Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 07. Jan. 2016 - I-20 U 226/13
Gericht
Tenor
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf legt dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung von Unionsrecht zur Vorabentscheidung vor:
1.
Kann im Rahmen eines Prozesses zur Durchsetzung von Ansprüchen aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster das Gericht eines Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit hinsichtlich eines Beklagten sich allein aus Art. 79 Abs. 1 Verordnung (EG) des Rates Nr. 6/2002 vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen vom 22.12.2000 ergibt, weil dieser in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Beklagte den im betreffenden Mitgliedsstaat ansässigen Beklagten mit möglicherweise schutzrechtsverletzenden Waren beliefert hat, gegen den erstgenannten Beklagten Anordnungen treffen, die unionsweit gelten und die über die Zuständigkeit begründenden Lieferbeziehungen hinausgehen?
2.
Ist die Verordnung (EG) des Rates Nr. 6/2002 vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, insbesondere dessen Art. 20 Abs. 1 lit. c), dahingehend auszulegen, dass ein Dritter zu geschäftlichen Zwecken das Gemeinschaftsgeschmacksmuster abbilden darf, wenn er Zubehörartikel zu – dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster entsprechenden – Waren des Inhabers vertreiben will? Wenn ja, welche Kriterien gelten dafür?
3.
Wie ist der Ort, „in dem die Verletzung begangen wurde“, in Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in den Fallgestaltungen zu bestimmen, in denen der Verletzer gemeinschaftsgeschmacksmusterverletzende Waren
a) über eine Website anbietet und diese Website – auch – auf andere Mitgliedsstaaten als den Mitgliedsstaat, in dem der Verletzter ansässig ist, ausgerichtet ist,
b) in ein anderes Mitgliedsland als desjenigen, in dem er ansässig ist, befördern lässt?
Ist Art. 15 lit. a), g) der genannten Verordnung so auszulegen, dass das so bestimmte Recht auch für Mitwirkungshandlungen anderer Personen anzuwenden ist?
Gründe
1I.
21 Die in Y. ansässige Klägerin vertreibt die Videospielkonsole „Z“ sowie Zubehörartikel hierzu. Sie ist Inhaberin mehrerer eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster (welche Zubehör zu „Z“ betreffen), darunter des in Rn. 2 angesprochenen Klagegeschmacksmusters, und nimmt die Beklagten wegen des Vertriebs angeblich schutzrechtsverletzender Waren in Anspruch. Solche Ansprüche macht sie darüber hinaus wegen der Benutzung von Abbildungen klagegeschmacksmustergemäßer Erzeugnisse bei der Bewerbung andersartiger Waren der Beklagten geltend, die jedoch vom Verbraucher zusammen mit den Erzeugnissen der Klägerin verwendet werden. Insoweit stellen sich verschiedene Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) des Rates Nr. 6/2002 vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. L 3/02 S. 1, nachfolgend GGV) sowie zur – aus zeitlichen Gründen noch anwendbaren – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen vom 22.12.2000 (ABl. L 12/01 S. 1, nachfolgend EuGVO), des weiteren zur Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 199/07 S. 40; nachfolgend Rom II-VO). Im Einzelnen:
32 Die Klägerin ist Inhaberin des unter 0…-001 eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, welches ein so genanntes Balance Board darstellt. Dieses Balance Board kann mit einer Computerspielkonsole dergestalt verbunden werden, dass der Spieler, der während des Spieles auf dem Balance Board steht, über Gewichtsverlagerungen das Spiel steuern und beeinflussen kann.
43 Die in Frankreich ansässige Beklagte zu 2. stellt Zubehörteile für die „Z“-Videospielkonsole der Klägerin, unter anderem ebenfalls ein so genanntes Balance Board, her und vertreibt diese an Abnehmer jedenfalls in Frankreich, Belgien und Luxemburg, möglicherweise auch an weitere Abnehmer innerhalb der Union, sowie an die Beklagte zu 1. Die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1. ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2. und vertreibt die von der Beklagten zu 1. bezogene Ware, u.a. über das Internet, weiter an Abnehmer in Deutschland und Österreich.
