Oberlandesgericht München Beschluss, 02. Juni 2017 - 8 St (K) 1/17

bei uns veröffentlicht am02.06.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

Der Antrag des Rechtsanwalts A. H. auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Antragsteller war ab 23.09.2015 infolge Vertretungsanzeige und gemäß Vollmachtsurkunde vom selben Tag Wahlverteidiger der inzwischen rechtskräftig verurteilten Denise Grüneberg. Mit Verfügung vom 20.01.2016 wurde er - unter Aufhebung der Beiordnung des bisherigen Pflichtverteidigers Rechtsanwalt M. - zum Pflichtverteidiger bestellt. Weiterer Pflichtverteidiger war infolge Verfügung vom 01.03.2016 Rechtsanwalt D.

Mit Schreiben vom 20.04.2017 beantragte Rechtsanwalt H. gemäß § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschgebühr für das Verfahren bis zur Hauptverhandlung von 15.360 € (netto) und für das Hauptverfahren von mindestens 3-1.332,75 € (netto) jeweils nach Abzug der bereits festgesetzten bzw. ausbezahlten Pflichtverteidigergebühren In einem vorangegangenen - zurückgewiesenen - Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine zu gewährende Pauschgebühr hatte er ausgeführt, dass für das Verfahren bis zur Hauptverhandlung eine Pauschgebühr von 3000 € (netto) zu bewilligen und für jeden Hauptverhandlungstag die Wahlverteidigerhöchstgebühr von 1.162,50 € angemessen sei.

Die Bezirksrevisorin wurde angehört; dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Stellungnahme hieraufgegeben.

II. Eine Pauschgebühr kann nicht bewilligt werden.

A. Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter, da eine - beantragte - Vorlage an den Senat nur zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht kommt und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, inwieweit diese durch die vorliegende Einzelfallentscheidung berührt ist.

B. Eine Pauschgebühr kann nur gewährt werden, wenn das Verfahren besonders umfangreich oder schwierig ist und zudem die verfassungsrechtlich zumutbare Grenze eines Sonderopfers infolge der Heranziehung als Pflichtverteidiger überschritten wird. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben (BGH 4 StR 73/10 Beschluss vom 11.02.2014 Rdn. 5 zit. nach juris). Dies ist nicht der Fall. Hinzu kommt, dass nicht lediglich eine isolierte Betrachtung der Gebühren für einen Verfahrensabschnitt vorzunehmen ist. Die Pauschgebühr für eine anwaltliche Tätigkeit in einem Verfahrensabschnitt muss in Relation zu der gesamten Tätigkeit im Verfahren und den gesamten Gebühren des Pflichtverteidigers gesehen werden (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Dezember 2016 5 RVGs 79/16 Rdn. 8 zit. nach juris). Hiernach kam die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht in Betracht.

a) Besonderer Umfang

Zutreffend ist, dass das Verfahren umfangreich war, insbesondere aufgrund der in den Akten enthaltenen vielfältigen Kommunikationsinhalte der Angeklagten und früherer Mitbeschuldigter; ein besonderer Umfang lag jedoch nicht vor.

Eine gewisse Kompensation des Umfangs wird bereits durch die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers bewirkt (Burhoff RVG in Straf- und Bußgeldsachen 4. A § 51 Rdn. 162). Der Antragsteller hatte selbst - vor Entpflichtung des RA M. - seine eigene Beiordnung als zweiter Pflichtverteidiger im Hinblick auf den Umfang beantragt. Von einer arbeitsteiligen Vorgehensweise ist, wie sich auch hinsichtlich der Schlussvorträge der beiden Pflichtverteidiger der Angeklagten G. und der Antragstellung in der Hauptverhandlung gezeigt hat, somit auszugehen.

Ebenso wenig verfängt der Verweis des Antragstellers auf die Entscheidung des OLG Koblenz v. 21.12.2016 1 AR 105/16. Wie sich schon aus dem vom Antragsteiler zitierten Beschlussinhalt ergibt, betrug der Aktenumfang für die erstmalige Einarbeitung dort etwa das Dreifache des Aktenbestandes im hiesigen Verfahren Hinzu kommen weitere Umstände, die sich in dem Beschluss wiederfinden, etwa dass anders als vorliegend mit lediglich 4 Angeklagten es dort um 26 Angeklagte ging (OLG Koblenz aaO Rdn. 2 zit. nach juris). Soweit zudem der Berichterstattung über den dort gegenständlichen Strafprozess - und insofern allgemeinkundig - zu entnehmen ist, war neben dem eigentlichen Organisationsdelikt anders als vorliegend eine Vielzahl von Delikten im Rahmen der Betätigung der Organisation in wechselnder Zusammensetzung der Angeklagten verfahrensgegenständlich, was zu einer im Gegensatz zum hiesigen Verfahren deutlich erhöhten Komplexität führte. Soweit der Antragsteller im Hinblick auf den Aktenumfang auch auf Beiakten von früheren Mitbeschuldigten abstellt, hat der Senat diese nicht beigezogen, sondern die Verteidiger haben insoweit Akteneinsicht durch die Bundesanwaltschaft erhalten. Eine Berücksichtigung dieser Aktenteile -soweit sie nicht ohnehin bis zur Abtrennung teilidentisch mit den hiesigen Verfahrensakten waren - beim Umfang des gegenständlichen Verfahrens kommt daher nicht in Betracht.

b) Besondere Schwierigkeit

Eine besondere Schwierigkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG lag nicht vor. Der Schwierigkeitsgrad einer Staatsschutzsache ist zumindest im Grundsatz bereits durch die erhöhten Verfahrens- und Terminsgebühren für Verfahren im ersten Rechtszug vor den Oberlandesgerichten berücksichtigt (Burhoff aaO Rdn. 39 bezogen auf die ebenfalls von VV RVG 4118 erfassten Schwurgerichtssachen und Wirtschaftsstrafsachen), ebenso wie die sogenannten Haftzuschläge bei der inhaftierten Mandantin eine gewisse Kompensation des hierdurch erhöhten Aufwandes intendieren. Besondere Umstände, die in Staatsschutzsachen oftmals anzutreffen sind und deren Schwierigkeit deutlich erhöhen - etwa lange oder lange zurückliegende Tatzeiträume, eine Vielzahl an Taten, die Notwendigkeit der Beiziehung von Dolmetschern aufgrund sprachunkundiger Angeklagter oder fremdsprachiger Beweismittel sowie Auslandssachverhalte - waren nicht gegeben.

Soweit der Antragsteller auf BayObLG 6 St 006/04 v. 17.11.2005 (abrufbar unter http; …www.burhoff.de/burhoff/rvginhalte/138.htm) verweist und -wie Burhoff aaO Rdn. 38 - behauptet, dort werde postuliert, Staatsschutzsachen seien generell als besonders schwierig anzusehen, ist dies unzutreffend. Vielmehr führt das BayObLG dort aus, dass „das Strafverfahren (…) auch unter Berücksichtigung der üblichen Problematik von Staatsschutzsachen, was insoweit bereits in der Anhebung der gesetzlichen Gebühren berücksichtigt ist, besonders schwierig und umfangreich“ gewesen sei. Das BayObLG geht also mitnichten von einer generellen besonderen Schwierigkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG aus, sondern davon, dass grundsätzlich die erhöhten Gebührenrahmen ausreichen und es setzt sich, wie auch die weiteren Entscheidungsgründe ergeben, sodann mit den konkreten verfahrensbezogenen Besonderheiten (Aktenumfang, Einarbeitung während laufender Hauptverhandlung, Parallelverfahren u.a.) auseinander und stützt nur auf diese die besondere Schwierigkeit und den besonderen Umfang. Eine derartige Betrachtung von Staatsschutzsachen als generell „besonders schwierig“ i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG wäre auch kaum mit der gesetzlichen Regelung in § 122 Abs. 2 S. 2 GVG vereinbar, wonach bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht nur bei Umfangoder Schwierigkeit in der Besetzung mit 5 Richtern verhandelt wird. Bereits nach der Logik des GVG gibt es also erstinstanzliche Verfahren vor dem Oberlandesgericht, die weder umfangreich noch schwierig sind oder aber nur eines von beiden, wie auch zahlreiche Staatsschutzverfahren vor verschiedenen Oberlandesgerichten belegen, die in der Besetzung mit drei Richtern verhandelt wurden und werden.

Soweit der Antragsteller geltend macht, der Senat habe selbst im Nichtabhilfebeschluss vom 08.12.2016 festgestellt, das Verfahren sei schwierig, ist dies unerheblich. Denn eine Pauschgebühr setzt nach dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 1 RVG nicht nur die Schwierigkeit der Sache, sondern einebesondere Schwierigkeit voraus. Eine solche hat der Senat aber nicht in dem Beschluss vom 08.12.2016 behauptet.

c) Soweit der Verteidiger lange Wegstrecken und Reisezeiten hinsichtlich des ihn treffenden zeitlichen Aufwandes heranzieht, sind diese grundsätzlich bei der Entscheidung, ob überhaupt eine Pauschgebühr zu bewilligen ist, nicht zu berücksichtigen (s. Burhoff aaO Rdn. 134 f. mwN; nunmehr auch BGH Beschluss vom 01.06.2015 - 4 StR 267/11 Rdn. 6 zit. nach juris). Ebenso unerheblich ist es, dass der Verteidiger bei Mandatsannahme - also offenbar bereits als Wahlverteidiger - davon ausging, es werde eine Hauptverhandlung in Dresden stattfinden.

d) Schließlich ist Voraussetzung für die Bewilligung einer Pauschvergütung, dass dem Pflichtverteidiger infolge ausschließlicher oder fast ausschließlicher Inanspruchnahme durch das Mandat ein unzumutbares Opfer auferlegt wird (BVerfG Beschluss vom 20.03.2007 2 BvR 51/07 Rdn. 3 zit. nach juris), was hier jedoch nicht der Fall ist.

Die gesetzlichen Gebühren sind für den Verteidigers in der Regel zumutbar. Die Bestellung zum Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Dass der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers unter den Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen gemeinwohlorientierten Interessenausgleich gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht nur von besonderen Schwierigkeiten oder einem besonderen Umfang des Verfahrens abhängig zu machen, sondern zusätzlich die Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren vorauszusetzen (BVerfG aaO Rdn. 5 zit. nach juris). Die Bewilligung einer Pauschvergütung ist daher die Ausnahme, die bei besonders umfangreichen und schwierigen Verfahren unzumutbare Sonderopfer des beigeordneten Rechtsanwalts vermeiden soll. Unzumutbar ist die Versagung einer Pauschvergütung insbesondere dann, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt dadurch eine wirtschaftliche Existenzgefährdung erleiden würde (BVerfG Beschluss v. 01.06.2011 1 BvR 3171/10 Rdn. 39 zit. nach juris).

Dass der Antragsteller durch das vorliegende Verfahren in dieser erheblichen Weise wirtschaftlich beeinträchtigt ist. ist nicht hinreichend dargetan. Es kann dahinstehen, ob dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 05.08.2015 MI 3 AR 4/15 Rdn. 8 zit. nach juris) zu folgen ist, wonach eine jeweils an drei Tagen pro Woche über mehr als einen Monat hinweg stattfindende Hauptverhandlung erforderlich ist, was vorliegend nicht der Fall war, da der Durchschnitt bei knapp einem Tag/Woche lag. Jedenfalls ist eine fast ausschließliche Inanspruchnahme bei dieser Terminierung mit regelmäßig nicht mehr als zwei Tagen pro Woche und mit längeren - schon bei der Terminierung für die Verteidiger erkennbaren und somit planbaren -Sitzungspausen im Mai und August 2016 nicht gegeben.

Dass die Übernahme und Wahrnehmung weiterer Mandate bis zum Beginn der Hauptverhandlung und im Anschluss hieran nicht möglich war oder gewesen wäre, ist nicht näher dargetan. Die Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren erfordert, worauf der Antragsteller schon bei seinem Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses sowie im Rahmen seiner Gegenvorstellung und nunmehr nochmals durch den Bezirksrevisor in der Stellungnahme vom 02.05.2017 hingewiesen wurde, eine konkrete Darlegung der Beeinträchtigungen des Kanzleibetriebes und der Einnahmesituation. Eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung des Kanzleibetriebes ist nicht erkennbar. Der Antragsteller hat ersichtlich neben der hiesigen Hauptverhandlung nach seinem Vorbringen mindestens ein Mandat in einem Umfangsverfahren in Dresden geführt und dabei wegen Terminskollisionen im dortigen Verfahren etwa jeweils einen (Mai, Juni, Juli) bzw. jeweils zwei (September, Oktober, November) Termine pro Monat nicht wahrnehmen können. Die Verhinderung an lediglich neun kollidierenden Hauptverhandlungsterminen - bei bis 17.11.2016 laut Presseberichten rund 70 Hauptverhandlungstagen des sogenannten „lnfinus“-Prozesses - belegt jedoch nicht, dass weitere auch umfangreiche Mandate nicht oder nicht ausreichend bearbeitet werden konnten, zumal der Antragsteller auch im hiesigen Verfahren an sechs Terminen entweder nicht teilgenommen oder aber vorzeitig die Teilnahme beendet hat.

Ungeachtet der fehlenden Darlegung zu den Beeinträchtigungen der Einnahmesituation durch das vorliegende Mandat ergibt sich bei (notwendigerweise überschlägiger) Berechnung zu den zeitlichen Beeinträchtigungen Folgendes:

Ausgehend von im Antrag dargelegten Zeitaufwand von 20 Arbeitstagen für die vollständige Einarbeitung im Vorverfahren (hier berechnet mit 8 Stunden/Tag) = 160 Stunden,

- 6 Besuchen mit einer Dauer von 1-2 Stunden bei der inhaftierten Angeklagten, aufgerundet auf je 2 Stunden = 12 Stunden

- einer Gesamtdauer der Hauptverhandlungstermine von aufgerundet 145 Stunden (einschließlich der Termine, an denen der Antragsteller gar nicht oder nur zeitweise anwesend war)

– sowie einem Aufschlag in gleicher Höhe der Terminsdauer für die etwaige Vor- und Nachbereitung der Termine, also weiteren 145 Stunden resultiert aus der Addition dieser Zeiten ein Aufwand (ohne Reisezeiten) von 462 Stunden. Berechnet man die zeitliche Inanspruchnahme durch das Mandat, so ergibt sich ab Mandatsübernahme am 23.09.2015 bis Urteilsverkündung am 15.03.2017, also bei knapp 18 Monaten anwaltlicher Tätigkeit, ein Durchschnitt von 462 h/18 Monate = 25,5 h/Monat durch das vorliegende Verfahren. Die Arbeitskraft des Antragsteilers war daher weder überwiegend noch im Wesentlichen durch das vorliegende Verfahren in Anspruch genommen.

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Tenor Der Antrag von Rechtsanwalt ...auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen. Gründe I. Der Antragsteller war ab 05. 11.2015 schriftlich bevollmächtigter Verteidiger des inzwischen rechtskräftig

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(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Dies gilt nicht, soweit Wertgebühren entstehen. Beschränkt sich die Bewilligung auf einzelne Verfahrensabschnitte, sind die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen. Eine Pauschgebühr kann auch für solche Tätigkeiten gewährt werden, für die ein Anspruch nach § 48 Absatz 6 besteht. Auf Antrag ist dem Rechtsanwalt ein angemessener Vorschuss zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten.

(2) Über die Anträge entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, und im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, durch unanfechtbaren Beschluss. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. In dem Verfahren ist die Staatskasse zu hören. § 42 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Absatz 1 gilt im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. Über den Antrag nach Absatz 1 Satz 1 bis 3 entscheidet die Verwaltungsbehörde gleichzeitig mit der Festsetzung der Vergütung.

(1) Die Senate der Oberlandesgerichte entscheiden, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozeßgesetze an Stelle des Senats der Einzelrichter zu entscheiden hat, in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden.

(2) Die Strafsenate entscheiden über die Eröffnung des Hauptverfahrens des ersten Rechtszuges mit einer Besetzung von fünf Richtern einschließlich des Vorsitzenden. Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt der Strafsenat, daß er in der Hauptverhandlung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt ist, wenn nicht nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung zweier weiterer Richter notwendig erscheint. Über die Einstellung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses entscheidet der Strafsenat in der für die Hauptverhandlung bestimmten Besetzung. Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden, kann der nunmehr zuständige Strafsenat erneut nach Satz 2 über seine Besetzung beschließen.

(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Dies gilt nicht, soweit Wertgebühren entstehen. Beschränkt sich die Bewilligung auf einzelne Verfahrensabschnitte, sind die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen. Eine Pauschgebühr kann auch für solche Tätigkeiten gewährt werden, für die ein Anspruch nach § 48 Absatz 6 besteht. Auf Antrag ist dem Rechtsanwalt ein angemessener Vorschuss zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten.

(2) Über die Anträge entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, und im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, durch unanfechtbaren Beschluss. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. In dem Verfahren ist die Staatskasse zu hören. § 42 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Absatz 1 gilt im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. Über den Antrag nach Absatz 1 Satz 1 bis 3 entscheidet die Verwaltungsbehörde gleichzeitig mit der Festsetzung der Vergütung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR267/11
vom
1. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
hier: Antrag auf Pauschgebühr
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juni 2015 beschlossen:
Der Antrag von Rechtsanwalt L. aus Dortmund, ihm für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten für die Revisionshauptverhandlung eine Pauschvergütung zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:


1
1. Der Antragsteller wurde dem Angeklagten durch Verfügung des Vorsitzenden des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2011 als Verteidiger für die Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof bestellt. Gegenstand des Verfahrens war eine Revision der Staatsanwaltschaft.
2
Rechtsanwalt L. hat an der Revisionshauptverhandlung vom 11. August 2011 teilgenommen. Diese dauerte von 9.15 Uhr bis 10.10 Uhr. In der Zeit von 9.40 Uhr bis 10.00 Uhr war die Sitzung unterbrochen.
3
Mit Schreiben vom 4. November 2014 hat Rechtsanwalt L. beantragt , ihm für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins gemäß § 51 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen, weil für ihn ein zweitägiger Aufwand erforderlich gewesen sei, um den Termin wahrnehmen zu können. Das gesetzliche Abwesenheitsgeld reiche für eine Abgeltung nicht aus.
4
2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof - nur insoweit ist der Bundesgerichtshof nach § 51 Abs. 2 Satz 2 RVG zuständig (BGH, Beschluss vom 8. September 1970 - 5 StR 704/68, BGHSt 23, 324) - liegen nicht vor.
5
a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 4 StR 73/10, Rn. 5; Beschluss vom 17. September 2013 - 3 StR 117/12, Rn. 5). Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1264, 1265 mwN). Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändigere , gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. August 2010 - 1 AR 2/09, Rn. 18 zitiert nach juris; OLG Hamm, NStZ 2007, 343).
6
b) Gemessen daran erscheinen dem Senat die gesetzlichen Gebühren als angemessen und ausreichend. Die rechtlich nicht schwierige Strafsache hatte keinen besonderen Umfang. Dass die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins für den Verteidiger mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war, ändert daran nichts. Sie beruht auf in seiner Person liegenden Umständen und wird durch den Anspruch auf Erstattung der entstandenen Fahrt- und Übernachtungskosten sowie auf Zahlung eines Tages- und Abwesenheitsgeldes ausgeglichen (Nr.  7003 ff. VV zu § 2 Abs. 2 RVG), der von dem Verteidiger offensichtlich auch geltend gemacht worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2002 - 4 StR 225/00 zu § 99 BRAGO; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. Dezember 2014 - 2 AR 36/14, Rn. 42 zitiert nach juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. August 2010 - 1 AR 2/09, Rn. 18 zitiert nach juris; OLG Hamm, NStZ 2007, 343; Kroiß in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 51 Rn. 23 Stichwort Reisekosten; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 51 Rn. 99). Dass die Nichtberücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands für die Anreise zum Gerichtsort bei der Bemessung des Umfangs der Sache nach § 51 RVG zu einer Überschreitung der von Verfassungs wegen zu beachtenden Zumutbarkeitsgrenze führt, ist weder dargetan noch ersichtlich (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1264, 1265).
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