Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 22. Aug. 2011 - 10 U 242/11

Gericht
Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 4. Oktober 2011.
Gründe
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Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
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Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung.
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Das Landgericht hat die Zahlungs- und Feststellungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen wird, abgewiesen.
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Entgegen der Annahme des Klägers ist das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. A. vom 3. Dezember 2008 für beide Parteien verbindlich. Die Parteien haben die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens gemäß § 22 VGB 2000 bezüglich des Umfangs der erforderlichen Schadenbeseitigungsmaßnahmen vereinbart. Der Klägervortrag lässt zudem nicht erkennen, dass das Gutachten offenbar unrichtig und damit unverbindlich ist.
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Die Einwendungen des Klägers gegen die wirksame Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens gemäß § 22 VGB 2000 sind unerheblich. Die Parteien haben sich am 4. September 2008 darauf geeinigt, dass der Schaden im „bedingungsgemäßen Sachverständigenverfahren festgestellt wird“. In dem von beiden Parteien am 4. September 2008 unterzeichneten Formular wurde vom Kläger als Versicherungsnehmer der Sachverständige Dipl.- Ing. B. als Sachverständiger ernannt. Die Beklagte ernannte den Sachverständigen Dipl.-Ing. C.. In dem Formular heißt es weiter: „Im Verfahren mit zwei Sachverständigen benennen beide vor Beginn ihrer Tätigkeit mit nachstehender Erklärung einen dritten Sachverständigen als Obmann. Dieser wird tätig, wenn die Sachverständigen zu keinem übereinstimmenden Ergebnis kommen“. Dieser Vordruck ist sodann, ebenfalls am 4. September 2008 von den Sachverständigen B. und C. unterzeichnet worden. In der Sachverständigenernennung ist als Obmann Herr Dipl.-Ing. P. A. ernannt und als „Ersatz“ Herr Dipl.-Ing. D. K aufgeführt. Inwiefern hier kein wirksames Sachverständigenverfahren vereinbart worden sein soll bzw. keine wirksame Ernennung eines Obmanns erfolgt sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.
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Der Kläger macht geltend, weder er noch die Beklagte hätten die jeweils andere Partei unter Angabe des von ihr benannten Sachverständigen schriftlich aufgefordert, den zweiten Sachverständigen zu benennen. Dabei verkennt der Kläger, dass eine solche Aufforderung entbehrlich war, da vor Abschluss der Vereinbarung am 4. September 2008 von beiden Parteien jeweils ein Sachverständiger namentlich benannt und in der Vereinbarung eingetragen wurde. Die Regelung in § 22 Ziff. 2 a VGB 2000 soll offenkundig einer Verzögerung der Durchführung des Sachverständigenverfahrens wegen fehlender Benennung eines Sachverständigen durch eine oder beide Parteien entgegen wirken, stellt aber keinen Selbstzweck dar.
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Auch die Rüge der Nichteinhaltung von § 22 Nr. 4 Satz 1 VGB 2000 ist unerheblich. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. erst mit der Klageerwiderung erhalten hat. Denn ausweislich der Obmannentscheidung des Sachverständigen Dipl.-Ing. A. vom 3. Dezember 2008 hat dieser am 17. Oktober 2008 eine Ortsbesichtigung bei dem Kläger durchgeführt. An dieser Ortsbesichtigung haben sowohl der Kläger als auch dessen Ehefrau unstreitig teilgenommen, so dass dem Kläger bekannt war, dass die Entscheidung der beiden Sachverständigen voneinander abweichen. Unabhängig davon haben die Parteien sich in der von ihm unterzeichneten „Sachverständigen-Ernennung“ darauf verständigt, dass die beiden Sachverständigen dann, wenn sie nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gelangen, ihre Feststellungen gesondert treffen und ihre Gutachten dem Obmann übersenden, der dann über die streitigen Punkte entscheidet. Selbst wenn daher der Sachverständige Dipl.-Ing. C. sein Gutachten nicht an den Kläger übersandt hat, ergibt sich hieraus weder die Unwirksamkeit der Vereinbarung des Sachverständigenverfahrens, noch die Unverbindlichkeit der Obmannentscheidung.
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Entgegen der Annahme des Klägers durfte auch seitens der Beklagten der Sachverständige Dipl.-Ing. C. beauftragt werden. Nach der Vorschrift des § 22 Nr. 2 b VGB 2000 darf der Versicherer als Sachverständigen keine Personen benennen, die Mitbewerber des Versicherungsnehmers sind oder mit ihm (= dem Versicherungsnehmer) in dauernder Geschäftsverbindung stehen. Wortlaut und Sinn dieser Vereinbarung sind eindeutig. Beide Teilsätze beziehen sich auf den Versicherungsnehmer. Hiervon ist auch der Kläger in erster Instanz zutreffend ausgegangen. Unabhängig davon weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Kläger etwaige Bedenken gegen die Person des Sachverständigen unverzüglich und nicht erst nach Abschluss des Verfahrens hätte geltend machen müssen (vgl. hierzu BGH VersR 1987, 601).