54 Die Klägerin sieht dieses, von der Beklagten zu 2. hergestellte und von den Beklagten vertriebene Balance Board als Verletzung ihres unter Rn. 2 aufgeführten eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters an und verlangt mit dem Klageantrag zu I. von den Beklagten, es zu unterlassen, die beanstandeten Waren im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen und/oder zu gebrauchen und/oder zu diesen Zwecken zu besitzen und/oder Erzeugnisse wiederzugeben beziehungsweise entsprechende Abbildungen insbesondere in Katalogen und Produktverpackungen zu verwenden. Mit weiteren Anträgen verlangt sie von beiden Beklagten Auskunft, Rechnungslegung, Belegvorlage, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Vernichtung, Rückruf, Erstattung von Rechtsanwaltskosten sowie Veröffentlichung des Urteils.
6Die Beklagte zu 2. hat das Fehlen einer internationalen Zuständigkeit für unionsweite Anordnungen gegen sie – und zwar auch für den nachfolgend unter Rn. 5 geschilderten Sachverhalt - gerügt. Darauf bezieht sich die Frage 1 (s. näher unter II.1.)
75 Die Beklagten haben des Weiteren in ihren jeweiligen Internetauftritten (Beklagte zu 1.: www.x...de, Beklagte zu 2.: www.x...fr) Abbildungen des Balance Boards, welches dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin entspricht, zusammen mit darauf bezogenen Zusatzartikeln der Beklagten, eingestellt. Dies beanstandet die Klägerin mit dem Klageantrag zu II. Die angegriffene Werbung ist zu Veranschaulichungszwecken dem Beschluss als Anlage beigefügt. Die damit verbundene Auslegung der GGV ist Gegenstand der Frage 2 (s. dazu näher unter II.2.).
86 Schließlich ist zu entscheiden, welches Recht ergänzend auf die geltend gemachten Ansprüche (mit Ausnahme des Unterlassungsanspruchs) anzuwenden ist. Das Landgericht hat festgestellt, dass trotz einer gewissen Harmonisierung hinsichtlich der Folgeansprüche durch die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums die nationalen Rechtsordnungen Unterschiede aufweisen. Das Landgericht hat als das maßgebliche Recht das des – nicht näher definierten und daher unklar bleibenden – Verletzungsortes angesehen und daher teilweise deutsches, österreichisches und französisches Recht angewendet. Die Klägerin möchte demgegenüber hinsichtlich der Beklagten zu 1. einheitlich deutsches und hinsichtlich der Beklagten zu 2. einheitlich französisches Recht angewendet wissen. Nach welchen Kriterien das anzuwendende Recht zu bestimmen ist, ist Gegenstand der Frage 3 (dazu näher unter III.2.).
9II.
101. Zur ersten Frage
117 Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete unionsweite Klage, die vom Senat weiterhin zu prüfen ist, kann sich allein aus Art. 79 Abs. 1 GGV in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 EuGVO ergeben. Eine Zuständigkeit nach Art. 79 Abs. 2 lit. b), Art. 82 Abs. 4 lit. b) GGV in Verbindung mit Art. 24 Verordnung EuGVO kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 2. bereits in der Klageerwiderung die fehlende internationale Zuständigkeit gerügt hat. Eine Zuständigkeit nach Art. 82 Abs. 1, 2. Alternative GGV scheitert – unabhängig davon, ob und unter welchen Umständen eine juristisch selbständige Tochtergesellschaft als „Niederlassung“ einer Konzernobergesellschaft im Sinne des Art. 82 Abs. 1 GGV angesehen werden kann - daran, dass die Beklagte zu 2. ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat, nämlich Frankreich, hat.
