I.
Der Antragsgegner beabsichtigt zur Verbesserung der Sicherheit der Justizvollzugsanstalt . . die Vergabe „JVA 2020 Elektrou. Nachrichtentechnik“ und veröffentlichte im März 2018 die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union im Wege des offenen Verfahrens.
Ziffer II. 1.4) der Bekanntmachung enthält folgende kurze Beschreibung des Bauauftrags:
In der Justizvollzugsanstalt M. sind zur Verbesserung der Sicherheit sicherheitstechnische vielschichtig Anlagen und Einrichtungen zu erneuern. Die Tätigkeiten sind innerhalb der Gebäude und in den Außenanlagen unter laufendem Betrieb zu verrichten.
Die Maßnahme gliedert sich in folgende Teilaufgaben:
Teilaufgabe A - Anstaltsmauer - Erneuerung der Beleuchtung des Sicherheitsstreifens. Teilaufgabe B - Sicherheitszaun - Die technische Ausstattung des Sicherheitszauns ist Gegenstand der Leistung.
Teilaufgabe C - Erneuerung der Videoüberwachungsanlage - Die Erneuerung der Videoüberwachungsanlage.
Teilaufgabe D - Umrüstung von Außenabschluss- und Innentüren mit Motorschlössern und Transponder.
Nach Ziffer II. 1.6) der Bekanntmachung ist eine Aufteilung in Lose nicht vorgesehen.
In Ziffer II. 2.4) wird ausgeführt:
Das Projekt ist kategorisiert als Maßnahme unter laufendem Betrieb und mit der Forderung eine Hochverfügbarkeit im Rahmen der Ausführung und Realisierung sicherzustellen. Die Leistung umfasst die Stromversorgung der 6 Überwachungstürme, die von der zentralen Energiezentrale 1 mit einer 690V-Strecke angedient werden. Für die Versorgung der Türme werden 8 Transformatoren von 63 kVA bis 400 kVA und dem notwendigen Kabeltiefbau benötigt. In Bezug auf den Kabeltiefbau sind über 2000 m Kabelgraben, 60 Videomasten und nahezu 50 Kabelschächte mit einer kabeltechnischen Andienung über Leerrohrandienung und/oder Erdverlegung einzubauen. Leistungssoll ist dazu ein Überspannungs- und Blitzschutz für Anlagen im Außenbereich und Innenbereich. Im Außenbereich sind die Videoanlagen auf Masten und Dächern mit über 100 HVI-Schutzeinrichtungen zu schützen. Darüber hinaus sind technische Einrichtungen entlang der ca. 1500 m langen Mauer mit einer Blitzschutzeinrichtung abzusichern, die alle 20 m mit Erdern an das Erdreich anzuschließen sind. Vorgenannte Einrichtungen dienen einer neuen Videoanlage, die für die Liegenschaft einzurichten ist. Die Mindestqualität ist für sämtliche Überwachungsbereiche mit der Forderung „Erkennen“ definiert und bedingt, dass für die Außen- und Innenüberwachung ca. 525 IPbasierte Kameras mit mind. 6 MP-Auflösung in Gebäuden und im Innenbereich, Außenbereich an Gebäuden und Masten, zu verbauen sind. Dazu ist ein hochleistungsfähiges Übertragungsnetz mit mehr als 50 km Lichtwellenkabel inkl. der aktiven Technik vorzusehen. Die kommunikationstechnische Infrastruktur bedingt, dass zwei modulare Core-Switche im Cluster betrieben werden und diese es vermögen dazu mind. ca 90 Gebäude- und Anwendungs-Switche zu bedienen. Dazu werden ca. 70 Stück 19Zoll-Schränke aufgebaut.
Weiterhin ist ein Schließmanagement einzurichten, das mit ca. 155 Schlösser auszustatten ist und mit einer neuen Steuerung inkl. Transpondern ausgerüstet werden muss. Die Steuerung erfolgt mittels dezentralen ca. 155 St. SPS-Türcontrollern, die mittels Modbus und IP zu verbinden sind.
Zur Beherrschung der vorgenannten komplexen Technik wird gefordert, dass ein Sicherheitsmanagement in homogener und abgestimmter Art und Weise die Bedienung, Kommunikation und Dokumentation des täglichen Einsatzes ermöglicht.
Varianten/Alternativangebote sind nach Ziffer II.2.10) der Bekanntmachung zulässig.
Als Schlusstermin für die Einreichung von Angeboten ist in Ziffer IV.2) der Bekanntmachung der 10. Juli 2018 festgelegt worden. Dieser Termin wurde mit Änderungsmitteilung 1 vom 4. Juli 2018 auf den 24. Juli 2018 verlegt.
Die Vergabeunterlagen enthielten u.a. einen Hinweis zur digitalen Angebotsabgabe und im Formblatt 226.H (AST 4) „Mindestanforderungen für Nebenangebote“, in denen für verschiedene IP-Netzwerk-Farbkameras auf technische Werte bestimmter Kameras der Firma D. Bezug genommen wurde.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2018 rügte die anwaltlich vertretene Antragstellerin, die Ausschreibung verstoße gegen das Gebot zur losweisen Vergabe aus § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. Außerdem werde das Verbot einer produktspezifischen bzw. ein bestimmtes Produkt begünstigenden Ausschreibung in § 7 EU Abs. 2 Satz VOB/A umgangen. Mit Schreiben vom 10. Juli 2018 wies der Antragsgegner die Rüge zurück und kündigte ein weiteres Änderungspaket an.
Nachdem den Bietern am 12. Juli 2018 Änderungen in den Vergabeunterlagen („Änderungspaket 2“) mitgeteilt worden waren, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Juli 2018, es seien wesentliche Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden, ohne dass zugleich eine Verlängerung der Angebotsfrist nach § 10a EU Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 VOB/A erfolgt sei. Außerdem rügte sie einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 VgV, da sie das „Änderungspaket 2“ erst am Morgen des 20. Juli 2018 habe öffnen können. Mit Schreiben vom 23. Juli 2018 wies der Antragsgegner diese Rüge zurück.
Am 24. Juli 2018 ging ein schriftliches Angebot der Antragstellerin bei der Vergabestelle ein, allerdings nur für Teilleistungen.
