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I. Am Tattag, dem 22.09.2001, gerieten der Beschwerdeführer und der Mitangeklagte M. mit den Geschädigten C. und E. in Streit. Im Laufe der tätlichen Auseinandersetzung wurden die Geschädigten C. und E. jeweils durch mehrere Messerstiche lebensgefährlich verletzt. Danach flüchtete der Beschwerdeführer vom Tatort und entzog sich dem Verfahren. Er hielt sich anschließend an unbekannten Orten im In- und Ausland auf.
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Es bestand der dringende Tatverdacht, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Mitangeklagten M. (M. S.) nach vorangegangenem Streit auf die beiden Geschädigten eingestochen hatte. Das Amtsgericht Karlsruhe erließ am 17.04.2002 gegen den Beschwerdeführer einen internationalen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags. Der Beschwerdeführer wurde am 30.09.2002 in Genf/Schweiz festgenommen und befand sich bis zum 25.02.2003 in Auslieferungshaft und seit dem 26.02.2002 bis zum 19.11.2003 in Deutschland in Untersuchungshaft.
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Aus der Auslieferungshaft heraus versuchte der Beschwerdeführer, sich ein falsches Alibi zu verschaffen, indem er eine falsche eidesstattliche Erklärung seines Vaters und einer weiteren Person aus dem Kosovo beschaffte. Diese Erklärung vom 08.11.2002 hatte zum Inhalt, dass der Beschwerdeführer sich zum Tatzeitpunkt im Kosovo aufgehalten habe.
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Nach seiner Auslieferung räumte der Beschwerdeführer am 13.03.2003 gegenüber den Ermittlungsbeamten seine Anwesenheit und seine Verwicklung in das Tatgeschehen ein, bestritt aber mit dem Messerstichen etwas zu tun gehabt zu haben (Vermerk v. 13.03.2003, Originalakte betr. G., Bd. 4, Bl. 2825). Entsprechendes bekundete er im Rahmen seiner Vernehmung vom 27.03.2003.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 14.03.2003 wurde der Haftbefehl vom 17.04.2002 aufrecht erhalten und in Vollzug belassen.
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In der Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 04.06.2003 wurde dem Beschwerdeführer ein Verbrechen des versuchten Mordes zur Last gelegt. Mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.11.2003 wurde er vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Der Mitangeklagte M. wurde wegen versuchten Totschlags z.N. des Geschädigten C. und weiterer Straftaten zu der Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Es konnte letztlich nicht geklärt werden, ob der Mitangeklagte M. oder der Beschwerdeführer auf den Geschädigten E. eingestochen und diesen lebensgefährlich verletzt hatte. Dem Beschwerdeführer wurde keine Entschädigung für die in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft und die in diesem Verfahren erlittene Untersuchungshaft gewährt.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde.
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II. Das zulässige Rechtsmittel führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
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Eine Entschädigung des Beschwerdeführers ist ausgeschlossen, wenn und soweit er die Auslieferungshaft bzw. die Anordnung der Untersuchungshaft vorsätzlich oder schuldhaft verursacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG). Dabei ist nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung, sondern auf die Beweislage, die sich den Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt der Anordnung der Strafverfolgungsmaßnahme bot, abzustellen (Meyer-Großner, 47. Auflage, § 5 StrEG Rdnr. 10; KG Berlin Beschluss vom 09. März 1999 - Az.: 1 AR 66/99 - 4 Ws 24/99 -). Spätere Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden sind allerdings dahingehend zu berücksichtigen, ob sie unter Umständen Anlass gaben, die Maßnahmen zu beenden (Meyer-Großner, 47. Auflage § 5 StrEG Rdnr. 7).
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Bei Anordnung von Auslieferungshaft oder Untersuchungshaft kann ein Entschädigungsanspruch entfallen, wenn der Beschuldigte durch die Tat oder sein Prozessverhalten den Anlass der Strafverfolgungsmaßnahme herausgefordert hat (Meyer-Großner, 47. Auflage § 5 StrEG Rdnr. 11). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG einen Ausnahmetatbestand enthält. Deshalb ist bei der Beurteilung, ob der Beschuldigte Anlass zu der Strafverfolgungsmaßnahme gegeben hat, ein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt nicht, dass er sich irgendwie verdächtig gemacht hat, sondern er muss einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung des dringenden Tatverdachts oder eines Haftgrundes geleistet haben (Meyer, Strafrechtsentschädigung, 5. Auflage, § 5 StrEG Rdnr. 39).
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Unter Berücksichtigung dieses strengen Prüfungsmaßstabes ist im vorliegenden Fall die Kausalität im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG bis zum 13.03.2003 gegeben. Der ehemalige Angeklagte war zum Zeitpunkt des Erlasses des internationalen Haftbefehls vom 17.04.2002 dringend des versuchten Totschlags verdächtig. Obwohl er damit rechnen musste, dass sich die Ermittlungen auch gegen ihn richten würden, hat er sich nach dem Vorfall am 22.09.2001 dem Verfahren entzogen und sich im In- und Ausland an verschiedenen unbekannten Orten verborgen gehalten. Diese Verhalten war ursächlich für das Auslieferungshaftverfahren und damit für seine Auslieferungshaft.
