Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 07. Jan. 2016 - I-20 U 226/13
Tenor
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf legt dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung von Unionsrecht zur Vorabentscheidung vor:
1.
Kann im Rahmen eines Prozesses zur Durchsetzung von Ansprüchen aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster das Gericht eines Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit hinsichtlich eines Beklagten sich allein aus Art. 79 Abs. 1 Verordnung (EG) des Rates Nr. 6/2002 vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen vom 22.12.2000 ergibt, weil dieser in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Beklagte den im betreffenden Mitgliedsstaat ansässigen Beklagten mit möglicherweise schutzrechtsverletzenden Waren beliefert hat, gegen den erstgenannten Beklagten Anordnungen treffen, die unionsweit gelten und die über die Zuständigkeit begründenden Lieferbeziehungen hinausgehen?
2.
Ist die Verordnung (EG) des Rates Nr. 6/2002 vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, insbesondere dessen Art. 20 Abs. 1 lit. c), dahingehend auszulegen, dass ein Dritter zu geschäftlichen Zwecken das Gemeinschaftsgeschmacksmuster abbilden darf, wenn er Zubehörartikel zu – dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster entsprechenden – Waren des Inhabers vertreiben will? Wenn ja, welche Kriterien gelten dafür?
3.
Wie ist der Ort, „in dem die Verletzung begangen wurde“, in Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in den Fallgestaltungen zu bestimmen, in denen der Verletzer gemeinschaftsgeschmacksmusterverletzende Waren
a) über eine Website anbietet und diese Website – auch – auf andere Mitgliedsstaaten als den Mitgliedsstaat, in dem der Verletzter ansässig ist, ausgerichtet ist,
b) in ein anderes Mitgliedsland als desjenigen, in dem er ansässig ist, befördern lässt?
Ist Art. 15 lit. a), g) der genannten Verordnung so auszulegen, dass das so bestimmte Recht auch für Mitwirkungshandlungen anderer Personen anzuwenden ist?
Gründe
1I.
21 Die in Y. ansässige Klägerin vertreibt die Videospielkonsole „Z“ sowie Zubehörartikel hierzu. Sie ist Inhaberin mehrerer eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster (welche Zubehör zu „Z“ betreffen), darunter des in Rn. 2 angesprochenen Klagegeschmacksmusters, und nimmt die Beklagten wegen des Vertriebs angeblich schutzrechtsverletzender Waren in Anspruch. Solche Ansprüche macht sie darüber hinaus wegen der Benutzung von Abbildungen klagegeschmacksmustergemäßer Erzeugnisse bei der Bewerbung andersartiger Waren der Beklagten geltend, die jedoch vom Verbraucher zusammen mit den Erzeugnissen der Klägerin verwendet werden. Insoweit stellen sich verschiedene Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) des Rates Nr. 6/2002 vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. L 3/02 S. 1, nachfolgend GGV) sowie zur – aus zeitlichen Gründen noch anwendbaren – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen vom 22.12.2000 (ABl. L 12/01 S. 1, nachfolgend EuGVO), des weiteren zur Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 199/07 S. 40; nachfolgend Rom II-VO). Im Einzelnen:
32 Die Klägerin ist Inhaberin des unter 0…-001 eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, welches ein so genanntes Balance Board darstellt. Dieses Balance Board kann mit einer Computerspielkonsole dergestalt verbunden werden, dass der Spieler, der während des Spieles auf dem Balance Board steht, über Gewichtsverlagerungen das Spiel steuern und beeinflussen kann.
43 Die in Frankreich ansässige Beklagte zu 2. stellt Zubehörteile für die „Z“-Videospielkonsole der Klägerin, unter anderem ebenfalls ein so genanntes Balance Board, her und vertreibt diese an Abnehmer jedenfalls in Frankreich, Belgien und Luxemburg, möglicherweise auch an weitere Abnehmer innerhalb der Union, sowie an die Beklagte zu 1. Die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1. ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2. und vertreibt die von der Beklagten zu 1. bezogene Ware, u.a. über das Internet, weiter an Abnehmer in Deutschland und Österreich.
54 Die Klägerin sieht dieses, von der Beklagten zu 2. hergestellte und von den Beklagten vertriebene Balance Board als Verletzung ihres unter Rn. 2 aufgeführten eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters an und verlangt mit dem Klageantrag zu I. von den Beklagten, es zu unterlassen, die beanstandeten Waren im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen und/oder zu gebrauchen und/oder zu diesen Zwecken zu besitzen und/oder Erzeugnisse wiederzugeben beziehungsweise entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und Produktverpackungen zu verwenden. Mit weiteren Anträgen verlangt sie von beiden Beklagten Auskunft, Rechnungslegung, Belegvorlage, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Vernichtung, Rückruf, Erstattung von Rechtsanwaltskosten sowie Veröffentlichung des Urteils.
6Die Beklagte zu 2. hat das Fehlen einer internationalen Zuständigkeit für unionsweite Anordnungen gegen sie – und zwar auch für den nachfolgend unter Rn. 5 geschilderten Sachverhalt - gerügt. Darauf bezieht sich die Frage 1 (s. näher unter II.1.)
75 Die Beklagten haben des Weiteren in ihren jeweiligen Internetauftritten (Beklagte zu 1.: www.x...de, Beklagte zu 2.: www.x...fr) Abbildungen des Balance Boards, welches dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin entspricht, zusammen mit darauf bezogenen Zusatzartikeln der Beklagten, eingestellt. Dies beanstandet die Klägerin mit dem Klageantrag zu II. Die angegriffene Werbung ist zu Veranschaulichungszwecken dem Beschluss als Anlage beigefügt. Die damit verbundene Auslegung der GGV ist Gegenstand der Frage 2 (s. dazu näher unter II.2.).
86 Schließlich ist zu entscheiden, welches Recht ergänzend auf die geltend gemachten Ansprüche (mit Ausnahme des Unterlassungsanspruchs) anzuwenden ist. Das Landgericht hat festgestellt, dass trotz einer gewissen Harmonisierung hinsichtlich der Folgeansprüche durch die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums die nationalen Rechtsordnungen Unterschiede aufweisen. Das Landgericht hat als das maßgebliche Recht das des – nicht näher definierten und daher unklar bleibenden – Verletzungsortes angesehen und daher teilweise deutsches, österreichisches und französisches Recht angewendet. Die Klägerin möchte demgegenüber hinsichtlich der Beklagten zu 1. einheitlich deutsches und hinsichtlich der Beklagten zu 2. einheitlich französisches Recht angewendet wissen. Nach welchen Kriterien das anzuwendende Recht zu bestimmen ist, ist Gegenstand der Frage 3 (dazu näher unter III.2.).
9II.
101. Zur ersten Frage
117 Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete unionsweite Klage, die vom Senat weiterhin zu prüfen ist, kann sich allein aus Art. 79 Abs. 1 GGV in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 EuGVO ergeben. Eine Zuständigkeit nach Art. 79 Abs. 2 lit. b), Art. 82 Abs. 4 lit. b) GGV in Verbindung mit Art. 24 Verordnung EuGVO kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 2. bereits in der Klageerwiderung die fehlende internationale Zuständigkeit gerügt hat. Eine Zuständigkeit nach Art. 82 Abs. 1, 2. Alternative GGV scheitert – unabhängig davon, ob und unter welchen Umständen eine juristisch selbständige Tochtergesellschaft als „Niederlassung“ einer Konzernobergesellschaft im Sinne des Art. 82 Abs. 1 GGV angesehen werden kann - daran, dass die Beklagte zu 2. ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat, nämlich Frankreich, hat.
128 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (zuletzt Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13 Rn. 17 ff., ECLI:EU:C:2015:335) setzt die Anwendung des Art. 6 Nr. 1 EuGVO voraus, dass zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten, wobei dies dieselbe Sach- und Rechtslage voraussetzt. Entgegen den Bedenken der Beklagten zu 2. vertritt der Senat die Auffassung, dass diese Voraussetzungen in den Fällen einer Verletzung von Gemeinschaftsrechten (Gemeinschaftsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmustern) durch Erzeugnisse bei Unternehmen, die – wie hier – in einer Lieferkette stehen, vorliegen. Davon gehen Rechtsprechung (z.B. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2006 – I ZR 11/04 – GRUR 2007, 705; österreichischer Oberster Gerichtshof, Beschluss vom 15.01.2013 – 4 Ob 221/12x, GRUR Int. 2013, 569) und Lehre (Hackbarth, Der internationale Gerichtsstand der EU-Streitgenossenschaft im Gemeinschaftsmarken- und Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht, MarkenR 2015, 413; Menebröcker, in Hasselblad (ed.), Community Trade Mark Regulations, Art. 94 mn. 12 – 14; Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 756) aus. Gemeinsame rechtliche Klammer sind die Ansprüche aus dem in der Union einheitlich bestehenden (Art. 1 Abs. 3 GGV) Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Das gilt nicht nur für den in der GGV selbst – zumindest in den Grundzügen – geregelten Unterlassungsanspruch (Art. 89 Abs. 1 lit. a) GGV, sondern auch für die Ansprüche aus Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV. Zum einen sind die dort genannten Ansprüche durch die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums teilharmonisiert (zur Anwendung der Richtlinie auf Gemeinschaftsmarken Gerichtshof, Urteil vom 16.07.2015 – C-580/13 Rn. 20, ECLI:EU:C:2015:485), zum anderen reicht die gemeinsame Klammer durch das bestehende Gemeinschaftsgeschmacksmuster, dessen Inhalt und Schranken durch das Unionsrecht bestimmt werden, aus (vgl. Gerichtshof, Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13 Rn. 24, ECLI:EU:C:2015:335). Der Senat sieht diese Rechtsfrage als hinreichend geklärt an, so dass er insoweit von einer Frage an den Gerichtshof absieht.
139 Es stellen sich jedoch zwei Folgefragen zur Kognitionsbefugnis des Gerichts. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die GGV in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 EuGVO zwar grundsätzlich Anordnungen mit unionsweiter Reichweite zulasse, diese Anordnungen jedoch auf die – die Zuständigkeit begründenden – Warenlieferungen innerhalb der Lieferkette zu begrenzen seien. Diese Begrenzung wird von der Klägerin mit ihrer Berufung angegriffen, während die Beklagte zu 2. der Auffassung ist, es komme allenfalls eine Anordnung mit nationaler Reichweite, mithin Deutschland in Betracht. Im Einzelnen:
14a)
1510 Zum einen wird diskutiert, ob der die Zuständigkeit rechtfertigende Umstand (hier die Lieferkette potentiell schutzrechtsverletzender Waren) dazu führt, dass das so international zuständige Gericht nur über diesen Sachverhalt, nämlich die in der Lieferkette gelieferten Waren, zu entscheiden habe und sich die vom Gericht gegebenenfalls auszusprechenden Sanktionen auf die Waren innerhalb der Lieferkette zu beschränken hätten (vgl. Hackbarth, a.a.O., S. 417). So hat es das Landgericht gesehen und die Verurteilung der Beklagten zu 2. auf Waren aus der Lieferkette mit der Beklagten zu 1. beschränkt.