Nachdem der Antragsgegner den Rügen nicht abgeholfen hatte, hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt und beantragt,
festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist, und geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern, insbesondere, indem das Verfahren in den Stand vor Abgabe der Angebote zurückversetzt, die Ausschreibung in Lose aufgeteilt wird, die ausgeschriebenen VideoÜberwachungsanlagen produktneutral beschrieben werden und eine angemessene Frist zur Abgabe der Angebote gesetzt wird.
Die Antragstellerin, ein auf die Planung und Einrichtung von AlarmSicherheitssystemen spezialisiertes Unternehmen, führte zur Begründung insbesondere aus, sie habe ihr Interesse am Auftrag bereits durch die wiederholten Rügen demonstriert. Im Kern gehe es ihr um die Leistungen der „Teilaufgabe C“ und ggf. der „Teilaufgabe D“. Die übrigen Teilaufgaben fielen dagegen nicht in ihr Leistungsspektrum, insbesondere weil sie die dafür notwendigen Tiefbauarbeiten nicht selbst leisten könne. Mit ihrem Angebot habe sie nur ihr Interesse am Auftrag unterstreichen wollen. Die mangelnde Aufteilung des Auftrags in Lose verstoße gegen § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB, der die Losbildung als Regelfall vorsehe. Eine Ausnahme sei nur bei objektiv zwingenden Gründen für eine Gesamtvergabe zulässig. Schon der Zuschnitt des Auftrags, nämlich die Aufteilung in „Teilaufgaben“ zeige, dass eine entsprechende Losaufteilung möglich sei. Bei den Schnittstellen zwischen den einzelnen Teilaufgaben handele sich um Standardschnittstellen, die keines größeren Definitionsaufwands bedürften. Fehler bei den elektrischen Leitungen ließen sich zudem in der Regel durch Messungen feststellen, wobei der Unternehmer, der eine bestimmte Leitung verlegt habe, unschwer zu ermitteln sei. Aufgrund der vom Antragsgegner vorgebenen sukzessiven Abfolge der Arbeiten sei zudem die Gefahr gering, dass zu viele Auftragnehmer an einem einzigen Verteilerschrank tätig seien. Außerdem verstoße die Leistungsbeschreibung in Ziffer 1.4.4.1 und 1.5. aufgrund der verdeckt produktspezifischen Beschreibung gegen § 7 EU Abs. 2 Satz 1 VOB/A. Das Leistungsverzeichnis nenne zwar kein bestimmtes Produkt für die Multisensorkameras, aufgrund ihrer Marktkenntnis könne sie aber sicher sagen, dass alleine Kameras der Firma D. die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllten. Die Antragstellerin habe die mit dem „Änderungspaket 2“ vorgenommenen Änderungen in Ziffer 4.0 der Leistungsbeschreibung, in denen die Erneuerung der Videoüberwachungsanlage und Verteilerstruktur textlich beschriebenen werde, wegen Problemen beim Download erst am 20. Juli 2018 nachvollziehen können. Im Hinblick darauf hätte eine Fristverlängerung gewährt werden müssen. Da die Änderungen an den Vergabeunterlagen wesentlich gewesen seien, hätte der Antragsgegner nach Veröffentlichung des „Änderungspaktes 2“ ferner nach § 10a EU Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 VOB/A eine Fristverlängerung gewähren müssen. Schon die Veränderung bei den Nebenangeboten auf eine Höchstzahl auf 160 Kameras könne dazu führen, dass ein Bieter ein Nebenangebot neu kalkulieren müsse. Auch die Ergänzungen der Aufgabenbeschreibung müssten kalkulatorisch überprüft werden.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Vergabenachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Er vertrat insbesondere die Ansicht, der Antrag sei unzulässig, da das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen sei, weil sie entgegen Ziffer 7 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Anlage AST 15) kein elektronisches Angebot abgeben habe und dieses in mehrfacher Hinsicht (Titel 44 und Wartungsleistungen) unvollständig sei. Der Vergabenachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Vor der Ausschreibung habe die Vergabestelle die sachlichen, wirtschaftlichen und technischen Aspekte durch einen von ihr hinzugezogenen fachkundigen Sachverständigen untersuchen lassen. Auf dieser Grundlage sei die Vergabestelle im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Bewertung der Gewichtung der verschiedenen Gesichtspunkte zu der Einschätzung gelangt, dass wirtschaftliche und technische Gründe die zusammengefasste Ausschreibung erforderten, um das angestrebte Qualitätsniveau und die wegen der besonderen Sicherheitssituation einer Justizvollzugsanstalt notwendige Ausfallsicherheit von 99,99% zu gewährleisten. Die dabei erörterten Gesichtspunkte seien in dem Vermerk der Ingenieurgesellschaft und der Vergabestelle vom 12. Juli 2018 (nochmals) wiedergegeben. Die von der Vergabestelle angestrebte Einheitlichkeit beziehe sich auf das Ineinandergreifen der verschiedenen sicherheitstechnisch relevanten Systeme und die einheitliche Verantwortlichkeit eines Auftragnehmers, dessen Sicherheitsüberprüfung zudem weniger aufwendig sei. Die Vergabestelle habe ferner zulässigerweise ein Leitfabrikat zur Grundlage ihrer Ausschreibung gemacht. Selbst wenn man aufgrund der versehentlich unterbliebenen Aufgabe der Produktspezifität in der Dokumentation des Vergabevermerks und in den Mindestanforderungen für Nebenangebote von einer produktspezifischen Ausschreibung ausgehe, lägen die dafür notwendigen rechtfertigenden Voraussetzung gemäß § 7 EU Abs. 2 VOB/A vor. Die Vergabestelle sei auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen des von ihr eingeschalteten Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Multisensorkameras der genannten Firma den Anforderungen des Beschaffungsbedarfs am besten entsprächen. Schließlich habe es einer weiteren Verlängerung der Angebotsfrist nicht bedurft, da weder die Lockerungen der Anforderungen für Nebenangebote eine wesentliche Änderung darstellten noch die behaupteten Schwierigkeiten beim Download des zweiten Änderungspakets nachvollzogen werden könnten.
Die Beigeladene hat insbesondere ausgeführt, es bestehe ein eigener Teilmarkt für die ausgeschriebene Gesamtleistung.