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Der Einwand, der Sachverständige Dipl.-Ing. C. habe bereits vor seiner Benennung ein Sachverständigengutachten erstellt, ist bereits deshalb unerheblich, weil die vorherige Gutachtenerstattung – worauf die Beklagte in der Berufungserwiderung zu Recht hinweist – eine Benennung als Sachverständigen nicht ausschließt. Der Sachverständige Dipl.-Ing. C. hat aber – unstreitig – erst am 26. September 2008, das heißt nach der Benennung als Sachverständiger im Sachverständigenverfahren, ein Gutachten erstellt, das Grundlage des vom Sachverständigen Dipl.-Ing. A. erstellten Obmanngutachtens war. Darüber hinaus hat der Kläger selbst ebenfalls den von ihm ernannten Sachverständigen Dipl.-Ing. B. bereits am 4. Juni 2008, das heißt rund drei Monate vor Abschluss der Vereinbarung über die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens gemäß § 22 VGB 2000, mit der Begutachtung, insbesondere der Feststellung des Schadensumfangs sowie der Dokumentation des Schadens beauftragt.
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Schließlich ist die Rüge der Nichteinhaltung der Schriftform unbegründet. Beide Sachverständige haben die Vereinbarung vom 4. September 2008 einschließlich der darin enthaltenen Benennung des Obmanns unterschrieben und dadurch der Schriftform der §§ 126, 127 BGB genügt.
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Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Landgericht zutreffend festgestellt hat, dass die Parteien nach Eintritt des Schadensfalls die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens gemäß § 22 VGB 2000 wirksam vereinbart haben.
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Weiter hat der Kläger weder dargetan noch den ihm obliegenden Nachweis dafür erbracht, dass das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. A. offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht, § 22 Ziff. 6 VGB 2000.
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Ein im Sachverständigenverfahren nach §§ 64 VVG, 22 VGB 2000 eingeholtes Obmanngutachten ist regelmäßig für die Parteien verbindlich. Der Streit um Meinungsverschiedenheiten zur Höhe des zu regulierenden Schadens soll gerade dem Rechtsstreit entzogen und im Sachverständigenverfahren entschieden werden. Will eine Partei des Sachverständigenverfahrens dessen Verbindlichkeit in Frage stellen, muss sie den Nachweis der offenbaren Unrichtigkeit des Gutachtens führen. Es muss nicht nur dargetan werden, dass das Gutachten Unrichtigkeiten enthält, sondern diese müssen sich zudem dem unbefangenen Beurteiler aufdrängen und die Feststellungen im Gesamtergebnis, nicht in einzelnen Punkten, erschüttern (vgl. auch BGH, VersR 1979, 121; NJW 1979, 1818). Vermieden werden soll, dass anstelle des Sachverständigen lediglich ein für den Kläger günstigerer Sachverständiger tätig wird. Zu beurteilender Zeitpunkt ist der der Gutachtenerstattung.
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Vor diesem Hintergrund ist das vorliegende Obmanngutachten nicht zu beanstanden. Es beschäftigt sich in sachlicher Weise mit den streitigen Punkten, zu denen der Kläger Abzüge bei der Versicherungsleistung hinnehmen musste, die er nicht zu tragen bereit ist. Soweit der Kläger dem Gutachten entgegen hält, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. B. den Versicherungsschaden zutreffend festgestellt habe, reicht dies nicht. Gegenstand des im Sachverständigenverfahren eingeholten Gutachtens war das nunmehr dem Obmanngutachten entgegen gehaltene Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. B.. Gerade der Streit über dessen Feststellungen sowie die teilweise diesen Feststellungen widersprechenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. sollten geklärt werden. Zu jedem einzelnen Zeitpunkt hat der Obmanngutachter Feststellungen getroffen, die sachlich allesamt nachvollziehbar sind. Die getroffenen Feststellungen sind detailgenau begründet. Der Sachverständige hat die Feststellungen der Gutachten der Sachverständigen B. und C. auf ihre Plausibilität vor dem Hintergrund des mitgeteilten Schadensherganges geprüft. Insofern bestand auch kein Erkenntnisunterschied zwischen den Sachverständigen. Der Obmanngutachter Dipl.-Ing. A. hatte Bauteilöffnungen in dem Umfang, wie sie vom Kläger als zur exakten Schadenfeststellung notwendig angesehen werden, nicht für erforderlich gehalten. Eine sich aufdrängende Unrichtigkeit des Obmanngutachtens lässt sich damit nicht erkennen.
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Nach § 22 Ziff. 6 VGB 2000 berechnet der Versicherer aufgrund der verbindlichen Feststellungen des Sachverständigen die Entschädigung gemäß §§ 15 bis 17 der VGB 2000. Aus diesem Grund war auch der Feststellungsantrag des Klägers zurückzuweisen.
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Der Senat nimmt in Aussicht, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 22.349,91 € festzusetzen.

Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
(1) Die Vorschriften des § 126, des § 126a oder des § 126b gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form.
(2) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung und bei einem Vertrag der Briefwechsel. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
(3) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten elektronischen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, auch eine andere als die in § 126a bestimmte elektronische Signatur und bei einem Vertrag der Austausch von Angebots- und Annahmeerklärung, die jeweils mit einer elektronischen Signatur versehen sind. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126a entsprechende elektronische Signierung oder, wenn diese einer der Parteien nicht möglich ist, eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
Eine Bevollmächtigung des Versicherungsvermittlers durch den Versicherungsnehmer zur Annahme von Leistungen des Versicherers, die dieser auf Grund eines Versicherungsvertrags an den Versicherungsnehmer zu erbringen hat, bedarf einer gesonderten schriftlichen Erklärung des Versicherungsnehmers.