1611 Demgegenüber hat insbesondere der österreichische Oberste Gerichtshof in der in Rn. 7 zitierten Entscheidung eine derartige Einschränkung nicht vorgenommen. Er hat dort eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte als des Sitzes des belieferten Unternehmens auch für unionsweite Ansprüche gegen das in einem anderen Mitgliedstaat ansässige liefernde Unternehmen angenommen und umfassende unionsweite Anordnungen getroffen, und zwar obwohl – so jedenfalls der Vortrag des liefernden Unternehmens – nur ein kleiner Teil der Waren nach Österreich geliefert wurde.
17b)
1812 Des Weiteren wird erörtert, ob Ansprüche gegen das Unternehmen, welches allein infolge Art. 6 Nr. 1 EuGVO gerichtspflichtig ist, unionsweit oder nur beschränkt auf das nationale Territorium des Gerichtsstaates geltend gemacht werden können. Die deutsche Praxis (jedenfalls in Hauptsacheverfahren) geht von der Möglichkeit der Geltendmachung unionsweiter Ansprüche aus (BGH, GRUR 2007, 705 Rn. 20 zur Gemeinschaftsmarke; s. auch Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 757). Dabei beruft sie sich auf die einheitliche Wirkung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern im gesamten Unionsgebiet. Das wird von den Gerichten der einzelnen Mitgliedsstaaten und der Literatur aber nicht einhellig so gesehen (vgl. die Nachweise bei Hackbarth, a.a.O., S. 419).
1913 Das Problem wird in Art. 83 GGV nicht ausdrücklich gelöst, es sei denn, man verstünde den Verweis in Abs. 1 auf Art. 82 Abs. 1 GGV als auch auf den dort vorbehaltenen Art. 79 Abs. 1 GGV bezogen. Teilweise wird aus Art. 90 Abs. 3 S. 2 GGV geschlossen, dass einstweilige Anordnungen gegen allein nach Art. 6 Nr. 1 EuGVO gerichtspflichtige Unternehmen nur mit nationaler Reichweite ergehen können (vgl. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 90 Rn. 17), wobei dann wieder unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob unterschiedliche Lösungen zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sinnvoll sind oder nicht (vgl. Hackbarth, a.a.O., S. 419 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats sollte die Reichweite der Zuständigkeit von Gemeinschaftsmarkengerichten in Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gleich sein.
202. Zur zweiten Frage
2114 Die Frage, ob – und wenn ja, unter welchen Umständen – ein Dritter rechtmäßigerweise das Gemeinschaftsgeschmacksmuster abbilden darf, um seine Zusatzleistungen hinsichtlich der nach dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster (vom Inhaber oder seinem Lizenznehmer) hergestellten Erzeugnisse zu bewerben, ist bisher ungeklärt.
2215 Die Beklagten machen geltend, sie böten rechtmäßigerweise Zubehörartikel für die durch die Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützten Erzeugnisse (insbesondere Hüllen, Tragetaschen) der Klägerin an. Infolgedessen müsse es ihnen auch möglich sein, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster (zusammen mit ihren eigenen Zubehörartikeln) abzubilden, um den Einsatzweck und die Funktionsweise ihrer Zubehörartikel darstellen zu können. Die von ihnen – den Beklagten vertriebenen Hüllen, Tragetaschen Fernbedienungen passten genau zu dem Balance Board der Klägerin, nur dafür seien ihre eigenen Erzeugnisse gedacht. Eine Abbildung der fraglichen Erzeugnisse der Klägerin sei daher für eine unmissverständliche, einfache und umfassende Unterrichtung der Verbraucher über den Verwendungszweck der von den Beklagten vertriebenen Waren unerlässlich. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin dürften ihre Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht einmal in Bedienungsanleitungen der Beklagten abgebildet werden.
2316 Dieser Argumentation der Beklagten ist das Landgericht unter Heranziehung des Art. 20 Abs. 1 lit.c) GGV gefolgt und hat darauf verwiesen, die Beklagten wiesen auf die Quelle der abgebildeten Erzeugnisse der Klägerin durch die Angabe „compatible ZTM“ hin. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, weder der vom Landgericht herangezogene Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV noch andere Normen rechtfertigen eine Abbildung ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu eigenen gewerblichen Zwecken.
2417 Vorab ist klarzustellen, dass die Beklagten nicht geltend machen, für das abgebildete konkrete Erzeugnis der Klägerin, die den Gemeinschaftsgeschmacksmustern entsprechen, gelte die Vorschrift des Art. 21 GGV. Von daher stellt sich nicht die Frage, ob die Erschöpfungsregeln des Art. 21 GGV soweit gehen, dass mit Hilfe von Abbildungen derartiger Erzeugnisse nicht nur die Erzeugnisse selbst, sondern auch Zusatzartikel zum Balance Board beworben werden dürfen.
2518 Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Auslegung des Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV. Erwogen wird allerdings auch, ob nicht die Schrankenbestimmungen des Art. 12 lit. c) der Gemeinschaftsmarkenverordnung analog anzuwenden oder der Benutzungsbegriff des Art. 19 GGV einschränkend auszulegen ist.
26a)
2719 Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 07.04.2011 (I ZR 56/09, GRUR 2011, 1117) bei der Auslegung des § 40 Nr. 3 des deutschen Designgesetzes, welcher den mit Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV gleichlautenden Art. 13 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen umsetzt, auf § 51 des deutschen Urhebergesetzes, welcher von der Möglichkeit des Art. 5 Abs. 3 lit. d) der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft Gebrauch macht, zurückgegriffen. Das Gericht hat daher angenommen, die Abbildung des Geschmacksmusters sei nur dann zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Geschmacksmuster und dem eigenen Gedanken des „Zitierenden“ bestehe und die Wiedergabe des Geschmacksmusters als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden diene. Dies setze eine eigene geistige Auseinandersetzung mit dem Geschmacksmuster voraus, Marketinginteressen hinsichtlich des eigenen Leistungsangebots reichten nicht aus.
2820 Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Begriff der „Zitierung“ in der deutschen Sprachfassung (ähnlich die englisch, spanische und italienische Sprachfassung) der Begriff der „illustration“ in der französischen Sprachfassung (ähnlich die niederländische Sprachfassung) gegenübersteht. Letztgenannter Begriff könnte für einen weitergehenden Anwendungsbereich der Vorschrift sprechen. Bei der vom Bundesgerichtshof bevorzugten engen Auslegung bliebe auch kaum ein Anwendungsbereich für diese Vorschrift im Rahmen eines redlichen „Geschäftsverkehrs“, der in Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV ausdrücklich angesprochen wird (vgl. Spintig, in Hasselblatt (ed.), Community Design Regulation, Art. 20 mn. 14).
29b)
3021 Erwogen wird zudem eine analoge Anwendung des Art. 12 lit. c) der Gemeinschaftsmarkenverordnung (vgl. Ruhl, in Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., vor Art. 20-23, Rn. 6; offen gelassen von Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2011 - I ZR 56/09, GRUR 2011, 1117). Der Senat merkt insoweit an, dass für eine Analogie nur dann Raum ist, wenn Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV nicht bereits die in Art. 12 lit. c) der Gemeinschaftsmarkenverordnung angesprochenen Interessen der Benutzer umfassend regelt. Der Gerichtshof hat jüngst eine analoge Anwendung von Vorschriften des Geschmacksmusterrechts im Rahmen des Markenrechts abgelehnt (Urteil vom 06.10.2015 – C-500/14, ECLI:EU:C:2015:680).
3122 Diskutiert wird im Hinblick auf die unter c) angesprochenen gegenläufigen Interessen der Benutzer auch, ob nicht der Benutzungsbegriff des Art. 19 GGV einschränkend ausgelegt werden kann.
32c)
3323 Nach vorläufiger Auffassung des Senats müssen bei der Auslegung der GGV auch die anderen in der Rechtsordnung der Union anerkannten Allgemeininteressen und die Interessen Dritter berücksichtigt werden.
3424 Art. 8 Abs. 2 GGV schließt ausdrücklich Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses, die zwangsläufig nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden oder in diesem, an diesem oder um dieses herum angebracht werden kann, so dass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können, vom Musterschutz aus. Diese Vorschrift soll technischen Fortschritt ermöglichen (s. Erwägungsgrund 10) sowie den Wettbewerb mit Ersatz- und Zusatzteilen fördern. Dies spricht dafür, dass der Dritte, der Ersatz- oder Zusatzteile herstellt, diese nicht nur vertreiben, sondern auch damit auch werben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 04.11.1997, C-337/95 Rn. 36, 49 ff., GRUR Int. 1998, 140, zum Werbeankündigungsrecht des Dritten bei dem Vertrieb erschöpfter Waren; zur Anwendbarkeit dieser Entscheidung im Rahmen des Art. 21 GGV auch Rühl, a.a.O., Art. 21 Rn. 21; Thiem, in Hasselblatt (ed.), a.a.O., Art. 21 mn. 44 et seqq.). Ohne eine Erläuterung des Erzeugnisses, für das der Dritte Ersatz- oder Zusatzteile vertreibt, ist ein erfolgversprechender Vertrieb kaum denkbar. Dazu ist eine bildliche Darstellung oft hilfreich, zumal gerade bei einer mechanischen Verbindung von dem durch ein Geschmacksmuster geschützten Erzeugnis und Ersatz-/Zusatzteil eine Bedienungsanleitung vielfach notwendig ist.
3525 Zu den wesentlichen Merkmalen einer Ware (s. Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2001/95/EG; Art. 7 Abs. 4 lit. a) Richtlinie 2005/29/EG; Art. 5 Abs. 1 lit. a), Art. 6 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 2011/83/EU) gehört oft auch die Frage der Kompatibilität mit anderen Erzeugnissen und damit dann auch eine Bedienungsanleitung mit bildlicher Darstellung des anderen Erzeugnisses.
3626 Art. 4 der Richtlinie 2006/14/EG will zur Förderung des Wettbewerbs vergleichende Werbung fördern. Diese wird in Teilbereichen zumindest erschwert, wenn – so der Bundesgerichtshof – über die in Art. 4 der Richtlinie genannten Voraussetzungen hinaus weitergehende Anforderungen dann gestellt werden, wenn das konkurrierende Erzeugnis Geschmacksmusterschutz genießt (vgl. Stone, European Union Design Law, mn. 19.48).
3727 Zu den von Art. 9 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG und Art. 9 Abs. 1 lit g), Art. 27 der Verordnung (EU) 1169/11 geforderten Angaben können auch Anleitungen zur Einnahme des Arzneimittels bzw. des Lebensmittels in bestimmt geformten – möglicherweise geschmacksmusterrechtlich geschützten – Behältnissen sein.
38d)
3928 Von daher spricht nach vorläufiger Ansicht des Senats vieles dafür, diesen Interessen durch eine weite Auslegung des Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV Rechnung zu tragen, zumal auch die dort genannten Schranken angemessen erscheinen.
4029 Folgt man dem, stellt sich die weitere Frage, welche Anforderungen an die Angabe der „Quelle“ zu stellen ist. Das Landgericht hat die Angabe „compatible ZTM“ ausreichen lassen, weil angesichts der Bekanntheit von Z für den Verkehr klar sei, dass die fraglichen Produkte, für welche die von der Beklagten vertriebenen Zusatzteile bestimmt sind, von der Klägerin stammen. Das hält die Klägerin für unzureichend. Soweit die Klägerin darüber hinausgehend meint, die normale Verwertung ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster werde durch das Verhalten der Beklagten über Gebühr beeinträchtigt, trifft dies nach vorläufiger Auffassung des Senats nicht zu: Die Käufer der Zubehörprodukte der Beklagten müssen die – durch Geschmacksmuster geschützten – Produkte erwerben, um die Zubehörprodukte sinnvoll einsetzen zu können; dass die Klägerin eigene Zubehörprodukte vertreibt, ist nicht Bestandteil der eingetragenen Geschmacksmuster (s. Art. 8 Abs. 2 GGV).
