Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 24. März 2015 - 2 Ausl. 59/14
Gericht
Tenor
Die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zur Strafverfolgung wegen der ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Tribunale di Caltanissetta vom 04. März 2014 (Nr. ###/2008 R.G.N.R. Mod. 21 und Nr. ####/2008 (###/2013) R. G. G. I. P.) zur Last gelegten Taten ist unzulässig.
1
Gründe:
2I.
3Die italienischen Behörden begehren die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung. Dem Auslieferungsersuchen liegt der Europäische Haftbefehl des Tribunale di Caltanissetta vom 4. März 2014 (Nr. ###/2008 R.G.N.R. Mod. 21 und Nr. ####/2008 (###/2013) R.G. G.I.P.) zugrunde, mit dem um die Festnahme des Verfolgten gebeten wurde. Dem Verfolgten werden Straftaten der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zum Zwecke des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und gemeinschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Tatzeit: 2011 bis September 2013) zur Last gelegt.
4Mit Beschluss vom 30. April 2014 hat der Senat die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft abgelehnt und angeordnet, dass der am 07. April 2014 vorläufig festgenommene Verfolgte aus der Auslieferungshaft zu entlassen ist. Zur Begründung hat der Senat Folgendes ausgeführt:
5„Die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG sind nicht vollständig erfüllt.
6Gemäß § 83 a Abs. 1 2. Alternative IRG reicht als Auslieferungsunterlage die Übermittlung des Europäischen Haftbefehls bzw. gemäß § 83 a Abs. 2 die Ausschreibung zur Festnahme zwecks Auslieferung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen aus, sofern diese die Angaben gemäß Nr. 1 – 6 in Abs. 1 der genannten Vorschrift enthalten. Der vorbezeichnete Europäische Haftbefehl sowie die Ausschreibung im Schengener Informationssystem erfüllen diese Anforderungen - auch zusammengenommen - nicht. Die nach § 83 a Abs. 1 Nr. 5 IRG erforderliche Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person ist nicht ausreichend. Zwar stehen dem Erlass eines Auslieferungshaftbefehls formelle Mängel eines Europäischen Haftbefehls nach § 83 a Abs. 1 IRG nur dann entgegen, wenn diese wesentliche Bestandteile der Ausschreibung betreffen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Mai 2011 - III-2 Ws 65/11 -, vom 22. Juni 2011 – III – 2 Ausl 83/11 – und vom 3. Dezember 2012 – III – 2 Ausl 139/12 -; OLG Karlsruhe NStZ 2007, 111; NStZ 2010, 708; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. März 2007, (1) Ausl – III – 6/07, zitiert nach juris). Das ist hier aber der Fall.
7Denn ohne eine ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs ist weder eine Schlüssigkeitsprüfung, ob die Tat den Deliktsgruppen des Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten angehört, noch – wenn das nicht zuträfe – eine Überprüfung, ob das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten
8nach deutschem Recht strafbar ist, möglich (vgl. OLG Karlsruhe, StV 2007, 650 = NStZ-RR 2007, 376; OLG Koblenz a.a.O.).
9Zwar lässt sich der SIS-Ausschreibung und dem Europäischen Haftbefehl noch allgemein hinsichtlich des Tatortes und des Tatzeitraumes eine Beschreibung der Tatumstände hinsichtlich einer Straftat der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und des gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entnehmen, jedoch ergibt sich aus den Ausführungen in keinster Weise die Tatbeteiligung des Verfolgten an diesen Taten. Als Mittäter aufgeführt werden lediglich B sowie C4, C2 und C3. Ausführungen zu dem Tatbeitrag und der Rolle des Verfolgten innerhalb der kriminellen Vereinigung fehlen hingegen vollständig.
10Da demnach weder die SIS-Ausschreibung noch der Europäische Haftbefehl eine zureichende Prüfung der Strafbarkeit konkreter Handlungen des Verfolgten und eine Subsumtion unter einen Straftatbestand bzw. eine Katalogtat nach Art. 2 Abs. 2 Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl ermöglichen, war der Antrag auf Erlass eines förmlichen Auslieferungshaftbefehls nach derzeitiger Erkenntnis- und Aktenlage abzulehnen.“
11Auf entsprechende Nachfrage durch die Generalstaatsanwaltschaft haben die italienischen Behörden mit Schreiben vom 27. Mai 2014 zur Sachverhaltsergänzung lediglich mitgeteilt, dass der Verfolgte ab April 2013 einer Einheit angehörte, die sich mit dem Weiterverkauf von Drogen im Rahmen der kriminellen Gruppierung der C beschäftigte, in dem er die früher von F gespielte Rolle des Drogendealers unter der Leitung von C2 übernahm.
12Die Generalstaatsanwaltschaft hat den italienischen Behörden daraufhin mit Schreiben vom 27. Mai 2014 mitgeteilt, dass die Konkretisierung der Tatvorwürfe nach wie vor nicht ausreichend sei und die italienischen Behörden um die Beantwortung konkreter Fragen zu den Tatumständen und den Tatbeiträgen des Verfolgten gebeten.
13Eine weitere Stellungnahme ist von den italienischen Behörden trotz nochmaliger Aufforderung durch die Generalstaatsanwaltschaft am 21. November 2014 nicht eingegangen.
14Die Generalstaatsanwaltschaft hat nunmehr mit Zuschrift vom 16. März 2015 beantragt, die Auslieferung für unzulässig zu erklären.
15II.
16Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die beantragte Auslieferung des Verfolgten nach Italien zur Strafverfolgung für unzulässig zu erklären.
17Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 30. April 2014 ausgeführt hat, genügt die in dem Europäischen Haftbefehl des Tribunale di Caltanissetta vom 04. März 2014 dargestellte Beschreibung der Tatumstände nicht den Anforderungen des § 83 a Abs. 1 Nr. 5 IRG. Hieran hat sich nichts geändert. Die ergänzende Stellungnahme der italienischen Behörden vom 27. Mai 2014 stellt angesichts der darin ebenfalls nur vagen Umschreibung der Art der Beteiligung des Verfolgten an den ihm vorgeworfenen Straftaten weiterhin keine ausreichende Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftaten begangen wurden (vgl. § 83 a Abs. 1 Nr. 5 IRG), dar.
18Da eine weitere ergänzende Stellungnahme der italienischen Behörden trotz mehrfacher Aufforderung nicht erfolgt ist, kam ein längeres Zuwarten auf eine weitere Antwort der italienischen Behörden, die nun nicht mehr zu erwarten ist, nicht in Betracht.
19Die Auslieferung des Verfolgten nach Italien zur Strafverfolgung war daher für unzulässig zu erklären.
Annotations
(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn
- 1.
die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder - 2.
auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, daß der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.