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Das Verhalten des Beschwerdeführers war grob fahrlässig. Grob fahrlässig im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG handelt, wer nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maß die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage anwenden würde, um sich vor Schaden der Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen. Dabei ist ein zivilrechtlicher Maßstab anzulegen (Meyer-Großner, 47. Auflage, § 5 StrEG Rdnr. 9; Meyer, Strafrechtsentschädigung, 5. Auflage, § 5 StrEG Rdnr. 45 ff; Schätzler-Kurz, StrEG, 3. Auflage, § 5 StrEG Rdnr. 43 ff).
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Der Beschwerdeführer musste damit rechnen, dass sich die Ermittlungen auch gegen ihn richten würden, da er in das Streitgeschehen unmittelbar involviert war und er bereits einmal mit einem Klappmesser auf zwei Personen eingestochen hatte und deswegen durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 21.12.1994 wegen gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen u.a. zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war. Angesichts dieser Umstände lag es für ihn auf der Hand, dass die Ermittlungsbehörden Fahndungsmaßnahmen gegen ihn einleiten würden, wenn er sich dem Verfahren entzieht, und er im Falle seiner Ergreifung im Ausland in Auslieferungshaft kommen könne. Der Beschwerdeführer hat somit in grober Weise seinen eigenen Interessen zuwidergehandelt, als er ins Ausland flüchtete, um sich dem Verfahren zu entziehen.
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Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer versuchte, sich aus der Auslieferungshaft ein falsches Alibi zu verschaffen, indem er eine falsche eidesstattliche Erklärung seines Vaters und einer weiteren Person vom 08.11.2002 aus dem Kosovo beschaffte, die zum Inhalt hatte, dass der Beschwerdeführer sich zum Tatzeitpunkt im Kosovo aufgehalten haben soll, stellt sich als grob fahrlässiges, eine Entschädigung ausschließendes Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 2 StrEG dar (BGH in BGHR StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 Ursächlichkeit 2; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 341; OLG Karlsruhe MDR 1975, 251).
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Jedoch ist die Entschädigung nur ausgeschlossen, soweit der Beschwerdeführer die Verfolgungsmaßnahme verursacht hat oder zumindest wesentlich mit verursacht hat. Nach seiner Auslieferung am 13.03.2003 räumte der Beschwerdeführer gegenüber den Ermittlungsbeamten seine Anwesenheit und seine Verwicklung in das Tatgeschehen ein, bestritt aber mit dem Messerstichen etwas zu tun gehabt zu haben. Der Beschwerdeführer hat damit aber zugleich eingestanden, dass er versucht hatte, sich durch die Erklärung vom 08.11.2002 ein falsches Alibi zu verschaffen. Damit entfiel die Ursächlichkeit zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers - dem Versuch, sich ein falsches Alibi zu verschaffen - und der fortdauernden Freiheitsentziehung (BGH in BGHR StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 Ursächlichkeit 2).
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Für die Haftentscheidung des Amtsgerichts Karlsruhe vom 14.03.2003 war daher der Versuch des Beschwerdeführers, sich ein falsches Alibi zu verschaffen, nicht mehr ursächlich. Aber auch der Umstand, dass er sich dem Verfahren entzogen hat, kann nicht als wesentlicher Ursachenbeitrag für die Haftentscheidung am 14.03.2003 gewertet werden. Nach der damaligen Verdachtslage, die wesentlichen auf die Aussagen der Zeugen und des Mitangeklagten M. gestützt war, wäre gegen den Beschwerdeführer auch dann Untersuchungshaft angeordnet worden, wenn er nicht geflohen wäre und sich dem Verfahren gestellt hätte, denn auch in diesem Fall wäre mit Sicherheit der Haftgrund der Fluchtgefahr bejaht worden, da er als Ausländer, ohne hinreichende soziale Bindungen im Inland und ohne legale Einkommensmöglichkeiten, über Auslandskontakte, jedenfalls in sein Heimatland (Kosovo) verfügte. Unabhängig von seinem Verhalten lag zudem der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO vor, auf den sich die Haftfortdauerentscheidung auch stützte.
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Auch der Umstand, dass der Angeklagte nach erfolgter Abschiebung am 14.08.2000 Ende August 2001 wieder illegal in die Bundesrepublik einreiste und sich hier illegal aufgehalten hat, war für die Haftfortdauerentscheidung vom 14.03.2003 nicht kausal. Hätte sich der Beschwerdeführer nämlich nicht illegal in Deutschland aufgehalten, sondern etwa aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldungsverfügung, wäre das Gericht angesichts des schweren Tatvorwurfs, seiner Ausländereigenschaft, seiner fehlenden Bindungen im Inland und seiner Auslandskontakte mit Sicherheit ebenfalls von Fluchtgefahr ausgegangen und hätte Untersuchungshaft angeordnet.
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Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer dem Verfahren entzogen hat, war daher nicht mehr geeignet die Haftfortdauerentscheidung vom 14.03.2003 ursächlich mit zu begründen. Insoweit entfiel die Ursächlichkeit zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und der fortdauernden Freiheitsentziehung, so dass ab diesem Zeitpunkt der Beschwerdeführer zu entschädigen ist.
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