413. Zur dritten Frage
4230 Letztlich stellen sich auch Fragen zur Auslegung von Art. 88 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2, Art. 15 lit. a), g) Rom II-VO. Vorab ist zweierlei klarzustellen:
4331 Zum einen hat der Senat, was den Klageantrag zu I. (s. Rn. 4) und die daran anknüpfenden Folgeansprüche betrifft, noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von den Beklagten vertriebenen Erzeugnisse tatsächlich das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin verletzten. Diese Frage erfolgt daher nur vorsorglich für den Fall, dass der Senat nach Klärung insbesondere des am jeweiligen Prioritätstage vorbekannten Formenschatzes und der von den Beklagten geltend gemachten technischen Bedingtheit bestimmter Merkmale (Art. 8 Abs. 1 GGV) einen Eingriff in die Rechte der Klägerin gemäß Art. 10 GGV bejahen sollte. Hinsichtlich des Klageantrages zu II. (s. Rn. 5) und die daran anknüpfenden Folgeansprüche ist die Frage nur dann erheblich, wenn die zweite Frage zu Lasten der Beklagten entschieden werden sollte.
4432 Zum anderen ist jedenfalls seit Inkrafttreten der Rom II-VO die Frage, ob die Maßnahme Art. 88 Abs. 2 GGV oder Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV unterfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.02.2014 – C-479/12, ECLI:EU:C:2014:75, Rn. 52 ff.), unerheblich geworden, da das internationale Privatrecht der Mitgliedsstaaten durch die genannte Verordnung unionseinheitlich geregelt worden ist (so auch Menebröcker/Stier in Hasselblad (ed.), Community Trade Mark Regulations, Art. 101 mn. 10).
45a)
4633 Nach Art. 8 Abs. 2 Rom-II VO ist das Recht des Staates anzuwenden, „in dem die Verletzung begangen wurde“. Nach welchen Kriterien dieser Ort zu bestimmen ist, ist unklar.
4734 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 05.06.2014 (C-360/12; ECLI:EU:C:2014:1318) die gleichlautende Formulierung in Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke dahingehend ausgelegt, dass auf den Ort abzustellen sei, an dem der Verletzer aktiv tätig werde, und nicht auf den Mitgliedsstaat, in dem diese Verletzungen ihre Wirkungen entfalte (Rn. 34). Hinsichtlich der Verletzung eines nationalen Schutzrechtes im Internet hat der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.04.2012 (C-523/10, ECLI:EU:C:2012:220) entschieden, dass als Begehungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 der Ort anzusehen sei, „an dem über das Auslösen des technischen Anzeigevorgangs entschieden wird“, was mit dem Ort der Niederlassung des Werbenden identisch ist (a.a.O, Rn. 37).
4835 Ob diese Rechtsprechung auf Art. 8 Abs. 2 Rom-II VO zu übertragen ist und wie bestimmte Fallkonstellationen zu behandeln sind, ist Gegenstand von Kontroversen.
4936 Weitgehend Einigkeit besteht aufgrund des Wortlauts des Art. 8 Abs. 2 Rom-II VO dahingehend, dass auf den „Begehungsort“ und nicht auf den „Erfolgsort“ abzustellen ist (s. BGH GRUR 2008, 254; Drexl, in Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 136, 143; Fezer/Koss, in Staudinger, BGB (2015) D. Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 965; Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 757; Thorn, in Palandt, BGB, 76. Aufl., Art. 8 Rom-II VO Rn. 8; anderer Ansicht, auch „Erfolgsort“: Fayaz, Sanktionen wegen der Verletzung von Gemeinschaftsmarken: Welche Gerichte sind zuständig und welches Recht ist anzuwenden?, GRUR Int. 2009, 566 [allerdings vor Veröffentlichung der in Rn. 34 erwähnten Entscheidungen des Gerichtshofs]; unentschieden: Menebröcker/Stier, in Hasselblad (ed.), Community Trade Mark Regulation, Art. 102 mn. 15; Späth, in Hasselblad (ed.), Community Design Regulation, Art. 88 mn. 8). Einschränkend sei aber darauf hingewiesen, dass diese Einigkeit nicht für – die hier nicht vorliegende – Fallgestaltung besteht, dass die maßgebliche Handlung außerhalb der Union erfolgt und damit nach dem Wortlaut der Vorschrift das Recht eines Nichtmitgliedsstaates anzuwenden wäre. Der Senat merkt dazu an, dass das vielfach vorgebrachte Argument, der einheitliche Charakter des Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 1 Abs. 3 GGV) schließe eine Anknüpfung analog Art. 8 Abs. 1 Rom-II VO aus, nicht zutrifft, da der Ort, an dem die Wirkungen einer Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 19 GGV) eintreten, festgestellt werden kann. Jedoch spricht der Wortlaut der Vorschrift für eine Anknüpfung an den „Handlungsort“.
5037 Aber auch dann bestehen – zumindest – in zwei – hier einschlägige - Fallgestaltungen Unklarheiten:
5138 Dies betrifft zum einen Fallgestaltungen, in denen der in einem Mitgliedsstaat ansässige (potentielle) Verletzer die Verletzungen mittels einer Website begeht, die auch auf andere Mitgliedsstaaten ausgerichtet sind. Folgt man der in Rn. 34 angesprochenen Rechtsprechung des Gerichtshofs, wäre das Recht anzuwenden, in dem der Verletzer ansässig ist: Diese Konsequenzen werden jedoch jedenfalls im Rahmen der Zuständigkeitsregel des Art. 82 Abs. 5 GGV als unzuträglich angesehen, weil bei einer solchen Auslegung diese Vorschrift bei Internetwerbung neben Art. 82 Abs. 1 GGV dann keine Rolle mehr spiele (Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 754; anders wohl aber im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 GGV s. dieselbe S. 758).
5239 Zum anderen besteht eine Unklarheit dann, wenn der in einem Mitgliedsstaat ansässige (potentielle) Verletzer den Auftrag an Drittunternehmen erteilt, die schutzrechtsverletztende Ware in einen anderen Mitgliedsstaat zu befördern. Die Beklagte zu 1. macht u.a. geltend, sie nehme lediglich Bestellungen entgegen, für die Beförderung der Ware zum Endkunden (u.a. in Deutschland) sei die Beklagte zu 2. zuständig. Auch insoweit wird – jedenfalls im Rahmen der Zuständigkeitsregel des Art. 82 Abs. 5 GGV - geltend gemacht, eine Anknüpfung allein an den Ort der Auftragserteilung (faktisch also der Ort der Niederlassung) führe zu Unzuträglichkeiten (vgl. Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 754; anders wohl aber im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 GGV s. dieselbe S. 758; s. auch Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 27 ff.).
5340 Sollten danach wegen der gleichen Ware mehrere Handlungsorte in Betracht kommen, wäre zu klären, welcher Ort maßgeblich ist, insbesondere, ob der Verletzte wählen kann oder ob ein zentraler Ort (das wäre der Ort der fraglichen Niederlassung) maßgeblich ist (vgl. auch Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 758).
54b)
5541 Schließlich stellt sich eine weitere Frage: Die Klägerin möchte auf das Verhalten der Beklagten zu 1. ergänzend das deutsche und hinsichtlich der Beklagten zu 2. ergänzend das französische Recht angewendet wissen. Auf Grund der Tatsache, dass beide Beklagte bei der (potentiellen) Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Klägerin zusammenwirken, ist unklar, ob dies Auswirkungen auf die Frage des anwendbaren Rechts hat. Vielfach wird davon ausgegangen, dass nach den Regelungen der Rom-II VO hinsichtlich jedes Tatbeteiligten gesondert anzuknüpfen ist, andernfalls die Regelung des Art. 20 Rom-II VO überflüssig wäre (vgl. Junker, in Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., Art. 20 Rom-II VO Rn. 10; Thorn, in Palandt, BGB, 75. Aufl., Art. 15 Rom-II VO Rn. 3). Teilweise wird jedoch angenommen, es sei bei derartigen Fallgestaltungen einheitlich anzuknüpfen (Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 756). Die letztgenannte Auffassung wird auf Art. 15 lit. a), g) Rom-II VO gestützt. Nach der Gegenauffassung wird jedoch nur die Haftung der „Drittperson“ als solche (z.B. Haftung der Eltern für Handlungen ihrer Kinder; Haftung des Arbeitgebers für Handlungen des Arbeitnehmers) von Art. 15 Rom-II VO abgedeckt. Rechtsprechung dazu besteht nicht. Der Gerichtshof hat es im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 EuGVO abgelehnt, die hinsichtlich eines Beklagten durch den Handlungsort begründete Zuständigkeit auf andere Mitwirkende zu erstrecken (Urteil vom 05.06.2014 C-360/12; ECLI:EU:C:2014:1318).
5642 Sollte die Auffassung, es sei bei Mittätern oder sonstig Beteiligten einheitlich anzuknüpfen, zutreffen, müsste eine „Haupttat“ festgestellt werden. Dies wird insbesondere bei Mittätern häufig schwierig sein. Im vorliegenden Fall könnte allenfalls erwogen werden, ob die Beklagte zu 1. als Konzernobergesellschaft als Haupttäterin anzusehen wäre. Eine solche Auffassung hätte sodann möglicherweise zur Folge, dass insgesamt ergänzend französisches Recht anzuwenden wäre.
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Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 07. Jan. 2016 - I-20 U 226/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin produziert und vertreibt Komponenten der Brems- und Fahrwerksteuerung für Nutzfahrzeuge, darunter Motorwagen- und Anhängerbremsventile , Bremskraft- und Druckregler, Relais- und Luftfederventile, Kupplungskraftverstärker und Lufttrockner. Sie ist Inhaberin der nachfolgend abgebildeten Gemeinschaftsmarke Nr. 00226738 und der identischen nationalen Marke Nr. 991110 (Wort-/Bildmarke), die unter anderem für Fahrzeugbremsen und deren Einzelteile, Luftfederungen für Kraftfahrzeuge und deren Teile, Geräte , Apparate und daraus zusammengesetzte Anlagen zur Steuerung, Regelung, Beeinflussung und/oder Überwachung von Fahrzeugbremsen, für Teile solcher Geräte und Apparate sowie für selbsttätige und nicht selbsttätige Kupplungen für Schienen- und Straßenfahrzeuge eingetragen ist:
- 2
- Diese Marke ist regelmäßig, aber nicht ausnahmslos in die Metallkörper der genannten Komponenten eingeprägt; ansonsten ist sie auf PlastikVerschlusskappen aufgeformt, mit denen Öffnungen dieser Teile verschlossen werden.
- 3
- Die Beklagten zu 1 und 2 gehören zur spanischen JALAIR-Unternehmensgruppe. Die Beklagte zu 1 beschäftigt sich mit der Wiederaufarbeitung von Teilen der Fahrwerk- und Bremssteuerung verschiedener Hersteller, darunter auch der eingangs genannten Produkte der Klägerin; sie hat ihren Geschäftssitz in Spanien und ist dort auch registriert. Die Beklagte zu 2 hat ihren Geschäftssitz in Mülheim an der Ruhr; sie vertreibt die von der Beklagten zu 1 aufgearbeiteten, u. a. ursprünglich von der Klägerin stammenden Teile in Deutschland, und zwar im so genannten Austauschgeschäft. Dabei geben die Käufer wiederaufgearbeiteter Stücke im Gegenzug die von ihnen ausgebauten und zu ersetzenden Teile zur anderweitigen Aufarbeitung ab. Der Beklagte zu 3 war bis zum 28. Januar 2003 gesetzlicher Vertreter der Beklagten zu 1 und bis zum 13. Juni 2002 Geschäftsführer der Beklagten zu 2.
- 4
- Bei der Wiederaufarbeitung werden die aufzuarbeitenden Stücke komplett zerlegt und gereinigt; Verschleiß- und defekte Einzelteile werden ersetzt, Kunststoffteile mit begrenzter Lebensdauer erneuert. Die ins Metall eingepräg- ten Klagemarken verbleiben auf den Metallkörpern; soweit die Marke lediglich auf Verschlusskappen angebracht ist, ist streitig geblieben, ob diese stets durch eigene, neutrale Kappen in roter Farbe ersetzt werden. Die Beklagte zu 1 bringt an den von ihr wiederaufgearbeiteten Teilen Blechschilder an, die ein Kennzeichen der JALAIR-Gruppe tragen und in die die Daten des betreffenden Geräts eingestanzt sind. Ein Beispiel für ein solches Schild ist nachstehend wiedergegeben :
- 5
- Die Klägerin hat in der Wiederaufarbeitung und dem anschließenden Vertrieb der auf diese Weise gekennzeichneten überarbeiteten Teile eine Verletzung der ihr aus den Klagemarken zustehenden Schutzrechte gesehen und Unterlassungs-, Auskunfts- sowie Schadensersatz-Feststellungsklage erhoben, der die Beklagten entgegengetreten sind.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagten zu 1 und 3 unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen spezifizierte gebrauchte Geräte für Bremssysteme in Nutzfahrzeugen, auf denen die Gemeinschaftsmarke der Klägerin angebracht ist, wiederaufzuarbeiten und diese Geräte unter dieser Gemeinschaftsmarke ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Gemeinschaft anzubieten, solche Geräte in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen, auszuführen oder für solche Geräte unter dieser Gemeinschaftsmarke zu werben. Die Beklagte zu 2 ist bis auf den Tatbestand des Wiederaufarbeitens gleichlautend verurteilt worden. Des Weiteren hat das Landgericht die Verurteilung der Beklagten zu 2 und 3 zur Auskunftserteilung über Namen und Anschrift ihrer gewerblichen Abnehmer , der Menge der in Deutschland ausgelieferten besagten Geräte und über die damit in Deutschland erzielten Umsätze ausgesprochen und festgestellt , dass die Beklagten zu 2 und zu 3 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den untersagten, in Deutschland begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
- 7
- Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
- 8
- Hiergegen richtet sich die (vom Berufungsgericht zugelassene) Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 9
- I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht. Es hat sich dabei hinsichtlich der gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichteten Klage aus der Gemeinschaftsmarke auf Art. 90 Abs. 1 GMV i. V. mit - je nach Zeitpunkt der Klagezustellung - Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO bzw. Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ gestützt. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen , dass die Klage auch auf die nationale Marke gestützt ist, und hat die internationale Zuständigkeit insoweit aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO bzw. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ begründet.
- 10
- Die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche hat das Berufungsgericht als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 11
- Der Klägerin stünden keine Ansprüche auf Unterlassung wegen Verletzung der Gemeinschaftsmarke aus Art. 9 Abs. 1, Art. 98 Abs. 1 GMV zu. Auch wenn sich die Klagemarke nach der Wiederaufarbeitung noch auf den Geräten befinde und eine Erschöpfung wegen der mit der Wiederaufarbeitung verbundenen Veränderung der Ware nicht in Betracht komme, sei die Gemeinschaftsmarke nicht verletzt, weil die Beklagte zu 1 auf den aufgearbeiteten Teilen gut sichtbar ihre eigene Kennzeichnung anbringe. Die maßgeblichen Verkehrskreise - Personen, die die fraglichen Erzeugnisse gewerbsmäßig und damit häufiger nachfragten - verstünden diese Aufmachung als unmissverständlichen Hinweis darauf, dass die Teile nur im ursprünglichen Zustand von der Klägerin stammten und später eine - mehr oder weniger tiefgreifende - Aufarbeitung durch ein anderes Unternehmen erfahren hätten. Es sei daher davon auszugehen, dass der Verkehr die Ware ihrer Herkunft nach richtig zuordne, und zwar infolge der festen Anbringung des Kennzeichens auf den Geräten auch bei nachgeordneten Vertriebsvorgängen und unabhängig davon, ob die Verpackung der wiederaufgearbeiteten Geräte zusätzlich auf die JALAIRGruppe hinweise. Damit sei eine Verletzung der Gemeinschaftsmarke aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Entsprechendes gelte für die nationale Marke.
- 12
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
- 13
- 1. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 153, 82, 84 f.; BGH, Urt. v.
- 14
- Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 90 Abs. 1, Art. 92 lit. a GMV i. V. mit Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO bzw. Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ. Die Anwendung dieser Gerichtsstandsregelungen ist in Klageverfahren wegen (drohender) Verletzung einer Gemeinschaftsmarke nicht ausgeschlossen (vgl. Art. 90 Abs. 2 GMV). Danach können mehrere Personen mit Wohnsitz in verschiedenen Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten gemeinsam vor dem Wohnsitzoder Sitzgericht (vgl. Art. 53 EuGVÜ, Art. 60 Abs. 1 Brüssel-I-VO) eines Streitgenossen verklagt werden, wenn zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren bei derselben Sachund Rechtslage widersprechende Entscheidungen ergehen (Konnexität, vgl. EuGH, Urt. v. 13.7.2006 - C-539/03, GRUR Int. 2006, 836 Tz 19 ff. - Roche Nederland BV/Primus u. a.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
- 15
- a) Die Beklagte zu 2 hat ihren Sitz (Art. 2, 53 EuGVÜ, Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 Brüssel-I-VO) in Deutschland. Die Beklagten zu 1 und 3 haben ihren Wohnsitz bzw. Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats. Damit besteht ein Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ bzw. Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO für die Verfahren gegen die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 3.
- 16
- b) aa) Im markenrechtlichen Schrifttum wird Konnexität i. S. von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ und Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO bei der Verletzung von Gemeinschaftsmarken etwa in Fällen so genannter Verletzerketten bejaht, wenn an der Markenverletzung beteiligte Hersteller, Importeure, Lieferanten bzw. Groß- und Einzelhändler in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind (vgl. Kouker, Mitt. 2000, 241, 246; Bumiller, Durchsetzung der Gemeinschaftsmarke in der Europäischen Union, 1997, Rdn. 72; von Kapff in: Heidelberger Kommentar zum Markenrecht, Art. 93 GMV Rdn. 73 f.; weitergehend Knaak, GRUR 2001, 21, 25). Dagegen begründen gleichartige Verletzungen eines europäischen Patents , die von den Mitarbeitern verschiedener, zum selben Konzern gehörender Unternehmen begangen worden sind, keine Konnexität i. S. von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ (EuGH GRUR Int. 2006, 836 Tz 25 ff. - Roche Nederland BV/Primus u. a.).
- 17
- bb) Im Streitfall ist Konnexität zu bejahen. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vertreibt die Beklagte zu 1 die von ihr aufgearbeiteten Teile über die Beklagte zu 2 in Deutschland, wobei der Beklagte zu 3 zeitweilig gesetzlicher Vertreter beider Unternehmen war. Beim Zusammenwirken von Konzernunternehmen in einer solchen Verletzerkette - dass es sich bei dem beanstandeten Verhalten um eine Markenverletzung handelt, ist in diesem Zusammenhang zu unterstellen - ist die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung aller Klagen geboten, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren trotz gleicher Sach- und Rechtslage (vgl. EuGH GRUR Int. 2006, 836 Tz 26 - Roche Nederland BV/Primus u. a.) widersprechende Entscheidungen ergehen.
- 18
- Der Bejahung von Konnexität im Streitfall steht deren Verneinung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Falle der Verletzung des europäischen Patents nicht entgegen (vgl. dazu EuGH GRUR Int. 2006, 836 Tz 27 ff. - Roche Nederland BV/Primus u. a.). Das europäische Patent stellt ein Bündel nationaler Schutzrechte dar, die in jedem Vertragsstaat, für den sie erteilt worden sind, dieselbe Wirkung haben und denselben Vorschriften unterlie- gen wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. In einer solchen Situation besteht eine geringere Gefahr sich widersprechender Entscheidungen als im Falle der - hier in Rede stehenden - Verletzung eines einheitlichen Gemeinschaftsschutzrechts , zumal es im Falle der "Verletzerkette" auch nicht um parallele Verletzungshandlungen, sondern um die Beteiligung an einer einheitlichen Schutzrechtsverletzung geht. Zwar sind mit den Beklagten zu 1 bis 3 mehrere Personen beteiligt. Das ist aber bestimmungsgemäße Voraussetzung für die Anwendung von Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ bzw. Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO. Die Klägerin erstrebt mit der Unterlassungsklage - abgesehen von der allein die Beklagte zu 1 betreffenden Wiederaufarbeitung - ein gemeinschaftsweites Verbot identischer Handlungen (Angebot, In-Verkehr-Bringen, Besitz und Ausfuhr der aufgearbeiteten Teile sowie Werbung dafür). Dieses Klagebegehren bezieht sich somit bezüglich aller Beklagter im Wesentlichen auf die identische Sachlage.
- 19
- Die Entscheidung ergeht, in Anbetracht der Einheitlichkeit des Schutzrechts , auf einer gegenüber allen Beklagten identischen Rechtslage. Die Gemeinschaftsmarke stellt anders als das europäische Bündelpatent ein supranationales , EU-weit einheitlich geltendes Schutzrecht dar (vgl. Eisenführ/ Schennen, Komm. zur GMV, Art. 1 Rdn. 22; von Kapff aaO Art. 1 GMV Rdn. 57). Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Gemeinschaft und kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein. Ihre Benutzung kann nur für die gesamte Gemeinschaft untersagt werden, sofern nicht in der Gemeinschaftsmarkenverordnung etwas Abweichendes bestimmt ist (Art. 1 Abs. 2 GMV; zu den Ausnahmen vgl. Eisenführ/Schennen aaO Art. 1 Rdn. 45 ff.).
- 20
- c) Offenbleiben kann, ob das Berufungsgericht seine internationale Zuständigkeit für die auf die nationale Marke gestützte Klage gegen die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 3 auch wegen der allein in Spanien vorgenommenen Handlungen auf Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ bzw. Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO stützen konnte. Die Zuständigkeit aus Art. 90 Abs. 1 GMV, Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ, Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO besteht umfassend für alle in jedem Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen (vgl. Art. 93 Abs. 1, Art. 94 Abs. 1, 1. Spiegelstrich GMV). Das Klageziel wird deshalb umfassend von den Rechten aus der Gemeinschaftsmarke abgedeckt.