128 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (zuletzt Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13 Rn. 17 ff., ECLI:EU:C:2015:335) setzt die Anwendung des Art. 6 Nr. 1 EuGVO voraus, dass zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten, wobei dies dieselbe Sach- und Rechtslage voraussetzt. Entgegen den Bedenken der Beklagten zu 2. vertritt der Senat die Auffassung, dass diese Voraussetzungen in den Fällen einer Verletzung von Gemeinschaftsrechten (Gemeinschaftsmarken, Gemeinschaftsgeschmacksmustern) durch Erzeugnisse bei Unternehmen, die – wie hier – in einer Lieferkette stehen, vorliegen. Davon gehen Rechtsprechung (z.B. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2006 – I ZR 11/04 – GRUR 2007, 705; österreichischer Oberster Gerichtshof, Beschluss vom 15.01.2013 – 4 Ob 221/12x, GRUR Int. 2013, 569) und Lehre (Hackbarth, Der internationale Gerichtsstand der EU-Streitgenossenschaft im Gemeinschaftsmarken- und Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht, MarkenR 2015, 413; Menebröcker, in Hasselblad (ed.), Community Trade Mark Regulations, Art. 94 mn. 12 – 14; Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 756) aus. Gemeinsame rechtliche Klammer sind die Ansprüche aus dem in der Union einheitlich bestehenden (Art. 1 Abs. 3 GGV) Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Das gilt nicht nur für den in der GGV selbst – zumindest in den Grundzügen – geregelten Unterlassungsanspruch (Art. 89 Abs. 1 lit. a) GGV, sondern auch für die Ansprüche aus Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV. Zum einen sind die dort genannten Ansprüche durch die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums teilharmonisiert (zur Anwendung der Richtlinie auf Gemeinschaftsmarken Gerichtshof, Urteil vom 16.07.2015 – C-580/13 Rn. 20, ECLI:EU:C:2015:485), zum anderen reicht die gemeinsame Klammer durch das bestehende Gemeinschaftsgeschmacksmuster, dessen Inhalt und Schranken durch das Unionsrecht bestimmt werden, aus (vgl. Gerichtshof, Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13 Rn. 24, ECLI:EU:C:2015:335). Der Senat sieht diese Rechtsfrage als hinreichend geklärt an, so dass er insoweit von einer Frage an den Gerichtshof absieht.
139 Es stellen sich jedoch zwei Folgefragen zur Kognitionsbefugnis des Gerichts. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die GGV in Verbindung mit Art. 6 Nr. 1 EuGVO zwar grundsätzlich Anordnungen mit unionsweiter Reichweite zulasse, diese Anordnungen jedoch auf die – die Zuständigkeit begründenden – Warenlieferungen innerhalb der Lieferkette zu begrenzen seien. Diese Begrenzung wird von der Klägerin mit ihrer Berufung angegriffen, während die Beklagte zu 2. der Auffassung ist, es komme allenfalls eine Anordnung mit nationaler Reichweite, mithin Deutschland in Betracht. Im Einzelnen:
14a)
1510 Zum einen wird diskutiert, ob der die Zuständigkeit rechtfertigende Umstand (hier die Lieferkette potentiell schutzrechtsverletzender Waren) dazu führt, dass das so international zuständige Gericht nur über diesen Sachverhalt, nämlich die in der Lieferkette gelieferten Waren, zu entscheiden habe und sich die vom Gericht gegebenenfalls auszusprechenden Sanktionen auf die Waren innerhalb der Lieferkette zu beschränken hätten (vgl. Hackbarth, a.a.O., S. 417). So hat es das Landgericht gesehen und die Verurteilung der Beklagten zu 2. auf Waren aus der Lieferkette mit der Beklagten zu 1. beschränkt.
1611 Demgegenüber hat insbesondere der österreichische Oberste Gerichtshof in der in Rn. 7 zitierten Entscheidung eine derartige Einschränkung nicht vorgenommen. Er hat dort eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte als des Sitzes des belieferten Unternehmens auch für unionsweite Ansprüche gegen das in einem anderen Mitgliedstaat ansässige liefernde Unternehmen angenommen und umfassende unionsweite Anordnungen getroffen, und zwar obwohl – so jedenfalls der Vortrag des liefernden Unternehmens – nur ein kleiner Teil der Waren nach Österreich geliefert wurde.
17b)
1812 Des Weiteren wird erörtert, ob Ansprüche gegen das Unternehmen, welches allein infolge Art. 6 Nr. 1 EuGVO gerichtspflichtig ist, unionsweit oder nur beschränkt auf das nationale Territorium des Gerichtsstaates geltend gemacht werden können. Die deutsche Praxis (jedenfalls in Hauptsacheverfahren) geht von der Möglichkeit der Geltendmachung unionsweiter Ansprüche aus (BGH, GRUR 2007, 705 Rn. 20 zur Gemeinschaftsmarke; s. auch Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 757). Dabei beruft sie sich auf die einheitliche Wirkung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern im gesamten Unionsgebiet. Das wird von den Gerichten der einzelnen Mitgliedsstaaten und der Literatur aber nicht einhellig so gesehen (vgl. die Nachweise bei Hackbarth, a.a.O., S. 419).