(Mit Beschluss vom 1. Oktober 2018, der dem Antragsgegner und der Beigeladenen am 2. Oktober 2018 zugestellt worden ist, hat die Vergabekammer das Vergabeverfahren aufgehoben. Der Nachprüfungsantrag sei insoweit zulässig und begründet als die Antragstellerin die unterlassene Bildung von Fachlosen angegriffen habe. Der Antragsgegner habe nicht ausreichend darlegen können, dass bezüglich aller in Betracht kommender Teilleistungen wirtschaftliche oder technische Gründe gegen die Bildung von Fachlosen sprächen. Das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie gerade das jeweilige Fachgewerk erfassten. Der Antragsgegner habe nur pauschal für alle von ihm ausgeschriebenen Leistungen eine Abwägung dokumentiert, ohne auf einzelne Fachlose einzugehen. Es seien insbesondere keinen ausreichenden technischen und wirtschaftlichen Gründe dafür dargelegt worden, dass die „klassischen Elektroarbeiten“ wie die Erstellung des Leitungsnetzes und der Schaltschrankbau sowie der Kabeltiefbau nicht als eigenen Fachlose ausgeschrieben worden seien. In der Begründung vom 12. Juli 2018 werde lediglich pauschal auf eine intensive datentechnische Verknüpfung und ein einheitliches Datenund Steuerungsnetz abgestellt. Der Vortrag erschöpfe sich in Vermutungen und unkonkreten Hinweisen auf bisherige Praxiserfahrungen. Der Vortrag zum Schaltschrankbau beschränke sich hauptsächlich auf die Problematik der gleichzeitigen Arbeit mehrerer Firmen an einem Schaltschrank, die angesichts der vorgegebenen Bauablaufplanung kaum relevant werden könne. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argumentation, die im Schaltschrank zu verbauenden Komponenten hingen von den Einzelkomponenten der Überwachungsanlage ab, seien in der schriftlichen Dokumentation nicht aufgeführt und könne eine untrennbare Verflechtung der Leistungskomplexe nicht begründen. Die vom Antragsgegner als Begründung angeführte komplexe Vernetzung der Videoüberwachungsanlage mit anderen sicherheitsrelevanten Einrichtungen begründe nicht, dass diese vernetzte Anlage nicht getrennt von anderen Komponenten vergeben werden könne. Aufgrund der in der Elektrotechnik bei der Stromversorgung standardisierten Leistungen und Schnittstellen erscheine es durchaus möglich, diesen Leistungsteil in einem Fachlos zu vergeben. Gleiches gelte für den Kabeltiefbau. Hinsichtlich der vom Antragsgegner genannten besonderen Sicherheitsanforderungen sei zu berücksichtigen, dass die Sicherheitsüberprüfung nicht für einzelne Unternehmen, sondern für jeden eingesetzten Arbeiter durchzuführen sei. Mit ihrem Vorbringen zu einem Verstoß gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung sei die Antragstellerin dagegen präkludiert. Im Übrigen sei die vorgenommene Produktvorgabe vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt.)
Dagegen richten sich die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
-
1.Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 1. Oktober 2018, Az. wird aufgehoben.
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2.Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin vom 24. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner führt zur Begründung insbesondere aus, der Vergabenachprüfungsantrag sei auch im Hinblick auf die beabsichtigte Gesamtvergabe mangels rechtzeitiger Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig. Die Durchdringung des Angebots setze die positive Kenntnis des Ausschreibungsinhalts und damit auch der unterbliebenen Aufteilung in Lose voraus. Es sei auch davon auszugehen, dass die Antragstellerin eine positive Kenntnis nach der für sie maßgeblichen laienhaften Bewertung eines Vergaberechtsverstoßes gewonnen habe. Außerdem habe sie bereits am 6. Juni 2018 ihren Rechtsanwalt mit der vergaberechtlichen Prüfung (der Produktvorgabe) beauftragt, so dass die Zehntagesfrist nach Ablauf einer diesem zuzubilligenden Prüfungsfrist spätestens am 23. Juni 2018 abgelaufen sei. Wegen des formwidrigen Angebots fehle es ferner am Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet, weil nicht nur die von der Vergabekammer zu Recht zurückgewiesenen Rügen, sondern auch die unterbliebene losweise Ausschreibung nach § 97 Abs. 4 GWB gerechtfertigt sei. Die Vergabekammer habe unberücksichtigt gelassen, dass sich die Rechtfertigung einer Gesamtvergabe im Einzelfall auch durch das der Verfahrenskonzeption vorgelagerte Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers ergeben könne, das nur einer begrenzten Kontrolle der Nachprüfungsinstanzen unterliege. Der Antragsgegner strebe die Beschaffung einer systemisch miteinander verzahnten Vielzahl einzelner Elemente für ein komplexes Sicherheitssystem zur Verbesserung der Sicherheit der Justizvollzugsanstalt M. im Bereich der ElektroInformationstechnik an. Bei strengsten Verfügbarkeitsanforderungen verlange dies einen integrativen Ansatz. Dies werde in der Begründung der Ingenieurgesellschaft für eine Gesamtvergabe betont. Dass die Hochverfügbarkeit auch von der Stromversorgung und dem damit im Zusammenhang stehenden Kabeltiefbau abhänge, liege auf der Hand. Die Vergabekammer habe den überwölbenden Gesichtspunkt der Sicherheitsbezogenheit und Verfügbarkeit von 99,99% nicht ausreichend betrachtet. Ihre Sichtweise verletze den Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers bei der Frage, ob wirtschaftliche und technische Gründe die zusammengefasste Vergabe erforderten. In der Entscheidung komme nicht zum Ausdruck, dass der Sachverständige der Ingenieurgesellschaft in der mündlichen Verhandlung eine Aufteilung in anlagenspezifische kleinteiligere Ausschreibungen als projektgefährdend angesehen habe.
Die Beigeladene führt zur Begründung insbesondere aus, dem Auftraggeber stehe bezüglich des Vorliegens von wirtschaftlichen und technischen Gründen ein Beurteilungsspielraum zu. Bei komplexen Projekten müsse die Werk- und Montageplanung in einer Hand liegen, um sicherheitsrelevante Schnittstellenprobleme zu vermeiden.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde des Antragsgegners sowie der Beigeladenen zurückzuweisen und den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 1. Oktober 2018, Az. … aufrechtzuerhalten.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin insbesondere vor, der Nachprüfungsantrag sei aus den von der Vergabekammer dargestellten Gründen zulässig und begründet. Jedenfalls für die Leistungen, die die Herstellung der Stromversorgung bzw. -verteilung und das Verlegen von Kabeln für die Energieversorgung beträfen, gebe es weder wirtschaftliche noch technische Gründe, diese Leistungen gemeinsam mit den Leistungen der Sicherheitstechnik zu vergeben. Hier gebe es keine Schnittstellenproblematik. Auch der einheitliche Aufbau der Verteilerschränke rechtfertige keine Gesamtvergabe. Ohne Erfolg berufe sich der Auftraggeber insoweit auf sein Leistungsbestimmungsrecht. Die eine produktspezifische Ausschreibung betreffende Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2017 (VII-Verg 36/16 „Drohnen“) sei auf die Frage der Losaufteilung nicht übertragbar. Im Übrigen sei sie mit der Rüge bezüglich der produktspezifischen Ausschreibung nicht präkludiert. Die Ausführungen der Vergabekammer rechtfertigten die Produktvorgabe nicht. Außerdem hätte wegen der Änderung an den Vergabeunterlagen eine Fristverlängerung erfolgen müssen.
Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, die Antragstellerin könne sich mangels Anschlussbeschwerde nicht mehr auf die angeblich unzulässige produktspezifische Ausschreibung und unterlassene Fristverlängerung berufen.
II.
Die zulässige, insbesondere nach den §§ 171, 172 GWB form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Der Nachprüfungsantrag ist nur zum Teil zulässig.
1.1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin eine unterlassene Fachlos-Aufteilung rügt.
1.1.1. Die Antragstellerin ist insoweit nach § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt.
Zutreffend geht die Vergabekammer davon aus, dass die Antragstellerin ihr Interesse an dem (Teil-)Auftrag und den ihr durch die unterlassene Losaufteilung möglicherweise entstandenen Schaden hinreichend durch die Rügen und die Abgabe eines - wenn auch unvollständigen - Angebots, das sich auf die Videoüberwachungsanlage (Position 45 des Leistungsverzeichnisses) sowie auf entsprechenden Unterpositionen in der Position 90 (Projektadministration) bezieht, dargelegt hat. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin ihren Vortrag dahingehend vertieft, dass aus ihrer Sicht sämtliche Leistungen, die im Leistungsverzeichnis unter der Ordnungsnummer 44 aufgelistet seien, dem Fachlos „Elektrotechnik“ und die im Abschnitt 49 aufgelisteten Arbeiten überwiegend dem Fachlos „Tiefbau“ zuzuordnen seien und dementsprechend gesondert ausgeschrieben werden müssten. Das verbleibende Los wäre dann die Sicherheitstechnische Anlage einschließlich etwaiger Schnittstellen. Das seien alle in der Ordnungsziffer 45 aufgelisteten Leistungen. Die Zuordnung der Projektadministration müsse der der einzelnen Fachlosen folgen.
Der Ausschluss des formwidrigen Angebots der Antragstellerin steht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags aus den von der Vergabekammer ausgeführten Gründen nicht entgegen. Entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Ansicht, ist die Abgabe eines hier nicht erforderlichen Angebots (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. September 2004, VII Verg 38/04, Rn. 18 f. juris) nicht mit der Abgabe ungefragt abgegebener Erklärungen vergleichbar.
1.1.2. Die Antragstellerin ist mit dieser Rüge nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert.
Nach dieser Vorschrift muss ein Bieter einen vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannten Verstoß gegen Vergabevorschriften innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gegenüber dem Auftraggeber rügen. Das setzt positive Kenntnis aller tatsächlichen Tatumstände, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sowie die zumindest laienhafte rechtliche Wertung voraus, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt. Wie auch sonst, wenn das Gesetz auf positive Kenntnis abstellt, bilden eine Ausnahme nur die Fälle, in denen der Antragsteller sich der vorausgesetzten und ihm möglichen Erkenntnis bewusst verschließt (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, juris Rn. 35).
Diese Voraussetzungen hat der Auftraggeber hier nicht dargetan. Die Antragstellerin hat vielmehr vor der Vergabekammer für diese glaubhaft versichert, dass sie von dem Verstoß gegen das Gebot der Fachlosbildung erst am 27. Juni 2018 nach rechtlicher Beratung durch ihren Bevollmächtigten, der die vollständigen Unterlagen erst am 21. Juni 2018 erhalten habe, erfahren habe.
Anders als etwa in den von der Rechtsprechung verschiedentlich entschiedenen Fällen zur Fachlosbildung „Glasreinigung“, auf die sich mittlerweile viele Kleinunternehmen spezialisiert haben (Kus in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 97 Rn. 178), ist hier im Bereich der Sicherheitstechnik für Bieter ein Verstoß gegen das Gebot der Fachlosbildung nicht ohne weiteres ersichtlich. Dass die Antragstellerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, zunächst als Nachunternehmerin angefragt war, und dann geprüft hat, ein eigenes (vollständiges) Angebot abzugeben, führt zu keiner anderen Beurteilung.
1.2. Der Nachprüfungsantrag ist ferner zulässig, soweit die Antragstellerin rügt, die Angebotsfrist hätte nach § 10a EU Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 VOB/A sowie wegen der Probleme beim Download verlängert werden müssen.
1.3. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung rügt, ist sie dagegen aus den von der Vergabekammer dargelegten Gründen nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Nachdem die Mitarbeiter der Antragstellerin erkannt hatten, dass die Vergabeunterlagen auf die Produkte der Firma zugeschnitten waren und dieses Unternehmen zu einer Zusammenarbeit nicht bereit war, versuchte die Antragstellerin zunächst ein Nebenangebot zu erstellen. Als ihre Mitarbeiter erkannten, dass dies nicht möglich ist, informierten sie Ende Mai die Geschäftsleitung, die am 6. Juni 2018 den Bevollmächtigten der Antragstellerin mit der vergaberechtlichen Prüfung der Produktvorgabe beauftragten. Gegen die Feststellung der Vergabekammer, die Geschäftsleitung habe spätestens am 6. Juni 2018 alle den Verstoß begründenden Tatsachen gekannt, wendet sich die Antragstellerin nicht.