- 21
- 2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin keine Ansprüche aus Art. 9 Abs. 1, Art. 98 GMV zustehen, greift die Revision ohne Erfolg an. Dabei kann offenbleiben, ob schon kein markenmäßiger, weil nur beschreibender Gebrauch vorliegt. Denn jedenfalls bewegt sich dieser in den Schranken von Art. 12 lit. b GMV, § 23 Nr. 2 MarkenG.
- 22
- a) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass markenrechtliche Ansprüche der Klägerin nicht erschöpft sind (Art. 13 Abs. 2 GMV, § 24 Abs. 2 MarkenG ), nimmt die Revision als ihr günstig hin; Rechtsfehler sind insoweit auch nicht zu erkennen.
- 23
- b) Der von der Revision ebenfalls nicht beanstandete Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, es sei ein unmissverständlicher Hinweis auf die Wiederaufarbeitung der weiterhin mit der Klagemarke versehenen Teile erforderlich , um eine Verletzung der Markenrechte des Herstellers des Originalprodukts auszuschließen, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die herkunftshinweisende Funktion einer Marke kann dadurch teilweise aufgehoben werden, dass unter Beibehaltung der Marke auf der vom Markeninhaber in Verkehr gebrachten Ware ein weiteres Zeichen angebracht und damit deutlich gemacht wird, dass die herkunftshinweisende Wirkung der ursprünglichen Marke beschränkt ist (BGH, Urt. v. 24.6.2004 - I ZR 44/02, GRUR 2005, 162 = WRP 2005, 222 - SodaStream). Wird auf einer umgebauten Ware der ursprünglichen Herstellerbezeichnung die für das umgebaute Gerät benutzte eigene Marke gegenübergestellt und auf den Umbau hingewiesen, wird dem Verkehr deutlich gemacht, dass die ursprüngliche Herstellerbezeichnung ein fremdes Zeichen ist, nämlich zur Kennzeichnung des Geräts in seinem Ursprungszustand. Durch die Gegenüberstellung der eigenen Marke als neue Kennzeichnung des umgebauten Geräts ist es der Lebenserfahrung nach ausgeschlossen, dass der Verkehr die ursprüngliche Herstellermarke als Mittel der Kennzeichnung des nunmehr in Verkehr gebrachten umgebauten Erzeugnisses ansieht. Die Erwähnung der ursprünglichen Herstellermarke hält sich dann im Rahmen der vom markenrechtlichen Schutz freistellenden Schrankenbestimmung des § 23 Nr. 2 MarkenG (BGH, Urt. v. 15.1.1998 - I ZR 259/95, GRUR 1998, 697 ff. = WRP 1998, 763 ff. - VENUS MULTI; vgl. auch RGZ 161, 29, 43 f.).
- 24
- c) Die Beurteilung des Streitfalls in der Sache hängt danach davon ab, ob die angesprochenen Verkehrskreise allein aufgrund der von der Beklagten zu 1 angebrachten Kennzeichnung an den weiterhin mit der Klagemarke versehenen Erzeugnissen ohne zusätzliche Informationen erkennen, dass die Produkte nur ursprünglich von der Klägerin stammen und unabhängig von ihrer Produktverantwortung wiederaufgearbeitet worden sind. Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
- 25
- aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Wiederaufarbeitung einem von der Klägerin unabhängigen Unternehmen zuordnen.
- 26
- Der Einwand der Klägerin, die Anbringung der Blechschilder neben der Klagemarke könne dahin verstanden werden, dass die Teile von ihr selbst auf- gearbeitet worden seien und unter einer Zweitmarke vertrieben würden, geht fehl. Er berücksichtigt nicht hinreichend, dass sich das Angebot der Beklagten an Fachkreise richtet, nämlich an Personen, welche die angebotenen Produkte gewerbsmäßig für den Reparaturbetrieb von Nutzfahrzeugen nachfragen, insbesondere Kfz-Techniker und Monteure. Sie sind erfahrungsgemäß im Interesse der eigenen optimalen Nachfrage über das am Markt erhältliche Angebot im Einzelnen unterrichtet und sehen "JALAIR" schon deshalb nicht als Zweitmarke der Klägerin an, weil die Klägerin selbst einzelne der streitgegenständlichen Komponenten nicht nur als fabrikneue Ersatzteile anbietet, sondern auch als wiederaufgearbeitete Ware. Dass die Klägerin diese und ähnliche Produkte zusätzlich unter einer Zweitmarke anbietet, erwartet der Verkehr erfahrungsgemäß nicht.
- 27
- Es spricht auch kein Erfahrungssatz dafür, nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs könnten der Gegenüberstellung von Klagemarke und "JALAIR"-Zeichen entnehmen, die betreffenden Geräte seien zumindest unter der Kontrolle der Klägerin, jedenfalls mit ihrer Zustimmung oder technischen Unterstützung aufgearbeitet worden. Die Wiederaufarbeitung setzt allgemein keine Gestattung durch die Hersteller der Originalteile voraus. Eine Verpflichtung oder wenigstens Übung der wiederaufarbeitenden Unternehmen, sich für das Austauschgeschäft ihrer Kontrolle zu unterwerfen oder sich ihrer Zustimmung zu versichern, besteht ersichtlich nicht. Die Revision vermag auch sonst keine Umstände aufzuzeigen, die das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise in diesem Sinne geprägt haben könnten und die das Berufungsgericht bei der Feststellung der Verkehrsauffassung vernachlässigt hätte. Zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr bedarf es deshalb entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht auch nicht des ergänzenden Hinweises "remanufactured by…"/"wiederaufgearbeitet durch…" (vgl. Riehle, Trade Mark Rights and Remanufacturing in the European Community, 2003, S. 63 f.).
- 28
- Ansprüche der Klägerin aus Art. 9 Abs. 1, Art. 98 GMV ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bei zwei von den Beklagten zu den Akten gereichten Teilen Abweichungen von den Sicherheitsvorgaben gemessen hat, welche die Toleranzen ihrer unternehmensinternen Herstellerprüfvorschriften überschritten. Da die angesprochenen Verkehrskreise in der Klagemarke nur noch den Hinweis auf die ursprüngliche Herkunft der Produkte sehen, werden eventuelle qualitative Mängel der aufgearbeiteten Teile dem wiederaufarbeitenden Unternehmen zugerechnet und nicht auf den Hersteller der Originalteile zurückgeführt. Eine Schädigung des Rufs der Klagemarke hat die Klägerin schon deshalb nicht zu befürchten. Es sprechen im Übrigen entgegen der Revision keine Erfahrungssätze dafür, dass der Verkehr mit den aufgearbeiteten Erzeugnissen gedanklich die Sicherheitsvorgaben der Klägerin in Verbindung bringt, zumal diese - laufend überarbeiteten und aktualisierten - Werte nicht publik gemacht werden. Einen Hinweis im Zusammenhang mit der von der Beklagten zu 1 angebrachten Kennzeichnung darauf, dass die Herstellerprüfvorschriften für die Dichtigkeits- und Funktionsprüfungen nicht berücksichtigt sind, kann die Klägerin vom wiederaufarbeitenden Unternehmen deshalb nicht verlangen.
- 29
- bb) Ohne Erfolg wendet die Revision des Weiteren ein, die angebrachten Blechetikette wiesen gar nicht auf die Beklagte zu 1 hin, weil sie nur das "JALAIR"-Logo enthielten. Markenrechtlich entscheidend ist allein, dass die Funktion der Klagemarke als Hinweis auf den Herstellerbetrieb neutralisiert ist. Dass die von der Beklagten zu 1 angebrachten Etiketten nicht auf sie selbst hinweisen, sondern auf die Unternehmensgruppe, zu der sie gehört, ist im Streitfall nicht von Bedeutung.
- 30
- cc) Das Berufungsgericht hat sich auch nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften begeben, wonach die Marke Gewähr dafür bieten soll, dass alle von ihr gekennzeichneten Waren als unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt erkannt werden, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH, Urt. v. 12.11.2002 - C-206/01, Slg. 2002, I-10273 = GRUR 2003, 55 Tz 48, 58 - Arsenal FC). Bei wiederaufgearbeiteten Fahrzeugersatzteilen wird, wie ausgeführt , das aufarbeitende Unternehmen für die Qualität der Teile verantwortlich gemacht. Die Markenrechte des Original-Herstellers werden deshalb nicht verletzt , wenn die Kennzeichnung eine vom ursprünglichen Teilehersteller autonome Wiederaufarbeitung erkennen lässt, was im Streitfall, wie ebenfalls ausgeführt , der Fall ist.
- 31
- 3. Für die Rechte aus der nationalen Marke gilt das vorstehend Ausgeführte entsprechend.
- 32
- III. Die Revision ist daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bergmann Gröning
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.12.2002 - 4 O 377/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.12.2003 - 20 U 36/03 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte, die Deutsche Bahn AG, ist Inhaberin verschiedener Geschmacksmuster , die sie für Züge der Gattung Intercity-Express (ICE) benutzt.
- 2
- Hierzu gehört das mit Priorität vom 20. Januar 1990 eingetragene und am 10. Januar 1991 bekanntgemachte deutsche Geschmacksmuster mit der Nummer M9000546-0001 (Aktenzeichen M9000546.5), das sie für den Zugtyp ICE 1 verwendet: M9000546-0001 (ICE 1)
- 3
- Weiterhin ist die Beklagte Inhaberin des mit Priorität vom 28. September 1995 eingetragenen und am 25. März 1996 bekanntgemachten deutschen Geschmacksmusters M9507884-0001 (Aktenzeichen M9507884.3) und des am 21. März 1996 eingetragenen internationalen Geschmacksmusters DM/035887, die sie für den Zugtyp ICE T benutzt: M9507884-0001 (ICE T) DM/035887 (ICE T)
- 4
- Schließlich ist die Beklagte Inhaberin des mit Priorität vom 28. September 1995 eingetragenen und am 25. März 1996 bekanntgemachten deutschen Geschmacksmusters M9507883-0001 (Aktenzeichen M9507883.5) und des am 21. März 1996 eingetragenen internationalen Geschmacksmusters DM/035886, die sie für den Zugtyp ICE 3 verwendet: M9507883-0001 (ICE 3) DM/035886 (ICE 3)
- 5
- Die Klägerin betreibt eine Einrichtung für angewandte Forschung, die sich mit Schienenfahrzeugtechnik befasst. Sie entwickelte für die Beklagte eine Radsatzprüfanlage für den Zugtyp ICE 1. Im Ausstellerkatalog der Fachmesse "InnoTrans 2004" warb sie für ihre Leistungen mit der nachfolgend abgebildeten Katalogseite, auf der ihr Leistungsspektrum und der aktuelle Forschungsbedarf in der Schienenfahrzeugtechnik dargestellt sind und der Triebwagen eines Zugs vom Typ ICE 3 abgebildet ist:
- 6
- Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 4. Februar 2005 wegen dieser Abbildung des Zugs im Katalog unter Hinweis auf die Aktenzeichen M9507883.5 des Deutschen Patent- und Markenamtes sowie DM/035887 der Weltorganisation für geistiges Eigentum darauf hin, dass sie Inhaberin der den ICE 3 betreffenden Geschmacksmuster sei. Sie verlangte von der Klägerin den Nachweis einer Nutzungslizenz und erklärte, dass sie sich im Falle des Fehlens einer Lizenz ihre Inanspruchnahme auf Schadensersatz und Unterlassung vorbehalte. Mit Schreiben vom 2. März 2005 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Lizenzvereinbarung mit der Aufforderung, diese zu unterzeichnen und zurückzusenden. In der Präambel dieser Vereinbarung heißt es, die Beklagte sei Inhaberin der Geschmacksmusterrechte an dem Design sämtlicher ICE-Züge. Gegenstand der Lizenzvereinbarung sollte nach § 1 der Lizenzvereinbarung die Einräumung des einmaligen Nutzungsrechts an dem Abbild des ICE 3 im Ausstellerkatalog der "InnoTrans 2004" gegen eine Gebühr von 750 € zuzüglich Mehrwertsteuer sein. Mit einem weiteren Schreiben vom 14. April 2005 erläuterte die Beklagte ihr Verlangen dahin, dass es sich bei dieser Summe um eine Schadensersatzforderung handele, weil die Klägerin Bildmaterial des ICE 3/ ICE T veröffentlicht habe.
- 7
- Die Klägerin beansprucht die Feststellung, dass der Beklagten aus der Abbildung des Zugs der Baureihe ICE 3 in ihrer Präsentation im Ausstellerkatalog der Messe "InnoTrans 2004" weder Unterlassungs- noch Schadensersatzansprüche aus den beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Geschmacksmustern M9000546.5, M9507883.5 und M9507884.3 sowie den bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum eingetragenen Geschmacksmustern DM/035887 und DM/035886 zustehen.
- 8
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zu- rückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 9
- A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei unzulässig, soweit sie sich auf die den ICE 1 und ICE T betreffenden Geschmacksmuster M9000546.5, M9507884.3 und DM/035887 beziehe. Insoweit fehle es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, weil die Beklagte sich keiner Ansprüche gegenüber der Klägerin berühmt habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Beklagte könne von der Klägerin wegen der Abbildung des ICE 3 im Messekatalog gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, Abs. 2 Satz 1 GeschmMG Unterlassung und Schadensersatz verlangen. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
- 10
- Mit der Abbildung des ICE 3 im Messekatalog habe die Klägerin die den ICE 3 betreffenden Geschmacksmuster M9507883.5 und DM/035886 der Beklagten entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG benutzt. Sie habe deren wesentliche ästhetische Merkmale übernommen, auch wenn der Zug aus einer anderen Perspektive dargestellt sei.
- 11
- Die Abbildung sei nicht vom Zitierrecht des § 40 Nr. 3 GeschmMG gedeckt. Sie stelle bereits keine Zitierung dar. Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem abgebildeten ICE 3 und der dargestellten Dienstleistung der Klägerin. Es fehle auch die erforderliche Quellenangabe. Es könne offenbleiben, ob eine Quellenangabe bei allgemeiner Bekanntheit der Herkunft entbehrlich sei; denn es sei im vorliegenden Fall nicht offenkundig, wer Entwerfer und Hersteller oder Schutzrechtsinhaber des Geschmacksmusters sei. Die Abbildung sei auch nicht mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar. Sie erwecke den irreführenden Eindruck, die Klägerin erbringe Dienstleistungen für den abgebildeten ICE 3.
- 12
- Die Benutzung der Geschmacksmuster sei nicht in entsprechender Anwendung der markenrechtlichen Schrankenregelung des § 23 Nr. 3 MarkenG gerechtfertigt. Es bestehe keine planwidrige Regelungslücke und wohl auch keine vergleichbare Interessenlage. Auch begegne eine Übertragung von Schrankenregelungen des Markenrechts auf das Geschmacksmusterrecht grundsätzlichen Bedenken. Jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 23 Nr. 3 MarkenG nicht erfüllt. Die Abbildung des ICE 3 im Katalog sei zur Information über die Dienstleistungen der Klägerin nicht notwendig gewesen und habe zudem gegen die guten Sitten verstoßen, weil sie den irreführenden Eindruck erweckt habe, die Klägerin sei an der Entwicklung des ICE 3 beteiligt gewesen.
- 13
- B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Feststellungsklage unzulässig ist, soweit sie sich auf das für den ICE 1 verwendete Geschmacksmuster M9000546.5 und die für den ICE T benutzten Geschmacksmuster M9507884.3 und DM/035887 bezieht (dazu I). Die Ausführungen , mit denen das Berufungsgericht die Begründetheit der Feststellungsklage hinsichtlich der für den ICE 3 benutzten Geschmacksmuster M95078830001 und DM/036886 verneint hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand (dazu II).
- 14
- I. Die Feststellungsklage ist wegen Fehlens des erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig, soweit sie sich auf das für den ICE 1 verwendete Geschmacksmuster M9000546.5 und die für den ICE T benutzten Geschmacksmuster M9507884.3 und DM/035887 bezieht.
- 15
- 1. Das rechtliche Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist Sachurteilsvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens - auch in der Revisionsinstanz - von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 - I ZR 203/51, BGHZ 18, 98, 105 f.; Urteil vom 11. Januar 2007 - I ZR 87/04, GRUR 2007, 805 Rn. 6 = WRP 2007, 1085 - Irreführender Kontoauszug ). Für die - hier vorliegende - negative Feststellungsklage ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, wenn sie zur Abwehr einer Abmahnung oder sonstigen Rechtsberühmung wegen einer Verletzung immaterieller Schutzrechte erhoben ist. Die Klägerin kann dann grundsätzlich gerichtlich feststellen lassen, dass die Rechtsberühmung zu Unrecht erfolgt ist und die behaupteten Ansprüche nicht bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1995 - I ZR 124/93, juris Rn. 29; Urteil vom 23. November 2000 - I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 243 = WRP 2001, 160 - Classe E, jeweils mwN).
- 16
- 2. Das Berufungsgericht hat das Feststellungsinteresse mit Recht nicht einheitlich für alle Schutzrechte, sondern getrennt für jedes einzelne Schutzrecht geprüft. Wird ein Anspruch auf mehrere Schutzrechte gestützt, begründet jedes Schutzrecht einen eigenen Streitgegenstand (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 521 Rn. 3 = WRP 2011, 878 - TÜV [zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt]; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Auflage, § 14 MarkenG Rn. 698). Das Feststellungsinteresse ist für jeden einzelnen Streitgegenstand gesondert zu beurteilen.
- 17
- 3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Feststellungsklage das Feststellungsinteresse fehlt, soweit sie sich auf das für den ICE 1 verwendete Geschmacksmuster M9000546.5 und die für den ICE T benutzten Geschmacksmuster M9507884.3 und DM/035887 bezieht, weil die Beklagte sich in der vorgerichtlichen Korrespondenz mit der Klägerin keiner Ansprüche wegen einer Verletzung dieser Geschmacksmuster berühmt hat.
- 18
- a) Das Berufungsgericht hat angenommen, im ersten Anschreiben vom 4. Februar 2005 gehe es allein um die Abbildung des ICE 3 im Katalog; in diesem Schreiben seien nur die Geschmacksmuster des ICE 3 genannt. Das Schreiben vom 2. März 2005 nenne in der Betreffzeile zwar eine "Abbildung des ICE 3/ICE T" und weise im letzten Absatz allgemein darauf hin, dass für jegliche Nutzung von ICE-3/ICE-T-Bildern vorab eine Freigabe einzuholen sei; der Fließtext nehme jedoch allein auf die Abbildung des ICE 3 im Katalog Bezug. Die Präambel des mit diesem Schreiben übermittelten Lizenzvertrags erwähne nur deshalb alle Geschmacksmuster, weil es sich um einen Standardvertrag handele; maßgeblich sei, dass in dem auf den Einzelfall angepassten § 1 des Lizenzvertrages als Vertragsgegenstand allein die einmalige Nutzung der Abbildung des ICE-3-Bildes im Messekatalog 2004 genannt sei. Im Schreiben vom 14. April 2005 sei zwar auch von der Abbildung des ICE 3/ICE T und der Nutzung von ICE-3/ICE-T-Bildmaterial die Rede;das Schreiben nehme jedoch auf die Vorkorrespondenz und den Lizenzvertrag Bezug und umreiße nur noch einmal den Sachverhalt, wobei es weiterhin allein um die Abbildung des ICE 3 gehe.
- 19
- b) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat die einzelnen Erklärungen, mit denen die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Ansprüche geltend gemacht hat, umfassend gewürdigt. Es hat dabei keine Denkgesetze oder Erfahrungssätze missachtet und auch keine gesetzlichen Auslegungsregeln oder anerkannten Auslegungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verletzt. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die vorgerichtlichen Erklärungen der Beklagten aus der objektiven Sicht der Klägerin als Empfänger dieser Erklärungen auszulegen sind. Mit ihrer abweichenden Beurteilung versucht die Revision lediglich , die Beurteilung des Berufungsgerichts durch ihre eigene zu ersetzen, ohne dabei einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts darzutun. Damit kann sie in der Revisionsinstanz keinen Erfolg haben.
- 20
- Insbesondere macht die Revision vergeblich geltend, für die Klägerin als Empfängerin des Angebots auf Abschluss eines Lizenzvertrages sei nicht ersichtlich gewesen, dass sich unter den in der Präambel des Lizenzvertrages bezeichneten Geschmacksmustern solche befunden hätten, die andere Züge als den ICE 3 betroffen hätten. Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin erkennen konnte, dass die in der Präambel genannten Geschmacksmuster M9507884.3 und M9000546.5 sowie DM/035887 - anders als die dort angeführten Geschmacksmuster M9507883.5 und DM/035886 - nicht für den ICE 3, sondern für den ICE 1 und den ICE T benutzt werden. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war für die Klägerin mit Blick auf die Regelung des Vertragsgegenstandes in § 1 des Lizenzvertrages und die Vorkorrespondenz der Parteien deutlich erkennbar, dass die Beklagte sie nicht aus sämtlichen in der Präambel des Standardvertrags aufgeführten Geschmacksmustern , sondern allein aus den Geschmacksmustern in Anspruch nahm, die sie für den ICE 3 verwendet. Bereits in ihrem ersten Schreiben hatte die Beklagte die Klägerin unmissverständlich darauf hingewiesen, dass es sich dabei um die Geschmacksmuster M9507883.5 und DM/035886 handelt.
- 21
- II. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Begründetheit der Feststellungsklage hinsichtlich der für den ICE 3 benutzten Geschmacksmuster M9507883-0001 und DM/036886 verneint hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung dagegen nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht seine Beurteilung, die von der Beklagten behaupteten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, Abs. 2 Satz 1 GeschmMG seien begründet, weil die Klägerin mit der beanstandeten Abbildung des ICE 3 ihre Geschmacksmuster M9507883-0001 und DM/036886 verletzt habe.
- 22
- 1. Die im Streitfall maßgeblichen Regelungen des Geschmacksmustergesetzes sind nicht nur auf das deutsche Geschmacksmuster M9507883-0001, sondern auch auf das internationale Geschmacksmuster DM/036886 anwendbar. Dieses ist aufgrund des Haager Abkommens über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle vom 6. November 1925 (Haager Abkommen ) registriert. Nach dem am 13. Februar 2010 in Kraft getretenen § 66 GeschmMG ist das Geschmacksmustergesetz grundsätzlich auf Eintragungen oder Registrierungen gewerblicher Muster und Modelle nach dem Haager Abkommen , deren Schutz sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezieht, entsprechend anzuwenden. Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 66 GeschmMG ergab sich diese Rechtsfolge aus Art. 7 Abs. 1 Haager Abkommen vom 28. November 1960 (BGBl. 1962 II S. 774; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1966 - Ib ZR 140/64, GRUR 1967, 533, 535 - Myoplastic zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Haager Abkommen, Londoner Fassung; Urteil vom 24. März 2011 - I ZR 211/08 Rn. 25 - Schreibgeräte). Danach sind die im Streitfall maßgeblichen Bestimmungen des Geschmacksmustergesetzes über Schutzvoraussetzungen , Schutzwirkungen und Schutzbeschränkungen sowie Rechtsverletzungen auf das international registrierte Geschmacksmuster entsprechend an- http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR039010004BJNE007200140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1hoe/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE311282005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1hoe/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1hoe/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR039010004BJNE000200000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318142008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318142008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318142008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318142008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318142008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR039010004BJNE000200000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318142008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 14 - wendbar (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz , 4. Aufl., § 66 Rn. 6).
- 23
- 2. Die für den ICE 3 verwendeten Muster M9507883-0001 und DM/035886 sind als Geschmacksmuster geschützt.
- 24
- a) Die Schutzfähigkeit des mit Priorität vom 28. September 1995 eingetragenen deutsche Geschmacksmusters M9507883-0001 und des am 21. März 1996 eingetragenen internationalen Geschmacksmusters DM/035886 ist nach dem Geschmacksmustergesetz in seiner vor dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I, S. 390) am 1. Juni 2004 geltenden Fassung zu beurteilen. Auf Geschmacksmuster, die vor dem 28. Oktober 2001 angemeldet oder eingetragen worden sind, finden nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GeschmMG weiterhin die für sie zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen über die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2005 - I ZR 131/02, GRUR 2005, 600, 603 = WRP 2005, 878 - Handtuchklemmen; Urteil vom 28. Mai 2009 - I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 48 = WRP 2010, 94 - LIKEaBIKE).
- 25
- b) Die Klägerin hat den Geschmacksmusterschutz der in Rede stehenden Muster nach den von der Revision unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellt. Es ist deshalb davon auszugehen , dass diese Muster im Sinne des § 1 GeschmMG aF musterfähig (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - I ZR 67/05, GRUR 2008, 790 Rn. 17 = WRP 2008, 1234 - Baugruppe, mwN) sowie im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG aF neu und eigentümlich (vgl. BGH GRUR 2008, 790 Rn. 22 - Baugruppe, mwN) sind. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR039010004BJNE003900000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR039010004BJNE004301140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1bff/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR039010004BJNE004702140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dr1/ - 15 -
- 26
- 3. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die von der Beklagten behaupteten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz wegen der Abbildung des ICE 3 im Messekatalog seien nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, Abs. 2 Satz 1 GeschmMG begründet.
- 27
- a) Die Frage, ob die von der Beklagten behaupteten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz wegen einer Verletzung des mit Priorität vom 28. September 1995 eingetragenen deutschen Geschmacksmusters M9507883-0001 und des am 21. März 1996 eingetragenen internationalen Geschmacksmusters DM/035886 begründet sind, ist nach den Bestimmungen der §§ 38, 42 des Geschmacksmustergesetzes in der Fassung des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I, S. 390) zu beantworten. Das Geschmacksmustergesetz findet in dieser Fassung auch auf vor seinem Inkrafttreten angemeldete oder eingetragene Geschmacksmuster Anwendung, soweit sich - wie hier - nicht aufgrund der gesetzlichen Vorschriften des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 etwas anderes ergibt (vgl. BGH, GRUR 2008, 790 Rn. 32 - Baugruppe; GRUR 2010, 80 Rn. 47 - LIKEaBIKE ).
- 28
- b) Wer entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG ein Geschmacksmuster benutzt (Verletzer) kann von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten (Verletzten) bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 GeschmMG) und bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln auf Schadensersatz (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GeschmMG) in Anspruch genommen werden. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG gewährt das Geschmacksmuster seinem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen.
- 29
- c) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Abbildung eines Musters in einem Katalog grundsätzlich zu den Benutzungshandlungen gehört, die nach § 38 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG ausschließlich dem Rechtsinhaber vorbehalten sind.
- 30
- Eine Benutzung schließt nach § 38 Abs. 1 Satz 2 GeschmMG insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr , den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, und den Besitz eines solchen Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein. Die Abbildung eines Erzeugnisses, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, ist zwar in dieser - lediglich beispielhaften - Aufzählung von Benutzungshandlungen nicht erwähnt. Jedoch folgt aus dem Umstand, dass die Schrankenregelung des § 40 Nr. 3 GeschmMG ausnahmsweise die Wiedergabe eines Geschmacksmusters erlaubt, dass sich das ausschließliche Benutzungsrecht des Rechtsinhabers nach § 38 Abs. 1 GeschmMG grundsätzlich auf die Wiedergabe eines solchen Erzeugnisses erstreckt (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein aaO § 38 Rn. 44). Die Abbildung - wie hier in einem Katalog - stellt eine (zweidimensionale) Wiedergabe im Sinne des § 40 Nr. 3 GeschmMG dar.
- 31
- d) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die Klägerin habe mit der Abbildung im Messekatalog das Geschmacksmuster der Beklagten am ICE 3 wiedergegeben. Diese Abbildung stelle die wesentlichen ästhetischen Merkmale des Geschmacksmusters wie die Linienführung des Triebkopfes, der Fenster und des seitlichen Streifens dar. Es komme nicht darauf an, dass diese Darstellung aus einer veränderten Perspektive, also aus einem anderen Winkel erfolge. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 32
- Für die Frage der Verletzung der eingetragenen Geschmacksmuster kommt es zwar grundsätzlich nicht auf die geänderte Perspektive der beanstandeten Abbildung an. Der Schutz aus dem Geschmacksmusterrecht ist nicht auf die in der Anmeldung wiedergegebene Abbildung des Musters beschränkt. Der Schutz wird gemäß § 37 Abs. 1 GeschmMG vielmehr für die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebenen Merkmale der Erscheinungsform eines Geschmacksmusters begründet.
- 33
- Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht nicht den Gesamteindruck der beanstandeten Abbildung und der eingetragenen Geschmacksmuster bestimmt hat, sondern ohne nähere Prüfung davon ausgegangen ist, dass die beanstandete Abbildung die beiden den ICE 3 betreffenden Geschmacksmuster verletzt. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es der Klägerin nicht verwehrt, diese Rüge zu erheben, obwohl sie die entsprechende Beurteilung des Landgerichts in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt hat. Bei der Frage, ob eine Geschmacksmusterverletzung vorliegt, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die von den Parteien nicht unstreitig gestellt werden kann, sondern vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist.
- 34
- aa) Der Schutz aus einem Geschmacksmuster erstreckt sich gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 GeschmMG auf jedes Muster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Die Prüfung, ob ein beanstandetes Muster ein geschütztes Muster verletzt, erfordert daher, dass der Schutzumfang des geschützten Musters bestimmt und der Gesamteindruck beider Muster ermittelt und verglichen wird (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein aaO § 38 Rn. 16 f.).
- 35
- Bei der Beurteilung des Schutzumfangs ist gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 GeschmMG der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Musters zu berücksichtigen. Dabei besteht zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers führen zu einem engen Schutzumfang des Musters mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen können.Dagegen führen eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers zu einem weiten Schutzumfang des Musters, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken. Der Schutzumfang hängt demnach maßgeblich vom Abstand des Musters zum vorbekannten Formenschatz ab (vgl. zu Art. 10 GGV BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 71/08, GRUR 2011, 142 Rn. 17 = WRP 2011, 100 - Untersetzer).
- 36
- Zur Beurteilung, ob das angegriffene Muster beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das eingetragene Muster erweckt, sind zunächst der Gesamteindruck des angegriffenen Musters und der Gesamteindruck des eingetragenen Musters zu ermitteln. Sodann ist zu prüfen, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters mit dem Gesamteindruck des eingetragenen Musters übereinstimmt. Dabei sind nicht nur die Übereinstimmungen , sondern auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen (vgl. zu Art. 10 GGV BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 20 - Untersetzer).
- 37
- bb) Das Berufungsgericht hat weder den Schutzumfang der eingetragenen Geschmacksmuster bestimmt noch den Gesamteindruck der eingetrage- nen Geschmacksmuster einerseits und der beanstandeten Abbildung andererseits ermittelt und verglichen. Es hat lediglich festgestellt, die Abbildung stelle die wesentlichen ästhetischen Merkmale des Geschmacksmusters wie die Linienführung des Triebkopfes, der Fenster und des seitlichen Streifens dar. Es hat damit allein auf Übereinstimmungen der Muster abgestellt, ohne auch Unterschiede der Muster in seine Betrachtung einzubeziehen. Seine Annahme, die beanstandete Abbildung verletze die eingetragenen Geschmacksmuster, entbehrt daher einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.
- 38
- Die Revision macht zutreffend geltend, dass schon nicht ohne Weiteres von einem übereinstimmenden ästhetischen Gesamteindruck der beiden eingetragenen Geschmacksmuster ausgegangen werden kann. Während beim deutschen Muster M9507883-0001 ein eher kompakter durch abgerundete Formen geprägter Gesamteindruck entsteht, ist der Gesamteindruck des internationalen Musters DM/035886 durch mehrfache Untergliederungen und entsprechende Absätze bestimmt. So führen die verwendeten Streifen und Falze zu einer Segmentierung, die durch die sichtbaren Drehgestelle samt Rädern noch betont wird. Im Übrigen sind beide Muster von der besonders ausgebildeten Frontscheibe geprägt.
- 39
- Bei der beanstandeten Abbildung, die nur in einer schlechten Kopie zu den Gerichtsakten gereicht worden ist, ist dagegen keine Frontscheibe zu sehen. Die nicht unterteilte seitliche Fensterfront weist eine andere Form und damit eine andere Ästhetik auf als die Fensterfront der eingetragenen Geschmacksmuster. Die beanstandete Abbildung trägt anders als die eingetragenen Geschmacksmuster die markante Beschriftung "ICE". Bei der beanstandeten Abbildung ist der hell gehaltene obere Teil des Triebkopfes deutlich von dem dunkel gehaltenen unteren Teil abgesetzt; beide Teile sind durch eine Art hellen Wulst verbunden. Eine solche Aufteilung findet sich bei den eingetragenen Geschmacksmustern nicht.
- 40
- C. Danach ist auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben , als hinsichtlich der Geschmacksmuster M9507883-0001 und DM/035886 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 41
- Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Feststellungsklage ist jedenfalls nicht deshalb begründet, weil ein Eingriff in die Geschmacksmuster gerechtfertigt wäre. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beanstandete Abbildung nicht von der Zitierfreiheit nach § 40 Nr. 3 Fall 1 GeschmMG gedeckt ist (dazu 1) und die Klägerin sich auch nicht mit Erfolg auf eine entsprechende Anwendung der markenrechtlichen Schrankenregelung des § 23 Nr. 3 MarkenG (dazu 2) oder eine Gestattung der Beklagten (dazu 3) berufen kann.
- 42
- 1. Nach § 40 Nr. 3 GeschmMG können Rechte aus einem Geschmacksmuster nicht gegenüber Wiedergaben zum Zwecke der Zitierung oder der Lehre geltend gemacht werden, vorausgesetzt, solche Wiedergaben sind mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar, beeinträchtigen die normale Verwertung des Geschmacksmusters nicht über Gebühr und geben die Quelle an.
