus der Sicht eines verständigen und fachkundigen potentiellen Bieters durch Auslegung der Leistungsbeschreibung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 15.01.2013 X ZR 155/10, juris Tz. 9; BGH, Urteil vom 20.11.2012, X ZR 108/10, juris Tz. 9; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016, VII- Verg 41/15, juris Tz. 31). Sofern sich bei der Auslegung ergibt, dass eine Leistungsbeschreibung zu unbestimmt oder unklar ist, genügt sie ihrerseits den Anforderungen des § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht und ist vergaberechtswidrig. In diesem Fall kann ein „Abweichen“ des Bieters auch nicht zu dessen Ausschluss führen (vgl. Dittmann, a.a.O., Rz. 54).

2.3.2. Vorliegend hat die Antragsgegnerin zunächst im Leistungsverzeichnis als „Ausschlusskriterium“ angeführt: d) „Troponin hs ist auf dem integrierten Routinesystem verfügbar.“ Der Aussagegehalt dieser Vorgabe erschöpft sich nicht darin, wie die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung meinte, dass damit ausschließlich Geräte angeboten werden dürfen, die eine Überprüfung des spezifischen Markers „Troponin hs“ ermöglichen. Vielmehr wurde damit von der Antragsgegnerin objektiv eine Verfügbarkeit auf „dem integrierten Routinesystem“ vorgegeben. Unter einem „integrierten System“ versteht die Antragsgegnerin ausweislich der Antwort auf Bieterfrage 16 einen gemeinsamen Probeneingang für klinische Chemie und Immunologie. Die Beigeladene hat für die Standorte N.und H. die Systemplattform Cobas 4000 angeboten. Diese besteht aus zwei gesonderten Geräten mit jeweils eigenem Probeneingang, c 311 und e 411. Das Gerät c 311 verfügt über einen gemeinsamen Probeneingang für klinische Chemie und homogene Immunologie, und kann daher als integriertes System i.S. der Definition der Antragsgegnerin qualifiziert werden. Das Gerät e 411 hingegen betrifft nur die heterogene Immunologie und stellt daher kein integriertes System nach der gegebenen Definition dar. Unstreitig ist aber Troponin hs nur auf dem Gerät e 411 verfügbar und damit nicht auf einem integrierten System.

Ausgehend hiervon wäre die Beigeladene mit ihrem Angebot auszuschließen. Indessen kommt ein Ausschluss der Beigeladenen nicht in Betracht, da die Antragsgegnerin im Verlauf des Verhandlungsverfahrens ergänzende Erläuterungen zu den Ausschlusskriterien gemacht hat, die dazu führen, dass objektiv nicht mehr klar ist, ob bzw. in welcher Weise die Antragsgegnerin - wie sie und die Beigeladene behaupten - damit auch das Ausschlusskriterium d) in Detailaspekten modifiziert hat oder ob dieses Kriterium so beibehalten wurde, wie dargelegt. Letztlich handelt es sich um eine - versteckte - Mehrdeutigkeit:

2.3.2.1. Die Antragsgegnerin hat mit den Antworten auf die Bieterfragen 21, 32 und 44 jedenfalls das Ausschlusskriterium e) „Alle Routineparamter auf dem integrierten System verfügbar“ abgeändert. Nach der Antwort auf Bieteranfrage 21 darf der Anteil der im Rahmen des Angebots vorgestellten Fremdanalytik max. 15% der Gesamtbefundungsmenge darstellen. Ausweislich der Antwort auf Bieterfrage 32 dürfen auch Parameter mit Befundzahlen < 650 auf einem Fremdgerät abgearbeitet werden, sofern diese insgesamt nicht mehr als 15% der gesamten Befundmenge betragen. Gemäß der Antwort auf Bieterfrage 44 sind alle Routineparameter mit einer Befundmenge > 500 Befundungen regelhaft auf dem integrierten System anzubinden und müssen nicht zwingend auf dem integrierten System vorhanden sein.

Welche Vorgaben nun für das Ausschlusskriterium d) „Troponin hs ist auf dem integrierten System verfügbar“ verlangt sind, lässt sich anhand der Vergabeunterlagen nicht zweifelsfrei feststellen:

Für eine Abänderung des Ausschlusskriteriums spricht, dass Troponin hs nach den Angaben der Antragsgegnerin als Routineparameter zu qualifizieren ist. Als Routineparameter definiert die Antragsgegnerin in der Antwort auf Bieterfrage 17 alle Parameter mit einer Befundungsmenge von > 500 p.a. Troponin hs hat für N. eine Befundungsmenge von ca. 1.900 p.a., für H. ca. 4.000 p.a. In den Antworten auf die Bieterfragen 21, 32 und 44 findet sich keine Einschränkung, dass die Möglichkeit der Fremdanalytik sich nicht auch auf Troponin hs bezieht, sofern die Grenze (maximal 15% der gesamten Befundungsmenge) eingehalten wird.

Allerdings sprechen folgende Erwägungen dagegen, dass die Aufhebung auch für Troponin hs gelten sollte: Wäre aus Sicht der Antragsgegnerin Troponin hs ein Routineparameter wie jeder andere, hätte es des gesonderten Ausschlusskriteriums d) nicht bedurft. In diesem Fall wäre das Ausschlusskriterium d) bereits von der Mindestanforderung e) (“alle Routineparameter auf dem integrierten System verfügbar“) umfasst. Unstreitig stellt Troponin hs - aus Sicht des verständigen Bieters - spezielle Anforderungen, da die Bearbeitung extrem zeitkritisch ist und das Ergebnis innerhalb möglichst kurzer Zeit vorzuliegen hat. Soweit in den Antworten auf die Fragen 21, 32 und 44 pauschal die Möglichkeit eröffnet wird, einzelne Routineparameter auf einem „Fremdgerät“ abzuarbeiten bzw. „als Fremdanalytik“ laufen zu lassen, umfasst dies auch die Möglichkeit eines Versands an ein Fremdlabor. Aufgrund der extremen Zeitkritikalität von Troponin hs ist ein Versand an ein Fremdlabor aber ausgeschlossen, wovon jeder vernünftige und erfahrene Bieter unstreitig ausgeht. Daraus ließe sich folgern, dass die in den Antworten auf die Fragen 21, 32 und 44 von der Antragsgegnerin vorgenommenen Einschränkungen sich eben nicht auf den Routineparamter Troponin hs beziehen sollten.

Umgekehrt könnte ein verständiger Bieter allerdings auch schlussfolgern, für den extrem zeitkritischen Parameter Troponin hs komme eine Fremdanalytik zwar nicht in der Form eines Versands an ein Fremdlabor, wohl aber eine Analytik auf einem gesonderten, nicht integrierten „Fremdgerät“, das sich im gleichen Labor befindet, in Betracht. Für diese Auslegung ließe sich anführen, dass etwa in Bieterfrage 46 zwischen der Abarbeitung auf einem Fremdsystem und dem Versand unterschieden wird.

Letztlich ist aus Sicht eines verständigen, erfahrenen Bieters anhand der Vergabeunterlagen und der Antworten auf die Bieterfragen damit nicht mehr eindeutig feststellbar, ob der Aspekt „verfügbar auf dem integrierten Routinesystem“ für das Ausschlusskriterium d) bei der Abgabe des finalen Angebots noch zu beachten war. Ergänzend ist zu bemerken, dass die Problematik erst nach Angebotsabgabe vor dem Hintergrund der kontroversen Diskussionen zum Verständnis der Vergabeunterlagen und der Antworten auf die Bieterfragen zutage getreten ist.

2.3.2.2. Zu berücksichtigen ist ferner, dass nach den Aussagen des Zeugen F. die Antragsgegnerin im Verhandlungsgespräch mit der Beigeladenen am 15.11.2016 den Eindruck erweckt hat, die 15%- Grenze gelte für alle Routineparameter und damit auch für Troponin hs. Der Zeuge hat angegeben, die Beigeladene habe Cobas 4000 vorgeschlagen und erläutert, was die Geräte könnten. Cobas 4000 sei der Antragsgegnerin als mögliche Lösung erschienen. Der Zeuge kenne die Geräte e 411 und c 311. Ihm sei klar gewesen, dass der Marker Troponin hs als heterogenes Verfahren auf dem Gerät e 411 laufen musste. Bezüglich Troponin hs sei die Schnelligkeit der Testung wichtig gewesen. Ob nun Troponin oder ein anderer Marker, für die Antragsgegnerin sei zulässig gewesen, dass bis zu 15% auch auf einem Zusatzgerät, einem externen Gerät im Sinne von Nebengerät getestet werden dürfe.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben sieht der Senat nicht. Der Zeuge hat ruhig und überlegt ausgesagt. Er war ersichtlich bemüht, nur eigene Erinnerungen wiederzugeben und hat auch erklärt, wozu ihm die Erinnerung fehlt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Zeuge von der Antragsgegnerin dazu benannt war, dass sie der Beigeladenen in dem Verhandlungsgespräch nicht bestätigt habe, ihr Angebot entspreche den Mindestbedingungen. Die Angaben des Zeugen gehen aber eher in eine andere Richtung. Zwar hat der Zeuge explizit ausgeführt, wegen der Komplexität der Berechnung zur 15% - Grenze sei eine abschließende Beurteilung, ob die Alternative Cobas 4000 die Vorgaben aus der Ausschreibung erfüllt, nicht möglich gewesen. Jedoch ist in keiner Weise erkennbar, dass er oder ein anderer Teilnehmer für die Antragsgegnerin erklärt hätte, Cobas 4000 komme schon deshalb nicht in Betracht, weil Troponin hs auf einem integrierten Gerät laufen müsste. Ein solcher Vorbehalt hätte aber nahegelegen, da jedenfalls dem Zeugen nach eigenen Angaben klar war, was die Geräte c 311 und e 411 jeweils können und auf welchem Gerät Troponin hs laufen würde. Letztlich musste der Verlauf des Verhandlungsgesprächs, wie es der Zeuge geschildert hat, aus Sicht der Beigeladenen den Eindruck erwecken, es sei zulässig, dass Troponin hs auf einem externen Gerät getestet werden darf, mithin die Vorgabe „integriertes Gerät“ auch für die Mindestanforderung d) nicht mehr zwingend war. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene und die Antragsgegnerin insoweit kollusiv zu Lasten anderer Bieter, u.a. der Antragstellerin, zusammengewirkt hätten oder für die Beigeladene erkennbar gewesen wäre, dass die Antragstellerin vergaberechtswidrig nur ihr gegenüber Mindestkriterien modifiziert, haben sich nicht ergeben.

Auf die Einvernahme der weiteren angebotenen Zeugen haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2017 verzichtet.

2.3.2.3. Aufgrund des Verlaufs des Verhandlungsgesprächs mit der Beigeladenen und der Unklarheit der Vergabeunterlagen kommt weder ein Ausschluss der Beigeladenen noch eine Zuschlagserteilung auf der Basis der derzeitigen Vergabeunterlagen und Verhandlungsgespräche in Betracht. Ebenso, wie die Beigeladene nachvollziehbar angenommen hat, ihr finales Angebot erfülle die Mindestanforderung in Bezug auf „Troponin hs“, hat auch das Verständnis der Antragstellerin seine Berechtigung, wonach die Vorgabe „Troponin hs ist auf dem integrierten Routinesystem verfügbar“ zwingend einzuhalten sei. Ihr Einwand, sie habe sich auf eine diesbezügliche Lockerung der Vorgaben bei Abgabe des finalen Angebots nicht einstellen können, ist begründet. Aus Sicht der anderen Bieter - wie etwa der Antragstellerin - waren die Vergabeunterlagen bezüglich des Ausschlusskriteriums Troponin hs unklar. Den Inhalt des Verhandlungsgesprächs mit der Beigeladenen kannten sie nicht. Die Antworten auf die Bieterfragen ließen, wie dargelegt, beide Interpretationen zu.

Umgekehrt wurde durch den vom Zeugen F. geschilderten Verlauf des Verhandlungsgesprächs bei der Beigeladenen berechtigterweise der Eindruck erweckt, auf das Ausschlusskriterium d) komme es nicht an, insofern genüge das Angebot Cobas 4000 den Anforderungen. Das Angebot einer kleineren Systemplattform für N. und H. beruhte gerade auf dem Wunsch der Antragsgegnerin nach Geräten mit einer besseren Auslastung für diese Standorte. Damit kommt ein Ausschluss der Beigeladenen schon unter dem Aspekt von Treu und Glauben, § 242 BGB, der auch im Vergaberecht zu beachten ist (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 29.01.2016, 2 Verg 3/15, juris Tz. 138; OLG München, Beschluss vom 13.06.2013, Verg 1/13, juris Tz. 56; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.03.2010, VII- Verg 12/10, juris Tz. 23), nicht in Betracht.

2.3.3. Unklar ist darüber hinaus der genaue Inhalt des Ausschlusskriteriums b) „Identische integrierte Systemplattformen für die Routineanalytik (identische Software, identische Reagenzien“). Fraglich erscheint, ob die Antragsgegnerin mit dem Mindestkriterium „identische Software“ auch eine identische Bedienoberfläche fordert:

2.3.3.1. Die Beigeladene hat für die Standorte N. und H. die Systemplattform Cobas 4000, für die restlichen Standorte die Systemplattform Cobas 6000 angeboten. Nach den von der Beigeladenen selbst vorgelegten Screenshots (Anlage BF 5) sind die Bedienoberflächen der Systemplattformen Cobas 4000 und Cobas 6000 zwar ähnlich, aber nicht völlig identisch. Unterschiede zeigen sich insbesondere beim „Systemüberblick“ (S. 4 der Anlage BF 5), der farblichen Gestaltung der Reagenzübersicht (S. 5 der Anlage BF 5) und der Probenlokalisierung (S. 10 /11 der Anlage BF 5). Geht man davon aus, das Ausschlusskriterium b) fordere auch eine identische Bedienoberfläche, wäre die Beigeladene auszuschließen. Dass es, wie die Beigeladene ausführt, nachvollziehbare technische Gründe für die Abweichung gibt, insbesondere die kleineren Bildschirme, geringeren Funktionalitäten und andere Probenbestückung bei der kleineren Plattform Cobas 4000, ist ohne Belang, wenn eine identische Bedienoberfläche gefordert war. Auch die Tatsache, dass der „look and feel“ sich gleicht und ein Anwender sich ohne gesonderte Schulungen auf den unterschiedlichen Bedienoberflächen zurechtfindet, wie die Beigeladene erklärt, wäre irrelevant.

2.3.3.2. Allerdings ist auch bezüglich des Mindestkriteriums b) anhand der Vergabeunterlagen aus der Sicht eines verständigen und erfahrenen Bieters nicht eindeutig, ob es einer identischen Bedienoberfläche bedurfte.

Grundsätzlich lässt sich argumentieren, dass die Bedienoberfläche notwendigerweise Teil der Software ist und daher eine identische Software auch eine identische Bedienoberfläche bedingt. Unter „Ziele und Vorgaben“ führt die Antragsgegnerin im Leistungsverzeichnis aus, für alle R.-Standorte sollten möglichst Systeme mit „identischer Bedienoberfläche (Software)“ angeboten werden. Hier verwendet die Antragsgegnerin die Begriffe „Bedienoberfläche“ und „Software“ synonym. Schließlich ist im Leistungsverzeichnis unter „IT Los 2 R. 5.1. Bedienung“ gefordert: „Die Systemsoftware aller Routine- / Notfallsysteme verfügt über eine einheitliche, durchgängige Anwenderoberfläche“. Dafür spricht auch, dass bei identischer Bedienoberfläche optimal gewährleistet ist, dass sich die Mitarbeiter des einen Standorts jederzeit ohne Einweisung und Zeitverzögerung auch an den Geräten eines anderen Standorts zurechtfinden.

