Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 17. Dez. 2014 - 3 OLG 8 Ss 140/14
Tatbestand
Das AG verurteilte den Angekl. am 30.07.2013 wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots in 2 Fällen, Verstößen gegen eine bestimmte vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz in 3 Fällen, fahrlässiger Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung in 2 tateinheitlichen Fällen zu einer aus Einzelfreiheitsstrafen von zweimal 3 Monaten, dreimal 2 Monaten, 1 Monat und 9 Monaten gebildeten, nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr. Daneben hat es dem Angekl. gem. § 44 StGB für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kfz jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Auf die Berufung des Angekl. hat das LG das erstinstanzliche Urteil mit Urteil vom 28.07.2014 dahin „abgeändert“, dass es den Angekl. „der fahrlässigen Körperverletzung“ und „der gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden Vergehen der Nötigung“ schuldig gesprochen und ihn „deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt“ und „im Übrigen die Berufung des Angekl. zurückgewiesen“ hat. Im Hinblick auf die Verstöße gegen eine bestimmte vollstreckbare Anordnung nach dem GewSchG wurde in der Berufungshauptverhandlung von einer weiteren Verfolgung des Angekl. gem. § 154 I StPO abgesehen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel erwies sich im vollen Umfang als begründet.
Gründe
I.
[2 ] 1. Soweit das LG gegen den Angekl. wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots in 2 Fällen jeweils Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von 3 Monaten festgesetzt und deshalb gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot angeordnet hat, wurde von der Berufungskammer bislang ein Schuldspruch nicht verkündet. Deshalb fehlt für die in den Urteilsgründen ausgeworfenen Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von jeweils 3 Monaten und für das angeordnete Fahrverbot die Grundlage, weshalb Einzelstrafen und Fahrverbot entfallen müssen. Da der vom LG bislang nicht abgeurteilte Tatvorwurf wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots in 2 Fällen bei dem Revisionsgericht nicht anhängig geworden ist, unterliegt er weiterhin der Kognition der erkennenden Berufungskammer, die bislang nur unvollständig über die Berufung des Angekl. entschieden hat (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 15.10.2014 - 2 StR 215/14 [bei juris]).
[3 ] 2. Mit Blick auf die insoweit gebotene Fortsetzung des Berufungsverfahrens durch die erkennende Berufungskammer bemerkt der Senat rein vorsorglich, dass die (bisherigen) tatrichterlichen Feststellungen überdies an Feststellungs- und Darstellungsmängeln leiden, die auf die Sachrüge des Angekl. (ohnehin) eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots in 2 Fällen gefährdet hätten.
[4 ] a) Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes beschränkt sich die Berufungskammer nach Klärung der Existenz eines rechtskräftigen bußgeldrechtlichen Fahrverbots auf die Feststellung, dass der Angekl., obwohl er wusste, dass gegen ihn ein Fahrverbot bestand, zu den angegebenen Tatzeiten, nämlich „am 14.04.2013“ und „am 16.04.2013 gegen 19.20 Uhr“, jeweils „mit dem Pkw Mercedes“ [mitsamt benanntem Kennzeichen], die „F-Straße“ bzw. die „L-Straße“ in B. „befuhr“. Weitere den Schuldumfang wesentlich (mit-) bestimmende Feststellungen zur konkreten jeweiligen Tatmotivation, den konkreten Verkehrsverhältnissen bei Tatbegehung und zum konkreten (privaten oder beruflichen) Anlass und ggf. weiteren Umständen der Tat, insbesondere zu Art, Dauer und Länge der beabsichtigten oder tatsächlich absolvierten Fahrtstrecken, fehlen hingegen vollständig. Feststellungen zu diesen Umständen, die den Taten das Gepräge geben, sind bei Delikten nach § 21 StVG deshalb regelmäßig unabdingbar, weil ohne sie keine Grundlage für die Verhängung von Rechtsfolgen gegeben ist (vgl. neben OLG Bamberg, Urt. v. 25.06.2013 - 3 Ss 36/13 = DAR 2013, 585 = OLGSt StVG § 21 Nr. 10 zuletzt auch OLG Bamberg, Beschluss vom 21.07.2014 - 3 Ss 86/14 = NStZ 2015, 55; vgl. auch KK/Gericke 7. Aufl. § 353 Rn. 13, jew. m. w. N.).
[5 ] b) Soweit das LG ausweislich seiner Urteilsgründe Einzelfreiheitsstrafen unter 6 Monaten festgesetzt hat, genügten die bisherigen Strafzumessungserwägungen selbst bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe den auch für die gesonderte Bemessung der Einzelstrafen bei Einbeziehung in eine zu bildende Gesamtstrafe regelmäßig zu beachtenden gesteigerten sachlich-rechtlichen Begründungsanforderungen nach § 267 III Satz 2, 2. Halbs. StPO i. V. m. § 47 I StGB nicht (vgl. hierzu z. B. Fischer StGB 61. Aufl. § 47 Rn. 7 ff. und Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 154 ff., jeweils m. w. N.). Zwar hat das LG zutreffend als strafschärfend gewertet, dass der Angekl. erheblich vorbestraft ist. Die Aussagekraft seiner zu den Vorstrafen des Angekl. getroffenen Feststellungen leidet indes daran, dass es die Berufungskammer verabsäumt, die regelmäßig bedeutsamen und ohne Schwierigkeiten aus den Registerauskünften festzustellenden Zeitpunkte des jeweiligen Rechtskrafteintritts der Vorahndungen im Urteil mitzuteilen, so dass eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessungserwägungen zumindest unnötig erschwert, wenn nicht im Einzelfall sogar vereitelt wird.
II.
[6 ] Soweit die Berufungskammer den Angekl. wegen fahrlässiger Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt hat, führt das Rechtsmittel auf die Sachrüge zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des LG, weil das angefochtene Urteil an durchgreifenden Feststellungs- und Darstellungsmängeln leidet, welche den Senat zur vollständigen Aufhebung des Schuldspruchs zwingen. Auf die Erfolgsaussichten der nur einen möglichen Schuldspruch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen berührenden Verfahrensrüge kommt es nicht an.
[7 ] 1. Im Hinblick auf den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen G. fehlen schon ausreichende Feststellungen, die das nur kurzfristige Anfahren des Angekl. mit dem Pkw in Richtung auf die beiden Zeugen als eine „mittels eines [...] gefährlichen Werkzeugs“ begangene Körperverletzung und damit als relevante Tathandlung im Sinne von § 224 I Nr. 2 StGB hinreichend belegen könnten, zumal sich weitere Feststellungen zu dieser Frage auch nicht etwa angesichts der im Urteil umschriebenen Tatsituation erübrigten.
[8 ] a) Auch dann, wenn die Körperverletzung unter Einsatz eines Kfz bzw. eines Pkw begangen wurde, hängt die Erfüllung des Tatbestandes nach § 224 I Nr. 2 StGB davon ab, dass das Fahrzeug tatsächlich als ‚gefährliches Werkzeug‘, d. h. als ein nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 28.09.2010 - 3 StR 338/10 [bei juris] m. w. N.). Dies ist nach den bisherigen Feststellungen, die sich nicht zur Beschleunigung beim Anfahren verhalten, hier schon deshalb fraglich, weil die von dem Zeugen erlittene Schürfwunde am rechten Schienbein - wie sachverständig ausgeführt - tatsächlich erst durch „ein Verrutschen der Textilien (Hose)“ auf der Haut „hervorgerufen“ worden sein könnte, weshalb „es auf das Material der Stoßstange nicht ankomme“. Hinzu kommt, dass der Zeuge M., der sich ebenfalls vor den Pkw des Angekl. gestellt hatte, nicht verletzt wurde.
[9 ] b) Ferner geht das LG davon aus, dass der Angekl. damit „rechnete“, dass „durch seine Vorgehensweise“ bei dem Zeugen „eine Verletzung am Bein erfolgen könne“ und „dies billigend in Kauf“ nahm. Nach den weiteren Feststellungen der Berufungskammer versteht sich das hier aber wegen der Besonderheiten des gesamten Tatgeschehens gerade nicht von selbst. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar belegt, dass der Angekl. eine Körperverletzung des Zeugen überhaupt oder gar eine erhebliche Verletzung tatsächlich auch nur in Kauf genommen hätte, zumal der sich in identischer Gefährdungslage befindliche Zeuge M. unverletzt blieb. Nach den Feststellungen des LG fuhr der Angekl. zunächst nach vorne, um die beiden im Abstand von ca. 20 cm vor der Motorhaube seines Pkw stehenden Zeugen „dazu zu bringen, den Weg frei zu machen“, ehe es zu der Berührung des rechten Schienbeins mitsamt „einer eintägig schmerzenden Schürfwunde am rechten Schienbein“ des Zeugen G. kam und beide Zeugen sodann - bedingt durch die Berührung - nach vorn auf die Motorhaube fielen, wo sie sich mit den Händen abfangen konnten, ehe der Angekl. sein Fahrzeug zurücksetzte und davonfuhr. Hiernach erscheint es sogar fraglich, ob von den Feststellungen die Erfüllung des Tatbestandes einer nur ‚einfachen‘ (versuchten oder vollendeten) Körperverletzung gemäß § 223 I StGB als hinreichend gedeckt anzusehen wäre. Erst recht rechtfertigten die Feststellungen mangels eines hinreichend belegten Tatentschlusses auch einen Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 224 I Nr. 2, II, 22, 23 StGB nicht. Feststellungen, die eine Verurteilung des Angekl. nach § 224 I Nr. 5 StGB rechtfertigen könnten, hat das LG weder zur objektiven noch zur subjektiven Tatseite getroffen.
