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Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Versorgungsleistungen gemäß § 1a Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus.
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Der in B. (früher: Jugoslawien, heute: Kroatien) geborene Kläger absolvierte nach dem Schulabschluss im Hinblick auf die angestrebte Ausbildung zum Architekten eine Maurerlehre. 1942 wurde er in Wien zur Waffen-SS eingezogen und dem SS-Totenkopf-Sturmbann (Wachsturmbann) zugewiesen. Diese Einheit hatte die Aufgabe, das in Auschwitz-Birkenau eingerichtete Konzentrationslager (KL) zu bewachen. In Auschwitz durchlief der Kläger zunächst eine sechs Monate dauernde Infanterieausbildung; anschließend versah er den Wachdienst. Er wurde bei Nacht in der so genannten kleinen und am Tage in der großen Postenkette eingesetzt. Dieser Wachdienst wurde von den Wachtürmen aus versehen. Zeitweise führte und bewachte der Kläger auch kleinere Arbeitstrupps im Nahbereich des Lagers Birkenau. Bevor das Lager Birkenau ausgebaut war, wurde er auch mehrmals zum so genannten Rampendienst eingesetzt. Juden aus allen von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten wurden in Eisenbahnzügen nach Auschwitz gebracht. Die Züge hielten auf dem Rollfeld in der Nähe des Stammlagers. Dort ließ man die Menschen auf eine eigens für diesen Zweck gebaute 500 m lange Holzrampe, die im Jahre 1943 durch eine Betonrampe ersetzt wurde, aussteigen. Beim Rampendienst handelte es sich um eine bewaffnete Kompanie des Wachsturmbanns, welche vor dem Eintreffen der Eisenbahnwagen oder, falls der Zug bereits an der Rampe stand, vor dem Aussteigen der in den Waggons befindlichen Menschen, einen Ring bilden musste, um Fluchtversuche der Ankommenden nach dem Aussteigen zu verhindern. Diese Postenkette entfiel ab 1944, als die Transporte auf einer neuen, innerhalb der Lagerumzäunung befindlichen Rampe ankamen.
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Von April bis Oktober 1943 war der Kläger als Mitglied des Wachsturmbanns in dem etwa 20 km vom Lager Birkenau entfernten Waldlager Kobier eingesetzt. In diesem Lager waren etwa 30 bis 40 Häftlinge tätig; anschließend kam er wieder in Auschwitz zum Einsatz. Sein Dienst in Auschwitz endete mit der Räumung des KL im Januar 1945. Zum Zeitpunkt der Räumung des KL befand sich der Kläger allerdings auf einem Kuraufenthalt, aus dem er erst ein paar Tage nach der Räumung zurückkam. Er wurde dann von Auschwitz aus an die Front versetzt und 1945 beim Kampf um Breslau verwundet. Als SS-Rottenführer geriet er in Halle in amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1947 wurde er an Polen ausgeliefert und dort zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
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Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1952 zog er zu seinen in K. lebenden Eltern, nahm ein Hochbau- Studium auf und arbeitete anschließend als Architekt beim in K. Inzwischen ist er pensioniert. Im Januar 2004 bezog er eine monatliche Pension in Höhe von 2.400,- EUR netto. Außerdem verfügte er zum damaligen Zeitpunkt über Mieteinnahmen von ungefähr 400,- EUR monatlich. Seine Ehefrau erhält keine Rentenleistungen.
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Als Schädigungsfolgen nach dem BVG wurden vom Beklagten zunächst mit Bescheid vom 18.11.1952 „Restfolgen nach Unterernährung, Verlust des rechten Auges" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. ab 01.09.1952 anerkannt, ab 01.2.1955 betrug die MdE für die Schädigungsfolgen „Verlust des rechten Auges, reizlose Splitternarben rechte Stirn, rechter Oberarm und linker Unterbauch" 30 v.H. (Bescheid vom 10.12.1954).
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Im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ( ) wegen des Verdachts des Mordes wurde der Kläger am 15.06.1977 vom Hessischen Landeskriminalamt als Beschuldigter vernommen; hinsichtlich seiner damals gemachten Angaben wird auf das vom Kläger handschriftlich unterzeichnete Vernehmungsprotokoll (Bl. 33/38 der § 1 a Akten des Beklagten) verwiesen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main stellte das Verfahren mit Beschluss vom 21.04.1982 (Bl. 39/58) ein.