1913 Das Problem wird in Art. 83 GGV nicht ausdrücklich gelöst, es sei denn, man verstünde den Verweis in Abs. 1 auf Art. 82 Abs. 1 GGV als auch auf den dort vorbehaltenen Art. 79 Abs. 1 GGV bezogen. Teilweise wird aus Art. 90 Abs. 3 S. 2 GGV geschlossen, dass einstweilige Anordnungen gegen allein nach Art. 6 Nr. 1 EuGVO gerichtspflichtige Unternehmen nur mit nationaler Reichweite ergehen können (vgl. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 90 Rn. 17), wobei dann wieder unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob unterschiedliche Lösungen zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sinnvoll sind oder nicht (vgl. Hackbarth, a.a.O., S. 419 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats sollte die Reichweite der Zuständigkeit von Gemeinschaftsmarkengerichten in Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gleich sein.
202. Zur zweiten Frage
2114 Die Frage, ob – und wenn ja, unter welchen Umständen – ein Dritter rechtmäßigerweise das Gemeinschaftsgeschmacksmuster abbilden darf, um seine Zusatzleistungen hinsichtlich der nach dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster (vom Inhaber oder seinem Lizenznehmer) hergestellten Erzeugnisse zu bewerben, ist bisher ungeklärt.
2215 Die Beklagten machen geltend, sie böten rechtmäßigerweise Zubehörartikel für die durch die Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützten Erzeugnisse (insbesondere Hüllen, Tragetaschen) der Klägerin an. Infolgedessen müsse es ihnen auch möglich sein, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster (zusammen mit ihren eigenen Zubehörartikeln) abzubilden, um den Einsatzweck und die Funktionsweise ihrer Zubehörartikel darstellen zu können. Die von ihnen – den Beklagten vertriebenen Hüllen, Tragetaschen Fernbedienungen passten genau zu dem Balance Board der Klägerin, nur dafür seien ihre eigenen Erzeugnisse gedacht. Eine Abbildung der fraglichen Erzeugnisse der Klägerin sei daher für eine unmissverständliche, einfache und umfassende Unterrichtung der Verbraucher über den Verwendungszweck der von den Beklagten vertriebenen Waren unerlässlich. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin dürften ihre Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht einmal in Bedienungsanleitungen der Beklagten abgebildet werden.
2316 Dieser Argumentation der Beklagten ist das Landgericht unter Heranziehung des Art. 20 Abs. 1 lit.c) GGV gefolgt und hat darauf verwiesen, die Beklagten wiesen auf die Quelle der abgebildeten Erzeugnisse der Klägerin durch die Angabe „compatible ZTM“ hin. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, weder der vom Landgericht herangezogene Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV noch andere Normen rechtfertigen eine Abbildung ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu eigenen gewerblichen Zwecken.
2417 Vorab ist klarzustellen, dass die Beklagten nicht geltend machen, für das abgebildete konkrete Erzeugnis der Klägerin, die den Gemeinschaftsgeschmacksmustern entsprechen, gelte die Vorschrift des Art. 21 GGV. Von daher stellt sich nicht die Frage, ob die Erschöpfungsregeln des Art. 21 GGV soweit gehen, dass mit Hilfe von Abbildungen derartiger Erzeugnisse nicht nur die Erzeugnisse selbst, sondern auch Zusatzartikel zum Balance Board beworben werden dürfen.
2518 Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Auslegung des Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV. Erwogen wird allerdings auch, ob nicht die Schrankenbestimmungen des Art. 12 lit. c) der Gemeinschaftsmarkenverordnung analog anzuwenden oder der Benutzungsbegriff des Art. 19 GGV einschränkend auszulegen ist.