Die Annahme der Vergabekammer, die Geschäftsleitung habe daraus auch auf den Vergabeverstoß geschlossen, ist frei von Rechtsfehlern. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, angesichts der Unklarheit in den Vergabeunterlagen dürfe ihr nicht unterstellt werden, sie habe wenigstens laienhaft die rechtlich richtigen Schlüsse hinsichtlich der Produktvorgaben gezogen. Ihre Argumentation, der Hinweis auf die Kameras der Firma D. befinde sich nur auf dem Formblatt 226.H, das die Anforderungen für Nebenangebote festlege, während im Leistungsverzeichnis nur die technischen Eigenschaften dieser Kameras der Firma D. genannt würden, und ohne diese Verknüpfung habe den Auftragnehmern unklar bleiben müssen, ob die bei dem Nebenangeboten genannten Produkte dieselben seien, wie die im Leistungsverzeichnis, überzeugt nicht. Denn der Geschäftsleitung war durch die Information ihrer Mitarbeiter bekannt, dass diese Anforderungen nur von Kameras der Firma D. erfüllt werden konnten. Nicht erforderlich ist die Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung sicher nachweisbaren Vergabefehler (OLG Koblenz, Beschluss vom 3. April 2008, 1 Verg 1/08, Rn. 24 juris). Auch die von der Antragstellerin als Besonderheit hervorgehobene „Mischform“ zwischen offener Produktvorgaben (Nebenangebote) und verdeckten Produktvorgaben, lässt es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen, das Vergabeverfahren - aus Sicht der Antragstellerin - als fehlerhaft zu beanstanden.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
2.1. Die beabsichtigte Gesamtvergabe verstößt nicht gegen § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB.
2.1.1. Innerhalb der im Rahmen des Ausnahmetatbestands des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum bezüglich der Frage zu, ob - auftragsbezogene -technische oder wirtschaftliche Gründe es erfordern, von der Bildung von Fachlosen abzusehen. Da es sich dabei um komplexe Beurteilungen handeln kann, ist dem Auftraggeber ein entsprechender Spielraum zuzubilligen, der auch die Einschätzung konkreter projektbezogener Risikopotentiale umfasst.
2.1.1.1. Nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Leistungen in Losen zu vergeben. Hiervon kann nach Satz 3 nur dann abgesehen werden, „wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern“. Mit dieser 2009 eingeführten Regelung sollte der Mittelstandsschutz gestärkt werden; es sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drs. 16/10117, Seite 15).
Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 14. Mai 2018, 11 Verg 4/18 „Straßenbetriebsdienst“, Rn. 69 ff. juris), dass dieses klare Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht bedeutet, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. Allerdings ergibt sich aus der klaren Wertung des Gesetzgebers, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG Frankfurt, a. a. O. Rn. 71 f. juris). Davon geht auch die Vergabekammer aus (Seite 12 des Beschlusses).
2.1.1.2. Innerhalb dieser im Rahmen des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (Kus in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 97 Rn. 184; Frenz, GewArch 2018, 95, 96; Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, 6. Aufl., VOB/A § 5 Rn. 26 a.A. Antweiler in: Burgi/Dreher, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 97 Abs. 4 Rn. 38). Die Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes „erfordern“, von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen eine „Einschätzungsprärogative“ zusteht und der Maßstab der rechtlichen Kontrolle beschränkt ist. Die Entscheidung des Auftraggebers ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. August 2012, VII-Verg 10/12 „Warnsysteme“, Rn. 52 juris m.w.N.; Beschluss vom 25. April 2012, VII-Verg 100/11 „EDV-Hard- und Software“, Rn. 16 juris; Beschluss vom 21. März 2012, VII-Verg 92/11 „Gebietslose“, Rn. 23 juris; Beschluss vom 11. Januar 2012, VII-Verg 52/11 „Glasreinigung II“, Rn. 17 juris).
Der Senat hat sich dieser Auffassung im Beschluss vom 9. April 2015 (Verg 1/15 „Lärmschutzwand“, Rn. 65 juris) angeschlossen. Aus der Formulierung, die Norm räume der Vergabestelle kein Ermessen ein, sondern es handele sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, ergibt sich nichts anderes. Denn in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sind Beurteilungsspielräume Verg 10/18 - Seite 15 auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen, insbesondere bei Prognoseentscheidungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2002, 9 CN 1/01, Rn. 27 juris), anerkannt. Ob einer hoheitlich tätigen Stelle im Rahmen der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt ist mit der Folge, dass die Entscheidungen dieser Stelle gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind, richtet sich nach dem im Einzelfall maßgeblichen materiellen Recht und ist, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Aussage dazu fehlt, durch Auslegung entsprechend dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unter Berücksichtigung der Eigenart der einschlägigen Verwaltungsmaterie zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 7. November 1985, 5 C 29/82, BVerwGE 72, 195/199 m.w.N.).
Sinn und Zweck des § 97 Abs. 4 GWB und die Besonderheiten des Vergaberechts sprechen für einen Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt überzeugend darauf ab, dass § 97 Abs. 4 GWB im Kontext der primären Ziele des Vergaberechts auszulegen ist, zu denen insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung gehört. Dabei sind auch die weiteren Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) sowie die vom Gesetzgeber nunmehr in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele (Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte) im Blick zu behalten (Beschluss vom 14. Mai 2018 a.a.O., Rn. 70). Das Vergaberecht soll eine wirtschaftliche und den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Anforderungen entsprechende Leistungsbeschaffung gewährleisten (Kus a.a.O., Rn. 186). Basiszweck jeder Auftragsvergabe besteht darin, einen durch die Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben hervorgerufenen Bedarf zu decken. Andererseits unterliegt die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers vergaberechtlichen Grenzen, die nach dem Senatsbeschluss vom 9. April 2015 (a.a.O. Rn. 65) in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. August 2012 (Verg 10/12) eingehalten sind, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, und schließlich solche Gründe auch tatsächlich vorhanden (festgestellt und nachgewiesen) sind. Dies spricht dafür, das Beschaffungsbestimmungsrecht des Auftraggebers im Rahmen der Abwägung bzw. der Tatbestandsvoraussetzungen einer Losvergabe oder ausnahmsweise erfolgenden Gesamtvergabe zu berücksichtigen, ohne dass dadurch das Regel-Ausnahme-Verhältnis ins Gegenteil verkehrt würde (Kus a.a.O. Rn. 176 f.). Die Beschaffungsautonomie ist kein Freibrief für eine Gesamtvergabe. Auch bei komplexen Projekten genügt es in aller Regel nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018, 11 Verg 4/18 „Straßenbetriebsdienst“, Rn. 64 juris), einen einheitlichen Beschaffungsgegenstand zu definieren, ohne sich im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe auseinanderzusetzen (s.o. Ziffer 2.2.1.1.).
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ist die Entscheidung des Auftraggebers (für eine Gesamtlosvergabe) somit nach Ansicht des Senats darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018, 11 Verg 4/18 „Straßenbetriebsdienst“, Rn. 73 juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012, VII-Verg 100/11 „EDV-Hard- und Software“, Rn. 16 juris; Beschluss vom 11. Januar 2012, VII-Verg 52/11 „Glasreinigung II“, Rn. 17 juris).