[10 ] 2. Auch soweit das LG das geschilderte An- bzw. Losfahren des Angekl. in Richtung auf beide Zeugen als tateinheitlich zur gefährlichen Körperverletzung begangene (untereinander ebenfalls tateinheitliche) Nötigungen wertet, sind seine Feststellungen lückenhaft. Denn die Berufungskammer geht nicht der Frage nach, ob die im Raum stehende Nötigungshandlung des Angekl. aufgrund der Gesamtumstände im Ergebnis deshalb nicht als ‚verwerflich‘ i. S.v. § 240 II StGB anzusehen sein könnte, weil sich der Angekl. in der konkreten, zumindest aus seiner Sicht bedrohlichen Situation in einer subjektiv als notwehrähnlich empfundenen Zwangslage befand. Immerhin wollten ihn die beiden Zeugen nicht nur daran hindern, seine Fahrt fortzusetzen; unmittelbar zuvor war es zwischen dem Angekl. und den Zeugen, die „alle drei [...] angetrunken“ waren, bereits zu einer „Rangelei und einem Geschreie“ gekommen. Aus welchen Gründen die Zeugen den Angekl. an der Weiterfahrt hindern wollten, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Ferner bleibt unklar, warum sich der Angekl. entfernen wollte. Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen ist es dem Senat nicht möglich, eine abschließende Wertung zu der Frage zu treffen, ob zulasten des Angekl. unter den gegebenen Umständen von einer Verwerflichkeit der Tat ausgegangen werden durfte.
[11 ] 3. Schließlich begegnet auch der Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachtteil des Zeugen G. durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das LG legt schon nicht hinreichend oder sich sonst aus den Umständen heraus nachvollziehbar erschließend dar, worauf es seine Überzeugung gründet, dass der Angekl. zur Tatzeit gegen 02.40 Uhr in vorwerfbarer Weise, nämlich aufgrund „den Straßenverhältnissen [...] nicht angepasster Geschwindigkeit“ die Verletzung des nach eigenen Angaben bei einer AAK von 0,91 mg/l angetrunkenen und gerade im Überqueren der Straße begriffenen Zeugen verursacht haben soll.
III.
[12 ] Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel bedarf die Sache - soweit nicht die erkennende Strafkammer selbst das Verfahren fortzuführen hat - der neuen Verhandlung und Entscheidung durch eine andere Strafkammer des LG (§ 354 II StPO).
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(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.
(2) Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt.
(3) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.
(4) Werden gegen den Täter mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung , Diebstahls in drei Fällen, unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe nebst Munition, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung, Beleidigung in zwei Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten.
- 2
- Das Rechtsmittel führt zur Urteilsaufhebung hinsichtlich der in den Urteilsgründen angeführten Einzelstrafe wegen einer Körperverletzung im Fall III.2, weil ein entsprechender Schuldspruch weder verkündet wurde noch im Tenor der Urteilsurkunde enthalten ist. Somit fehlt eine Grundlage für die verhängte Einzelstrafe; diese muss entfallen. Da der nicht abgeurteilte Fall III.2 beim Revisionsgericht nicht anhängig geworden ist, unterliegt er noch der Kognition des Landgerichts; insoweit wird eine Verfahrensweise nach § 154 Abs. 2 StPO zu erwägen sein.
- 3
- Der Senat schließt aus, dass die Gesamtstrafe auf diesem Rechtsfehler beruht.
- 4
- Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 5
- Da das Rechtsmittel nur in einem geringen Umfang Erfolg hat, ist es nicht angezeigt, die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO). Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder - 2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer
- 1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht, - 2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder - 3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter
- 1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war, - 2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder - 3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.