26a)
2719 Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 07.04.2011 (I ZR 56/09, GRUR 2011, 1117) bei der Auslegung des § 40 Nr. 3 des deutschen Designgesetzes, welcher den mit Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV gleichlautenden Art. 13 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen umsetzt, auf § 51 des deutschen Urhebergesetzes, welcher von der Möglichkeit des Art. 5 Abs. 3 lit. d) der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft Gebrauch macht, zurückgegriffen. Das Gericht hat daher angenommen, die Abbildung des Geschmacksmusters sei nur dann zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Geschmacksmuster und dem eigenen Gedanken des „Zitierenden“ bestehe und die Wiedergabe des Geschmacksmusters als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden diene. Dies setze eine eigene geistige Auseinandersetzung mit dem Geschmacksmuster voraus, Marketinginteressen hinsichtlich des eigenen Leistungsangebots reichten nicht aus.
2820 Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Begriff der „Zitierung“ in der deutschen Sprachfassung (ähnlich die englisch, spanische und italienische Sprachfassung) der Begriff der „illustration“ in der französischen Sprachfassung (ähnlich die niederländische Sprachfassung) gegenübersteht. Letztgenannter Begriff könnte für einen weitergehenden Anwendungsbereich der Vorschrift sprechen. Bei der vom Bundesgerichtshof bevorzugten engen Auslegung bliebe auch kaum ein Anwendungsbereich für diese Vorschrift im Rahmen eines redlichen „Geschäftsverkehrs“, der in Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV ausdrücklich angesprochen wird (vgl. Spintig, in Hasselblatt (ed.), Community Design Regulation, Art. 20 mn. 14).
29b)
3021 Erwogen wird zudem eine analoge Anwendung des Art. 12 lit. c) der Gemeinschaftsmarkenverordnung (vgl. Ruhl, in Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., vor Art. 20-23, Rn. 6; offen gelassen von Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2011 - I ZR 56/09, GRUR 2011, 1117). Der Senat merkt insoweit an, dass für eine Analogie nur dann Raum ist, wenn Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV nicht bereits die in Art. 12 lit. c) der Gemeinschaftsmarkenverordnung angesprochenen Interessen der Benutzer umfassend regelt. Der Gerichtshof hat jüngst eine analoge Anwendung von Vorschriften des Geschmacksmusterrechts im Rahmen des Markenrechts abgelehnt (Urteil vom 06.10.2015 – C-500/14, ECLI:EU:C:2015:680).
3122 Diskutiert wird im Hinblick auf die unter c) angesprochenen gegenläufigen Interessen der Benutzer auch, ob nicht der Benutzungsbegriff des Art. 19 GGV einschränkend ausgelegt werden kann.
32c)
3323 Nach vorläufiger Auffassung des Senats müssen bei der Auslegung der GGV auch die anderen in der Rechtsordnung der Union anerkannten Allgemeininteressen und die Interessen Dritter berücksichtigt werden.
3424 Art. 8 Abs. 2 GGV schließt ausdrücklich Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses, die zwangsläufig nachgebildet werden müssen, damit das Erzeugnis, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, mit einem anderen Erzeugnis mechanisch verbunden oder in diesem, an diesem oder um dieses herum angebracht werden kann, so dass beide Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen können, vom Musterschutz aus. Diese Vorschrift soll technischen Fortschritt ermöglichen (s. Erwägungsgrund 10) sowie den Wettbewerb mit Ersatz- und Zusatzteilen fördern. Dies spricht dafür, dass der Dritte, der Ersatz- oder Zusatzteile herstellt, diese nicht nur vertreiben, sondern auch damit auch werben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 04.11.1997, C-337/95 Rn. 36, 49 ff., GRUR Int. 1998, 140, zum Werbeankündigungsrecht des Dritten bei dem Vertrieb erschöpfter Waren; zur Anwendbarkeit dieser Entscheidung im Rahmen des Art. 21 GGV auch Rühl, a.a.O., Art. 21 Rn. 21; Thiem, in Hasselblatt (ed.), a.a.O., Art. 21 mn. 44 et seqq.). Ohne eine Erläuterung des Erzeugnisses, für das der Dritte Ersatz- oder Zusatzteile vertreibt, ist ein erfolgversprechender Vertrieb kaum denkbar. Dazu ist eine bildliche Darstellung oft hilfreich, zumal gerade bei einer mechanischen Verbindung von dem durch ein Geschmacksmuster geschützten Erzeugnis und Ersatz-/Zusatzteil eine Bedienungsanleitung vielfach notwendig ist.