Gegen die Auslegung „identische Software = identische Bedienoberfläche“ spricht, dass sich auch bei gleicher Software die Bildschirmdarstellung häufig variabel gestalten lässt. Ferner hat die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung mit dem Aufruf zum Wettbewerb ausgeführt, für die Kliniken des R.-Verbunds seien die standortspezifischen Optionen der Skalierbarkeit von Analyse-Systemen bei „weitgehend einheitlicher Benutzeroberfläche“ unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kapazitäten von Bedeutung. In der Bekanntmachung wurde daher nur eine „weitgehende“ Einheitlichkeit, aber gerade keine Identität der Bedienoberflächen gefordert. Schließlich verlangt die Antragsgegnerin im Leistungsverzeichnis in den Zielen und Vorgaben nur „möglichst“ Systeme mit identischer Bedienoberfläche. Auch dem Sinn und Zweck des Kriteriums, den Mitarbeitern einen problemlosen Wechsel zwischen den Standorten zu ermöglichen, kann bei einer weitgehend identischen Bedienoberfläche noch genügt sein.

Für einen verständigen und erfahrenen Bieter bleibt damit auch in diesem Punkt unklar, welcher Auslegung der Vorzug zu geben ist.

2.3.3.3. Zu berücksichtigen ist zudem, dass nach den - auch insoweit glaubhaften - Angaben des Zeugen F. in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2017 die Antragsgegnerin im Verhandlungsgespräch mit der Beigeladenen den Eindruck erweckt hat, auf eine völlige Identität der Bedienoberfläche komme es nicht an. Nach Aussage des Zeugen sei völlig klar gewesen, dass kleinere Geräte nicht exakt die gleiche Gestaltung hätten. Es sei nicht darum gegangen, dass sklavisch der gleiche Bildschirm gefordert gewesen wäre. So habe er die Ausschreibung auch nicht verstanden. Er meine, dass die Variationen bei den Gesprächen thematisiert worden und klar gewesen sei, dass es gewisse Unterschiede gebe. Er kenne die Geräte Cobas 6000 und die beiden kleineren Geräte e 411 und c 311. Ihm sei ganz klar gewesen, dass die Geräte auf dem Bildschirm nicht völlig identische Bilder zeigen.

Dass der Zeuge F. oder ein anderer Teilnehmer für die Antragsgegnerin der Beigeladenen signalisiert hätte, wegen der Abweichungen in der Bildschirmdarstellung verstoße das Angebot der Beigeladenen gegen Mindestanforderungen, hat der Zeuge F. nicht dargetan. Vielmehr hat er ausgeführt, Cobas 4000 sei der Antragsgegnerin als mögliche Lösung erschienen.

2.3.3.4. Aufgrund des Ablaufs dieses Verhandlungsgesprächs mit der Beigeladenen und der Unklarheit der Vergabeunterlagen kommt weder ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen noch eine Zuschlagserteilung aufgrund der derzeitigen Vergabeunterlagen und Verhandlungsgespräche in Betracht. Insoweit gelten die Ausführungen oben Ziff. 2.3.2.3 entsprechend.

3. Ohne Beseitigung der aufgezeigten Unklarheiten und Widersprüche ist eine ordnungsgemäße Vergabe nicht möglich. Da die Unklarheiten nicht nur durch Verhandlungsgespräche, sondern auch durch Antworten auf Bieterfragen entstanden sind und, was die Frage der identischen Benutzeroberfläche angeht, bereits in den Vergabeunterlagen gewisse Divergenzen enthalten sind, ist die Antragsgegnerin für den Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht gehalten, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Erstellung der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen. Wie und in welchem Umfang sie durch geeignete Maßnahmen für eine klare, vergaberechtskonforme Festlegung der gewünschten Anforderung sorgt, bleibt ihr überlassen.

4. Die Kostenentscheidung folgt bezüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus § 175 Abs. 2 GWB, § 78 Satz 1 GWB, bezüglich der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer aus § 182 Abs. 3 GWB. Der Senat berücksichtigt bei seiner Kostenentscheidung, dass sowohl der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als auch die sofortige Beschwerde der Beigeladenen nur teilweise Erfolg haben.

-

Willner

Schäfer

Dr. Löffler

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht

Richterin am Oberlandesgericht

Richterin am Oberlandesgericht

Verkündet am 21.04.2017

Otto, JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Beschluss, 21. Apr. 2017 - Verg 1/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Beschluss, 21. Apr. 2017 - Verg 1/17

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht München Beschluss, 21. Apr. 2017 - Verg 1/17 zitiert 18 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Fa

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 160 Einleitung, Antrag


(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 dur

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 78 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. (2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begrü

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 182 Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer


(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 106 Schwellenwerte


(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreit

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 121 Leistungsbeschreibung


(1) In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 73 Zulässigkeit, Zuständigkeit


(1) Gegen Verfügungen der Kartellbehörde ist die Beschwerde zulässig. Sie kann auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. (2) Die Beschwerde steht den am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten im Sinne des § 54 Absatz 2 und 3

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 17 Verhandlungsverfahren


(1) Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unter

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 57 Ausschluss von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten


(1) Von der Wertung ausgeschlossen werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, und Angebote, die nicht den Erfordernissen des § 53 genügen, insbesondere:1.Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, es

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 175 Verfahrensvorschriften


(1) Vor dem Beschwerdegericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten l

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 172 Frist, Form, Inhalt


(1) Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung, im Fall des § 171 Absatz 2 mit dem Ablauf der Frist beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen. (2) Die sofortige Besc

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht München Beschluss, 21. Apr. 2017 - Verg 1/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Beschluss, 21. Apr. 2017 - Verg 1/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2012 - X ZR 108/10

bei uns veröffentlicht am 20.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 108/10 Verkündet am: 20. November 2012 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2013 - X ZR 155/10

bei uns veröffentlicht am 15.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 155/10 Verkündet am: 15. Januar 2013 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung.

(2) Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge (Teilnahmefrist) beträgt mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung.

(3) Für den Fall, dass eine hinreichend begründete Dringlichkeit die Einhaltung der Teilnahmefrist unmöglich macht, kann der öffentliche Auftraggeber eine Frist festlegen, die 15 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung, nicht unterschreiten darf.

(4) Nur diejenigen Unternehmen, die vom öffentlichen Auftraggeber nach Prüfung der übermittelten Informationen dazu aufgefordert werden, können ein Erstangebot einreichen. Der öffentliche Auftraggeber kann die Zahl geeigneter Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, gemäß § 51 begrenzen.

(5) Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgt keine öffentliche Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen, sondern unmittelbar eine Aufforderung zur Abgabe von Erstangeboten an die vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählten Unternehmen.

(6) Die Frist für den Eingang der Erstangebote beträgt beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

(7) Mit Ausnahme oberster Bundesbehörden kann der öffentliche Auftraggeber die Angebotsfrist mit den Bewerbern, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, im gegenseitigen Einvernehmen festlegen, sofern allen Bewerbern dieselbe Frist für die Einreichung der Angebote gewährt wird. Erfolgt keine einvernehmliche Festlegung der Angebotsfrist, beträgt diese mindestens zehn Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

(8) Für den Fall, dass eine hinreichend begründete Dringlichkeit die Einhaltung der Angebotsfrist gemäß Absatz 6 unmöglich macht, kann der öffentliche Auftraggeber eine Frist festlegen, die zehn Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe, nicht unterschreiten darf.

(9) Der öffentliche Auftraggeber kann die Angebotsfrist gemäß Absatz 6 um fünf Tage verkürzen, wenn er die elektronische Übermittlung der Angebote akzeptiert.

(10) Der öffentliche Auftraggeber verhandelt mit den Bietern über die von ihnen eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote, mit Ausnahme der endgültigen Angebote, mit dem Ziel, die Angebote inhaltlich zu verbessern. Dabei darf über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden mit Ausnahme der vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien.

(11) Der öffentliche Auftraggeber kann den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten, wenn er sich in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung diese Möglichkeit vorbehalten hat.

(12) Sofern der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen darauf hingewiesen hat, kann er die Verhandlungen in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abwickeln, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. In der Schlussphase des Verfahrens müssen noch so viele Angebote vorliegen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist, sofern ursprünglich eine ausreichende Anzahl von Angeboten oder geeigneten Bietern vorhanden war.

