Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 24. Jan. 2006 - 5 WF 9/06

published on 24.01.2006 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 24. Jan. 2006 - 5 WF 9/06
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Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der ihm Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Offenburg vom 12.12.2005 (3 F 138/05) aufgehoben. Dem Kläger wird auch für das Unterhaltsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... 77933 Lahr, bewilligt.

Gründe

 
I.
Mit Klagschrift vom 24.10.2005 hat der Kläger vom Beklagten, seinem Vater, Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Höhe von 500,– EUR monatlich bis zum 31.07.2006 gefordert. Außerdem hat er beantragt, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu den mit der Klage geforderten Unterhaltsbeträgen zu verpflichten. Für das Unterhaltsverfahren und die beantragte einstweilige Anordnung hat er gleichzeitig um Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., L., nachgesucht unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Das Familiengericht hat dem Beklagten formlos die Klageschrift und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit den darin enthaltenen Prozesskostenhilfeanträgen zur Stellungnahme zugesandt.
Nach Unterbreitung eines schriftlichen Vergleichsvorschlags durch die Parteien, mit dem der Beklagte sich verpflichtete, an den Kläger von Dezember 2005 bis Ende Juni 2006 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 500,– EUR zu zahlen, hat das Familiengericht mit Beschluss vom 28.11.2005 festgestellt, dass die Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO die vorgelegte Vereinbarung geschlossen hätten. Daraufhin hat der Kläger gebeten, über die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden mit dem Hinweis darauf, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht gehabt hätte und nicht mutwillig gewesen sei, wofür der Abschluss des Vergleichs entsprechend seinem Klagantrag spreche.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 12.12.2005 dem Kläger für das einstweilige Anordnungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt, im übrigen aber die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert mit der Begründung, die Parteien hätten sich im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren geeinigt. Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren sehe das Gesetz aber nicht vor.
Gegen diesen ihm am 19.12.2005 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 21.12.2005 beim Familiengericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Dem Kläger ist auch für das Unterhaltsverfahren selbst unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen.
Die Prozesskostenhilfebewilligung scheitert nicht daran, dass sich die Hauptsache durch den abgeschlossenen Vergleich vor einer Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch erledigt hat.
Obwohl die Erfolgsaussicht für die ursprüngliche Klage inzwischen weggefallen ist, kann dem Kläger gleichwohl Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil hier die Erfolgsaussicht nicht nach dem Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, sondern nach der Situation bei Klageeinreichung zu beurteilen ist (ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 737, 738). Das Familiengericht hat vorliegend nicht berücksichtigt, dass der Kläger nicht ein Prozesskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Klage dem Familiengericht vorgelegt, sondern eine unbedingte Klage, verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag, eingereicht hat. Wird nur ein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren eingeleitet, so kann in der Tat dem Antragsteller nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt werden (siehe hierzu BGH FamRZ 2004, 1708 ff).
Bei Klageinreichung hatte die Klage hinreichende Erfolgsaussicht. Ist aber der vom Kläger geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch zunächst gegeben und erledigt er sich vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag durch den Vergleichsabschluss, so ist davon auszugehen, dass der Kläger bei Einreichung des Antrags darauf vertrauen konnte, dass ihm auch Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Steht ihm der materiell-rechtliche Anspruch zu und hat er seine Bedürftigkeit dargetan, so hindert nur noch der verfahrensrechtliche Grundsatz, dass dem Beklagten vor der Prozesskostenhilfebewilligung rechtliches Gehör zu gewähren ist, eine sofortige Prozesskostenhilfebewilligung durch das Gericht. Der klagenden Partei kann der ihr zustehende Anspruch auf Gewährung einer staatlichen Sozialleistung nicht dadurch entzogen werden, dass die Parteien nach Zugang der Klage und des Prozesskostenhilfegesuchs sich einigen. Es geht nämlich nicht an, dass der Beklagte, der nach Zugang des Prozesskostenhilfegesuchs und der Klage sich zur Zahlung des geforderten Unterhaltsbetrags bereit erklärt hat, damit zugleich erreichen kann, dass dem hilfsbedürftigen Kläger die Voraussetzung für die Bewilligung einer staatlichen Sozialleistung, auf der er Anspruch hatte und auf die er sich bei Einreichung der Klage verlassen hat, nämlich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, rückwirkend genommen wird.
10 
Da der Kläger nach der vorliegenden Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und seinen Angaben in der Klageschrift nicht in der Lage ist, die Kosten für die Prozessführung selbst aufzubringen, war ihm daher für das Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
11 
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. (2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlun

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(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.