3525 Zu den wesentlichen Merkmalen einer Ware (s. Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2001/95/EG; Art. 7 Abs. 4 lit. a) Richtlinie 2005/29/EG; Art. 5 Abs. 1 lit. a), Art. 6 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 2011/83/EU) gehört oft auch die Frage der Kompatibilität mit anderen Erzeugnissen und damit dann auch eine Bedienungsanleitung mit bildlicher Darstellung des anderen Erzeugnisses.
3626 Art. 4 der Richtlinie 2006/14/EG will zur Förderung des Wettbewerbs vergleichende Werbung fördern. Diese wird in Teilbereichen zumindest erschwert, wenn – so der Bundesgerichtshof – über die in Art. 4 der Richtlinie genannten Voraussetzungen hinaus weitergehende Anforderungen dann gestellt werden, wenn das konkurrierende Erzeugnis Geschmacksmusterschutz genießt (vgl. Stone, European Union Design Law, mn. 19.48).
3727 Zu den von Art. 9 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2001/83/EG und Art. 9 Abs. 1 lit g), Art. 27 der Verordnung (EU) 1169/11 geforderten Angaben können auch Anleitungen zur Einnahme des Arzneimittels bzw. des Lebensmittels in bestimmt geformten – möglicherweise geschmacksmusterrechtlich geschützten – Behältnissen sein.
38d)
3928 Von daher spricht nach vorläufiger Ansicht des Senats vieles dafür, diesen Interessen durch eine weite Auslegung des Art. 20 Abs. 1 lit. c) GGV Rechnung zu tragen, zumal auch die dort genannten Schranken angemessen erscheinen.
4029 Folgt man dem, stellt sich die weitere Frage, welche Anforderungen an die Angabe der „Quelle“ zu stellen ist. Das Landgericht hat die Angabe „compatible ZTM“ ausreichen lassen, weil angesichts der Bekanntheit von Z für den Verkehr klar sei, dass die fraglichen Produkte, für welche die von der Beklagten vertriebenen Zusatzteile bestimmt sind, von der Klägerin stammen. Das hält die Klägerin für unzureichend. Soweit die Klägerin darüber hinausgehend meint, die normale Verwertung ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster werde durch das Verhalten der Beklagten über Gebühr beeinträchtigt, trifft dies nach vorläufiger Auffassung des Senats nicht zu: Die Käufer der Zubehörprodukte der Beklagten müssen die – durch Geschmacksmuster geschützten – Produkte erwerben, um die Zubehörprodukte sinnvoll einsetzen zu können; dass die Klägerin eigene Zubehörprodukte vertreibt, ist nicht Bestandteil der eingetragenen Geschmacksmuster (s. Art. 8 Abs. 2 GGV).
413. Zur dritten Frage
4230 Letztlich stellen sich auch Fragen zur Auslegung von Art. 88 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2, Art. 15 lit. a), g) Rom II-VO. Vorab ist zweierlei klarzustellen:
4331 Zum einen hat der Senat, was den Klageantrag zu I. (s. Rn. 4) und die daran anknüpfenden Folgeansprüche betrifft, noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von den Beklagten vertriebenen Erzeugnisse tatsächlich das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin verletzten. Diese Frage erfolgt daher nur vorsorglich für den Fall, dass der Senat nach Klärung insbesondere des am jeweiligen Prioritätstage vorbekannten Formenschatzes und der von den Beklagten geltend gemachten technischen Bedingtheit bestimmter Merkmale (Art. 8 Abs. 1 GGV) einen Eingriff in die Rechte der Klägerin gemäß Art. 10 GGV bejahen sollte. Hinsichtlich des Klageantrages zu II. (s. Rn. 5) und die daran anknüpfenden Folgeansprüche ist die Frage nur dann erheblich, wenn die zweite Frage zu Lasten der Beklagten entschieden werden sollte.