(13) Der öffentliche Auftraggeber stellt sicher, dass alle Bieter bei den Verhandlungen gleichbehandelt werden. Insbesondere enthält er sich jeder diskriminierenden Weitergabe von Informationen, durch die bestimmte Bieter gegenüber anderen begünstigt werden könnten. Er unterrichtet alle Bieter, deren Angebote nicht gemäß Absatz 12 ausgeschieden wurden, in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs über etwaige Änderungen der Leistungsbeschreibung, insbesondere der technischen Anforderungen oder anderer Bestandteile der Vergabeunterlagen, die nicht die Festlegung der Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien betreffen. Im Anschluss an solche Änderungen gewährt der öffentliche Auftraggeber den Bietern ausreichend Zeit, um ihre Angebote zu ändern und gegebenenfalls überarbeitete Angebote einzureichen. Der öffentliche Auftraggeber darf vertrauliche Informationen eines an den Verhandlungen teilnehmenden Bieters nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Teilnehmer weitergeben. Eine solche Zustimmung darf nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Mitteilung bestimmter Informationen erteilt werden.

(14) Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber, die Verhandlungen abzuschließen, so unterrichtet er die verbleibenden Bieter und legt eine einheitliche Frist für die Einreichung neuer oder überarbeiteter Angebote fest. Er vergewissert sich, dass die endgültigen Angebote die Mindestanforderungen erfüllen, und entscheidet über den Zuschlag auf der Grundlage der Zuschlagskriterien.

(15) In einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Absatz 4 Nummer 3 ist der öffentliche Auftraggeber von den Verpflichtungen der §§ 9 bis 13, des § 53 Absatz 1 sowie der §§ 54 und 55 befreit.

(1) Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung, im Fall des § 171 Absatz 2 mit dem Ablauf der Frist beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen.

(2) Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,
2.
die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

(3) Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

(4) Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.

(1) Vor dem Beschwerdegericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen.

(2) Die §§ 65, 69 bis 72 mit Ausnahme der Verweisung auf § 227 Absatz 3 der Zivilprozessordnung, § 75 Absatz 1 bis 3, § 76 Absatz 1 und 6, die §§ 165 und 167 Absatz 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

(1) Gegen Verfügungen der Kartellbehörde ist die Beschwerde zulässig. Sie kann auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden.

(2) Die Beschwerde steht den am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten im Sinne des § 54 Absatz 2 und 3 zu. Gegen eine Verfügung, durch die eine Erlaubnis nach § 42 erteilt wird, steht die Beschwerde einem Dritten nur zu, wenn er geltend macht, durch die Verfügung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Die Beschwerde ist auch gegen die Unterlassung einer beantragten Verfügung der Kartellbehörde zulässig, auf deren Vornahme der Antragsteller ein Recht zu haben behauptet. Als Unterlassung gilt es auch, wenn die Kartellbehörde den Antrag auf Vornahme der Verfügung ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht beschieden hat. Die Unterlassung ist dann einer Ablehnung gleichzuachten.

(4) Über die Beschwerde entscheidet das für den Sitz der Kartellbehörde zuständige Oberlandesgericht, in den Fällen der §§ 35 bis 42 das für den Sitz des Bundeskartellamts zuständige Oberlandesgericht, und zwar auch dann, wenn sich die Beschwerde gegen eine Verfügung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie richtet. § 36 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 158 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, gilt § 202 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes.

(5) Der Bundesgerichtshof entscheidet als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts

1.
nach § 19a, auch in Verbindung mit §§ 19, 20 und Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 32 Absatz 1, 2 und 3,
2.
nach den §§ 32a und 32b, soweit diese Vorschriften auf Sachverhalte im Sinne des § 19a angewendet werden,
jeweils einschließlich aller selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. § 114 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Der jeweilige Schwellenwert ergibt sich

1.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, aus Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der jeweils geltenden Fassung; der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden,
2.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, aus Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der jeweils geltenden Fassung,
3.
für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge aus Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) in der jeweils geltenden Fassung,
4.
für Konzessionen aus Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung.

(2) Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge (Teilnahmefrist) beträgt mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung.

(3) Für den Fall, dass eine hinreichend begründete Dringlichkeit die Einhaltung der Teilnahmefrist unmöglich macht, kann der öffentliche Auftraggeber eine Frist festlegen, die 15 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung, nicht unterschreiten darf.

(4) Nur diejenigen Unternehmen, die vom öffentlichen Auftraggeber nach Prüfung der übermittelten Informationen dazu aufgefordert werden, können ein Erstangebot einreichen. Der öffentliche Auftraggeber kann die Zahl geeigneter Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, gemäß § 51 begrenzen.

(5) Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgt keine öffentliche Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen, sondern unmittelbar eine Aufforderung zur Abgabe von Erstangeboten an die vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählten Unternehmen.

(6) Die Frist für den Eingang der Erstangebote beträgt beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

(7) Mit Ausnahme oberster Bundesbehörden kann der öffentliche Auftraggeber die Angebotsfrist mit den Bewerbern, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, im gegenseitigen Einvernehmen festlegen, sofern allen Bewerbern dieselbe Frist für die Einreichung der Angebote gewährt wird. Erfolgt keine einvernehmliche Festlegung der Angebotsfrist, beträgt diese mindestens zehn Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

(8) Für den Fall, dass eine hinreichend begründete Dringlichkeit die Einhaltung der Angebotsfrist gemäß Absatz 6 unmöglich macht, kann der öffentliche Auftraggeber eine Frist festlegen, die zehn Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe, nicht unterschreiten darf.

(9) Der öffentliche Auftraggeber kann die Angebotsfrist gemäß Absatz 6 um fünf Tage verkürzen, wenn er die elektronische Übermittlung der Angebote akzeptiert.

(10) Der öffentliche Auftraggeber verhandelt mit den Bietern über die von ihnen eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote, mit Ausnahme der endgültigen Angebote, mit dem Ziel, die Angebote inhaltlich zu verbessern. Dabei darf über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden mit Ausnahme der vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien.

(11) Der öffentliche Auftraggeber kann den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten, wenn er sich in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung diese Möglichkeit vorbehalten hat.

(12) Sofern der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen darauf hingewiesen hat, kann er die Verhandlungen in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abwickeln, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. In der Schlussphase des Verfahrens müssen noch so viele Angebote vorliegen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist, sofern ursprünglich eine ausreichende Anzahl von Angeboten oder geeigneten Bietern vorhanden war.

(13) Der öffentliche Auftraggeber stellt sicher, dass alle Bieter bei den Verhandlungen gleichbehandelt werden. Insbesondere enthält er sich jeder diskriminierenden Weitergabe von Informationen, durch die bestimmte Bieter gegenüber anderen begünstigt werden könnten. Er unterrichtet alle Bieter, deren Angebote nicht gemäß Absatz 12 ausgeschieden wurden, in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs über etwaige Änderungen der Leistungsbeschreibung, insbesondere der technischen Anforderungen oder anderer Bestandteile der Vergabeunterlagen, die nicht die Festlegung der Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien betreffen. Im Anschluss an solche Änderungen gewährt der öffentliche Auftraggeber den Bietern ausreichend Zeit, um ihre Angebote zu ändern und gegebenenfalls überarbeitete Angebote einzureichen. Der öffentliche Auftraggeber darf vertrauliche Informationen eines an den Verhandlungen teilnehmenden Bieters nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Teilnehmer weitergeben. Eine solche Zustimmung darf nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Mitteilung bestimmter Informationen erteilt werden.

(14) Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber, die Verhandlungen abzuschließen, so unterrichtet er die verbleibenden Bieter und legt eine einheitliche Frist für die Einreichung neuer oder überarbeiteter Angebote fest. Er vergewissert sich, dass die endgültigen Angebote die Mindestanforderungen erfüllen, und entscheidet über den Zuschlag auf der Grundlage der Zuschlagskriterien.

