Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 10. Sept. 2004 - 2 WF 171/04

published on 10/09/2004 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 10. Sept. 2004 - 2 WF 171/04
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Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 3.8.2004 (2 F 106/0 4) dahingehend abgeändert, dass dem Kläger Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Abänderungsklage hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts auch für den Zeitraum ab März 2003 bewilligt wird.

Gründe

 
I. Die Parteien sind geschiedene Ehegatten. In einem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Baden-Baden (2 F 237/0 0) am 21.11.2000 abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Kläger u. a. zur Zahlung von monatlich 680 DM nachehelichen Unterhalts. Im Jahre 2002 erhob er eine Abänderungsklage, die mit Urteil vom 18.10.2002 abgewiesen wurde (2 F 138/02). Mit am 6.4.2004 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt der Kläger Prozesskostenhilfe für eine erneute Abänderungsklage mit dem Antrag, den am 21.11.2000 abgeschlossenen Vergleich dahingehend abzuändern, dass er ab März 2003 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schulde. Zur Begründung trägt er vor, er habe am 9.2.2003 einen Herzinfarkt erlitten. Er könne deshalb seine frühere Tätigkeit als Polier nicht mehr ausüben, sondern sei bei seiner bisherigen Arbeitgeberfirma im Innendienst beschäftigt und verdiene nur noch 1301,74 EUR netto monatlich. Unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten für die Kinder schulde er deshalb keinen Ehegattenunterhalt mehr. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 3.8.2004 antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt, jedoch zeitlich beschränkt für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Abänderungsklage. Zur Begründung hat es ausgeführt, einer rückwirkenden Abänderung stehe § 323 Abs. 3 ZPO entgegen, der zwar grundsätzlich nicht für Vergleiche gelte, wohl aber, wenn eine vorangegangene Abänderungsklage abgewiesen worden sei.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 11.8.2004 zugestellt. Mit seiner am 12.8.2004 eingelegten Beschwerde verfolgt er sein Prozesskostenhilfebegehren weiter.
II. Die (richtig: sofortige) Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig und auch in der Sache gerechtfertigt.
Für die Abänderung von Prozessvergleichen, die sich nach materiellem Recht richtet, gelten die Beschränkungen des § 323 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO grundsätzlich nicht. Dies hat seinen Grund darin, dass diese Bestimmungen die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener gerichtliche Entscheidungen sichern soll und dieser Zweck bei gerichtlichen Vergleichen nicht in Betracht kommt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 323 Rdnr. 45,46; BGH, NJW 1995,536).
Etwas anderes gilt, wie das Amtsgericht im Ansatz zutreffend ausführt, wenn zwischenzeitlich bereits über eine frühere auf Abänderung des Vergleichs gerichtete Klage entschieden wurde. Allerdings ist insoweit zu unterscheiden:
Hat die vorangegangene Abänderungsklage zu einer Abänderung des Vergleichs geführt, ist der ursprüngliche Titel durch das entsprechende Urteil ersetzt worden. Im folgenden Abänderungsprozess geht es deshalb nicht mehr um eine Abänderung des Vergleichs, sondern um eine Änderung des (rechtskräftigen) Abänderungsurteils. Insoweit findet § 323 Abs. 1 ZPO unmittelbare Anwendung und gelten auch die Beschränkungen des § 323 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1980,1127).
Etwas anderes gilt dagegen, wenn die vorangegangene Abänderungsklage abgewiesen wurde. In diesem Fall ergibt sich die Unterhaltsverpflichtung nämlich nicht aus dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil, sondern weiterhin aus dem ursprünglichen Vergleich. Rechtskräftig entschieden ist allein über die Frage, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die erste Abänderungsklage keine eine Abänderung rechtfertigenden Tatsachen vorlagen. Überwiegend wird deshalb die Auffassung vertreten, eine erneute Abänderungsklage könne gem. § 323 Abs. 2 ZPO nur auf neue, nach Schluss der mündlichen Verhandlung im vorangegangenen Abänderungsprozess eingetretene Tatsachen gestützt werden (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdnr. 45; OLG Koblenz, NJW-RR 1999,1680; offen gelassen in BGH, NJW 1995,536). Diese Frage muss hier nicht entschieden werden, weil die jetzige Klage auf im Jahr 2003, also nach Rechtskraft des Urteils vom 18.10.2002 eingetretene Tatsachen gestützt ist.
Die Beschränkung des § 323 Abs. 3 ZPO gilt dagegen im vorliegenden Verfahren entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht. Dies wird auch von Zöller/Vollkommer (a. a. O., Rdnr. 46) nicht vertreten. Die dort angeführten Beispiele betreffen vielmehr gerade den Fall, dass die Unterhaltsverpflichtung mittlerweile (nach Abänderung eines Vergleichs) oder (in Folge einer vergleichsweisen Rechtsmittelrücknahme) wieder/noch auf einem rechtskräftigen Urteil beruht. Im Falle der Abweisung einer früheren Abänderungsklage wie hier beruht die Unterhaltsverpflichtung jedoch weiterhin auf dem Vergleich, weshalb die Sicherung einer rechtskräftigen Entscheidung keine Beschränkung der Abänderbarkeit erfordert.
Materiellrechtliche Gründe, die einer rückwirkenden Abänderung im vorliegenden Falle entgegenstehen könnten (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., m. N ), sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere steht kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in die Fortgeltung des Vergleichs entgegen, weil bereits im Frühjahr 2003 über die Erkrankung des Klägers und eine Reduzierung des Unterhalts, mit der sich die Beklagte auch teilweise einverstanden erklärt hat, korrespondiert wurde.
10 
Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
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(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung d

Annotations

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.