4432 Zum anderen ist jedenfalls seit Inkrafttreten der Rom II-VO die Frage, ob die Maßnahme Art. 88 Abs. 2 GGV oder Art. 89 Abs. 1 lit. d) GGV unterfällt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.02.2014 – C-479/12, ECLI:EU:C:2014:75, Rn. 52 ff.), unerheblich geworden, da das internationale Privatrecht der Mitgliedsstaaten durch die genannte Verordnung unionseinheitlich geregelt worden ist (so auch Menebröcker/Stier in Hasselblad (ed.), Community Trade Mark Regulations, Art. 101 mn. 10).
45a)
4633 Nach Art. 8 Abs. 2 Rom-II VO ist das Recht des Staates anzuwenden, „in dem die Verletzung begangen wurde“. Nach welchen Kriterien dieser Ort zu bestimmen ist, ist unklar.
4734 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 05.06.2014 (C-360/12; ECLI:EU:C:2014:1318) die gleichlautende Formulierung in Art. 97 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke dahingehend ausgelegt, dass auf den Ort abzustellen sei, an dem der Verletzer aktiv tätig werde, und nicht auf den Mitgliedsstaat, in dem diese Verletzungen ihre Wirkungen entfalte (Rn. 34). Hinsichtlich der Verletzung eines nationalen Schutzrechtes im Internet hat der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.04.2012 (C-523/10, ECLI:EU:C:2012:220) entschieden, dass als Begehungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 der Ort anzusehen sei, „an dem über das Auslösen des technischen Anzeigevorgangs entschieden wird“, was mit dem Ort der Niederlassung des Werbenden identisch ist (a.a.O, Rn. 37).
4835 Ob diese Rechtsprechung auf Art. 8 Abs. 2 Rom-II VO zu übertragen ist und wie bestimmte Fallkonstellationen zu behandeln sind, ist Gegenstand von Kontroversen.
4936 Weitgehend Einigkeit besteht aufgrund des Wortlauts des Art. 8 Abs. 2 Rom-II VO dahingehend, dass auf den „Begehungsort“ und nicht auf den „Erfolgsort“ abzustellen ist (s. BGH GRUR 2008, 254; Drexl, in Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 136, 143; Fezer/Koss, in Staudinger, BGB (2015) D. Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 965; Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 757; Thorn, in Palandt, BGB, 76. Aufl., Art. 8 Rom-II VO Rn. 8; anderer Ansicht, auch „Erfolgsort“: Fayaz, Sanktionen wegen der Verletzung von Gemeinschaftsmarken: Welche Gerichte sind zuständig und welches Recht ist anzuwenden?, GRUR Int. 2009, 566 [allerdings vor Veröffentlichung der in Rn. 34 erwähnten Entscheidungen des Gerichtshofs]; unentschieden: Menebröcker/Stier, in Hasselblad (ed.), Community Trade Mark Regulation, Art. 102 mn. 15; Späth, in Hasselblad (ed.), Community Design Regulation, Art. 88 mn. 8). Einschränkend sei aber darauf hingewiesen, dass diese Einigkeit nicht für – die hier nicht vorliegende – Fallgestaltung besteht, dass die maßgebliche Handlung außerhalb der Union erfolgt und damit nach dem Wortlaut der Vorschrift das Recht eines Nichtmitgliedsstaates anzuwenden wäre. Der Senat merkt dazu an, dass das vielfach vorgebrachte Argument, der einheitliche Charakter des Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 1 Abs. 3 GGV) schließe eine Anknüpfung analog Art. 8 Abs. 1 Rom-II VO aus, nicht zutrifft, da der Ort, an dem die Wirkungen einer Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 19 GGV) eintreten, festgestellt werden kann. Jedoch spricht der Wortlaut der Vorschrift für eine Anknüpfung an den „Handlungsort“.
5037 Aber auch dann bestehen – zumindest – in zwei – hier einschlägige - Fallgestaltungen Unklarheiten:
5138 Dies betrifft zum einen Fallgestaltungen, in denen der in einem Mitgliedsstaat ansässige (potentielle) Verletzer die Verletzungen mittels einer Website begeht, die auch auf andere Mitgliedsstaaten ausgerichtet sind. Folgt man der in Rn. 34 angesprochenen Rechtsprechung des Gerichtshofs, wäre das Recht anzuwenden, in dem der Verletzer ansässig ist: Diese Konsequenzen werden jedoch jedenfalls im Rahmen der Zuständigkeitsregel des Art. 82 Abs. 5 GGV als unzuträglich angesehen, weil bei einer solchen Auslegung diese Vorschrift bei Internetwerbung neben Art. 82 Abs. 1 GGV dann keine Rolle mehr spiele (Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 754; anders wohl aber im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 GGV s. dieselbe S. 758).