(15) In einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Absatz 4 Nummer 3 ist der öffentliche Auftraggeber von den Verpflichtungen der §§ 9 bis 13, des § 53 Absatz 1 sowie der §§ 54 und 55 befreit.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Von der Wertung ausgeschlossen werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, und Angebote, die nicht den Erfordernissen des § 53 genügen, insbesondere:

1.
Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, es sei denn, der Bieter hat dies nicht zu vertreten,
2.
Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten,
3.
Angebote, in denen Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen nicht zweifelsfrei sind,
4.
Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind,
5.
Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen, oder
6.
nicht zugelassene Nebenangebote.

(2) Hat der öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zugelassen, so berücksichtigt er nur die Nebenangebote, die die von ihm verlangten Mindestanforderungen erfüllen.

(3) Absatz 1 findet auf die Prüfung von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen und Teilnahmeanträgen entsprechende Anwendung.

(1) Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung.

(2) Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge (Teilnahmefrist) beträgt mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung.

(3) Für den Fall, dass eine hinreichend begründete Dringlichkeit die Einhaltung der Teilnahmefrist unmöglich macht, kann der öffentliche Auftraggeber eine Frist festlegen, die 15 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung, nicht unterschreiten darf.

(4) Nur diejenigen Unternehmen, die vom öffentlichen Auftraggeber nach Prüfung der übermittelten Informationen dazu aufgefordert werden, können ein Erstangebot einreichen. Der öffentliche Auftraggeber kann die Zahl geeigneter Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, gemäß § 51 begrenzen.

(5) Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgt keine öffentliche Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen, sondern unmittelbar eine Aufforderung zur Abgabe von Erstangeboten an die vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählten Unternehmen.

(6) Die Frist für den Eingang der Erstangebote beträgt beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

(7) Mit Ausnahme oberster Bundesbehörden kann der öffentliche Auftraggeber die Angebotsfrist mit den Bewerbern, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, im gegenseitigen Einvernehmen festlegen, sofern allen Bewerbern dieselbe Frist für die Einreichung der Angebote gewährt wird. Erfolgt keine einvernehmliche Festlegung der Angebotsfrist, beträgt diese mindestens zehn Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe.

(8) Für den Fall, dass eine hinreichend begründete Dringlichkeit die Einhaltung der Angebotsfrist gemäß Absatz 6 unmöglich macht, kann der öffentliche Auftraggeber eine Frist festlegen, die zehn Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe, nicht unterschreiten darf.

(9) Der öffentliche Auftraggeber kann die Angebotsfrist gemäß Absatz 6 um fünf Tage verkürzen, wenn er die elektronische Übermittlung der Angebote akzeptiert.

(10) Der öffentliche Auftraggeber verhandelt mit den Bietern über die von ihnen eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote, mit Ausnahme der endgültigen Angebote, mit dem Ziel, die Angebote inhaltlich zu verbessern. Dabei darf über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden mit Ausnahme der vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien.

(11) Der öffentliche Auftraggeber kann den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten, wenn er sich in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung diese Möglichkeit vorbehalten hat.

(12) Sofern der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen darauf hingewiesen hat, kann er die Verhandlungen in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abwickeln, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. In der Schlussphase des Verfahrens müssen noch so viele Angebote vorliegen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist, sofern ursprünglich eine ausreichende Anzahl von Angeboten oder geeigneten Bietern vorhanden war.

(13) Der öffentliche Auftraggeber stellt sicher, dass alle Bieter bei den Verhandlungen gleichbehandelt werden. Insbesondere enthält er sich jeder diskriminierenden Weitergabe von Informationen, durch die bestimmte Bieter gegenüber anderen begünstigt werden könnten. Er unterrichtet alle Bieter, deren Angebote nicht gemäß Absatz 12 ausgeschieden wurden, in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs über etwaige Änderungen der Leistungsbeschreibung, insbesondere der technischen Anforderungen oder anderer Bestandteile der Vergabeunterlagen, die nicht die Festlegung der Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien betreffen. Im Anschluss an solche Änderungen gewährt der öffentliche Auftraggeber den Bietern ausreichend Zeit, um ihre Angebote zu ändern und gegebenenfalls überarbeitete Angebote einzureichen. Der öffentliche Auftraggeber darf vertrauliche Informationen eines an den Verhandlungen teilnehmenden Bieters nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Teilnehmer weitergeben. Eine solche Zustimmung darf nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Mitteilung bestimmter Informationen erteilt werden.

(14) Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber, die Verhandlungen abzuschließen, so unterrichtet er die verbleibenden Bieter und legt eine einheitliche Frist für die Einreichung neuer oder überarbeiteter Angebote fest. Er vergewissert sich, dass die endgültigen Angebote die Mindestanforderungen erfüllen, und entscheidet über den Zuschlag auf der Grundlage der Zuschlagskriterien.

(15) In einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Absatz 4 Nummer 3 ist der öffentliche Auftraggeber von den Verpflichtungen der §§ 9 bis 13, des § 53 Absatz 1 sowie der §§ 54 und 55 befreit.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 155/10 Verkündet am:
15. Januar 2013
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Parkhaussanierung
VOB/A § 13 Abs. 1 Nr. 6
Legt der öffentliche Auftraggeber den Vergabeunterlagen ein Kurztextleistungsverzeichnis
bei, darf der Bieter als Adressat dies dahin verstehen, bei dessen Verwendung
zur Beschreibung der angebotenen Leistung nur die darin geforderten Angaben
machen zu müssen. Der öffentliche Auftraggeber kann in diesem Fall den Ausschluss
des Angebots nicht darauf stützen, er habe sich an anderer Stelle in den
Vergabeunterlagen ausbedungen, dass bei Verwendung selbstgefertigter Abschriften
oder Kurzfassungen alle im Langtextleistungsverzeichnis geforderten Textergänzungen
in das Kurztextverzeichnis übertragen werden müssen.
BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - X ZR 155/10 - OLG Köln
LG Aachen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. MeierBeck
, die Richterin Mühlens, den Richter Gröning, die Richterin Schuster und
den Richter Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 21. Juli 2010 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin beteiligte sich an einer öffentlichen Ausschreibung der Beklagten im Jahre 2008 betreffend eine Baumaßnahme zur Sanierung eines Parkhauses in J. . Zu den ihr von der Beklagten für die Erstellung des Angebots übermittelten Vergabeunterlagen gehörten ein Langtext- und ein Kurztextleistungsverzeichnis. Im Ersteren waren bei einzelnen Positionen nicht nur der Einheitspreis und der auf die Position entfallende Gesamtbetrag anzugeben, sondern darüber hinaus waren in hinzugefügten Rubriken Angaben zum vorgesehenen Material und Hersteller bzw. Lieferwerk zu machen. Entsprechende Eintragungsfelder sah das mitgelieferte Kurztextleistungsverzeichnis nicht vor.
2
Zu den Vergabeunterlagen gehörten des Weiteren Bewerbungsbedingungen , deren Klausel 3.2 lautet: "Für das Angebot sind die vom Auftraggeber übersandten Vordru- cke zu verwenden … Anstelle des vom Auftraggeber übersandten Leistungsverzeichnisses können selbstgefertigte Abschriften oder Kurzfassungen verwendet werden, wenn der Bieter das vom Auftraggeber verfasste Leistungsverzeichnis als alleinverbindlich anerkennt. Eine selbstgefertigte Abschrift oder Kurzfassung ist zugelassen. Das vom Auftraggeber verfasste Leistungsverzeichnis ist alleinverbindlich. Kurzfassungen … müssen für jede Teilleistung nacheinanderdie Ordnungszahl, die Menge, die Einheit, den Einheitspreis und den Gesamtbetrag, darüber hinaus den jeweiligen Kurztext sowie die dem Leistungsverzeichnis entsprechenden Zwischensummen der Leistungsabschnitte, die Angebotssumme und alle vom Auftraggeber geforderten Textergänzungen enthalten. Angebote, die diesen Bedingungen nicht entsprechen, können ausgeschlossen werden. Die Kurzfassung ist zusammen mit dem vom Auftraggeber übersandten Leistungsverzeichnis Bestandteil des Angebots. Der Bieter ist verpflichtet, auf Anforderungen des Auftraggebers vor Auftragserteilung ein vollständig ausgefülltes Leistungsverzeichnis nachzureichen."
3
Die Klägerin bediente sich für die Abgabe ihres Angebots des Kurztextleistungsverzeichnisses der Beklagten. Die darin geforderten Angaben gab sie vollständig ab. Die Beklagte schloss das Angebot mit der Begründung von der Wertung aus, das eingereichte Kurztextleistungsverzeichnis enthalte entgegen den Vorgaben in Klausel 3.2 Abs. 3 nicht die im Langtextleistungsverzeichnis geforderten Textergänzungen, also die Angaben zum Material und dessen Herkunft.
4
Mit ihrer Klage, der die Beklagte entgegengetreten ist, hat die Klägerin den ihr durch Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn geltend gemacht. Das Landgericht hat den Klageantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung von durch die Teilnahme an der Ausschreibung begründeten Pflichten nicht zu, weil ihr Angebot zwingend nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A aF von der Wertung auszuschließen gewesen sei. Die Klägerin sei ihrer Verpflichtung aus § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A aF, alle geforderten Erklärungen abzugeben, nicht nachgekommen, weil sie die im Langtextleistungsverzeichnis bei bestimmten Positionen geforderten zusätzlichen Angaben entgegen Klausel 3.2 der Be- werbungsbedingungen nicht gemacht habe. Diese Angaben hätten auch bei Verwendung einer Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses zwingend erfolgen müssen. Zwar räume diese Klausel dem Bieter die Möglichkeit ein, anstelle der vom Auftraggeber übersandten Vordrucke selbstgefertigte Abschriften oder Kurzfassungen zu verwenden, wenn er das vom Auftraggeber verfasste Leistungsverzeichnis als verbindlich anerkenne und die dort geforderten Angaben vollständig enthalten seien. Mit "Leistungsverzeichnis" sei in diesem Zusammenhang aber allein das Langtextleistungsverzeichnis gemeint, das bei gewissenhafter Lektüre der Bewerbungsbedingungen als maßgeblicher "Vordruck" im Sinne von Nummer 3.2 Abs. 1 der Bewerbungsbedingungen habe verstanden werden können. Die Bewerbungsbedingungen seien insoweit auch nicht unklar. Soweit die Vergabestelle sich die Nachforderung eines vollständig ausgefüllten Leistungsverzeichnisses vorbehalten habe, ergebe sich daraus kein Recht des Bieters, bei Einreichung eines Kurztextleistungsverzeichnisses die Abgabe der geforderten Bieterangaben zu Material und dessen Herkunft von einer Nachforderung durch die Beklagte abhängig zu machen.
6
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs korrespondiert mit der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen nicht enthalten , die Verpflichtung der Auftraggeber, die Vergabeunterlagen so eindeutig zu gestalten, dass die Bieter ihnen deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen in welchem Stadium des Vergabeverfahrens abzugeben sind. Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der Auftraggeber ein Angebot nicht ohne weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden Erklärung aus der Wertung nehmen, sondern muss dieses Defizit der Vergabeunterlagen ausgleichen und den Bietern Gelegenheit geben, die fraglichen Erklärun- gen nachzureichen (BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, VergabeR 2012, 724 Rn. 9 - Straßenausbau).
8
2. Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht bei seiner Annahme, den Vergabeunterlagen habe klar entnommen werden können, dass die Textergänzungen des Langtextleistungsverzeichnisses in jedem Fall bei Einreichung des Angebots zu machen waren, alle für die Ermittlung des maßgeblichen Erklärungsgehalts der Vergabeunterlagen wesentlichen Umstände in gebotenem Umfang berücksichtigt hat.
9
a) Für das Verständnis der vom Auftraggeber vorformulierten Vergabeunterlagen ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich (BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau; BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64). Bei der Prüfung, welcher Erklärungsgehalt den übermittelten Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit aus der Sicht der Bieter zukam, ist zu berücksichtigen, dass diese Unterlagen ein vom öffentlichen Auftraggeber selbst vorformuliertes Kurztextleistungsverzeichnis einschlossen. Die Verwendung von Kurzfassungen des Leistungsverzeichnisses ist im öffentlichen Auftragswesen eine seit langem gebräuchliche Rationalisierungshilfe. Mit solchen Auszügen aus dem Angebot kann sich die Vergabestelle überblicksartig ein Bild von dem für sie wesentlichen Gehalt des Angebots machen. Nach der seit dem 11. Juni 2010 geltenden Fassung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen können Bieter für die Angebotsabgabe stets selbstgefertigte Abschriften oder Kurzfassungen des Leistungsverzeichnisses benutzen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A), wenn die in dieser Vorschrift vorgesehenen Angaben gemacht werden; nach der im Streitfall anwendbaren Fassung der Vergabe- und Vertragsordnung gilt sinngemäß das Gleiche (§ 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A aF). Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen selbst bestimmt den unabdingbaren Inhalt solcher Kurzfassungen lediglich dahin, dass die Ordnungszahlen (Positionen) vollzählig, in der gleichen Reihenfolge und mit den gleichen Nummern wie in dem vom Auftraggeber verfassten Leistungsverzeichnis anzugeben sind (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A; § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A aF); dem Auftraggeber ist es aber grundsätzlich nicht verwehrt, insoweit weitergehende Anforderungen zu stellen (vgl. Kratzenberg in Ingenstau/Korbion , VOB-Kommentar, 18. Aufl., § A 13 Rn. 20 f.).
10
b) Es mag zwar auf der Hand liegen, dass ein Bieter, der eine selbstgefertigte Abschrift oder statt dessen eine selbstgefertigte Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses benutzen will, sich anhand der Vergabeunterlagen vergewissern muss, welche Angaben darin zu machen sind. Zu klären, welche Informationen von der Vergabestelle bei Verwendung eines selbst gefertigten Kurztextleistungsverzeichnisses verlangt werden, hat ein Bieter dann aber keinen Anlass, wenn die Vergabestelle, wie im Streitfall, dafür ein von ihr selbst vorformuliertes Verzeichnis zur Verfügung stellt. Liegt den Vergabeunterlagen ein solches Verzeichnis bei, darf der Bieter als Adressat dies dahin verstehen, bei Verwendung der Unterlage der Vergabestelle zur Beschreibung der angebotenen Leistung nur die dort geforderten Angaben machen zu müssen. Handelt es sich dabei um ein Kurzleistungsverzeichnis, in dem Textergänzungen nicht vorgesehen sind, kann der öffentliche Auftraggeber den Ausschluss des Angebots nicht darauf stützen, er habe sich an anderer Stelle in den Vergabeunterlagen ausbedungen, dass bei Verwendung selbstgefertigter Abschriften oder Kurzfassungen alle im Langtextleistungsverzeichnis geforderten Textergänzungen in das Kurztextverzeichnis übertragen werden müssen.
11
c) Ob, worauf das Berufungsgericht maßgeblich abgestellt hat, unter dem Begriff des Leistungsverzeichnisses in Klausel 3.2 Abs. 2 der Bewerbungsbedingungen das Langtextleistungsverzeichnis zu verstehen ist, ist nicht entscheidungserheblich. Soweit in dieser Klausel geregelt ist, welche Mindestinhalte vom Bieter selbst gefertigte Leistungsverzeichnisse aufweisen müssen, brauchte ein bei der Angebotserstellung rationell und systematisch vorgehender Bieter keinen Anlass zu sehen, sich mit dieser Klausel zu befassen, wenn er, wie hier, ein auftraggeberseitig vorgefertigtes Kurztextleistungsverzeichnis benutzte. Er musste nicht damit rechnen, dass dieses den gewünschten Vorgaben nicht nur nicht entsprach, sondern dessen unabgeänderte Verwendung sogar dazu berechtigen sollte, ein auf dieser Basis eingereichtes Angebot ohne weitere Aufklärung (vgl. dazu Kratzenberg aaO Rn. 21) auszuschließen. Andernfalls würde das Risiko für die hinreichend klare Abfassung der Vergabeunterlagen in unangemessener Weise von der Vergabestelle als deren Verwenderin auf die Bieter übergewälzt.
12
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend über den Anspruchsgrund entscheiden. Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch steht einem Bieter nach ständiger Rechtsprechung zu, wenn der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag erteilt worden ist und ihm bei rechtmäßigem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Das Berufungsgericht stellt zwar fest, dass die Klägerin das preisgünstigste Angebot abgegeben hat. Es liegt nach den gesamten Umständen auch nicht fern, dass es damit zum Ausdruck bringen wollte, dass die Klägerin den Auftrag hätte erhalten müssen. Da das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen zu den maßgeblichen Zu- schlagskriterien getroffen hat, ist dem Senat eine abschließende Beurteilung verwehrt.
13
IV. Für die neueröffnete Verhandlung vor dem Berufungsgericht weist der Senat in diesem Zusammenhang vorsorglich auf Folgendes hin:
14
Der Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfen nur die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen mitgeteilten Zuschlagskriterien zugrunde gelegt werden. Sind solche Kriterien nicht publik gemacht worden, kann, nachdem der Auftrag erteilt worden ist, nur auf den niedrigsten Angebotspreis abgestellt werden (vgl. Stolz in Wildenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 2. Aufl., 7. Los Rn. 152 mwN; Kulartz in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, § 16 Rn. 268). Hat der Auftraggeber zwar mehrere Zuschlagskriterien rechtzeitig bekanntgegeben, sich hinsichtlich ihrer Gewichtung aber nicht vor Kenntnis der Angebote durch eine Bewertungsmatrix festgelegt, kommt dem Preis bei der Gewichtung umso größere Bedeutung zu, je standardisierter der Gegenstand der Beschaffung ist oder je detaillierter der Leistungsinhalt in den Vergabeunterlagen festgelegt wurde (vgl. Kulartz, aaO Rn. 261).
Meier-Beck Mühlens Gröning
Schuster Deichfuß
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 17.11.2009 - 12 O 140/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 21.07.2010 - 11 U 212/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 108/10 Verkündet am:
20. November 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Friedhofserweiterung
BGB §§ 133 E, 157 A; VOB/A § 26 Nr. 1 Buchst. c aF, § 17 Abs. 1 Nr. 3 nF

