Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 04. Apr. 2014 - 8 W 84/13

bei uns veröffentlicht am04.04.2014

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 27.06.2013, AZ 318 O 266/07, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von der Beklagten an die Klägerin nach dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 11.12.2013 zu erstattenden Kosten werden auf

€ 24.894,80

nebst Zinsen von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2013 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte nach einem Beschwerdewert von € 4.227,20.

Gründe

1

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

2

Die bis zum Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 21.07.2009 entstandene Verfahrensgebühr in Höhe von € 4.227,20 ist nicht nach Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG auf die nach der Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof entstandene Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen. Die in dieser Vorschrift bestimmte Anrechnung der Verfahrensgebühr ist nach § 15 Abs. 2 S. 2 RVG ausgeschlossen. Danach entfällt die Anrechnung und gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Jahren erledigt ist. Das ist hier der Fall.

3

In Rechtsprechung und Literatur besteht uneingeschränkte Einigkeit dahingehend, dass § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG auch bei einer Zurückverweisung gemäß § 21 RVG eingreift (OLGR Köln 2009, 601 f - Rn 6 = BeckRS 2009, 15802 OLGR München 2006, 681 f - Rn 4; OLGR Düsseldorf 2009, 455 f - Rn 4).

4

Für die Frage des Fristablaufs kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten des Landgerichts nicht auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung am 08.12.2011 an, wodurch der Rechtstreit unmittelbar wieder beim Oberlandesgericht anhängig geworden ist. Vielmehr ist auf den Zeitpunkt der Entgegennahme der Information des Rechtsanwalts für das weitere Tätigwerden abzustellen (so ausdrücklich OLGR Köln 2009, 601 f - Rn 6 = BeckRS 2009, 15802 [Fundstelle der Beklagten!]), bzw. auf den Zeitpunkt des Ansinnens, in derselben Angelegenheit erneut oder weiter tätig zu werden (so Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 21. Aufl., § 15 Rn 125), Dafür spricht zum einen der Wortlaut des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG. Er stellt auf die weitere Tätigkeit ab (auf die Aufnahme der weiteren anwaltlichen Tätigkeit stellt im Übrigen der von der Beklagten zitierte Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 10.03.2011, Rn 52, ab). Eine weitere Tätigkeit setzt notwendigerweise zunächst eine Kenntnis von der Zurückverweisung voraus. Zum anderen und insbesondere spricht für die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Kenntnisnahme von der Zurückverweisung der Sinn und Zweck dieser Bestimmung. Mit ihr soll nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Rechtsanwalt, der eine längere Zeit mit der Sache nicht befasst war, sich in diese erneut einarbeiten muss (BGH NJW 2006, 861 f - Rn 8; OLG München a.a.O. Rn 7). Eine erneute Befassung bzw. eine erneute Einarbeitung kann aber erst dann erfolgen, wenn von der Zurückverweisung Kenntnis genommen werden konnte.

5

Diese Kenntnis bestand im vorliegenden Fall ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses (Bl. 318) erst mit der Zustellung des BGH-Urteils am 11. Januar 2012. Das war zwei Kalenderjahre nach Erledigung des Auftrags. Diese war unstreitig am 31.12.2009.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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Referenzen - Gesetze

Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 04. Apr. 2014 - 8 W 84/13 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15 Abgeltungsbereich der Gebühren


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. (2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 21 Zurückverweisung, Fortführung einer Folgesache als selbständige Familiensache


(1) Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug. (2) In den Fällen des § 146 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der

Referenzen

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

(1) Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug.

(2) In den Fällen des § 146 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bildet das weitere Verfahren vor dem Familiengericht mit dem früheren einen Rechtszug.

(3) Wird eine Folgesache als selbständige Familiensache fortgeführt, sind das fortgeführte Verfahren und das frühere Verfahren dieselbe Angelegenheit.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.