Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 26. Jan. 2009 - L 1 SK 20/08

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2009:0126.L1SK20.08.0A
bei uns veröffentlicht am26.01.2009

Tenor

Die Vergütung der Antragstellerin wird auf 39,45 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Antragstellerin ist Ärztin für Allgemeinmedizin. Sie erstattete im Verfahren L 2 SB 50/07 in freier Form den Behandlungs- und Befundbericht vom 26. September 2008. Der Text des Berichts umfasste eine Seite mit engem Zeilenabstand und kleinem Schrifttyp. Nach kurzem Eingehen auf die Vorgeschichte berichtete die Antragstellerin über drei Beschwerdekomplexe, die in 14 Monaten von ihr behandelt worden waren. Dem Bericht beigefügt waren ein Verordnungsplan und ein PC-Ausdruck über Behandlungstermine und die jeweils gestellten Diagnosen. Die Antragstellerin bezifferte in der Kostenrechnung vom 29. September 2008 ihren Zeitaufwand mit einer Stunde und liquidierte hierfür 75,00 EUR.

2

Die Kostenbeamtin des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts gestand der Antragstellerin für den Bericht 21,00 EUR sowie 4,45 EUR für Kopien und Porto zu (Festsetzung vom 3. November 2008). Hiermit war die Antragstellerin nicht einverstanden und beantragte richterliche Festsetzung: Sie behandele die Klägerin zwar erst seit 1 1/2 Jahren, habe aber für den Bericht einen großen Aktenbestand durcharbeiten müssen. Damit habe sie mehr als eine Stunde zugebracht.

3

Nachdem sich der Kostenprüfungsbeamte des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts am 9. Dezember 2008 zustimmend zu der bisherigen Festsetzung geäußert hatte, betonte die Antragstellerin am 21. Dezember 2008 nochmals, dass sie sich unterbezahlt fühle. Die Klägerin habe eine komplizierte Krankheitsvorgeschichte, der man gerecht werden müsse.

4

Auf die Akte L 1 SK 20/08 und den weiteren Inhalt der gewechselten Schriftsätze wird verwiesen.

5

Die Antragstellerin ist mit 39,45 EUR zu vergüten.

6

Nach § 10 JVEG in Verbindung mit der Anlage 2 zu dieser Vorschrift sind ein Befundschein oder eine schriftliche Auskunft ohne nähere gutachtliche Äußerung mit 21,00 EUR zu vergüten, es sei denn, der Bericht ist ungewöhnlich umfangreich. Dann beträgt das Honorar bis zu 44,00 EUR (Nr. 200, 201). Nach der Systematik dieser Vorschriften setzt eine Vergütung von mehr als 21,00 EUR also einen Aufwand voraus, der das gewöhnliche Maß erheblich überschreitet. Einem extrem umfangreichen Bericht ist die Höchstvergütung von 44,00 EUR vorbehalten. Höhere Honorare sieht das Gesetz in den Fällen der Nr. 200 und 201 nicht vor.

7

Vorliegend ist der Bericht als außergewöhnlich umfangreich zu bezeichnen. Der Begriff „umfangreich“ ist nicht nur nach der Zeilen- oder Seitenzahl zu bestimmen. Da es in § 10 JVEG und der Anlage 2 um die Vergütung von Leistungen geht, kommt es auf das Ausmaß der Arbeit an, die der Arzt mit der Berichterstattung hat. Diese Arbeit ist von Fall zu Fall verschieden. Die Rechtsprechung hat aber Kriterien entwickelt, anhand derer der Arbeitsaufwand bestimmt werden kann. Solche Kriterien sind die Ausführlichkeit der Beschreibungen und die Schwierigkeit, die berichtenswerten Befunde zusammenzustellen. Diese Arbeiten können mit einem besonders hohen Zeitaufwand verbunden sein, wenn z. B. fachübergreifend eine Vielzahl eigener oder fremder Befunde zusammenzufassen sind. Insbesondere gilt das auch für die Auswertung fremder Arztbriefe und auf medizinischen Gebieten, in denen regelmäßig eine große Zahl technischer Befunde oder Funktionsdiagramme anfallen. Ebenso kann es einen erhöhten Aufwand bedeuten, wenn ein komplexes wechselhaftes Krankheitsbild über Jahre hinweg aus schwer überschaubaren Unterlagen darzustellen ist (Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2000, L 1 SF 5/98 SK; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2003, L 10 SB 71/02). Schließlich kann auch die straffe und übersichtliche Darstellung der Befunde und Aussagen eine zeitintensive Arbeit glaubhaft machen.