a) Der Erklärungswert der vom öffentlichen Auftraggeber vorformulierten Vergabeunterlagen
ist gemäß den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden, auf
den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abstellenden Grundsätzen
zu ermitteln.

b) Der gestellten Vergabebedingung einer "rechtsverbindlichen" Unterzeichnung des
Angebots kommt lediglich der Erklärungsgehalt zu, dass der Unterzeichner bei
Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss.

c) Wann die Aufhebung einer Ausschreibung wegen "deutlicher" Überschreitung des
vertretbar geschätzten Auftragswerts rechtmäßig ist, ist aufgrund einer umfassenden
Interessenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere zu berücksichtigen
ist, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich
überhöhten Preisbildung zugewiesen werden, die Aufhebung andererseits
aber auch kein Instrument zur Korrektur der in Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse
sein darf (Weiterführung von BGH, Urteil vom 8. September 1998
- X ZR 48/97, BGHZ 139, 259 und Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR
2001, 293).
BGH, Urteil vom 20. November 2012 - X ZR 108/10 - OLG München
LG Ingolstadt
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Gröning und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 5. Juli 2010 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin beteiligte sich an der öffentlichen Ausschreibung der beklagten Gemeinde für eine Friedhofserweiterung mit Neubau der Friedhofsmauer und Aussegnungshalle. Die von der Beklagten gestellten Vordrucke für das Angebotsschreiben wiesen ein Feld für eine "rechtsverbindliche Unterschrift" und einen Stempel des Bieters auf und enthielten daneben den Hinweis: "Wird das Angebotsschreiben nicht an dieser Stelle rechtsverbindlich unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben."
2
Die Klägerin gab ein Angebot ab, das unter Berücksichtigung eines Preisnachlasses mit einer Angebotssumme von 261.368,78 € abschloss. Es war von einer Angestellten ohne einen Vertretungszusatz unterzeichnet und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen.
3
Das Angebot der Klägerin war, nachdem die Beklagte ein verspätet abgegebenes Angebot eines Wettbewerbers aus der Wertung nehmen musste, das preisgünstigste Angebot. Mit der Begründung, die Finanzierung sei nicht gesichert, hob die Beklagte das Vergabeverfahren auf und ging bei identischem Leistungsverzeichnis zur beschränkten Ausschreibung über, ohne die Klägerin daran zu beteiligen. Den Zuschlag erhielt ein Bewerber mit einem Angebotspreis von 242.000 €.
4
Die Klägerin hat Teilklage auf Erstattung ihres positiven Interesses in Höhe von 5.001 € erhoben, die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und widerklagend die Feststellung begehrt, dass der Klägerin auch kein weiterer Schadensersatz zusteht. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat angenommen, dass der Klägerin zwar kein Anspruch auf Erstattung des positiven Interesses zustehe, wohl aber ein solcher auf Ersatz des negativen Interesses aufgrund der Nichtbeteiligung an der zweiten Ausschreibung. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen und nach dem Widerklageantrag erkannt.
5
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf das positive Interesse und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung sinngemäß im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin setze die Abgabe eines formal wirksamen Angebots voraus. Daran fehle es vor dem Hintergrund des von der Beklagten aufgestellten Erfordernisses einer rechtswirksamen Unterschrift. Dieses stelle klar, dass das Angebot wirksam zu sein habe und so gefasst sein müsse, dass es nur noch angenommen zu werden brauche , um den Auftraggeber von Ungewissheiten und Verzögerungen freizustellen , die mit der Unterzeichnung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht verbunden sein könnten. Es sei zu respektieren, wenn der Auftraggeber sich den daraus möglicherweise erwachsenden Schwierigkeiten nicht stellen wolle und deshalb über ein lediglich "unterschriebenes" Angebot hinaus die Rechtsverbindlichkeit der Angebotserklärung fordere. Für die Klägerin habe demgegenüber die Angestellte ohne Geschäftsführerin oder Prokuristin zu sein und ohne Vertretungskennzeichen gehandelt. Dass sie als Sekretärin mit der Bearbeitung von Ausschreibungsunterlagen betraut gewesen und nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme intern auch zur Unterschriftsleistung ermächtigt gewesen sei, genüge den Vorgaben der Beklagten nicht. Dieser sei nicht zuzumuten, erst durch weitere Nachforschungen zu klären, ob Vertretungsmacht vorgelegen habe.
7
II. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hatte ein wirksames Angebot abgegeben.
8
1. Das Berufungsgericht hat Inhalt und Bedeutung der Unterschriftsklausel nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
9
a) Mit der Unterschriftsklausel hat die Beklagte als Vergabestelle eine vorformulierte Vergabebedingung gestellt. Welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung des Umstands zu ermitteln, dass die Vergabeunterlagen von der Vergabestelle vorformuliert sind (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Maßgeblich für das Verständnis ist dabei der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10; BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau).
10
b) Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht geprüft hat, wie das Erfordernis einer "rechtsverbindlichen Unterschrift" aus Sicht der potenziellen Bieter zu verstehen war. Es scheint die Klausel dahin zu verstehen, dass sie nicht nur eine wirksame, den Bieter rechtlich bindende Unterzeichnung des Angebots verlangt, sondern dass auch nachgewiesen oder zumindest erkennbar sein muss, dass der Unterzeichner über gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Denn seine Feststellung, dass die Unterzeichnerin des von der Klägerin abgegebenen Angebots "intern zur Unterschrift berechtigt" gewesen sei, kann nicht anders verstanden werden, als dass die Unterzeichnerin des Angebots die Klägerin kraft ihr erteilter Vollmacht vertreten konnte. Seine Annahme, dass dies den Vorgaben der ausschreibenden Stelle nicht genüge, begründet das Berufungsgericht jedoch nur mit der Erwägung, es sei der Beklagten nicht zuzumuten, die Vertretungsberechtigung des Unterzeichners erst durch weitere Nachforschungen zu klären. Entscheidend ist jedoch nicht, was der Beklagten zuzumuten ist, sondern welche Erklärungen die Bieter den Vergabeunterlagen als ihnen abverlangt entnehmen konnten.
11
2. Da weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der Unterschriftsklausel selbst vornehmen (vgl. BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau). Nach den maßgeblichen Verständnismöglichkeiten der mit der Ausschreibung angesprochenen Bieterkreise ist ihr der Erklärungsgehalt beizulegen, dass der Unterzeichner bei Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss (in diesem Sinne bereits OLG Naumburg, NZBau 2008, 789, 791; ebenso Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß § 21 Rn. 6 ff.). Der Gesichtspunkt einer interessengerechten Auslegung rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis.
12
Soweit das Berufungsgericht das Risiko vollmachtloser Vertretung bei Handeln einer Person, deren Vertretungsmacht nicht dem Inhalt des Handelsregisters entspreche und die sich auch nicht durch eine Vollmachtsurkunde legitimiere , für den öffentlichen Auftraggeber anspricht, ist schon fraglich, inwieweit die etwaige Erhebung dieses Einwands eines Bieters, der den Vertrag nicht erfüllen will, bei wirklichkeitsnaher Betrachtung erfolgversprechend und wahrscheinlich wäre. Jedenfalls wäre es mit dem Gebot der klaren und eindeutigen Abfassung von Vergabeunterlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung; BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 9) unvereinbar, der Klausel aufgrund der Hinzufügung des Attributs "rechtsverbindlich" (unterschrieben) nach dem Empfängerhorizont den Erklärungsgehalt beizulegen, mit dem Angebot müsse die Bevollmächtigung des Unterzeichners dokumentiert werden, wenn nicht die gesetzlichen Vertreter oder Prokuristen des bietenden Unternehmens unterschrieben haben (dagegen auch Prieß, aaO Rn. 12).
