Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 14. März 2006 - L 4 KA 3/04

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2006:0314.L4KA3.04.0A
14.03.2006

Tenor

Der Streitwert wird für das Klageverfahren und für das Berufungsverfahren jeweils auf 94.488,00 € festgesetzt.

Gründe

1

In dem Klage- und dem sich anschließenden Berufungsverfahren hat sich der Kläger gegen die Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen der Vollendung seines 68. Lebensjahres gewandt. Er hat sinngemäß beantragt, unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide festzustellen, dass seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung über den 31. Dezember 2001 hinaus fortbestanden hat und fortbesteht.

2

Klage- und Berufungsverfahren sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 17. Dezember 2003 und Urteil des Senats vom 31. Januar 2006).

3

Rechtsgrundlage für die Streitwertfestsetzung ist § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 1 Abs. 1 Buchst. d, § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 des hier noch anwendbaren GKG a. F. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Abgestellt wird dabei auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der angestrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen.

4

Das Begehren des Klägers war sinngemäß darauf gerichtet, weiter vertragsärztlich tätig sein zu können und aus der vertragsärztlichen Tätigkeit Honorareinnahmen zu erzielen.

5

In vertragsärztlichen Zulassungsverfahren wird das wirtschaftliche Interesse in der Regel durch die Höhe der Einnahmen bestimmt, die der Arzt im Falle der Zulassung bzw. der Weiterführung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit erzielen kann, wobei die erzielbaren Einkünfte um die durchschnittlichen Praxiskosten der jeweiligen Arztgruppe zu vermindern sind.

6

Für die Bestimmung der Höhe der Honorareinnahmen ist auf einen Dreijahreszeitraum abzustellen (siehe BSG, Beschluss vom 1. September 2005 - B 6 KA 41/04 R -, zitiert nach juris; Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2005 - L 4 B 198/05 KA ER -).

7

Für die Bestimmung der angestrebten Honorareinnahmen legt der Senat das Zahlenmaterial zu Grunde, das die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein mit ihrem Schriftsatz vom 27. Februar 2006 mitgeteilt hat, nämlich die in den letzten drei Jahren seiner vertragsärztlichen Zulassung erwirtschafteten Honorare des Klägers. Der Kläger hat danach in den letzten drei Jahren seiner vertragsärztlichen Tätigkeit Honorareinnahmen erzielt in Höhe von 209.973,00 €.

8

Von diesem Betrag sind die durchschnittlichen Praxiskosten abzuziehen, die nach den sog. "Grunddaten 2001" bei den Ärzten für Allgemeinmedizin/den praktischen Ärzten 55 % betragen haben. Dies ergibt einen Abzugsbetrag von 115.485,15 €.

9

Damit würde dem Kläger von den angestrebten Honorareinnahmen in einem Dreijahreszeitraum von 209.973,00 € ein Betrag von 94.487,85 €, aufgerundet 94.488,00 € verbleiben.

10

Dieser Wert entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers in dem Klage- und dem Berufungsverfahren.

11

Der Senat hat den Streitwert auch festgesetzt für das Klageverfahren in sinngemäßer Anwendung der Abänderungsbefugnis nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F.

12

Das Sozialgericht hat selbst den Streitwert für das Klageverfahren nicht durch einen förmlichen Beschluss festgesetzt.

13

In einer derartigen Situation vertritt die Kommentarliteratur überwiegend die Auffassung, dass das Rechtsmittelgericht über den Streitwert für das erstinstanzliche Klageverfahren nicht entscheiden kann (siehe Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, § 63 GKG Rdn. 35; Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz, 5. Aufl. 2003, § 25 Rdn. 15; Madert in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Aufl. 2004, § 32 Rdn. 80). Das Gericht des höheren Rechtszuges könne den Wert für den niedrigeren Rechtszug nicht erstmals festsetzen; es könne nur eine bereits erfolgte Festsetzung der unteren Instanz abändern.

14

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht; er folgt vielmehr der Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (Beschluss vom 24. April 2002 - 13 U 150/00 -, zitiert nach juris). Das Gericht des höheren Rechtszuges könne den Streitwert in analoger Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG auch erstmalig für den niedrigeren Rechtszug festsetzen. Wenn das Berufungsgericht eine erstinstanzliche Festsetzung abändern könne, müsse es erst recht befugt sein, eine solche Festsetzung zu ersetzen. In der weiteren Begründung stützt sich das Oberlandesgericht Celle auf praktische Gesichtspunkte (im gleichen Sinne wie das Oberlandesgericht Celle auch Drischler/Oestreich/Heun/Haupt, Gerichtskostengesetz, 4. Aufl. 1986, Streitwert VIII F, S. 9: Bei sinnvoller Auslegung des § 25 GKG müsse das Rechtsmittelgericht aus praktischen Gründen für befugt erachtet werden, mit der Festsetzung des Streitwerts für das Rechtsmittelverfahren zugleich auch den Streitwert der unteren Instanz festzusetzen).

15

Eine erstmalige Festsetzung des Streitwertes für das Klageverfahren jetzt durch den Senat liegt hier um so näher, als der Gerichtsakte zu entnehmen ist, welcher Wert für das Sozialgericht maßgebend war. Nach der Aktennotiz vom März 2002 (Bl. 42 GA) ist das Sozialgericht von einem Wert von 4.000,00 € mit dem zusätzlichen Hinweis "Regelstreitwert" ausgegangen. Damit war ersichtlich der Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F. gemeint. Auf der Basis eines Wertes von 4.000,00 € ist dann auch der Kostenansatz gegenüber dem Kläger mit zu zahlenden Kosten von 367,50 € erfolgt.

16

Wenn das Sozialgericht den Streitwert mit 4.000,00 € in einem förmlichen Beschluss festgesetzt hätte, wäre dieser Streitwert vom Senat im Rahmen der Abänderungsbefugnis nach § 25 Abs. 2 GKG a. F. abzuändern, weil die Wertbestimmung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. vorzunehmen gewesen wäre, denn mit dem Klageverfahren hat der Kläger unzweifelhaft ein wirtschaftliches Interesse verfolgt; deshalb wäre kein Raum gewesen für die Festsetzung des Streitwertes nach dem Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F.

17

Die vom Oberlandesgericht Celle beschriebenen praktischen Gründe sprechen hier für eine entsprechende Anwendung der Abänderungsbefugnis nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F., weil andernfalls - nach dem inzwischen abgeschlossenen Berufungsverfahren - das Sozialgericht sich wieder erneut mit dem Rechtsstreit befassen müsste.

18

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 13 Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung


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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Über den Antrag auf Eröffnung des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr und der Auslagen für die öffentliche Bekanntmachung entschieden werden.

Die Kosten des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung schuldet, wer das Verfahren beantragt hat.

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Die Kosten des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung schuldet, wer das Verfahren beantragt hat.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.