8

An diesen Kriterien gemessen überschreitet der erkennbare Aufwand das Maß des Gewöhnlichen. Die Antragstellerin befasst sich zunächst mit der langen Krankheitsvorgeschichte der Klägerin. Sie arbeitet dann die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet heraus und beschreibt plastisch die daraus resultierenden Gangstörungen, die ihr beim Betreten und Verlassen der Praxis aufgefallen sind. Im zweiten Beschwerdekomplex geht die Antragstellerin auf neurologisch-psychiatrische Störungen ein, wofür sie erkennbar auch die lange Krankheitsvorgeschichte ausgewertet hat. Schließlich befasst sie sich mit den Herz- und Kreislaufbeschwerden der Klägerin als dem dritten Beschwerdekomplex. Hierzu lagen der Antragstellerin Facharztbriefe eines Kardiologen vor, der vor der eigenen Behandlung durch die Antragstellerin herangezogen worden war. Die Antragstellerin hat insgesamt sehr übersichtlich und straff ihren Bericht gegliedert und Fremdbefunde sowie die Krankheitsakten ausgewertet, die vor der eigenen Behandlungsübernahme entstanden waren. Abgerundet hat sie ihren Bericht durch einen Verordnungsplan und einen PC-Ausdruck über Diagnosen und Behandlungsdaten. Dass die Antragstellerin für ihren straff gegliederten Bericht insgesamt eine Stunde gebraucht hat, wie sie es in der Kostenrechnung vom 29. September 2008 angegeben hat, ist glaubhaft.

9

Andererseits hat die Antragstellerin aber nicht dargelegt, dass sie in größerem Umfang technische oder Laborwerte oder Funktionsdiagramme berücksichtigen musste. Sie hat auch nur über 14 Monate berichtet und auf einen zwar langen aber nicht schwer überblickbaren Krankheitsverlauf hingewiesen.

10

In der Abwägung, dass es durchaus noch umfangreichere Darstellungen, schwierigere Krankheitsbilder und Behandlungen über noch längere Zeiträume gibt und dass hierfür der Höchstsatz von 44,00 EUR reserviert bleiben muss, hält der Senat eine Vergütung von 35,00 EUR für angemessen. Mit der nicht zu beanstandenden Festsetzung für Kopien und Porto ist die Antragstellerin daher mit 39,45 EUR zu vergüten.

11

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Abs. 8 JVEG).

12

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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(1) Soweit ein Sachverständiger oder ein sachverständiger Zeuge Leistungen erbringt, die in der Anlage 2 bezeichnet sind, bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung nach dieser Anlage. § 9 Absatz 6 gilt mit der Maßgabe, dass sich das Honorar des Sachverständigen oder die Entschädigung des sachverständigen Zeugen um 20 Prozent erhöht, wenn die Leistung zu mindestens 80 Prozent zwischen 23 und 6 Uhr oder an Sonn- oder Feiertagen erbracht wird.

(2) Für Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte) bezeichneten Art bemisst sich das Honorar in entsprechender Anwendung dieses Gebührenverzeichnisses nach dem 1,3fachen Gebührensatz. § 4 Absatz 2 Satz 1, Absatz 2a Satz 1, Absatz 3 und 4 Satz 1 und § 10 der Gebührenordnung für Ärzte gelten entsprechend; im Übrigen bleiben die §§ 7 und 12 unberührt.

(3) Soweit für die Erbringung einer Leistung nach Absatz 1 oder Absatz 2 zusätzliche Zeit erforderlich ist, beträgt das Honorar für jede Stunde der zusätzlichen Zeit 80 Euro.

(1) Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses erfolgt durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Eine Festsetzung der Vergütung ist in der Regel insbesondere dann als angemessen anzusehen, wenn ein Wegfall oder eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 8a Absatz 1 oder 2 Satz 1 in Betracht kommt. Zuständig ist

1.
das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist, bei dem er als ehrenamtlicher Richter mitgewirkt hat oder bei dem der Ausschuss im Sinne des § 1 Abs. 4 gebildet ist;
2.
das Gericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, wenn die Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht;
3.
das Landgericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, die für das Ermittlungsverfahren zuständig wäre, wenn die Heranziehung in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch die Finanzbehörde oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht;
4.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat, wenn die Heranziehung durch den Gerichtsvollzieher erfolgt ist, abweichend davon im Verfahren der Zwangsvollstreckung das Vollstreckungsgericht.

(2) Ist die Heranziehung durch die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren erfolgt, werden die zu gewährende Vergütung oder Entschädigung und der Vorschuss durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn der Berechtigte gerichtliche Entscheidung gegen die Festsetzung durch die Verwaltungsbehörde beantragt. Für das Verfahren gilt § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können der Berechtige und die Staatskasse Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 4 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(6) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(7) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(9) Die Beschlüsse nach den Absätzen 1, 2, 4 und 5 wirken nicht zu Lasten des Kostenschuldners.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.