5239 Zum anderen besteht eine Unklarheit dann, wenn der in einem Mitgliedsstaat ansässige (potentielle) Verletzer den Auftrag an Drittunternehmen erteilt, die schutzrechtsverletztende Ware in einen anderen Mitgliedsstaat zu befördern. Die Beklagte zu 1. macht u.a. geltend, sie nehme lediglich Bestellungen entgegen, für die Beförderung der Ware zum Endkunden (u.a. in Deutschland) sei die Beklagte zu 2. zuständig. Auch insoweit wird – jedenfalls im Rahmen der Zuständigkeitsregel des Art. 82 Abs. 5 GGV - geltend gemacht, eine Anknüpfung allein an den Ort der Auftragserteilung (faktisch also der Ort der Niederlassung) führe zu Unzuträglichkeiten (vgl. Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 754; anders wohl aber im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 GGV s. dieselbe S. 758; s. auch Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 27 ff.).
5340 Sollten danach wegen der gleichen Ware mehrere Handlungsorte in Betracht kommen, wäre zu klären, welcher Ort maßgeblich ist, insbesondere, ob der Verletzte wählen kann oder ob ein zentraler Ort (das wäre der Ort der fraglichen Niederlassung) maßgeblich ist (vgl. auch Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 758).
54b)
5541 Schließlich stellt sich eine weitere Frage: Die Klägerin möchte auf das Verhalten der Beklagten zu 1. ergänzend das deutsche und hinsichtlich der Beklagten zu 2. ergänzend das französische Recht angewendet wissen. Auf Grund der Tatsache, dass beide Beklagte bei der (potentiellen) Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Klägerin zusammenwirken, ist unklar, ob dies Auswirkungen auf die Frage des anwendbaren Rechts hat. Vielfach wird davon ausgegangen, dass nach den Regelungen der Rom-II VO hinsichtlich jedes Tatbeteiligten gesondert anzuknüpfen ist, andernfalls die Regelung des Art. 20 Rom-II VO überflüssig wäre (vgl. Junker, in Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., Art. 20 Rom-II VO Rn. 10; Thorn, in Palandt, BGB, 75. Aufl., Art. 15 Rom-II VO Rn. 3). Teilweise wird jedoch angenommen, es sei bei derartigen Fallgestaltungen einheitlich anzuknüpfen (Kur, Durchsetzung gemeinschaftsweiter Schutzrechte: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, GRUR Int. 2014, 749, 756). Die letztgenannte Auffassung wird auf Art. 15 lit. a), g) Rom-II VO gestützt. Nach der Gegenauffassung wird jedoch nur die Haftung der „Drittperson“ als solche (z.B. Haftung der Eltern für Handlungen ihrer Kinder; Haftung des Arbeitgebers für Handlungen des Arbeitnehmers) von Art. 15 Rom-II VO abgedeckt. Rechtsprechung dazu besteht nicht. Der Gerichtshof hat es im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 EuGVO abgelehnt, die hinsichtlich eines Beklagten durch den Handlungsort begründete Zuständigkeit auf andere Mitwirkende zu erstrecken (Urteil vom 05.06.2014 C-360/12; ECLI:EU:C:2014:1318).
5642 Sollte die Auffassung, es sei bei Mittätern oder sonstig Beteiligten einheitlich anzuknüpfen, zutreffen, müsste eine „Haupttat“ festgestellt werden. Dies wird insbesondere bei Mittätern häufig schwierig sein. Im vorliegenden Fall könnte allenfalls erwogen werden, ob die Beklagte zu 1. als Konzernobergesellschaft als Haupttäterin anzusehen wäre. Eine solche Auffassung hätte sodann möglicherweise zur Folge, dass insgesamt ergänzend französisches Recht anzuwenden wäre.