2.1.1.3. Grundsätzlich vermag ebenso wenig wie ein erhöhter Koordinierungaufwand die Vermeidung von „Gewährleistungsschnittstellen“ bzw. von Problemen bei der Mängelbeseitigung eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen. Etwas anders gilt jedoch, wenn diese Gründe mit konkret projekt- bzw. auftragsbezogenen Gründen einhergehen (Kus a.a.O. 185). So hat es das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 27. November 2008, Verg W 15/08, Rn. 74 juris) als ein legitimes Anliegen des öffentlichen Auftraggebers angesehen, vermeidbare Sicherheitsrisiken bei einem bedeutsamen Verkehrsinfrastrukturprojekt, das als Flughafen Drehscheibe für viele Millionen Passagiere im Jahr sein solle, auch zu vermeiden, weil nur so die Sicherheitstechnik mit den geringstmöglichen Sicherheitsrisiken erlangt werden könne.
2.1.2. Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Fachlosvergabe Abstand zu nehmen, vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
2.1.2.1. Der gestellten Aufgabe entsprechend, die Sicherheit der Justizvollzugsanstalt M., in der auch besonders gefährliche Personen untergebracht sind, zu verbessern, durfte besonderer Wert auf die Systemsicherheit bzw. Verfügbarkeit der Anlage gelegt werden. Denn der Vollzug der Untersuchungshaft dient nach Art. 2 BayUVollzG dem Zweck, durch sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und den in den gesetzlichen Haftgründen zum Ausdruck kommenden Gefahren zu begegnen. Der Schutz der Allgemeinheit, der mit der Resozialisierung nach Art. 2 BayStVollzG gleichrangige Aufgabe des Vollzugs ist (VerfGH, Entscheidung vom 12. Mai 2009, Vf. 4-VII-08, Rn. 40 juris), wird gemäß Art. 4 BayStVollzG auch durch eine sichere Unterbringung der Gefangenen gewährleistet.
Angesichts der besonderen Bedeutung einer Videoüberwachungsanlage und der weiteren Sicherheitsanlagen für die sichere Unterbringung von Gefangenen und Untersuchungsgefangenen in der Justizvollzugsanstalt M. unterscheidet sich die beabsichtigte Vergabe eines aus verschiedenen Komponenten bestehenden Überwachungs- und Sicherheitssystems von dem der Entscheidung des Senats vom 9. April 2015 (Verg 1/15 „Lärmschutzwand“, juris Rn. 76) zugrundeliegenden Fall.
2.1.2.2. Anders als dort (Senatsbeschluss vom 9. April 2015 a.a.O.) erschöpfen sich die Ausführungen des Antragsgegners hier nicht in allgemeinen Erwägungen. Der Auftraggeber hat vielmehr - für den Senat überzeugend -konkret und projektbezogen dargelegt, dass für Einzelarbeiten der komplexen Sicherheitsanlage keine Fachlose gebildet werden können, ohne die Funktionsweise der Gesamtleistung zu gefährden. Die Systemsicherheit der Überwachungsanlage ist ein nachvollziehbarer technischer Grund im Sinne des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB.
2.1.2.2.1. Der Antragstellerin ist allerdings zuzugeben, dass allein die geforderte höchste Verfügungsklasse eine Gesamtvergabe nicht rechtfertigt. Der Auftraggeber hat jedoch eine mögliche Losaufteilung insbesondere auch hinsichtlich der Stromversorgung und des Kabeltiefbaus geprüft und sich - nach sachverständiger Beratung -wegen damit verbundener Risiken dagegen entschieden und dies ausreichend dokumentiert (§ 5 EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A). Der Einwand der Antragstellerin, die Ausarbeitung der von dem Auftraggeber herangezogenen Ingenieurgesellschaft vom 12. Juli 2018 habe er seiner Entscheidung zur Gesamtvergabe nicht zugrunde legen können, blendet die einleitende Darstellung aus, im Rahmen intensiver Gespräche Anfang 2007 seien u.a. mögliche Losaufteilung diskutiert und gegeneinander abgewogen worden und in der folgenden Stellungnahme würden die Gründe, die zu der Entscheidung für ein ganzheitliches Leistungsverzeichnis geführt hätten, zusammengefasst. Der Senat ist auch aufgrund der Äußerungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass vor der Ausschreibung in einem längeren Prozess die Losaufteilung geprüft wurde.
Die Argumentation der Antragstellerin, in der Vergabedokumentation sei nicht genügend ausgeführt, inwiefern die hohe Verfügbarkeit bzw. Ausfallsicherheit des Systems eine Gesamtvergabe erforderlich mache, berücksichtigt nicht, dass verbleibende Dokumentationsmängel heilbar sind (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011, X ZB 4/10 „S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr“, BGHZ 188, 200 Rn. 73; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, Rn. 205 juris: Beschluss vom 23. März 2011, VII-Verg 63/10 „Glasreinigung“, Rn. 32 ff. juris). Es ist im Allgemeinen zu unterscheiden zwischen dem, was im Vergabevermerk mindestens niederzulegen ist, und Umständen oder Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung außerdem nachträglich verteidigt werden soll. Solche vorgetragenen Überlegungen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, kann der Vergabestelle schwerlich generell unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation verwehrt werden. Der Auftraggeber kann im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Es ist der Vergabestelle möglich, die in einer Dokumentation festzustellenden Lücken durch Vortrag im Nachprüfungsverfahren zu schließen, solange und soweit nur nachvollziehbare Lücken geschlossen werden, und nicht ein gänzlich neuer und bislang unbekannter Sachverhalt vorgetragen wird (Kus in in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 97 Rn. 200).
2.1.2.2.2. In der schriftlichen Stellungnahme vom 12. Juli 2018 werden die Erwägungen dargestellt, die zu der Entscheidung führten, mögliche Fachlose zu einem ganzheitlichen Leistungsverzeichnis zusammenzufassen. Als technische Begründung für eine Gesamtvergabe wird u.a. ausgeführt, bei einer Losaufteilung könnten die Verfügbarkeitsanforderungen nicht gewährleistet werden. Jede sicherheitstechnische Teilleistung sei mit den anderen Teilleistungen über eine einheitliche Infrastruktur datentechnisch verknüpft. Das zentrale Sicherheitsmanagement führe sämtliche Teilanlagen zu einem Ganzen zusammen. Erläutert wird dies beispielsweise damit, dass die Zaundetektion mit der Videoanlage sowie mit der Beleuchtungsanlage zur Belichtung des Sicherheitsstreifens tiefgreifend miteinander verknüpft seien. Letzteres wird von keinem der Beteiligten in Frage gestellt.
Ein weiteres Hauptmerkmal der gesamten Infrastruktur ist nach der schriftlichen Begründung des Sachverständigen vom 12. Juli 2018 der Aufbau von kombinierten Verteilerschränken, die die Elektroversorgung der angeschalteten Komponenten, die kommunikationstechnische Anbindung an das IT Netz, die Unterbringung der Schlosssteuerung sowie die Anbindung von Workstations und Kamerasystemen und die Unterbringung der Steuerkomponenten für das Zaundetektionssystem beinhalteten. Dies erläuternd hat der Sachverständige vor der Vergabekammer ausgeführt, die Komponenten, die im Schrank verbaut würden, hingen von den verbauten Einzelkomponenten der Überwachung ab. Es könne z.B. nicht jeder Switch mit jedem Kamerasystem zusammenarbeiten. Die Errichtung kombinierter Verteilereinrichtungen als wesentlicher Aspekt der ausgeschriebenen Leistung wurde nochmals in der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 3. Dezember 2018 hervorgehoben. Bei einer Aufteilung in Fachlose müssten mehrere Firmen an den Verteilerschänken arbeiten; es sei jedoch wirtschaftlich und im Hinblick auf den werkvertraglichen Erfolg undenkbar, Verteiler in hoher Stückzahl von verschiedenen Firmen vor Ort errichten zu lassen.
Die Stromversorgung ist nach der Darstellung vom 12. Juli 2018 im Rahmen der Aufgabe neu zu strukturieren und integrativer Bestandteil einer ganzheitlichen elektrotechnischen Einrichtung. Auch die elektrotechnischen Komponenten seien in Bezug auf die sicherheitstechnische Aufgabe entsprechend über das gleiche Übertragungsnetz mit einander vernetzt. Die Festlegung einer Verfügbarkeit von 99,99% bedeute, dass die Summe aller Einzelausfallzeiten von Anlagen in einem Jahr weniger als eine Stunde betragen dürfe. Es sei undenkbar, dass mehrere Unternehmer die Verantwortung für den werkvertraglichen Erfolg dieser Forderung sicherstellten. Vor dem Senat hat der Sachverständige dementsprechend ausgeführt, er halte eine Trennung der einzelnen Leistungsabschnitte in Lose aus funktionaler Sicht für hochproblematisch, da Ziel dieses Auftrags gerade die Erstellung einer Gesamtanlage sei, bei der die einzelnen Teilbereiche miteinander verschmölzen.
Der Kabeltiefbau ist nach der schriftlichen Begründung des Sachverständigen vom 12. Juli 2018 gegenüber den Starkstromanlagen und den fernmeldetechnischen Anlage mit weniger als 7% bezogen auf die voraussichtlichen Gesamtherstellungskosten untergeordnet. Sie beinhalte zum großen Teil Leistungen, die eine elektrotechnische Kompetenz erforderten, wie zum Beispiel das Eindringen von Kabelzugrohren und Schachtsystem für elektrotechnische Anlagen und das Anbringen von Mastzöpfen.
2.1.2.2.3. Ausgehend von dieser Beurteilung des von ihm hinzugezogenen Sachverständigen, dem auch die Antragstellerin eine hohe Fachkompetenz im Bereich der Planung elektrotechnischer Anlagen zugesteht, durfte der Antragsgegner die aufgezeigten Risikopotentiale durch eine Gesamtvergabe ausschließen.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin, die einräumt, es sei nicht unüblich, sicherheitstechnische Anlagen als Gesamtlos auszuschreiben, wenn sie unmittelbar aufeinander aufbauen bzw. miteinander „verschaltet“ seien, kann hier nicht von einer Vermutung der Projektgefährdung „ins Blaue“ hinein gesprochen werden. Soweit sie einwendet, der Antragsgegner könne durch sorgfältige Vorbereitung und Planung sicherstellen, dass sich diese Risiken nicht verwirklichen, verkennt sie, dass der öffentliche Aufraggeber hier den sichersten Weg wählen durfte, wobei ihm insoweit nach vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung ein Beurteilungsspielraum zustand. Dass der öffentliche Auftraggeber darlegen müsste, die Aufteilung nach Fachlosen führe zur Entstehung nicht mehr funktionsfähiger Auftragseinheiten, vermag der Senat der von der Antragstellerin zitierten Kommentierung (Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, VOBKommentar, VOB/A § 5 Rn. 28) nicht zu entnehmen, die dem Auftraggeber vielmehr einen Beurteilungsspielraum einräumt und hervorhebt, dass Interessen der Sicherheit für eine Gesamtvergabe sprechen können (Rn. 29 und 29).
Soweit die Antragstellerin weiter ausführt, dass die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Kabeltiefbau auch Leistungen enthalten, die eine elektrotechnische Kompetenz erforderten, führe dies nicht dazu, dass sie zwingend gemeinsam mit den Anlagen zur Herstellung der Stromversorgung und zum Anschluss der sicherheitstechnischen Anlage vergeben werden müssten, oder darauf abstellt, die Verteiler (mit Ausnahme derer für die Schlosssteuerung) müssten nicht zwingend aus einer Hand kommen, entspricht dies nicht dem oben dargestellten Prüfungsmaßstab der vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen.
2.2. Dass der Antragsgegner die Frist für den Eingang der Angebote nicht über den 24. Juli 2018 hinaus verlängert hat, ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
Die mit dem „Änderungspaket 2“ vom 12. Juli 2018 bei den für Nebenangebote einzuhaltenden Parametern (Seite 32 des Leistungsverzeichnisses) vorgenommenen Änderungen erforderten nach § 10a EU Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 VOB/A keine (weitere) Fristverlängerung.
2.2.1. Wann eine „wesentliche“ Änderung an den Vergabeunterlagen vorliegt, sagt die Vorschrift nicht. Erwägungsgrund 81 der Richtlinie 2014/24/EU nennt als Beispielsfälle eine Änderung der technischen Spezifikationen sowie - allgemein -Änderungen, infolge derer die Wirtschaftsteilnehmer für die Erfassung und die entsprechende Reaktion zusätzliche Zeit benötigen. Zumindest nach dem Wortlaut liegt die „wesentliche Änderung“ noch unterhalb der „grundlegenden Änderung“ im Sinne von § 17 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A. Zu denken ist also z. B. an geänderte Ausführungsfristen oder einen Wechsel bei anzubietenden Stoffen oder Bauteilen (Planker in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, VOB/A § 10a EU Rn. 9).
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, der sich der Senat anschließt, ist der Begriff der „wesentlichen Änderung“ unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls objektiv zu bestimmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 40/17, Rn. 55 juris). Dass es in dieser Entscheidung um eine nachträgliche Erhöhung oder Verschärfung der Eignungsanforderungen ging (a.a.O. Rn. 56, 64), schließt - entgegen der von dem Antragsgegner vertretenen Ansicht - allerdings nicht aus, dass auch eine Erleichterung für die Bieter, die hier vom Antragsgegner in einer höheren Zahl von Überwachungskameras gesehen wird, dazu führen kann, dass die Bieter zusätzliche Zeit benötigen, um darauf zu reagieren. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Änderungen kalkulationserheblich sind.
Letztlich muss der öffentliche Auftraggeber prognostizieren, ob der Bieter zusätzliche Zeit benötigt (Horn in Müller-Wrede, VGV/UVgO, § 20 VgV, Rn. 32), wobei es - ebenso wie bei der Festsetzung der Frist (Planker in Kapellmann/ Messerschmidt, a.a.O. § 10 Rn. 8) - auf den objektiv erforderlichen Zeitbedarf ankommt. Schon die Formulierung in Erwägungsgrund 81 der RL 2014/24/EU, die auf „die Wirtschaftsteilnehmer“ abstellt, macht deutlich, dass hier ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Der Auftraggeber kann nur von einem durchschnittlichen Bieter ausgehen (BKartA Bonn, Beschluss vom 18. Januar 2019, VK 1 - 113/18, Rn. 59 juris)
Bei der Prognose, ob zusätzliche Zeit erforderlich ist, sind der Umfang bzw. die Bedeutung der Änderungen und der Zeitpunkt, zu dem sie vorgenommen wurden, zu berücksichtigen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat es zwar offengelassen, ob dem Begriff der wesentlichen Änderung neben der kausalen auch eine zeitliche Komponente inhährent ist (Beschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 40/17, Rn. 63 juris). Dem Senat erscheint dies jedoch naheliegend. Je früher die Änderung in den Vergabeunterlagen vorgenommen wird, desto mehr Zeit verbleibt für die Unternehmen, ihre Angebote zu erstellen (Rechten in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 20 Rn. 35).
2.2.2. Die zweite Änderung erfolgte hier am 12. Juli 2018, nachdem am 4. Juli 2018 die Frist für den Eingang der Angebote auf den 24. Juli 2018 verlängert worden war, also 12 Tage vor Fristablauf. Geändert wurde die zulässige Zahl der Kameras; während ursprünglich die Anzahl von 105 Kameras um max. +50% überschritten werden durfte, sah das Änderungspaket 2 vor, dass die geplante Anzahl von ca. 130 Kameras auf max. 160 Stück erhöht werden kann. Auch wenn diese Änderung Auswirkungen auf die Kalkulation haben kann, ist sie sowohl zahlenmäßig (max. 157 bzw. 160 Kameras) als auch bezüglich des Arbeitsumfangs bei der Angebotsbearbeitung nur von untergeordneter Bedeutung. Die Einschätzung der Vergabestelle, dass diese Änderung keine weitere Fristverlängerung erforderte, ist nicht zu beanstanden.
2.3. Die Antragstellerin hat nicht dargetan, dass das „Änderungspaket 2“ nicht allgemein zugänglich gewesen wäre (§ 11a EU VOB/A). Soweit sie im Nachprüfungsantrag gerügt hat, eine Fristverlängerung hätte auch wegen der „Downloadschwierigkeiten“ erfolgen müssen, hat sie später klargestellt, dass sich die Probleme nicht beim Download, sondern beim Öffnen der heruntergeladenen Datei zeigten. Treten technische Schwierigkeiten beim Betrieb der verwendeten elektronischen Mittel auf, so sind die Folgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen sind. Schwierigkeiten auf Auftraggeberseite dürfen nicht zu Lasten der Anbieterseite gehen. Ist beispielsweise die vom Auftraggeber betriebene Vergabeplattform nicht erreichbar, so muss er diesen Ausfall gegebenenfalls durch eine angemessene Fristverlängerung kompensieren (Müller in Kulartz/Kus/Marx/ Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 11, Rn. 18). Hier erschöpft sich der Vortrag der Antragstellerin jedoch darin, es sei davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner zur Verfügung gestellten Dateien zunächst fehlerhaft gewesen seien, da sie ihre IT-Ausstattung auf aktuellem Stand halte. Dass die Dateien erst nach einem weiteren Download von der Antragstellerin geöffnet werden konnten, belegt nicht, dass die technischen Probleme aus der Sphäre des Antragsgegners stammten.
2.4. Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung der Vergabekammer, dass die vom Auftraggeber vorgenommene Produktvorgabe vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt ist, da sie auf sachliche und gut dokumentierte Erwägungen insbesondere die Ausbruchssicherheit der Justizvollzugsanstalt gestützt ist.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für die Beschaffung eines bestimmten Produkts aus technischen Gründen für sachlich gerechtfertigt gehalten, wenn hierdurch im Interesse der Systemsicherheit und Funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotentialen (Risiko von Fehlfunktionen, Kompatibilitätsproblemen, höherem Umstellungsaufwand) bewirkt wird. Der öffentliche Auftraggeber darf in diesem Fall jedwede Risikopotentiale ausschließen und den sichersten Weg wählen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2017, VII-Verg 36/16 „Drohnen“, Rn. 48, juris, m.w.N.).
2.5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 GWB. Da sich die Beigeladene aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, sind von der Antragstellerin auch deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
2.6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 50 Abs. 2 GKG i.v.m. § 3 VgV.
Maßgebend für die Berechnung des Beschwerdewertes ist das mit dem Nachprüfungsantrag verfolgte wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, eine auf ihre eigene Leistungsfähigkeit zugeschnitten Losaufteilung des ausgeschriebenen Auftrags zu erreichen Dieses wirtschaftliche Interesse lässt sich hier anhand des Angebots der Antragstellerin beziffern.
Verkündet am 25.03.2019