Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 23. Feb. 2015 - 1 UF 5/15
Tenor
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Düsseldorf vom 08.12.2014 wird auf Kosten der Kindesmutter zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die gemäß § 40 Abs.2 Satz 1 IntFamRVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Kindesmutter ist nicht begründet.
3Das Amtsgericht hat zu Recht gemäß Art.12 Abs.1 des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) die sofortige Rückgabe des Kindes A angeordnet, da die Kindesmutter das Kind widerrechtlich im Sinne von Art.3 HKÜ von Österreich nach Deutschland verbracht hat.
4Es besteht ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Ausfertigung des am 20.02.2013 vor dem Bezirksgericht Favoriten in Österreich geschlossenen Vergleichs. Dort haben sich die Eltern darauf geeinigt, dass sie weiterhin beide mit der Obsorge für A betraut sind.
5Entgegen der Auffassung der Kindesmutter hatte sie nicht gemäß § 162 Abs.2 ABGB (Österreich) dass alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen. Dies hätte erfordert, dass entweder die Eltern vereinbart haben oder das Gericht bestimmt hat, dass das Kind hauptsächlich im Haushalt der Kindesmutter betreut werden soll. Eine solche Vereinbarung ist in dem vorgenannten Vergleich jedoch nur mit einer hier zum Tragen kommenden Einschränkung getroffen worden. Die Vereinbarung lautet:
6„Das Kind soll hauptsächlich im Haushalt der Mutter betreut werden. Sollte ein Umzug aus unverschuldeter Not erforderlich werden, der weiter als 500 km von Wien entfernt ist, während das Kind noch schulpflichtig ist, so soll der Elternteil die hauptsächliche Betreuung des Kindes übernehmen, der nicht verzieht.“
7Da die Kindesmutter an einen weiter als 500 km von Wien entfernten Ort verzogen ist, stand ihr nach der getroffenen Vereinbarung die hauptsächliche Betreuung der gemeinsamen Tochter nicht mehr zu, womit sie auch nicht mehr den Wohnort bestimmen konnte. Vielmehr sind diese Rechte nach dem gerichtlichen Vergleich iVm § 162 Abs. 2 ABGB auf den in Wien verbliebenen Kindesvater übergegangen.
8Soweit die Kindesmutter geltend macht, aus dem Wortlaut der Vereinbarung ergebe sich, dass von der Einschränkung der ihr zugewiesenen häuslichen Betreuung ein Umzug vor Beginn der Schulpflicht – A besucht noch den Kindergarten – nicht umfasst sein sollte, kann dem nicht gefolgt werden. Die Wortwahl „noch schulpflichtig“ belegt hinreichend, dass die Zeit nach der Schulpflicht von diesem Teil der Vereinbarung ausgenommen werden sollte, nicht aber die zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ohnehin relativ überschaubare Zeit bis zum Beginn der Schulpflicht, für die sonst jegliche Regelung trotz des jungen Kindesalters fehlte. Es ist auch nicht erkennbar, welchen Zweck es gehabt haben sollte, nur während der Schulpflicht, aber nicht in der Zeit davor die Umzugsmöglichkeiten mit dem Kind einzuschränken. Das hat auch die Kindesmutter nicht aufgezeigt. Ob ihr Umzug überhaupt „aus unverschuldeter Not“ erforderlich war, wie es die Vergleichsvereinbarung voraussetzt, ist im Übrigen sehr fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Beurteilung mehr.
9Der Rückgabe des Kindes steht nicht die Regelung des Art.13 Abs.1 a) HKÜ entgegen. Die Kindesmutter hat nicht nachgewiesen, dass der Kindesvater das Mitsorgerecht tatsächlich nicht ausgeübt oder dem Verbringen nach Deutschland zugestimmt hat.
10Der Kindesvater hat das Mitsorgerecht tatsächlich ausgeübt, indem er Umgang mit A hatte. Dies gilt auch, wenn der Umgang, wie von der Kindesmutter gegenüber dem Verfahrensbeistand angegeben, nur an Sonntagen für einige Stunden stattfand. Zudem hat er auch an der nur zwei Monate vor dem Umzug der Kindesmutter getroffenen Vereinbarung über die Aufnahme A in einen Kindergarten in Wien mitgewirkt.
11Eine Zustimmung des Kindesvaters zum Umzug A nach Deutschland ist nicht belegt. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus der vorgelegten E-Mail-Nachricht des Kindesvaters vom 22.05.2014. Er hat vielmehr seine Zustimmung von der Klärung weiterer Fragen abhängig gemacht und einen eigenen Vorschlag zur Änderung der Scheidungsvereinbarung vorgelegt, der unter anderem einen Verbleib A in Wien bis zum Schuleintritt vorsah und den die Kindesmutter nicht angenommen hat.
12Auch ist die Rückgabe nicht gemäß Art.13 Abs.1 b) HKÜ abzulehnen. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Als Gefahr in diesem Sinne können nicht bereits die Beeinträchtigungen angesehen werden, die üblicherweise mit einem von dem betreuenden Elternteil nicht mitgetragenen Aufenthaltswechsel des Kindes verbunden sind, da andernfalls der Schutz durch das HKÜ oft ins Leere liefe. Eine darüber hinaus gehende schwerwiegende Gefahr ist weder von der Kindesmutter nachgewiesen, noch ergibt sich eine solche aus der Stellungnahme des Verfahrensbeistandes oder der Kindesanhörung durch das Amtsgericht. Welche Regelung letztlich dem Wohl des Kindes am besten entspricht, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Die zukünftige Sorgerechtsregelung wird vielmehr von den Gerichten in Österreich zu klären sein, sofern es nicht den Eltern gelingt, im Interesse ihrer Tochter zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen.
13Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 14 IntFamRVG, 84 FamFG.
14Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung findet nicht statt (§ 40 Abs.2 Satz 4 IntFamRVG).
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Referenzen - Gesetze
(1) Eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit deren Rechtskraft wirksam.
(2) Gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht nach Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; § 65 Abs. 2, § 68 Abs. 4 Satz 1 sowie § 69 Abs. 1 Satz 2 bis 4 jenes Gesetzes sind nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes verpflichtet, steht nur dem Antragsgegner, dem Kind, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, und dem beteiligten Jugendamt zu. Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt.
(3) Das Beschwerdegericht hat nach Eingang der Beschwerdeschrift unverzüglich zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung über die Rückgabe des Kindes anzuordnen ist. Die sofortige Wirksamkeit soll angeordnet werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über die Beschwerde unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten mit dem Wohl des Kindes zu vereinbaren ist. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit kann während des Beschwerdeverfahrens abgeändert werden.
Soweit nicht anders bestimmt, entscheidet das Familiengericht
- 1.
über eine in den §§ 10 und 12 bezeichnete Ehesache nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 2.
über die übrigen in den §§ 10, 11, 12 und 47 bezeichneten Angelegenheiten nach den für Kindschaftssachen geltenden Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(1) Eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit deren Rechtskraft wirksam.
(2) Gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht nach Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; § 65 Abs. 2, § 68 Abs. 4 Satz 1 sowie § 69 Abs. 1 Satz 2 bis 4 jenes Gesetzes sind nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes verpflichtet, steht nur dem Antragsgegner, dem Kind, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, und dem beteiligten Jugendamt zu. Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt.
(3) Das Beschwerdegericht hat nach Eingang der Beschwerdeschrift unverzüglich zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung über die Rückgabe des Kindes anzuordnen ist. Die sofortige Wirksamkeit soll angeordnet werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über die Beschwerde unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten mit dem Wohl des Kindes zu vereinbaren ist. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit kann während des Beschwerdeverfahrens abgeändert werden.