Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 18. Dez. 2012 - 2 U 1384/11
Tenor
Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Mainz vom 07. November 2011 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
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Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 15.01.2013. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG).
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Im Einzelnen:
I.
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Die Klägerin hatte am 14.11.1995 mit der Beklagten einen Recyclingvertrag über die umweltgerechte Entsorgung von Novolet-Pens geschlossen. Zum 06.07.2004 vereinbarten die Parteien die Aufhebung des Recyclingvertrages gegen Zahlung von 1.735.000,00 €, die die Beklagte an die Klägerin zu zahlen hatte. Zum 17.07.2004 vereinbarten die Parteien eine Ergänzung zu dem Aufhebungsvertrag (Anlage K 2), wonach in § 1 eine Ergänzung bzw. Abänderung des vorbezeichneten Aufhebungsvertrages vorgenommen wurde. Der Abfindungsbetrag wurde auf 1.700.000,00 € reduziert. Ferner enthält § 1 dieser Vereinbarung die Regelung, dass, sofern diese Abfindung umsatzsteuerpflichtig sein sollte, die Umsatzsteuer zusätzlich auf den Abfindungsvertrag ausgewiesen und von der Beklagten bezahlt wird.
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Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte auch zur Zahlung der gesetzlichen Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld verpflichtet ist. Das zuständige Finanzamt Worms-Kirchheimbolanden hat mit Bescheid vom 23.04.2004 (Anlage K 3) die Umsatzsteuerpflichtigkeit der vereinnahmten Vergütung auf der Grundlage der einvernehmlichen Vertragsaufhebung festgelegt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1 a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld wegen des Aufhebungsvertrages vom 06.07.2004 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 16.07.2004 gemäß Steuerbescheid des Finanzamtes Worms für 2004 gegenüber Herrn Christian G. zu bezahlen,
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1 b) hilfsweise
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die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, von den Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld wegen des Aufhebungsvertrages der Parteien vom 06.07.2004 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 16.07.2004 gemäß Steuerbescheid des Finanzamtes Worms vom 23.04.2009 in Höhe von 48.960,00 € nebst Zinsen hieraus seit 01.01.2010 freizustellen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sich weder aus dem Aufhebungsvertrag vom 06.07.2004 noch aus der Ergänzenden Vereinbarung vom 17.07.2004 (Anlage K 2) eine ausdrückliche Regelung zur Zahlung von Zinsen auf die Umsatzsteuer ergebe. Auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung lasse sich keine Verpflichtung der Beklagten entnehmen, Zinsen auf eine etwaige Umsatzsteuerschuld zu zahlen.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Die Klägerin macht geltend, die Parteien seien einvernehmlich davon ausgegangen, dass eine Umsatzsteuerfreiheit bestehe. Da das Finanzamt Jahre später entgegen dieser gemeinsamen Annahme von einer Umsatzsteuerpflicht ausgegangen sei, müsse die Beklagte nach der vertraglichen Vereinbarung vom 06.07.2004 (K 1 GA 15 ff., 16) neben der Erstattung der Umsatzsteuer an sie, die Klägerin, auch die hierauf entfallenden gesetzlichen Zinsen tragen.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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1 a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr, der Klägerin, die Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld wegen des Aufhebungsvertrages vom 06.07.2004 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 16.07.2004 gemäß Steuerbescheid des Finanzamtes Worms für 2004 gegenüber Herrn Christian G. zu bezahlen,
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hilfsweise
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1 b) die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, von den Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld wegen des Aufhebungsvertrages der Parteien vom 06.07.2004 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 16.07.2004 gemäß Steuerbescheid des Finanzamtes Worms vom 23.04.2009 in Höhe von 48.960,00 € nebst Zinsen hieraus seit 01.01.2010 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor,
das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass sich weder aus der Aufhebungsvereinbarung vom 06.07.2004 noch aus der Ergänzenden Vereinbarung vom 16.07.2004 eine Verpflichtung ihrerseits entnehmen lasse, gesetzliche Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld an die Klägerin zu entrichten. Die vom Finanzamt erhobenen Zinsen seien nicht Teil der Umsatzsteuerschuld, sondern Verspätungszuschläge wegen Nichtentrichtung der anfallenden Umsatzsteuern.