- 43
- Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass diese Schrankenregelung nicht eingreift, weil die beanstandete Abbildung im Ausstellerkatalog nicht - was hier allein in Betracht kommt - "zum Zwecke der Zitierung" erfolgte. Es kann daher dahinstehen, ob die Voraussetzungen dieser Bestimmung - wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat - auch deshalb nicht vorliegen , weil keine Quelle angegeben ist und die Abbildung den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs widerspricht.
- 44
- a) Es kommt nicht darauf an, ob der Begriff "Zitierung" in § 40 Nr. 3 GeschmMG im Sinne von "Veranschaulichen" zu verstehen ist, weil ein Muster, anders als ein Text, kaum zitiert werden kann (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Geschmacksmusterreformgesetzes BT-Drucks. 15/1075, S. 53; dagegen Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 20 Rn. 13). Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass eine "Wiedergabe zum Zwecke der Zitierung" - ebenso wie eine Nutzung zum Zweck des Zitats nach § 51 UrhG - jedenfalls voraussetzt, dass die Wiedergabe des Musters als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden dient und daher erfordert, dass eine innere Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Muster und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird.
- 45
- aa) Entgegen der Ansicht der Revision bestehen keine Bedenken, zur Auslegung des Begriffs "zum Zwecke der Zitierung" in § 40 Nr. 3 GeschmMG auf die Auslegung zurückzugreifen, die der Begriff "zum Zweck des Zitats" in § 51 UrhG erfahren hat (vgl. Ruhl aaO Art. 20 Rn. 14). Beide Schrankenregelungen dienen gleichermaßen dem Ziel, die geistige Auseinandersetzung mit fremden Gedanken bzw. schöpferischen Leistungen zu erleichtern (vgl. zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 30. Juni 1994 - I ZR 32/92, BGHZ 126, 313, 320 - Museums-Katalog; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 26 - Vorschaubilder; Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 127/09, GRUR 2011, 415 Rn. 22 = WRP 2011, 609 - Kunstausstellung im Online-Archiv). Die allgemeinen Anforderungen an die Zulässigkeit eines Zitats sind mit Blick auf diesen Zweck dieselben. Zudem ist das aus dem Urheberrecht bekannte Bildzitat (vgl. BGHZ 126, 313, 320 - Museums-Katalog; Schricker/Spindler in Schricker/ Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 51 UrhG Rn. 45 mwN) mit der von § 40 Nr. 3 Fall 1 GeschmMG erfassten bildlichen Wiedergabe eines Musters vergleichbar (vgl. Auler in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 40 GeschmMG Rn. 1, Art. 20 GGV Rn. 4).
- 46
- bb) Ein Zitat ist nach § 51 UrhG nur zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen dem verwendeten fremden Werk und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden dient (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - I ZR 42/05, BGHZ 175, 135 Rn. 42 - TV-Total; BGHZ 185, 291 Rn. 26 - Vorschaubilder; BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 22 - Kunstausstellung im Online-Archiv). Dementsprechend setzt auch die Zulässigkeit einer Zitierung im Sinne des § 40 Nr. 3 GeschmMG eine innere Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Muster und eigenen Gedanken des Zitierenden voraus und muss die Wiedergabe des Musters als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden dienen (vgl. Ruhl aaO Art. 20 Rn. 14; Eichmann in Eichmann/von Falckenstein aaO § 40 Rn. 5; Auler in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 40 GeschmMG Rn. 1, Art. 20 GGV Rn. 4).
- 47
- b) Zwischen der schriftlichen Darstellung des Leistungsangebots der Klägerin und der beanstandeten Abbildung eines ICE 3 besteht keine solche innere Verbindung.
- 48
- Dabei kommt es nicht darauf an, ob die beanstandete Abbildung - wie das Berufungsgericht angenommen hat - bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck erweckt, die Klägerin erbringe die von ihr beworbenen Dienstleistungen konkret in Bezug auf den abgebildeten Zug des Typs ICE 3, oder ob sie - wie die Revision geltend macht - deutlich macht, das Leistungsspektrum der Klägerin in der Schienenfahrzeugtechnik erstrecke sich ganz allgemein auf den Einsatz bei modernen Hochgeschwindigkeitszügen. In beiden Fällen dient die Abbildung nicht der geistigen Auseinandersetzung, sondern - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - ausschließlich Marketinginteressen der Klägerin. Die Klägerin verwendet die Abbildung nicht zu dem Zweck, damit eigene Ausführungen zu belegen, sondern allein zu dem Zweck, damit für ihr Leistungsangebot zu werben.
- 49
- Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie für die Beklagte eine Radsatzprüfanlage für den Zugtyp ICE 1 entwickelt und in der Darstellung ihres Leistungsspektrums im Ausstellerkatalog als Projektbeispiel unter anderem die Radsatzprüfung aufgeführt hat. Die Klägerin hat keine Ausführungen zur Radsatzprüfung gemacht, die durch die Abbildung des Zuges veranschaulicht werden könnten. Sie hat die in der Darstellung ihres Leistungsspektrums genannte Radsatzprüfanlage zudem nicht für den ICE 3, sondern für den ICE 1 entwickelt. Es besteht deshalb keine innere Verbindung zwischen dem abgebildeten Zug und dem dargestellten Leistungsspektrum.
- 50
- Die Klägerin weist ferner vergeblich darauf hin, dass sie im Ausstellerkatalog den Forschungsbedarf dargestellt hat. Allein der Umstand, dass sie ihre Forschungsleistungen künftig auch für den ICE 3 erbringen könnte, berechtigt die Klägerin nicht, für ihr Leistungsangebot unter Berufung auf das Zitatrecht mit der Abbildung eines ICE 3 zu werben, für den sie bislang noch keine Leistungen erbracht hat.
- 51
- 2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin sich nicht mit Erfolg auf die markenrechtliche Schrankenregelung des § 23 Nr. 3 MarkenG berufen kann.
- 52
- a) Nach dieser Bestimmung hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung zu benutzen, soweit die Benutzung dafür notwendig ist und nicht gegen die guten Sitten verstößt.
- 53
- b) Es kann offenbleiben, ob eine entsprechende Anwendung markenrechtlicher Schrankenregelungen im Geschmacksmusterrecht überhaupt in Betracht kommt (vgl. zur entsprechenden Anwendung von Schranken des Urheberrechts im Geschmacksmusterrecht ablehnend Eichmann in Eichmann/von Falckenstein aaO § 38 Rn. 32, befürwortend Schulze in FS Ullmann, 2006, S. 93 ff.). Selbst wenn die Bestimmung des § 23 Nr. 3 MarkenG entsprechend anwendbar wäre, lägen ihre Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Eine Benutzung der Muster der Beklagten durch die Klägerin als Hinweis auf die Bestimmung seiner Dienstleistung wäre jedenfalls - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - nicht notwendig gewesen. Es kann daher dahinstehen , ob eine solche Benutzung auch gegen die guten Sitten verstoßen hätte, weil die Abbildung - wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat - den irreführenden Eindruck erweckte, die Klägerin sei an der Entwicklung des ICE 3 beteiligt gewesen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/2e73/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=22&fromdoctodoc=yes&doc.id=jcr-62003J0228&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2e73/ - 25 -
- 54
- aa) Die Benutzung einer Marke durch einen Dritten, der nicht deren Inhaber ist, ist als Hinweis auf die Bestimmung einer von diesem Dritten vertriebenen Ware oder erbrachten Dienstleistung notwendig, wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel darstellt, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware oder Dienstleistung zu erhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2005 - C-228/03, Slg. 2005, I-2337 = GRUR 2005, 509 Rn. 39 - Gillette; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - I ZR 37/01, GRUR 2005, 163, 164 = WRP 2005, 219 - Aluminiumräder
).
- 55
- bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Abbildung des ICE 3 im Ausstellerkatalog sei nicht in diesem Sinne notwendig gewesen, um auf die Bestimmung der Dienstleistungen der Klägerin hinzuweisen. Die Klägerin hätte ihre Forschungen im Bereich des Schienenverkehrs auch anders darstellen können.
- 56
- Die Revision macht vergeblich geltend, wer einen bildlichen Bezug zu Hochgeschwindigkeitszügen herstellen wolle, sei auf die Abbildung eines ICE der Beklagten angewiesen, weil diese jedenfalls im Inland ein Monopol für Hochgeschwindigkeitszüge besitze. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Klägerin darauf angewiesen war, auf ihre Dienstleistungen mit der Abbildung eines Hochgeschwindigkeitszuges hinzuweisen. Jedenfalls wäre im Blick darauf , dass die Klägerin ihre Dienstleistungen weltweit anbietet - hierauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen - auch die Abbildung eines ausländischen (nicht geschützten) Hochgeschwindigkeitszuges in Betracht gekommen. Schließlich hätte auch ein Phantasieprodukt dargestellt werden können.
- 57
- 3. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, die Beklagte habe auf ihrer Internetseite "www.bahnimbild.de" selbst Bilder des ICE 3 zur freien Verwendung angeboten ; bei Würdigung dieses Vortrags hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Beklagte der Allgemeinheit die Nutzung der in Rede stehenden Geschmacksmusterrechte zum Zwecke der bildlichen Wiedegabe freigestellt habe.
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- Die Beklagte hat zwar auf ihrer Internetseite, wie aus den von der Klägerin vorgelegten Bildschirmausdrucken hervorgeht, Fotografien auch des ICE 3 zu Nutzung angeboten und dabei zwischen den Nutzungsrechten "frei" und "nicht für Werbung" unterschieden. Das Nutzungsrecht an Bildmaterial, auf dem ICE-Züge abgebildet sind, umfasst nach Ziffer 4 Abs. 2 Satz 2 der von der Klägerin gleichfalls zu den Akten gereichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auch das Recht zur einmaligen Nutzung des betreffenden Geschmacksmusters.
- 59
- Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass die Beklagte dieses Bildmaterial entgegen der Darstellung der Klägerin nicht jedermann zur kostenfreien Nutzung anbietet. Zum Herunterladen von Bildmaterial sind nur Kunden berechtigt, denen die Beklagte zuvor eine Zugangsberechtigung zur Bilddatenbank erteilt hat (vgl. Ziffer 2 AGB). Die Nutzung des Bildmaterials ist zudem kostenpflichtig (Ziffer 2 Abs. 1 Satz 1 AGB); für das Herunterladen der Bilder fallen Nutzungsgebühren an (Ziffer 6 AGB).
- 60
- Die Bestimmung des Nutzungsrechts "frei" ist daher entgegen der Ansicht der Revision nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte sowohl die Ur- heberrechte an dem jeweiligen Bild als auch die Rechte an dem abgebildeten Geschmacksmuster - und diese sogar unabhängig von der konkreten Abbildung - im Rahmen einer Freilizenz zur Verfügung stellt. Vielmehr ist mit der Angabe "frei" ersichtlich gemeint, dass diese Bilder - im Unterschied zu den Bildern mit der Angabe "nicht für Werbung" - von den registrierten Kunden nach dem entgeltlichen Erwerb der Nutzungsrechte genutzt werden dürfen, ohne dass diese Nutzung auf einen bestimmten Verwendungszweck beschränkt ist.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 21.03.2006 - 16 O 541/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2009 - 5 U 67/06 -