Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 31. Jan. 2003 - 5 WF 174/02

bei uns veröffentlicht am31.01.2003

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den ihm Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg vom 20.09.2002 (1 F 428/02) wird zurückgewiesen.

Gründe

 
1. Der Kläger hat seine Vaterschaft zu dem Kind Andreas E., geboren am 1983, mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Baden-Baden vom 17.04.2002 angefochten. Nunmehr vermutet er, dass der Beklagte der biologische Vater des Kindes sei. Mit der vorliegenden Klage, für die er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht hat, hat er daher aus übergegangenem Recht für die Zeit der Minderjährigkeit des Kindes den Regelunterhalt abzüglich hälftigem Kindergeld gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, nachdem er zu Unrecht für die Zeit von Februar 1983 bis Januar 2001 insgesamt mindestens 31.040,73 Euro Kindesunterhalt bezahlt habe. Das Klagebegehren scheitere auch nicht an der Bestimmung des § 1600 b Abs. 4 BGB. Die Anwendung dieser Vorschrift liefe auf eine Anspruchsverweigerung trotz bestehender Anspruchsnorm (§ 1607 Abs. 3 BGB) hinaus, nachdem das inzwischen volljährige Kind böswillig die eigene Feststellung der Vaterschaft unterlasse.
Der Beklagte hat Zurückweisung der Klage begehrt und darauf hingewiesen, dass er spätestens ab März 1992 keine sexuellen Beziehungen mehr zur Kindesmutter unterhalten habe. Er scheide daher unter Berücksichtigung der gesetzlichen Empfängniszeit gemäß § 1600 d Abs. 3 BGB als Vater des Kindes aus. Hierfür berufe er sich auf die Einholung eines Abstammungsgutachtens.
Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe versagt. Eine inzidente Feststellung der Vaterschaft im Unterhaltsverfahren zu Lebzeiten des Kindes käme nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 121, 299 bis 305) könne eine zur Realisierung des Rückgriffsanspruchs notwendige Klärung der Vaterschaft des angeblichen Erzeugers nicht als Vorfrage in einem Regressprozess durchgesetzt werden. Daher sei die Unterhaltsrückgriffsklage des Klägers ohne hinreichende Erfolgsaussicht.
Hiergegen hat der Kläger form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und unter anderem vorgetragen, dass mit der Rechtsordnung nicht in Übereinstimmung stehe, dass der biologische Vater eines Kindes allein dadurch seine Inanspruchnahme für die auf den Scheinvater übergegangenen Unterhaltsansprüche vereiteln könne, dass er das Kind dazu bewege, Maßnahmen zur eigenen Vaterschaftsfeststellung zu unterlassen.
Das Familiengericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Familiengericht dem Kläger für seine Regressklage Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Begehrens versagt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob (unter Bezugnahme auf BGHZ 21, 299 bis 305) die Vorfrage der Vaterschaft des angeblichen Erzeugers nicht in einem Regressprozess durchgesetzt werden kann. Da sich vorliegend sowohl der Kläger wie auch der Beklagte auf die Einholung eines Vaterschaftsfeststellungsgutachtens berufen haben, wäre - der Parteimaxime entsprechend - das Familiengericht nunmehr nicht gehindert, aufgrund dieser parteilichen Bereitschaft als Vorfrage die behauptete Vaterschaft des Beklagten feststellen zu lassen. Denn es geht in diesem Fall nicht um die verbotene Anwendung einer Rechtsanalogie, sondern darum, das von beiden Parteien angeführte Beweisangebot sachverständig abklären zu lassen.
Die künftige Abklärung der behaupteten Vaterschaft des Beklagten vermag dem Kläger jedoch deswegen nichts zu nützen, weil sich sein Unterhaltsanspruch auf die Minderjährigkeit von Andreas E. beschränkt, somit auf den Zeitraum von Februar 1983 bis Januar 2001. Selbst wenn daher im vorliegenden Unterhaltsverfahren rechtskräftig die Vaterschaft des Beklagten festgestellt werden könnte, würde dies nichts daran ändern, dass die Rechtswirkungen der Vaterschaft gemäß § 1600 d Abs. 4 BGB erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden könnten. Dies wäre ein in der Zukunft liegender Zeitpunkt, während sich der Unterhaltsklagzeitraum bis Januar 2001 beschränkt.
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Die Bestimmung des § 1600 d Abs. 4 BGB enthält eine Rechtsausübungssperre (BGH, FamRZ 1993, 696) dergestalt, dass auf Verwandtschaft beruhende Ansprüche zwischen Vater und Kind bzw. kindbezogene Ansprüche zwischen dem Vater und Dritten zwar vor der Vaterschaftsfeststellung schon bestehen, aber nicht geltend gemacht, also insbesondere nicht eingeklagt werden können (Bamberger/Hahn, BGB, § 1600 b, Rdnr. 6). Daher wurde eine unterstellte Vaterschaftsfeststellung des Beklagten der Regressklage des Klägers auch nicht zum Erfolg verhelfen können.
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Folgt man schließlich der vom Kläger bemühten Literatur und Rechtsprechung (dazu Bamberger/Roth, a.a.O., Fnt. 26 m.w.N.), dass bei sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB die Sperrwirkung des § 1600 d Abs. 4 BGB zurückzutreten habe, so hilft dies vorliegend dem Kläger auch nicht weiter. Abgesehen davon, dass der Senat keine Tatsachen festgestellt hat, die gegen den Beklagten den Vorwurf eines unerlaubten oder sittenwidrigen Handelns zu begründen vermögen (und nur auf seine Verhaltensweise als herangezogenem Unterhaltsschuldner kann es ankommen), könnte eine derartige vorsätzliche Schädigung nach § 826 BGB nur auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem die Schädigung (also eine rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Vaterschaftsfeststellung) stattgefunden hat. Dies wäre frühestens der Zeitraum ab Inverzugsetzung des Beklagten mit dem Hinweis, dass er als biologischer Vater des Kindes Andreas gemäß § 1607 Abs. 3 BGB regresspflichtig sei. Dies erfolgte erstmals mit klägerischem Schriftsatz vom 10.07.2002. Auch zu diesem Zeitpunkt war aber der Unterhaltsklagzeitraum bereits seit rund 1 1/2 Jahren abgelaufen, so dass selbst eine Aufhebung der Sperrwirkung des § 1600 d Abs. 4 BGB dem Kläger nicht weiterhelfen könnte.
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Aus diesen Gründen kann der Kläger die von ihm bis einschließlich Januar 2001 erbrachten Kindesunterhaltszahlungen nicht vom Beklagten zurückverlangen. Daher hat ihm das Familiengericht zu Recht Prozesskostenhilfe für seine Kindesunterhaltsklage versagt.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 31. Jan. 2003 - 5 WF 174/02 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1607 Ersatzhaftung und gesetzlicher Forderungsübergang