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Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
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Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und darauf abgestellt, dass weder der Aufhebungsvertrag vom 06.07.2004 (Anlage K 1, GA 15 ff.) noch die Ergänzende Vereinbarung vom 17.07.2004 (Anlage K 2, GA 20) eine ausdrückliche Regelung zur Zahlung von Zinsen auf die nachzuzahlenden Umsatzsteuern enthalten.
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Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld zu zahlen. Die Parteien sind in Ziffer 2.5 des Aufhebungsvertrages vom 06.07.2004 (Anlage K 1 GA 15 ff., 16) davon ausgegangen, dass der im Gegenzug zur Aufhebung des Recyclingvertrages zu zahlende Abfindungsbetrag von 1.735.000,00 € bzw. später nach der Herabsetzung des Betrages auf 1.7000.000,00 € aufgrund der Ergänzenden Vereinbarung vom 16./17.07.2004 (Anlage K 2, GA 20) nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Sofern dieser Abfindungsbetrag gleichwohl umsatzsteuerpflichtig sein sollte, hat sich die Klägerin verpflichtet, die Umsatzsteuer auf den Abfindungsbetrag zusätzlich auszuweisen und die Beklagte hat sich im Gegenzug verpflichtet, diesen Betrag an die Klägerin zu zahlen. Das Finanzamt Worms-Kirchheimbolanden hat gegen den Organträger der Klägerin, Christian G., nach einer Finanzaußenprüfung mit Umsatzsteuerbescheid vom 23.04.2009 (Anlage K 4, GA 21) Umsatzsteuer in Höhe von 273.989,94 € und Zinsen auf diese Umsatzsteuer in Höhe von 49.662,00 € nachgefordert. Der Anspruch des Finanzamts auf Zahlung der Zinsen auf die nicht abgeführte Umsatzsteuerschuld leitet sich aus § 233 Abs. 1 a Abgabenordnung (AO) ab.
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Der Einspruch gegen den Umsatzsteuernachforderungsbescheid ist mit Bescheid des Finanzamts W. vom 11.08.2010 (GA 24) zurückgewiesen worden. Hiergegen hat der Organträger der Klägerin, Christian G., Klage zum Finanzgericht … erhoben (Anlage K 5, GA 30). Die Beklagte hat nach Rechnungsstellung der Klägerin vom 19.05.2009 am 25.05.2009 entsprechend der Aufhebungsvereinbarung vom 06.07.2004 (K 1 GA 15) den auf die nachgeforderte Umsatzsteuer entfallenden Betrag an die Klägerin in Höhe von 272.000,00 € gezahlt (Anlage B 1, GA 46).
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Die Klägerin ist mit ihrer Berufung der Ansicht, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Nachentrichtung der Umsatzsteuer an die Klägerin auch die gesetzlichen Zinsen mitumfasse. (BB 3, GA 95). Hiergegen wendet die Beklagte zu Recht ein, dass sich weder aus dem Aufhebungsvertrag vom 06.07.2004 noch aus der Ergänzenden Vereinbarung 17.07.2004 eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf die Umsatzsteuern ergebe. Dafür spricht, dass die steuerliche Behandlung des Vorgangs ausschließlich in die Risikosphäre der Klägerin fällt. Es ist Sache der Klägerin die Frage der Umsatzsteuerpflicht mit dem zuständigen Finanzamt zu klären. Die Beklagte hat hierauf keinen Einfluss. Deshalb ist mit dem Landgericht anzunehmen, dass aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung keine Verpflichtung der Beklagten besteht, die gemäß § 233 a AO der Klägerin auferlegten Zinsen auf die Umsatzsteuerschuld auszugleichen, auch wenn die Regelung in Ziffer 2.5 der Aufhebungsvereinbarung den Interessen der Beklagten diente, weil die Steuer auf Seiten der Klägerin nur ein Durchgangsposten gewesen wäre. Die Verpflichtung zur Zinszahlung gemäß § 233 a AO istzwingende Folge einer verspäteten Abführung der Umsatzsteuer. Wenn die insoweit fachkundig beratenen Parteien ungeachtet dessen nur eine Erstattung der reinen Umsatzsteuer vereinbaren, ist für eine ergänzende Vertragsauslegung in dem von der Klägerin gewünschten Sinne kein Raum.
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Die Berufung der Klägerin hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.
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Der Senat beabsichtigt den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 48.960,00 € festzusetzen.
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Referenzen - Gesetze
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
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die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.