Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 28. Jan. 2014 - 3 Ss OWi 1488/13

bei uns veröffentlicht am28.01.2014

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Das AG hat den Betr. wegen vorsätzlicher Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitsgenehmigung in 4 Fällen (§ 284 I a. F. SGB III i. V. m. § 404 II Nr. 3 SGB III) zu 4 Geldbußen von jeweils 1.800 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen beschäftigte der Betr. als Geschäftsführer der O-GmbH, die in P. die Striptease-Lokale ‚Molly-Bar‘ und ‚Midi-Bar‘ betreibt, im Jahre 2011 u. a. 4 rumänische Staatsangehörige in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Tänzerinnen und Animierdamen. Wie der Betr. wusste, verfügten diese nicht über die erforderliche Arbeitserlaubnis, wobei der Betr. allerdings zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme der Tänzerinnen (unwiderlegbar) davon ausging, dass diese keiner Arbeitserlaubnis bedurften, da sie für ihre Tätigkeit ein Gewerbe angemeldet hatten. Am 10.01.2013 wurde dem Verteidiger des Betr. der dem Verfahren zugrunde liegende Bußgeldbescheid zugestellt, gegen den er noch am selben Tag Einspruch einlegte. Trotz Kenntnis des Inhalts des Bußgeldbescheids beschäftigte der Betr. die Tänzerinnen zu unveränderten Bedingungen bis zur Hauptverhandlung weiter. Das AG ist der Auffassung, dass der Betr. ungeachtet des bis zum 10.01.2013 anzunehmenden Verbotsirrtums jedenfalls wegen der bis zur Hauptverhandlung erfolgten (Weiter-) Beschäftigung der Frauen aufgrund des vorliegenden Bußgeldbescheids zu ahnden ist. Demgegenüber vertritt der Betr. mit seiner Rechtsbeschwerde die Auffassung, dass er allenfalls in einem gesonderten Verfahren aufgrund eines neuen Bußgeldbescheids hätte verurteilt werden dürfen. Sein Rechtsmittel erwies sich im Ergebnis, abgesehen von der aufgrund der gebotenen abweichenden rechtlichen Bewertung der Tat bedingten Abänderung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs, als unbegründet.

Gründe

I.

Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 1 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat einen geringen Teilerfolg. Der Betr. kann lediglich wegen eines Falls der vorsätzlichen unerlaubten Beschäftigung von Ausländern verurteilt werden. Der Senat hat insoweit eine Geldbuße von 7.200 Euro gegen den Betr. festgesetzt. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet gemäß § 79 III OWiG i. V. m. § 349 II StPO.

1. Entgegen der Auffassung des AG stellen die - in rechtsfehlerfreier Weise festgestellten - Verstöße des Betr. nur eine einzige Gesetzesverletzung dar, da der Tatbestand der unerlaubten Beschäftigung von Ausländern die mehreren Zuwiderhandlungen im natürlichen Sinn zu einer einzigen Handlung verbindet (vgl. BayObLGSt 1981, 131 ff.). Deshalb ist auch nur auf eine (einheitliche) Geldbuße zu erkennen. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betr. entgegen § 284 I SGB III a. F. 4 Arbeitnehmerinnen ohne die dazu erforderliche Arbeitsgenehmigung seit Ende 2011 gleichzeitig in seinem Betrieb beschäftigt. Die Beschäftigung der 4 Rumäninnen stand in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlich fortlaufenden Zusammenhang mit der Fortführung des Betriebs des Betr., stellte eine Verletzung derselben betriebsbezogenen Pflicht aufgrund einer einheitlichen Motivationslage des Betr. dar und diente der Beschaffung der für sein Unternehmen als Gesamtheit benötigten Arbeitskräfte. Die Beschäftigung von 4 Personen im gleichen Betrieb stellt sich bei natürlicher Betrachtungsweise deshalb als eine lediglich quantitative Steigerung einer fortwährenden Zuwiderhandlung dar (vgl. BayObLGSt a. a. O.; OLG Hamm NStZ 2000, 487).

2. Die Ansicht des AG, welches für den Zeitraum bis zum Erlass des Bußgeldbescheid von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum ausgegangen ist und demzufolge - konsequent - der Verurteilung nur den Zeitraum nach Erlass des Bußgeldbescheids zugrunde gelegt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das AG zu Recht den Zeitraum nach Erlass des Bußgeldbescheids zugrunde gelegt. Gegenstand der Urteilsfindung ist die prozessuale Tat i. S. d. § 264 StPO i. V. m. § 46 I OWiG, die sich aus dem Bußgeldbescheid ergibt. Eine zeitliche Zäsur tritt nicht schon durch den Erlass des Bußgeldbescheids ein. Vielmehr ist bei einem Dauerverstoß, wie er hier vorliegt - § 404 II Nr. 3 SGB III beschreibt ein Unrecht, das gerade durch seine zeitliche Erstreckung gekennzeichnet ist - auch der Zeitraum nach diesem Zeitpunkt bei der Aburteilung zugrunde zu legen. Erst an das tatrichterliche Urteil kann sich eine neue Tat anschließen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 25 m. w. N.).

3. Der Umstand, dass das AG für den Zeitraum vor Erlass des Bußgeldbescheids von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Betr. ausging, bewirkt keine Beendigung der Tat im prozessualen Sinne. Ist ein Dauerverhalten Gegenstand des Verfahrens, so ist das gesamte Geschehen bis zur letzten Tatsachenverhandlung auch dann zu würdigen, wenn ein Verbotsirrtum des Betr. erst nach Erlass des Bußgeldbescheids weggefallen ist. Eine Dauertat wird in aller Regel bis zur Beendigung des widerrechtlichen Verhaltens begangen. Sie ist rein historisch gesehen ein nach außen gleichbleibender Geschehensablauf. Die Situation lässt sich nicht deshalb nicht mit Konstellationen vergleichen, in denen bei Erlass des Bußgeldbescheids weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht ein Tatbestand verwirklicht war. Das Tatgericht konnte und musste daher das Verhalten des Betr. bis zum Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung prüfen und seiner rechtlichen Beurteilung unterwerfen (vgl. BayObLGSt 1960, 168).

II.

Die Berichtigung des Schuldspruchs konnte der Senat selbst vornehmen. Hierzu bedurfte es keines rechtlichen Hinweises an den Betr. Es ist auszuschließen, dass der Betr. sich im Fall eines rechtlichen Hinweises auf die in Betracht kommende rechtliche Würdigung seines Tuns anders als bisher geschehen hätte verteidigen können.

III.

Auch über die Höhe der Geldbuße konnte der Senat selbst entscheiden (§ 79 VI OWiG). Grundlage für die Zumessung der Geldbuße i. S. d. § 17 III OWiG waren der hohe Bußgeldrahmen bis zu 500.000 Euro (§ 404 III SGB III), die geordneten Verhältnisse, in denen der Betr. lebt und der Umstand, dass der Betr. gleichzeitig 4 Arbeitnehmerinnen beschäftigt hat. Vor allem fiel jedoch ins Gewicht, dass der Betr. auch nach Zustellung des Bußgeldbescheids über Monate bis zur Hauptverhandlung sein ordnungswidriges Verhalten fortgesetzt hat, was auf erhebliche Dreistigkeit und Rechtfeindlichkeit hindeutet. Angesichts dieser Umstände erachtet der Senat an sich ein Bußgeld in Höhe von 10.000 Euro für angemessen. Aufgrund des rechtsbeschwerderechtlichen Verschlechterungsverbots (§ 358 II StPO i. V. m. § 79 III 1 OWiG) durfte die Summe der vom AG verhängten Geldbußen allerdings nicht überschritten werden.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 I Satz 1 StPO i. V. m. § 46 I OWiG.

V.

Gemäß § 80 a II 1 OWiG entscheidet der mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden besetzte Bußgeldsenat. Das AG hat zwar wegen 4 tatmehrheitlicher Fälle Geldbußen von jeweils unter 5.000 Euro festgesetzt. Da das Verhalten des Betr. jedoch als eine Tat im materiellen Sinne zu werten war, lag auch nur eine Tat im prozessualen Sinn vor. Bei einer solchen sind die verhängten Geldbußen zusammenzurechnen (BayObLGSt 1999, 25 ff. = OLGSt OWiG § 80 a Nr. 6 = NStZ 1999, 427 f.; Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 80 a Rn. 3 m. w. N.) und überschreiten im konkreten Fall die gesetzliche Wertgrenze.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 80 Zulassung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist, 1. die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Abs

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(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist,

1.
die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, oder
2.
das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

(2) Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art angeordnet worden ist, deren Wert im Urteil auf nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist, oder
2.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder im Strafbefehl eine Geldbuße von nicht mehr als einhundertfünfzig Euro festgesetzt oder eine solche Geldbuße von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.

(3) Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend. Der Antrag gilt als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde. Die Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 der Strafprozeßordnung) sind zu beachten. Bei der Begründung der Beschwerdeanträge soll der Antragsteller zugleich angeben, aus welchen Gründen die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 35a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

(4) Das Beschwerdegericht entscheidet über den Antrag durch Beschluß. Die §§ 346 bis 348 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. Der Beschluß, durch den der Antrag verworfen wird, bedarf keiner Begründung. Wird der Antrag verworfen, so gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen.

(5) Stellt sich vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag heraus, daß ein Verfahrenshindernis besteht, so stellt das Beschwerdegericht das Verfahren nur dann ein, wenn das Verfahrenshindernis nach Erlaß des Urteils eingetreten ist.