13
Der mit der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 (VergabeR 2005, 222) entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass sich die Vertretungsbefugnis des Bieters, eines städtischen Eigenbetriebs, aus einer gesetzlichen Vorschrift, der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen, ergab und das Angebot nicht von der danach vertretungsberechtigten Person unterschrieben war. Für die Schlussfolgerung, dass das Angebot eines Formkaufmanns (§ 6 HGB) nur dann im Sinne der Unterschriftsklausel "rechtsverbindlich" unterschrieben ist, wenn es die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters oder eines Prokuristen aufweist, oder ein Dritter seiner Unterschrift zumindest einen Vertretungszusatz hinzugefügt hat, bietet die Entscheidung dieses Falles keine Grundlage. Das Gesetz sieht bei Formkaufleuten eine "rechtswirksame", nicht aus dem Handelsregister ersichtliche Vertretung durch andere Personen als die gesetzlichen Vertreter und Prokuristen vor (§ 54 Abs. 1 HGB) und unterscheidet generell zwischen dem Bestehen von Vertretungsmacht und deren Nachweis. Der vom Berufungsgericht erwähnte Vertretungszusatz ist nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Erklärung einer zur Vertretung bevollmächtigten Person, sondern allenfalls für die Frage von Bedeutung, ob ihr Vertretungswille hinreichend hervortritt. Im Streitfall war der Wille, für die Klägerin zu handeln, nach den Umständen (Firmenstempel im Unterschriftsfeld einer die Klägerin als Bieterin benennenden Urkunde) offensichtlich (§ 164 Abs. 1 BGB).
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben und die Sache zur Prü14 fung der weiteren Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
15
IV. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
16
Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch eines Bieters setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass dem Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen und dass der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag vergeben worden ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil vom 26. Januar 2010 - X ZR 86/08, VergabeR 2010, 855 Rn. 16 - Abfallentsorgung I). Die letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Danach kann die Klägerin ihr positives Interesse erstattet verlangen, wenn die Beklagte das erste Vergabeverfahren nicht vergaberechtskonform hätte aufheben dürfen, weil die Voraussetzungen aus § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF nicht vorlagen.
17
1. Ob es sich so verhält, wird nach Lage des Falles in erster Linie davon abhängen, ob die Differenz zwischen den geschätzten Kosten einerseits und den Angebotspreisen der ersten Ausschreibung andererseits eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A 2006 gestatteten.
18
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann es einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280).
19
b) Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
20
Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen , soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbe- messungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten.
21
c) Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so "deutlich" überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF/§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nF gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemeinverbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR 2001, 293, 298). Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen , dass § 26 Nr. 1 VOB/A aF (§ 17 Abs. 1 VOB/A nF) nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259, 263) und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen.
22
Dass der Auftrag nach der beschränkten Ausschreibung zu einer Auftragssumme von 242.000 € vergeben werden konnte, ist für die Frage, ob das wertungsfähige Submissionsergebnis der ersten Ausschreibung deutlich über- teuert war, nur von eingeschränktem Erkenntniswert. Denn dabei ist zu bedenken , dass das Submissionsergebnis der vorangegangenen öffentlichen Ausschreibung nach Maßgabe von § 22 VOB/A aF, § 14 VOB/A nF publik geworden ist und dass dies die Preisbildung im zweiten Vergabeverfahren beeinflussen konnte. Nach den Mechanismen des Marktes wird für einen Bieter, der das Ergebnis der ersten Ausschreibung kennt, die Annahme naheliegen, diesen Preis unterbieten zu müssen, um eine realistische Chance auf den Zuschlag zu haben, auch wenn das Angebot mit dem geringsten Preis (rd. 244.000 €) letztlich nicht gewertet werden durfte. Dass die Baumaßnahme zum Preis von 242.000 € durchgeführt wurde, rechtfertigt unter diesen Voraussetzungen nicht die Annahme, dass dieser Preis der Marktpreis (vgl. OLG Karlsruhe, VergabeR 2010, 96, 100) war.
23
d) Erweist sich der geschätzte Auftragswert schon im Ausgangspunkt als nicht vertretbar, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung auf die Differenz zwischen dem angemessenen Wert und dem wertungsfähigen Submissionsergebnis an.
24
2. Soweit die Beklagte die Aufhebungsentscheidung mit der nicht gewährleisteten Sicherung der Finanzierung begründet hat, bemerkt der Senat, dass eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht vergaberechtskonform ist, wenn die fehlende Finanzierung auf Fehler des Auftraggebers bei der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und der daran anschließenden Einwerbung der benötigten Mittel zurückzuführen ist (BGHZ 139, 280, 286). Zur Vermeidung irregulärer Vergabeentscheidungen kann dem Auftraggeber darüber hinaus auch nicht gestattet sein, nach Gutdünken eine bestimmte Auftragssumme nachträglich für allein noch finanzierbar zu erklären. Im Streitfall hat die Beklagte nach ihrem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen den günstigsten Angebotspreis aus der beschränkten Ausschreibung als letztlich finanzierbar bezeichnet. Dies reicht nicht aus, um den Anspruch auf entgangenen Gewinn eines Bieters mit einem höheren, aber den vertretbar geschätzten Auftragswert nicht deutlich übersteigenden Preis erfolgreich infrage zu stellen.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Gröning Schuster
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 04.11.2009 - 52 O 1231/08 -
OLG München, Entscheidung vom 05.07.2010 - 21 U 5466/09 -

(1) In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich ist, sowie die Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung.

(2) Bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, sind bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungsbeschreibung ist den Vergabeunterlagen beizufügen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Vor dem Beschwerdegericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen.

(2) Die §§ 65, 69 bis 72 mit Ausnahme der Verweisung auf § 227 Absatz 3 der Zivilprozessordnung, § 75 Absatz 1 bis 3, § 76 Absatz 1 und 6, die §§ 165 und 167 Absatz 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.

(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.

(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.

(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

(2) Die Gebühr beträgt mindestens 2 500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50 000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100 000 Euro erhöht werden.

(3) Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung von Gebühren ganz oder teilweise abgesehen werden.

(4) Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Hat sich der Antrag durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, erfolgt die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat, nach billigem Ermessen; in Bezug auf die Erstattung der Aufwendungen der Beigeladenen gilt im Übrigen Satz 2 entsprechend. § 80 Absatz 1, 2 und 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend. Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt.