Oberlandesgericht München Beschluss, 08. Apr. 2016 - 3 Ws 249/16

published on 08/04/2016 00:00
Oberlandesgericht München Beschluss, 08. Apr. 2016 - 3 Ws 249/16
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Tenor

Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) gegen den Beschluss der Jugendkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 23. Februar 2016 wird als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die hierdurch dem Beschwerdegegner erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Am 14.10.2015 erließ das Amtsgericht Kaufbeuren gegen den Beschwerdegegner einen Strafbefehl wegen Diebstahls in 2 Fällen und verhängte eine Gesamtgeldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10,00 €. Dieser Strafbefehl wurde an den vom Beschwerdegegner im Ermittlungsverfahren benannten Zustellungsbevollmächtigten am 15.10.2015 zugestellt. Am 30.10.2015 wurde vom Amtsgericht Kaufbeuren der Eintritt der Rechtskraft am 30.10.2015 bescheinigt. Mit Verfügung vom 17.11.2015 leitete die Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) die Vollstreckung ein.

Am 26.01.2016 beantragte die Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu), das Verfahren nach § 205 StPO vorläufig einzustellen und gegen den Beschwerdegegner einen Haftbefehl zu erlassen. Mit Beschluss vom 03.02.2016 lehnte das Amtsgericht Kaufbeuren diese beiden Anträge ab. Der hiergegen von der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) mit Verfügung vom 09.02.2016 eingelegten Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Erlass des Haftbefehls, half das Amtsgericht Kaufbeuren mit Verfügung vom 12.02.2016 nicht ab.

Mit Beschluss vom 23.02.2016 wies das Landgericht Kempten (Allgäu) - Jugendkammer - die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) als unbegründet zurück. Der hiergegen von der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu) mit dem Ziel des Erlasses eines Haftbefehls eingelegten Beschwerde half das Landgericht Kempten (Allgäu) am 03.03.2016 nicht ab.

II.

Die weitere Beschwerde, deren Ziel der Erlass des beantragten Haftbefehls ist, ist gemäß §§ 310 Abs. 1 Nr. 1, 306 Abs. 1 StPO statthaft und zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zutreffend sind die Vorinstanzen von der Rechtskraft des Strafbefehls des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 14.10.2015 ausgegangen.

Ausweislich der am 10.09.2015 vom Beschwerdegegner erteilten Zustellungsvollmacht nahm der Zustellungsbevollmächtigte Herr Sxx, Amtsgericht Kaufbeuren, am 15.10.2015 den Strafbefehl für den Beschwerdegegner entgegen. Die Zustellung des Strafbefehls an den Zustellungsbevollmächtigten war wirksam und setzte die Einspruchsfrist in Lauf. Der Strafbefehl wurde rechtskräftig, da innerhalb der Frist kein Einspruch eingelegt wurde.

Dem Lauf der Einspruchsfrist steht auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C - 216/14 vom 15. Oktober 2015 nicht entgegen. Denn vorliegend hat der Beschwerdegegner die Möglichkeit, tatsächlich über die volle Frist für einen Einspruch gegen den Strafbefehl zu verfügen.

Es ist Sache des Beschwerdegegners, sicherzustellen, dass der von ihm benannte Zustellungsbevollmächtigte ihn vom Eingang amtlicher Schriftstücke unverzüglich informiert. Insoweit kommt es bei einer Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten wie auch bei einer Zustellung mittels Postzustellungsurkunde nicht darauf an, wann der Betroffene vom Inhalt amtlicher Schriftstücke Kenntnis genommen hat, sondern ab wann er hiervon Kenntnis nehmen konnte. Eine solche Handhabung stellt den Beschwerdegegner auch nicht rechtlos, da er anlässlich der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten am 10.09.2015 darauf hingewiesen wurde, dass die gesetzlichen Fristen mit dem Tag der Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten zu laufen beginnen und der Zustellungsbevollmächtigte nicht berechtigt ist, für ihn Rechtsmittel einzulegen.

Dass dem Beschwerdegegner die volle Frist zur Verfügung steht, ist letztlich auch dadurch gewährleistet, dass er nach der tatsächlichen Kenntnisnahme vom Inhalt des Strafbefehls, erforderlichenfalls in Verbindung mit der Aushändigung einer Übersetzung in seine Heimatsprache, mit einer etwaigen Einspruchseinlegung immer noch die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Einspruchsfrist beantragen kann bzw. ihm diese von Amts wegen zu gewähren wäre .

Der Wirksamkeit der Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten und damit dem Beginn des Laufs der Einspruchsfrist steht auch nicht entgegen, dass an den Zustellungsbevollmächtigten zwar der Strafbefehl vom 14.10.2015, jedoch keine Übersetzung des Strafbefehls in der Heimatsprache des Beschwerdegegners, zugestellt wurde. Zwar ist gemäß Art. 6 Abs. 3 e MRK, § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG in der Regel ein Strafbefehl mit Übersetzung zuzustellen, zumal der Beschwerdegegner bei Erteilung der Zustellungsvollmacht am 10.09.2015 nicht darauf verzichtet hat, dass einem gerichtlichen Strafbefehl eine Übersetzung in seiner Heimatsprache beigefügt wird. Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 StPO war aber die Beifügung einer Übersetzung anlässlich der Zustellung des Strafbefehls nicht veranlasst, da diese Vorschrift im Strafbefehlsverfahren nicht entsprechend anwendbar ist und der Beschwerdegegner gegebenenfalls auf die Bewilligung von Wiedereinsetzung auf Antrag bzw. von Amts wegen zu verweisen ist (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 37 Rn. 30).

Da der Strafbefehl vom 14.10.2015 also am 30.10.2015 rechtskräftig geworden ist, ist weder für eine Einstellung nach § 205 StPO noch für den Erlass eines Haftbefehls Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 473 Abs. 1 und 2 StPO.

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft da

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie 1. eine Ver

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Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

1.
eine Verhaftung,
2.
eine einstweilige Unterbringung oder
3.
einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20 000 Euro
betreffen.

(2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

(1) Für das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Wird die für einen Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(3) Ist einem Prozessbeteiligten gemäß § 187 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung des Urteils zur Verfügung zu stellen, so ist das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen. Die Zustellung an die übrigen Prozessbeteiligten erfolgt in diesen Fällen gleichzeitig mit der Zustellung nach Satz 1.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.