Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 28. Sept. 2011 - L 4 SF 34/11 AB

bei uns veröffentlicht am28.09.2011

Tenor

Der Antrag, die ehrenamtliche Richterin ... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt mit der am 11. Februar 2009 bei dem Sozialgericht (SG) Rostock erhobenen Klage von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

2

In dem Verhandlungstermin vom 15. Juni 2011 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die ehrenamtliche Richterin ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung zu Protokoll erklärt, dass er derzeit für eine andere Prozesspartei einen Rechtsstreit in einer Sozialhilfeangelegenheit nach dem SGB XII gegen das Rechtsamt B. führe, bei dem die ehrenamtliche Richterin ... als Mitarbeiterin des Rechtsamtes beschäftigt sei.

3

Mit Schreiben vom 20. Juni 2011 hat die Beklagte ausgeführt, dass in Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit ein Erstattungsanspruch nach §§ 103 f. SGB X des Jobcenters Landkreis B., Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit R. und des Landkreises B. – GbR –, vorliege.

4

In ihrer Stellungnahme vom 05. September 2011 hat die abgelehnte ehrenamtliche Richterin bestätigt, dass sie als Juristin im Rechtsamt des Landkreises B. tätig sei und diesen auch vor dem SG vertrete. Die Vertretung vor dem SG beinhalte Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des SGB XII und Asylbewerberleistungen. Für Rechtsstreitigkeiten nach dem SGB II sei sie nicht zuständig. Das Jobcenter des Landkreises B. werde im gerichtlichen Verfahren von eigenen Mitarbeitern vertreten. Der Kläger sei ihr nicht persönlich bekannt. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers sie wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt habe, sei ihr völlig unverständlich. Der vorliegende Rechtsstreit habe mit dem von dem Prozessbevollmächtigten angeführten Rechtsstreit einer anderen Mandantin, der gegen die Stadt R. gerichtet sei und bei dem der Landkreis beigeladen sei, nichts zu tun und habe unterschiedliche Gebiete des Sozialrechts zum Gegenstand.

II.

5

Der Ablehnungsantrag nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 43 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat keinen Erfolg.

6

Nach diesen Vorschriften kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Zur Ablehnung eines Richters ist danach nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Es reicht vielmehr aus, dass vom Standpunkt der Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände objektive Gründe vorliegen, die Anlass geben, an der Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, die nicht auf solchen konkreten Tatsachen beruht, die bei einem vernünftig denkenden Menschen subjektives Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hervorrufen könnte, reicht dagegen zur Ablehnung des Richters nicht aus.

7

Gemessen an diesen Grundsätzen besteht keine Besorgnis der Befangenheit.

8

Der Umstand, dass die ehrenamtliche Richterin ... als Juristin im Rechtsamt eines Landkreises tätig ist und diesen als Beigeladenen in einem sozialgerichtlichen Rechtsstreit nach dem SGB XII vertritt, den der Prozessbevollmächtigte des Klägers für eine andere Prozesspartei führt, ist mangels jeglicher Anhaltspunkte nicht geeignet, aus Sicht eines vernünftig denkenden Menschen ein subjektives Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten ehrenamtlichen Richterin zu begründen.

9

Unabhängig vom vorliegenden Rentenrechtsstreit folgt aus der Beschäftigung eines ehrenamtlichen Richters bei einem Landkreis nach § 17 Abs. 3 SGG lediglich, dass er nicht ehrenamtlicher Richter in der Kammer sein kann, die über Streitigkeiten aus dem Arbeitsgebiet des Landkreises entscheidet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. A., § 17 SGG, Rn. 6). Dies betrifft etwa Rechtsstreitigkeiten nach dem SGB XII, weil zum Aufgabenbereich eines Landkreises - im Gegensatz zum Rentenrecht - das Sozialhilferecht nach dem SGB XII gehört.

10

Ebenso wenig ist die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches durch das Jobcenter des Landkreises Bad Doberan gegenüber der Beklagten geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der Arbeitgeber der ehrenamtlichen Richterin ... ist lediglich als Leistungsträger für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II an dem Jobcenter beteiligt.

11

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 43 Verlust des Ablehnungsrechts


Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 17


(1) Vom Amt des ehrenamtlichen Richters am Sozialgericht ist ausgeschlossen, 1. wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Mo

Referenzen

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

(1) Vom Amt des ehrenamtlichen Richters am Sozialgericht ist ausgeschlossen,

1.
wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wer wegen einer Tat angeklagt ist, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann,
3.
wer das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nicht besitzt.
Personen, die in Vermögensverfall geraten sind, sollen nicht zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden.

(2) Mitglieder der Vorstände von Trägern und Verbänden der Sozialversicherung, der Kassenärztlichen (Kassenzahnärztlichen) Vereinigungen und der Bundesagentur für Arbeit können nicht ehrenamtliche Richter sein. Davon unberührt bleibt die Regelung in Absatz 4.

(3) Die Bediensteten der Träger und Verbände der Sozialversicherung, der Kassenärztlichen (Kassenzahnärztlichen) Vereinigungen, der Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit und der Kreise und kreisfreien Städte können nicht ehrenamtliche Richter in der Kammer sein, die über Streitigkeiten aus ihrem Arbeitsgebiet entscheidet.

(4) Mitglieder der Vorstände sowie leitende Beschäftigte bei den Kranken- und Pflegekassen und ihren Verbänden sowie Geschäftsführer und deren Stellvertreter bei den Kassenärztlichen (Kassenzahnärztlichen) Vereinigungen sind als ehrenamtliche Richter in den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht ausgeschlossen.

(5) Das Amt des ehrenamtlichen Richters am Sozialgericht, der zum ehrenamtlichen Richter in einem höheren Rechtszug der Sozialgerichtsbarkeit berufen wird, endet mit der Berufung in das andere Amt.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.