Tatbestand
Das AG hat den Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM in nicht geringer Menge in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die hiergegen eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der StA hat das LG das Urteil des AG im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass es den Angekl. zur einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat. Die weitergehende - nach Auffassung der Berufungskammer mangels wirksamer Rechtsmittelbeschränkung als unbeschränkt zu behandelnde - Berufung hat das LG verworfen. Nach seinen Feststellungen besorgte sich der Angekl. jedenfalls in der Zeit von Februar bis Ende April 2012 Amphetamin und Haschisch und verkaufte dieses an einen Scheinaufkäufer der Polizei. Im Einzelnen verkaufte und übergab der Angeklagte in seiner Wohnung Anfang Februar 2012 ca. 20 Gramm Amphetamin (Wirkstoffgehalt: 1,9 Gramm Amphetamin-Base) und 11,2 Gramm Haschisch (Wirkstoffgehalt: 1,2 Gramm THC) zum Preis von 400 € an den Scheinaufkäufer P. Mitte Februar 2012 verkaufte und übergab der Angekl. in seiner Wohnung ca. 200 Gramm Amphetamin (Wirkstoffgehalt: 17,4 Gramm Amphetamin-Base) zum Preis von 1.500 € an den Scheinaufkäufer P., wobei das LG insoweit davon ausging, dass die Verkäufe aus einem „Rauschgiftvorrat“ stammten. Ende Februar 2012 verkaufte und übergab der Angeklagte in seiner Wohnung weitere ca. 1.540 Gramm Amphetamin (Wirkstoffgehalt: 125,3 Gramm Amphetamin-Base) und ca. 500 Gramm Haschisch (Wirkstoffgehalt: 489,5 Gramm THC) erneut an P. Die Berufungskammer hat dieses Verhalten des Angekl. rechtlich als unerlaubtes Handeltreiben mit BtM in nicht geringer Menge in 2 Fällen gewertet. Im Rahmen der Strafzumessung hat es zugunsten des Angekl. u. a. berücksichtigt, dass er die Betäubungsmittel an einen Scheinaufkäufer der Polizei veräußert habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die (unbeschränkte) Revision des Angekl., mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führte zu vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das LG.
Gründe
1. Die Gründe des angefochtenen Urteils sind derart lückenhaft, dass sie einen sachlich-rechtlichen Mangel aufweisen, der zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang zwingt. Die knappen tatsächlichen Feststellungen des LG lassen eine hinreichende Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts der Taten nicht zu. Die Berufungskammer beschränkt sich darauf, die reinen Verkaufs- und Übergabehandlungen darzustellen. Eine in sich geschlossene Schilderung der maßgeblichen Begleitumstände, die zur sachgerechten Beurteilung der Taten zwingend erforderlich sind, unterbleibt indes. In Fällen, in denen - wie hier - BtM-Geschäfte mit einem polizeilichen Scheinaufkäufer geschlossen wurden, ist es nach der höchstrichterlichen Rspr. keinesfalls ausreichend, allein diesen Umstand festzustellen und zugunsten des Angekl. strafmildernd zu berücksichtigen. Dadurch wird der Schuldgehalt nicht hinreichend bestimmt.
BUNDESGERICHTSHOF
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
- 2
- 1. Der Schuldspruch hat insgesamt keinen Bestand.
- 3
- a) Nach den Feststellungen besuchte der alkoholisierte und aggressiv auftretende Angeklagte die mit ihm befreundete Nebenklägerin in deren Wohnung. Unter (nicht verfahrensgegenständlichen) Tätlichkeiten gegen ihre Person hielt er ihr angebliche "Männergeschichten" vor, bis der ihn begleitende Zeuge L. zum Aufbruch drängte. Nunmehr verlangte der Angeklagte von der Nebenklägerin Geld. Aus Angst verwies sie ihn auf ihre Handtasche, die vor ihr auf dem Fußboden stand. In hockender Haltung durchsuchte der Angeklagte die Handtasche und fand ein Reizgasspray. Mit der Frage, was sie damit anfangen wolle, sprühte er "aufwärts in … Richtung" der nur wenig entfernt auf dem Sofa sitzenden Nebenklägerin. Diese, der Zeuge und der Angeklagte "bekamen von dem Reizgas ab". Danach setzte der Angeklagte die Durchsuchung der Handtasche fort, entnahm ihr das Portemonnaie der Nebenklägerin und steckte es in seine Hosentasche, um es samt Inhalt für sich zu behalten.
- 4
- Anschließend begab sich der Angeklagte mit der Nebenklägerin ins Bad, um ihr beim Auswaschen der Augen zu helfen. Zur Beruhigung der Lage verabredete man, zusammen mit dem Zeugen in dessen Pkw zur Schwester des Angeklagten zu fahren. Vor dem Verlassen der Wohnung legte der Angeklagte das Portemonnaie im Flur ab, ohne etwas entnommen zu haben.
- 5
- Da der Zeuge zunächst bei seinem Geschäftslokal Halt machte und dann nicht wieder erschien, forderte der Angeklagte die Nebenklägerin nach einiger Wartezeit auf, mit ihm zu Fuß zu seiner Wohnung zu gehen. Dem wagte die Nebenklägerin nicht zu widersprechen. Unterwegs drängte der Angeklagte sie in einen Torweg und drückte sie nach unten, damit sie mit ihm den Oralverkehr ausübe. Trotz ihrer Angst wehrte sich die Nebenklägerin hiergegen, weil spielende Kinder in Sichtweite waren, was sie dem Angeklagten auch sagte. Nunmehr versuchte der Angeklagte, die Hand der Nebenklägerin zu seinem Glied zu führen, "was ihm aber auf Grund ihres Widerstands ebenfalls nicht gelang. Weil er erkannte, gegen den Widerstand der Nebenklägerin die von ihm verlangten sexuellen Praktiken nicht durchsetzen zu können, ließ er von ihr ab" und befahl ihr, mit ihm weiterzugehen. Die Nebenklägerin, die weitere Übergriffe befürchtete, riss sich indes los, um zu ihrer in der Nähe wohnenden Tante zu flüchten. Der Angeklagte holte sie ein und wollte sie weiterzerren, weshalb sie sich sitzend an einem Gitter festkrallte. Aus Wut hierüber trat ihr der Angeklagte mit dem beschuhten Fuß ins Gesicht, so dass sie heftiges Nasenbluten und eine Nasenbeinprellung erlitt.
- 6
- b) Die Feststellungen tragen - bezogen auf das Sprühen des Reizgases - nicht den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB).
- 7
- Ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen; diese Merkmale müssen vom Vorsatz des Täters umfasst sein (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 224 Rn. 9, 13). Zu den Vorstellungen des Angeklagten über die möglichen Folgen seines Handelns verhält sich das Urteil indes nicht. Dass er damit rechnete und es billigte, das Reizgas sei - so wie er es verwendete - geeignet , die Nebenklägerin überhaupt und noch dazu erheblich zu verletzen, versteht sich hier wegen der besonderen Umstände des Falles nicht von selbst. Vorkehrungen gegen Einwirkungen des Gases auf die eigene Person hat der Angeklagte nicht getroffen; zudem folgt das Landgericht ersichtlich der Aussage des Zeugen L. , der Angeklagte habe "allenfalls vage" in Richtung der Nebenklägerin gesprüht, und geht weiter davon aus, dass die Tatfolgen deshalb "relativ geringfügig" blieben.
- 8
- c) Auch der Schuldspruch wegen versuchter Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 22 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 9
- Das Landgericht stellt fest, der Angeklagte habe von der Nebenklägerin abgelassen, weil er erkannt habe, gegen ihren Widerstand die von ihm verlangten sexuellen Praktiken nicht durchsetzen zu können; es geht somit von einem fehlgeschlagenen Versuch aus, von dem der Angeklagte nicht mit strafbefreiender Wirkung hätte zurücktreten können (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Diese Feststellung entbehrt indes einer sie tragenden Beweiswürdigung.
- 10
- Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv - sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen - die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; Beschluss vom 9. Juli 2009 - 3 StR 267/09, NStZ 2009, 688).
- 11
- Worauf der Schluss beruht, der Angeklagte habe die Tat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr vollenden können, teilt das Urteil nicht mit. Weder setzt es sich mit der körperlichen Konstitution des Angeklagten und der Nebenklägerin auseinander noch verhält es sich dazu, welches Ausmaß die Kraftentfaltung des Angeklagten bereits erreicht hatte. Damit ist nicht ausgeschlossen , dass der Angeklagte auch nach seiner eigenen Vorstellung die von ihm ausgeübte körperliche Gewalt im unmittelbaren Handlungszusammenhang noch hätte steigern und so an sein Ziel gelangen können. Dies liegt bereits deshalb nicht fern, weil der Angeklagte im weiteren Fortgang des Tatgesche- hens deutlich intensivere Gewalt (Fußtritte) gegenüber der Geschädigten anwendete.
- 12
- d) Um dem neuen Tatrichter in Anbetracht des jeweils eng verwobenen Geschehensablaufs insgesamt neue Feststellungen zu ermöglichen, erstreckt der Senat die Aufhebung des Urteils auch auf die Schuldsprüche wegen Diebstahls und, was den Fußtritt gegen die Nebenklägerin betrifft, wegen der weiteren gefährlichen Körperverletzung.