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Bei einem nach In-Kraft-Treten von § 1a BVG (am 28.01.1998) durchgeführten Datenabgleich mit der Ludwigsburger Zentralen Stelle wurde das Versorgungsamt Freiburg auf das u.a. auch gegen den Kläger geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren .JS./62aufmerksam. Es zog die bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt vorhandenen Akten bei und leitete ein Überprüfungsverfahren nach § 1a BVG ein. Mit Schreiben vom 21.09.1999 teilte dann das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Versorgungsamt K. dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Bescheid vom 18.11.1952 und die Folgebescheide gemäß § 1a BVG mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und dem Kläger somit den gesamten Versorgungsanspruch zu entziehen. In dem Schreiben erläuterte das Versorgungsamt, weshalb es davon ausgehe dass der Kläger während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe. Hierzu äußerte sich der Kläger mit Schreiben vom 09.11.1999. Er machte im Wesentlichen geltend, er sei nach der Besetzung Jugoslawiens durch die Deutsche Wehrmacht zwangsrekrutiert und nach Polen gebracht worden. Die Aufgabe der Wachmannschaft im KL Auschwitz sei nur die Bewachung der Gefangenen gewesen. Der Dienst, ob auf dem Turm, beim Arbeitskommando oder beim Rampendienst habe immer am Lagertor geendet. Zum Lager selbst habe die Wachmannschaft keinen Zutritt gehabt. Nach über 50 Jahren wisse er nur noch, dass „die Ankömmlinge meist in 5er Reihen zum Lagertor begleitet wurden". Die Amerikaner hätten Anfang 1947 erkannt, dass die Wachleute nicht die wahren Kriegsverbrecher gewesen seien und hätten alle Wachleute der im Westen gelegenen KL, die nicht durch persönliche Vorkommnisse belastet gewesen seien, entlassen. Um sich der Wachleute der im Osten gelegenen KL zu entledigen, seien diese an Polen ausgeliefert worden. Auch in Polen sei er nicht persönlich belastet und nur wegen Zugehörigkeit zur SS zu fünf Jahren verurteilt worden. Was die Grundsätze der Menschlichkeit angehe, so könne er als von Kindheit an praktizierender Christ beschwören, dass er als SS-Mann im Krieg niemanden geschlagen, getreten oder umgebracht habe.
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Mit einem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 29.11.1999 traf das Versorgungsamt K. folgende Feststellungen: „Der Bescheid des Versorgungsamts K. vom 18.11.1952 und die Folgebescheide werden gemäß § 1a BVG mit Wirkung für die Zukunft, das ist mit Ablauf des Monats Dezember 1999, aufgehoben. Es wird festgestellt, dass Ihnen Ihre gesamten Versorgungsleistungen, bestehend aus einer Beschädigtengrundrente von derzeit monatlich 220 DM sowie einem Anspruch auf Heilbehandlung für die anerkannten Schädigungsfolgen, mit Ablauf des Monats Dezember 1999 gemäß § 1a BVG entzogen werden; ab dem 01.01.2000 erhalten Sie keine Versorgungsleistungen mehr." Zur Begründung führte das Versorgungsamt u.a. aus, nach dem Ergebnis der Ermittlungen stehe fest, dass der Kläger von Oktober 1942 bis Januar 1945 Wachdienst im KL Auschwitz versehen habe. Dabei sei er insbesondere durch die Teilnahme am „Rampendienst" in das in Auschwitz betriebene Programm zur Massenvernichtung der Häftlinge einbezogen gewesen. Die Postenkette um die Rampe habe dazu gedient, die Ankommenden einzuschüchtern und von Fluchtversuchen abzuhalten und sei damit ein nicht nur unwesentlicher Beitrag zum gesamten Geschehensablauf gewesen. Die Tatsache der im KL Auschwitz betriebenen Massenvernichtung habe dem Kläger nicht verborgen bleiben können. Dennoch habe er in Kauf genommen, durch seine Tätigkeit im Wachdienst und insbesondere beim „Rampendienst" zur Vorbereitung dieses Geschehens beizutragen. Entsprechendes gelte für die rechtswidrige Inhaftierung der Häftlinge und deren Heranziehung zur Zwangsarbeit. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger selbst nicht an Übergriffen auf die Inhaftierten beteiligt gewesen sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger eine Ablösung aus dem Wachdienst im KL angestrebt habe.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit einem am 15.12.1999 beim Versorgungsamt K. eingegangenen Schreiben vom 12.12.1999 Widerspruch ein. Er bezog sich zunächst auf sein Schreiben vom 09.11.1999 und führte ergänzend aus: „In den laufenden politischen Belehrungen in Auschwitz wurden die Juden als die Schuldigen des ganzen Übels hingestellt, und das mit üblen Bemerkungen, deshalb müssten sie vernichtet werden. Das geschah, um die ahnungslosen SS-Männer umzuerziehen. Es wurde uns auch gesagt, dass wir über Auschwitz nichts schreiben dürfen, und dass die Briefe zensiert werden." Weil er in einem Brief an seine Eltern, um diese zu beruhigen, geschrieben habe, dass er auch als SS-Mann an Gott und Jesus Christus glaube und zu ihm bete, sei er nach zwei Tagen zum Kompaniechef gerufen worden. Er sei nicht nur beschimpft worden, sondern ihm sei auch damit gedroht worden, dass er ins SS-Lager Matzkau komme, wenn er noch einmal von Jesus schreibe. Er habe dann nichts mehr über Jesus geschrieben, sei aber bei dem Kompaniechef und den Unteroffizieren in Ungnade gefallen. Nicht nur deshalb habe er von Auschwitz weg wollen. Er habe sich zweimal als Sanitäter zur Front gemeldet, sei aber abgewiesen worden. Ihm sei nach dem zweiten Versuch bedeutet worden, dass er es nicht mehr zu versuchen brauche, von hier komme keiner weg. Die geschilderten Ereignisse hätten zur Folge gehabt, dass er als Letzter befördert worden sei, sodass er nach zweieinhalb Jahren als SS-Sturmmann (Gefreiter) in Gefangenschaft gegangen sei. Und das, obwohl er im theoretischen Unterricht als Vorzeigemann gegolten habe, weil er in Belgrad bereits zwei Jahre Architektur studiert gehabt habe und die Begriffe und Vorgänge am besten habe wiedergeben können. Was die humanitären Möglichkeiten betreffe, so habe man als Wachmann nicht viel tun können. Mit Häftlingen habe man keinen Kontakt aufnehmen dürfen. Da die Wasserstelle ca. 30 m bis 50 m von ihrer Baracke entfernt gewesen sei, hätten sie übriges Brot nicht in den Müll geworfen, sondern abends oder morgens beim Wasser holen auf die in der Nähe stehenden Werkzeugkisten der Häftlinge gelegt, obwohl es verboten gewesen sei, den Häftlingen etwas zu geben. Zu den weiteren Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf das Schreiben des Klägers (Bl. 86/87 der § 1a-Akte) verwiesen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2000 wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es bestätigte die Richtigkeit der vom Versorgungsamt K. getroffenen Entscheidung und wies darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung des § 1a BVG nicht um eine Strafvorschrift handele, sondern um einen Ausschlusstatbestand für Leistungen nach dem BVG. Die vom Kläger vorgebrachten Anmeldungen zu einem Sanitätskurs könnten, selbst wenn sie nachgewiesen wären, kaum als Beleg für den ernsthaften Willen zur Ablösung vom KL-Wachdienst dienen. Auch die sonstigen vom Kläger angegebenen Hilfeleistungen für Häftlinge seien weder nachgewiesen noch wären sie dazu geeignet, das begangene Unrecht als weniger schwer wiegend erscheinen zu lassen.
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Am 13.03.2000 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, bei ihm liege kein Grund vor, die Leistungen nach § 1a BVG zu versagen. Er habe sich nicht freiwillig zur SS gemeldet und auch keine Möglichkeit gehabt, eine Ablösung vom Wachdienst zu erreichen. Den Vorwurf, sich nicht um eine Ablösung vom Wachdienst bemüht zu haben, könne er von jedem anderen Staat erwarten, aber nicht von dem, der ihn zwangsweise eingezogen und mit Eskorte nach Auschwitz gebracht habe, um ihn nach 58 Jahren zu beschuldigen, dort gewesen zu sein. Es werde ihm auch niemand sagen können, wie er sich im dritten und vierten Kriegsjahr diesem Dienst hätte entziehen sollen. Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, sich zum Frontdienst zu melden, wären 90% der Wachmannschaften gegangen. Die einzige Möglichkeit aus Auschwitz wegzukommen, wäre der Freitod gewesen. Dass es ein Auschwitz gegeben habe, habe nicht er zu verantworten. Ein persönliches Fehlverhalten können ihm nicht vorgeworfen werden. Soweit er nach so langer Zeit keine Zeugen mehr benennen kann, müsse ihm für sein entlastendes Vorbringen eine Beweiserleichterung zukommen. Die Rechtsprechung zur Strafbarkeit von DDR-Grenzsoldaten zeige auch, dass kein Grenzsoldat nur wegen der Ausübung des Wachdienstes verurteilt worden sei, sondern nur, wenn in Tötungsabsicht geschossen worden sei.
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Der Beklagte ist der Klage mit dem Hinweis entgegen getreten, dass die Regelung des § 1a BVG kein Strafrecht enthalte. Deshalb komme es auch auf den strafrechtlichen Verschuldensbegriff nicht an. Der Kläger habe die Tatsachen gekannt, aus denen sich die elementare Unmenschlichkeit und Rechtlosigkeit seines Verhalten ergeben habe und er habe den Dienst versehen, ohne den ernsthaften und nachdrücklichen Willen zu einer Veränderung zu zeigen.
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In der mündlichen Verhandlung am 21.01.2004 hat der Kläger angegeben, solange die Rampe außerhalb des Lagers gestanden habe, hätten sie als Wachleute - jeweils eine Kompanie - einen Halbkreis um diese bilden müssen, wenn ein Zug gekommen sei. Er sei einige Male bei diesen Einsätzen dabei gewesen. Da es damals zwei Krematorien gegeben habe, die Tag und Nacht liefen, habe man sich durchaus denken können, dass dort Menschen verbrannt worden sind. Als Soldat könne man nicht sagen, was einem gefällt und wohin man gehen möchte. Die politischen Belehrungen in Auschwitz seien auch immer dahin gegangen, dass es hieß, keiner komme hier weg, der Dienst sei dem Frontdienst gleichgestellt. Es sei eine Illusion zu denken, man hätte sich von Auschwitz weg bewerben können. Er selbst habe sich mehrmals bemüht, einen Sanitätskurs zu belegen. Dies sei ihm immer abgelehnt worden. Er sei nie Augenzeuge von Übergriffen geworden. Vom Hörensagen wisse er aber, dass einmal ein Kamerad seiner Kompanie zusammen mit zwei oder drei anderen belobigt worden sei. Hintergrund sei wohl gewesen, dass sich damals ein Gefangener außerhalb der Postenkette bewegt habe und daraufhin erschossen worden sei. Derartige Vorgänge habe man aber an einer Hand abzählen können. Dies sei äußerst selten vorgekommen. Fluchtversuche seine fast nie vorgekommen.
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Mit Urteil vom 21.04.2004 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG nach Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen u.a. aus, der Kläger habe gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen, weil er durch seinen Wachdienst und seine Einsätze beim sog Rampendienst in das Programm zur Massenvernichtung von Häftlingen eingebunden gewesen sei. Er erfülle auch die subjektiven Voraussetzungen des § 1a BVG. Der Kläger habe gewusst, dass die massenhafte Ermordung von jüdischen Mitmenschen gegen elementare, jeder Rechtsordnung immanente Rechtsgrundsätze verstößt. Die Kammer sei nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich nach allen Kräften bemüht habe, das Unrechtsverhalten zu vermeiden oder einen Ausweg zu finden. Der zweimalige Versuch, einer anderen Einheit zugeordnet zu werden, sei im Hinblick auf die ungeheuerlichen menschenverachtenden Vorgänge in Auschwitz nicht ausreichend gewesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Empfangsbekenntnis am 21.06.2004 zugestellt worden.
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Am 13.07.2004 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das SG habe seine Situation nicht ex tunc, sondern es nunc beurteilt. Er habe das KL Auschwitz nie betreten, sondern sei in dessen Außenbereich als einfacher Waffen-SS-Wachmann eingesetzt gewesen, weil ihm dies befohlen worden sei. Die Situation sei für ihn als zwangsrekrutierten Volksdeutschen jugoslawischer Nationalität angesichts der unkalkulierbaren Bösartigkeit und Brutalität des Nazi-Staates nicht abschätzbar gewesen und er habe mangels besserer ihm damals zur Verfügung stehender Erkenntnisse und Informationen im Falle einer Befehlsverweigerung mit schlimmsten Sanktionen bis hin zur Todesstrafe rechnen müssen. Er habe nie an Selektionen teilgenommen oder solchen auch nur als Zuschauer beigewohnt, denn Selektionen seien innerhalb des Lagers erfolgt, nie außerhalb des Zaunes. Er habe auch nie einen Schuss auf einen Häftling abgegeben, einen Gefangenen getötet, verletzt oder misshandelt und nie in Güterwagen angekommene, von Angehörigen der „schwarzen" SS bewachte Gefangene in das Lager begleitet. Die in Güterwagen transportierten Gefangenen seien auf der Rampe ausgestiegen, gezählt und ohne Mitwirkung der Wachposten direkt an das Lagerpersonal übergeben worden, die es in Fünferreihen in das Lager marschieren ließen. Es sei unzutreffend, dass er die im KL Auschwitz-Birkenau begangenen Verbrechen maßgeblich gefördert habe, er sei nur „ein ganz kleines Rädchen in der großen Unrechtsmaschinerie des Dritten Reiches" gewesen (Schriftsatz vom 15.12.2004) und „selbst … ein Opfer der unmenschlichen und rechtswidrigen Verhältnisse des Dritten Reiches geworden" (Schriftsatz vom 12.07.2004). Im Gegensatz zu vielen Wehrmachtsoldaten habe er nie einen Schuss auf einen Menschen abgegeben und weder einen ausländischen Soldaten noch einen ausländischen Zivilisten oder irgend jemanden getötet oder verletzt. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2005 hat der Kläger einen Ausschnitt der BILD-Zeitung vom 25.01.2005 vorgelegt, in dem ein Interview mit einem ehemaligen Angestellten im KL Auschwitz abgedruckt ist. Der Kläger sieht in den Äußerungen des ehemaligen SS-Mannes einen Beleg für sein Vorbringen, wonach es lebensgefährlich gewesen sei, mehr als nur Versetzungsanträge zu stellen und beruft sich ausdrücklich auf folgende Passage in dem Interview: „Ich stellte einen Versetzungsantrag nach dem anderen. Aber erst im Oktober 1944 hatte ich Erfolg, wurde an die Front an den Ardennen versetzt. Wäre ich vorher desertiert, hätte man mich erschossen." Im Schriftsatz vom 17.06.2005 macht der Kläger auch einen Verstoß gegen Art 3 GG geltend, wenn auf der einen Seite die erzwungene Durchführung eines Wachdienstes außerhalb eines KL zum Rentenverlust führe, die Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Angriff aber selbstverständlich Rentenansprüche nicht tangiere.
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das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Januar 2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 29. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2000 aufzuheben.
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente seien nicht geeignet, die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zu widerlegen. Der Kläger habe damals als Waffen-SS-Wachmann objektiv auch aus damaliger Sicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Durch seine Tätigkeit habe der Kläger dazu beigetragen, dass von April 1943 bis Januar 1945 im Bereich des Lagers Auschwitz-Birkenau Verbrechen an vielen unschuldigen und wehrlosen Menschen hätten verübt werden können. Der Kläger habe als sog Helfer bzw. Helfershelfer die Unrechtstaten maßgeblich mitgefördert. Denn ohne die strengen Bewachungen wären die Unrechtstaten nicht möglich gewesen. Die Bewachung der Gefangenen mit dem auch für den Kläger erkennbaren Ergebnis der Freiheitsberaubung, der Nötigung in Form von Arbeitszwang und der in vielen Fällen anschließenden Tötung habe auch damals gegenüber den Gefangenen eindeutig ein rechtswidriges und unmenschliches Verhalten dargestellt. Die Tätigkeit eines Wachmannes im Bereich eines KL sei nicht vergleichbar mit dem kriegsbedingten Verhalten eines Wehrmachtssoldaten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtskaten erster und zweiter Instanz, die Beschädigten-Akten (B-Akten) und die § 1a BVG-Akten des Beklagten verwiesen.
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