(1) Soweit ein Verwandter auf Grund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren. (2) Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erhe

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(1) Soweit ein Verwandter auf Grund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren.

(2) Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Anspruch gegen einen solchen Verwandten geht, soweit ein anderer nach Absatz 1 verpflichteter Verwandter den Unterhalt gewährt, auf diesen über.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil geht, soweit unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 anstelle des Elternteils ein anderer, nicht unterhaltspflichtiger Verwandter oder der Ehegatte des anderen Elternteils Unterhalt leistet, auf diesen über. Satz 1 gilt entsprechend, wenn dem Kind ein Dritter als Vater Unterhalt gewährt.

(4) Der Übergang des Unterhaltsanspruchs kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Soweit ein Verwandter auf Grund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren.

(2) Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Anspruch gegen einen solchen Verwandten geht, soweit ein anderer nach Absatz 1 verpflichteter Verwandter den Unterhalt gewährt, auf diesen über.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil geht, soweit unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 anstelle des Elternteils ein anderer, nicht unterhaltspflichtiger Verwandter oder der Ehegatte des anderen Elternteils Unterhalt leistet, auf diesen über. Satz 1 gilt entsprechend, wenn dem Kind ein Dritter als Vater Unterhalt gewährt.

(4) Der Übergang des Unterhaltsanspruchs kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden.