Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14

ECLI: ECLI:DE:LSGST:2017:0928.L3R531.14.00
published on 28/09/2017 00:00
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Sept. 2017 - L 3 R 531/14
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Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hat.

2

Der 1959 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluss der zehnten Klasse vom 1. September 1976 bis zum 15. Juli 1978 eine Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker mit der Spezialisierung "Technologische Ausrüstung der Stärkeindustrie" im VEB Stärkefabrik K. Anschließend leistete er bis November 1981 seinen dreijährigen Wehrdienst bei der NVA ab. Danach arbeitete er als Kraftfahrer und Lagerarbeiter (Dezember 1981 bis Dezember 1982), Förderarbeiter/Stationswärter (Januar 1983 bis September 1992), Munitionsentschärfer (November 1992 bis Januar 1993) sowie als Bauhelfer (Februar 1993 bis Dezember 1997 und Mai bis August 1998). Während seiner Tätigkeit als Förderarbeiter/Stationswärter erwarb er im Januar 1985 berufsbegleitend den Abschluss "Facharbeiter für geologische Bohrungen".

3

Zuletzt war er vom 7. September 1998 bis zum 9. Dezember 2010 im Bereich der H.er Stadtentwässerung beschäftigt. Dort wurde er ausweislich des Arbeitsvertrages vom 7. September 1998 als "Vorarbeiter" eingestellt. Als Arbeitsentgelt wurden ein Grundlohn in Höhe von 14,50 DM sowie eine Leistungszulage in Höhe von 2,- DM vereinbart. In der diesbezüglichen Arbeitgeberauskunft der O. Rohrleitungs- und Stahlbau GmbH & Co. KG vom 8. März 2012 (im Weiteren: Firma O.) ist ausgeführt, der Kläger habe Abwasserschächte montiert sowie Abwasser- und Hausanschlussleitungen verlegt. Diese Tätigkeit werde im Allgemeinen von Arbeitnehmern verrichtet, die eine längere betriebliche Anlernung erfahren hätten. Die Anlernung des Klägers habe zwölf Monate gedauert; die gleiche Anlernzeit wäre bei einem Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse erforderlich gewesen. Der Kläger habe keine Vorkenntnisse bei der Anlernung verwerten können. Die Tätigkeit habe als besondere Qualitätsmerkmale die Einweisung von Mitarbeitern sowie die Organisation von Arbeitsabläufen im Bereich Abwasser und als qualitätsfremde Merkmale teilweise Schmutzarbeit und körperliche Belastung beinhaltet. Das stündliche Arbeitsentgelt habe zuletzt 10,48 EUR betragen. Die Entlohnung sei nach den ortsüblichen Bedingungen erfolgt. Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt am 18. August 2015 hat der Kläger erklärt, er habe eine Kolonne geleitet. Bei dieser Kolonne habe es sich um eine Gruppe von vier bis acht Mitarbeitern gehandelt. Sie hätten hauptsächlich für die H.er Stadtentwässerung gearbeitet. Bei der H.er Stadtentwässerung sei er als Meister geführt worden. Die H.er Stadtentwässerung habe Wert darauf gelegt, dass die jeweiligen Betriebe, die für sie tätig gewesen seien, Schachtmeister beschäftigt hätten. Er habe von der H.er Stadtentwässerung die Aufgabenstellung erhalten. Diese habe er an seine Kolonne weitergegeben. Seine Tätigkeit habe nicht nur aus Einweisungs- und Überwachungsaufgaben bestanden; er habe auch körperlich mitgearbeitet.

4

Der Kläger bezog vom 11. Oktober bis zum 12. November 2010 Krankengeld und vom 10. Dezember 2010 bis zum 8. März 2012 Arbeitslosengeld. Seitdem erhält er keine Sozialleistungen mehr. Seine Ehefrau ist berufstätig. Er besitzt einen Führerschein; ein PKW ist vorhanden.

5

Am 22. Februar 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er gab an, sich seit dem 30. August 2010 für erwerbsgemindert zu halten und keine Arbeiten mehr verrichten zu können. Er leide unter einem Hüftleiden links sowie unter einem Lendenwirbelschaden. Er könne maximal 100 bis 200 m laufen, da die Schmerzen unerträglich seien. Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. H. vom 6. März 2012 ein und veranlasste sodann ein orthopädisches Gutachten. Der Facharzt für Orthopädie Dr. med. habil. F. (im Weiteren: Dr. F.) untersuchte den Kläger am 2. Mai 2012 und stellte in seinem Gutachten vom folgenden Tag die Diagnosen:

6

Lumbales Radikulärsyndrom links bei Osteochondrose der unteren Lendenwirbelsäule.

7

Mittelgradige Coxarthrose beidseits.

8

Periarthritis humerus scapularis beidseits.

9

Diskrete Gonarthrose beidseits.

10

Die Belastbarkeit des Klägers sei eingeschränkt. Aus orthopädischer Sicht bestehe noch Eignung für leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Diese Tätigkeit sei für einen Zeitraum von sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Als Rohrleitungsbauer sei der Kläger nicht mehr leistungsfähig. Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. L. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (SMD) führte in ihrer Stellungnahme nach Aktenlage vom 9. Mai 2012 aus, das Gutachten von Dr. F. sei inhaltlich schlüssig, den Ausführungen zum Restleistungsvermögen könne sie sich voll anschließen. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit Bescheid vom 25. Mai 2012, mit dem sie ihm gleichzeitig eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab 1. März 2012 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 116,21 EUR (brutto 129,34 EUR) bewilligte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2013 ab. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Kläger könne zwar in seinem bisherigen Beruf als Vorarbeiter/Stadtentwässerung nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Als Registrator, Poststellenmitarbeiter und Pförtner könne er in diesem Umfang jedoch noch arbeiten. Dies sei ihm aufgrund seines beruflichen Werdeganges auch zumutbar.

11

Dagegen hat der Kläger am 14. September 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er leide unter erheblichen Bewegungs- und Ruheschmerzen. Die ständigen Schmerzen stellten darüber hinaus eine erhebliche psychische Belastung für ihn dar. Aufgrund dessen habe er eine Depression entwickelt und seit Dezember 2012 in erhöhtem Maße Alkohol konsumiert.

12

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte eingeholt. Dipl.-Med. H. hat in seinem Bericht vom 28. April 2014 lediglich mitgeteilt, dass der Kläger letztmalig am 12. November 2010 und damit vor mehr als drei Jahren von ihm behandelt worden sei. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. hat in ihrem Befundbericht vom 15. Mai 2014 erklärt, der Kläger könne im Wechsel der Haltungsarten (sitzend, gehend und stehend) mindestens noch sechs Stunden täglich arbeiten. Er sei auch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in einer Zeit von jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen. Dr. L. hat u.a. den Entlassungsbrief des Fachklinikums U. vom 17. Oktober 2013 über die dortige Behandlung des Klägers vom 3. bis zum 16. September 2013 übersandt. Dort sei der Kläger wegen einer Trinkmengensteigerung von acht bis zehn Bier täglich mit Entzugserscheinungen aufgenommen worden. In der Klinik habe der Kläger eine leichte Entzugssymptomatik entwickelt. Er sei medikamentös behandelt worden. Hierunter sei es zu einem komplikationslosen Abklingen der Entzugssymptomatik gekommen, so dass er in die nichtmedikamentösen Therapien habe integriert werden können. Dabei sei allerdings auffällig ist, dass er sowohl in den Gesprächsgruppen als auch im Tagesablauf eher ausweichend bagatellisierend gewesen sei und sich nur bedingt auf die Therapieangebote habe einlassen können. Es habe sich nur eine mäßige Krankheitseinsicht entwickeln können. Zu einer weiterführenden Therapie habe der Kläger nicht motiviert werden können.

13

Mit Urteil vom 30. Oktober 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Ergebnis habe keine rentenbegründete Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt werden können. Daran ändere auch nichts, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Vorarbeiter im Bereich der H.er Stadtentwässerung nicht mehr ausüben könne. Denn er könne als angelernter Rohrleitungsbauer zumutbar auf ungelernte Arbeiten verwiesen werden, soweit es sich nicht um die allereinfachsten in ihrer Art handele. Die von der Beklagten aufgezeigten Verweisungstätigkeiten (Registrator, Poststellenmitarbeiter und Pförtner) entsprächen dem medizinischen Leistungsbild des Klägers und seien aufgrund der dafür notwendigen Einarbeitungszeit auch zumutbar.

14

Gegen das ihm am 14. November 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. November 2014 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vortrag hat er erklärt, eine Besserung seines Gesundheitszustandes sei bislang nicht zu verzeichnen. Eine Belastbarkeit für eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei daher nicht mehr gegeben. Im Übrigen beurteile das Sozialgericht seinen Hauptberuf zu Unrecht als eine angelernte Tätigkeit. Seine letzte Beschäftigung sei die eines Vorarbeiters gewesen. Er sei gegenüber mehreren Mitarbeitern, darunter auch Facharbeitern, weisungsbefugt gewesen. Diese Tätigkeit habe einer Facharbeitertätigkeit entsprochen. Ergänzend hat er auf den von ihm eingereichten Anstellungsvertrag vom 7. September 1998 verwiesen. Darüber hinaus hat der Kläger die "Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 3. Mai 2013" eingereicht. Hieraus ergebe sich, dass er gemäß § 2 Abs. 3a in die Lohngruppe 1 TL (10,48 EUR) einzuordnen sei.

15

Der Kläger beantragt,

16

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Oktober 2014 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Februar 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Darüber hinaus hat sie berufskundliche Unterlagen zu den benannten Verweisungstätigkeiten des Registrators, des Mitarbeiters in der Poststelle sowie des Pförtners übersandt. Diesbezüglich wird auf Blatt 112 bis 115 der Gerichtsakten verwiesen.

20

Das LSG hat zunächst Befundberichte eingeholt. Dr. L. hat in ihrem Bericht vom 3. Februar 2016 darauf hingewiesen, dass der Kläger seit einem Jahr nicht mehr in ihrer Sprechstunde gewesen sei. Der Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. N. hat in seinem Befundbericht vom 9. Juni 2016 nach zwei Konsultationen (am 15. April und 21. Mai 2015) folgenden psychischen Befund erhoben: "Bedrückt, Selbstwert-/Sinn-Problem, nur wenig Introspektion, nur wenig kooperativ. Dramatisierend."

21

Schließlich hat das LSG ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie sowie für Neurologie/Psychiatrie Dr. P. vom 25. Januar 2017 eingeholt. Dr. P. hat den Kläger am 24. Januar 2017 untersucht und folgende orthopädisch relevante Diagnosen gestellt:

22

Chronisch rezidivierendes, degenerativ bedingtes lumbales Pseudoradikulärsyndrom links.

23

Mäßiggradige linksbetonte Coxarthrose beidseits.

24

Initiale Gonarthrose beidseits ohne klinische Relevanz.

25

Der Kläger gehe morgens und abends jeweils eine Stunde mit dem Hund spazieren. Er könne auch leichte Haus- und Gartenarbeiten verrichten. Alkohol trinke er seit vier Jahren nicht mehr. Im Ergebnis der Begutachtung hätten sich mäßiggradige Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sowie endgradige Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke links betont feststellen lassen. Sie seien röntgenologisch objektivierbar. Weitere nennenswerte Funktionseinschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sowie neurologische Ausfallerscheinungen hätten nicht vorgelegen. Eine Schwäche der allgemeinen körperlichen sowie der geistigen Kräfte habe sich nicht feststellen lassen. Der Kläger sei in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im zeitweiligen Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig (acht Stunden täglich) zu verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule, schwerere Hebe- und Trageleistungen, Hock- und Bückverrichtungen, kniende und hockende Bewegungsabläufe, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Kälte-, Nässe-, Zuglufteinwirkungen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten. Die Tätigkeiten könnten im Wechselschichtsystem ausgeführt werden. Es könne eine normale Arbeitsleistung bei Einhaltung der üblichen Ruhepausen erbracht werden. Zusätzliche Ruhepausen seien nicht erforderlich. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Er sei auch in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht geklärt.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des Senats vorgelegen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung ist unbegründet.

28

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

29

Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außer Stande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

30

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass er seit Rentenantragstellung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

31

Dabei liegt dieser Feststellung folgendes Leistungsbild zugrunde: Der Kläger kann noch leichte körperliche Tätigkeiten im zeitweiligen Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig (acht Stunden täglich) verrichten. Zu vermeiden sind Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule, schwerere Hebe- und Trageleistungen, Hock- und Bückverrichtungen, kniende und hockende Bewegungsabläufe, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Kälte-, Nässe-, Zuglufteinwirkungen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten.

32

Dieses Leistungsbild ergibt sich insbesondere aus den überzeugenden Feststellungen in dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. F. vom 3. Mai 2012 und in dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. P. vom 25. Januar 2017.

33

Der Kläger leidet an orthopädischen Beschwerden, die aber nicht so schwerwiegend sind, dass sie einer leichten vollschichtigen Tätigkeit entgegenstehen. Bei der Begutachtung durch Dr. P. haben sich mäßiggradige Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule sowie endgradige Funktionseinschränkungen beider Hüftgelenke links betont gezeigt. Diese sind auch röntgenologisch objektivierbar gewesen. Weitere nennenswerte Funktionseinschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sowie neurologische Ausfallerscheinungen haben aber nicht vorgelegen. Eine Schwäche der allgemeinen körperlichen sowie der geistigen Kräfte hat Dr. P. nicht feststellen können. Der erhöhte Bierkonsum des Klägers hat im September 2013 zu einem einmaligen stationären Aufenthalt im Fachklinikum U. geführt. Unter der dortigen medikamentösen Behandlung ist es zu einem komplikationslosen Abklingen der Entzugssymptomatik gekommen. Der Alkoholkonsum hat noch nicht zu schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen mit der Folge einer eingeschränkten beruflichen Leistungsfähigkeit geführt. Auch Dr. N. hat in seinem Bericht vom 9. Juni 2016 keinen schwerwiegenden psychischen Befund mitgeteilt. Er hat den Kläger - ebenso wie die Ärzte in U. - als wenig kooperativ erlebt. Bezeichnenderweise hat es bei ihm auch nur zwei Konsultationen (am 15. April und 21. Mai 2015) gegeben. Die den Kläger behandelnde Dr. L. hat in ihrem Befundbericht für das Sozialgericht vom 15. Mai 2014 in Übereinstimmung mit den orthopädischen Gutachtern Dr. F. und Dr. P. erklärt, der Kläger könne im Wechsel der Haltungsarten (sitzend, gehend und stehend) mindestens noch sechs Stunden täglich arbeiten. In ihrem Bericht vom 3. Februar 2016 hat sie lediglich darauf hinweisen können, dass der Kläger seit einem Jahr nicht mehr in ihrer Sprechstunde gewesen sei. Dies passt ins Bild des Klägers, der sich von den Ärzten keine Linderung seiner Beschwerden mehr verspricht und auf die für ihn im Zusammenhang mit den Behandlungen entstehenden Kosten hingewiesen hat. Aus Sicht des Senats resultiert die fehlende Behandlungsmotivation aber vielmehr daraus, dass - wie Dr. P. in seinem Gutachten festgehalten hat - eine Schwäche der allgemeinen körperlichen sowie der geistigen Kräfte gar nicht festzustellen ist.

34

Bei dem Kläger liegt auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 33 f.; vgl. zur Anwendung dieser Rechtsprechung z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris). Das Leistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für körperlich leichte ungelernte Tätigkeiten, wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen, Reinigungsarbeiten, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, aus.

35

Bei dem Kläger besteht darüber hinaus kein Katalog- oder Seltenheitsfall, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Die medizinischen Ermittlungen haben keinen belastbaren Hinweis auf eine dermaßen eingeschränkte Wegefähigkeit ergeben, dass der Kläger die genannte Anforderung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bewältigen könnte. Dr. P. hat erklärt, die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Er sei auch in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Dr. L. hat in ihrem Befundbericht vom 15. Mai 2014 insoweit ebenfalls keine Einschränkungen mitgeteilt, sondern ausgeführt, der Kläger sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in einer Zeit von jeweils unter 20 Minuten zurückzulegen.

36

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

37

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf eine solche Rente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger ist vor dem maßgebenden Stichtag geboren, aber nicht berufsunfähig.

38

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).

39

Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgebend. Wenn er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss also mit dem Ziel verrichtet werden, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. Nazarek in JurisPraxiskommentar SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 240 RdNr. 35 m.w.N.).

40

Der Senat hat unter Berücksichtigung dieser Grundsätze auf die bis Dezember 2010 im Bereich der H.er Stadtentwässerung ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als "Vorarbeiter" abzustellen. Diese Tätigkeit mit körperlich schweren Arbeiten (Montage von Abwasserschächten sowie Verlegung von Abwasser- und Hausanschlussleitungen) kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Ein insoweit nicht ausreichendes Leistungsvermögen ist bereits dem Gutachten von Dr. F. vom 3. Mai 2012 zu entnehmen. Dieser ist zu der plausiblen Einschätzung gelangt, dass der Kläger als Rohrleitungsbauer nicht mehr leistungsfähig ist.

41

Die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit im Bereich der H.er Stadtentwässerung begründet indes für ihn keinen Berufsschutz, da er der Ebene der Angelernten im unteren Bereich im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG zuzuordnen ist.

42

Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten oder ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Bei den angelernten Arbeitern ist weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (sog. untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Demgegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (sog. obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen (vgl. hierzu Nazarek, a.a.O., § 240 RdNr. 94 ff. m.w.N.).

43

Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Instandhaltungsmechaniker und zusätzlich über einen berufsbegleitend erworbenen Abschluss als "Facharbeiter für geologische Bohrungen". Diese Abschlüsse haben jedoch keinen direkten Bezug zu der Tätigkeit bei der Firma O., bei der es um die Montage von Abwasserschächten sowie die Verlegung von Abwasser- und Hausanschlussleitungen ging. Dies belegt auch die Arbeitgeberauskunft der Firma O. vom 8. März 2012. Danach ist die damalige Tätigkeit des Klägers im Allgemeinen von Arbeitnehmern verrichtet worden, die eine betriebliche Anlernung von zwölf Monaten erfahren haben. Die gleiche Anlernzeit wäre aber auch bei einem Arbeitnehmer ohne Vorkenntnisse erforderlich gewesen. Dementsprechend hat die Firma O. in der Arbeitgeberauskunft mitgeteilt, der Kläger habe bei der Anlernung keine Vorkenntnisse verwerten können.

44

Der vom Kläger im Berufungsverfahren - unvollständig - eingereichte TV Mindestlohn und die von ihm in Bezug genommene Einstufung in die Lohngruppe 1 bestätigen, dass er der Ebene der Angelernten im unteren Bereich im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG zuzuordnen ist. Denn die Lohngruppe 1 mit dem Tariflohn 10,48 EUR beinhaltet "einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung" sowie "einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten nach Anweisung". In Bezug auf die erforderliche Regelqualifikation ist "keine" angegeben. Der Kläger hatte auch keine Aufgaben mit herausgehobener Verantwortung zu verrichten. Die Bezeichnung "Vorabeiter" allein rechtfertigt eine solche Schlussfolgerung nicht. Denn im Ergebnis sind alle Arbeiter der Kolonne nach Anweisung tätig geworden, nämlich der von der H.er Stadtentwässerung vorgegebenen Aufgabenstellung, die der Kläger als Ansprechpartner für diese an die Mitglieder der Kolonne weitergegeben hat. Dass er gegenüber mehreren Mitarbeitern, darunter auch Facharbeitern, weisungsbefugt gewesen sei, wie er behauptet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Weisungsbefugnis berechtigt nicht zwingend zur Einstufung mindestens in die Gruppe der oberen Angelernten. Denn es kommt auch auf die Art der Weisungsbefugnis und den jeweiligen Spielraum des Weisungsgebers an. Dieser Spielraum dürfte im Falle des Klägers als Kolonnenführer sehr gering gewesen sein, zumal er auch selbst körperlich mitgearbeitet hat. Dass seine Kollegen teilweise ebenfalls Facharbeiter gewesen seien, wie er vorgetragen hat, fällt ebenfalls nicht ins Gewicht, weil sie in ihrer Tätigkeit bei der Firma O. - wie der Kläger selbst auch - jedenfalls nicht als Facharbeiter entsprechend einer von ihnen abgeschlossenen Ausbildung eingesetzt und entlohnt worden sind.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

46

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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published on 19/10/2011 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. September 2009 aufgehoben.
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Annotations

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.