Landgericht München II Beschluss, 18. Sept. 2017 - 6 T 175/17

18.09.2017
vorgehend
Amtsgericht Miesbach, 1 XVII 504/15 (2), 10.11.2016

Gericht

Landgericht München II

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 10.11.2016, Az. 1 XVII 504/15 (2), wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Betroffene leidet an einem ausgeprägten kombinierten hirnorganischem Psychosyndrom.

Am 02.11.2009 hatte sie ihrem Sohn, Luigi V., eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt.

Am 09.11.2015 regte Herr Luigi V. die Einrichtung einer Betreuung an (Bl. 1), da die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, selbst für sich zu sorgen. Nachdem gewisse Unregelmäßigkeiten bezüglich des Kontos der Betroffenen festgestellt wurden, regte die Betreuungsstelle die Anordnung einer Kontrollbetreuung an (Bl. 9); für den Fall des späteren Widerrufs der Vorsorgevollmacht teilte die Betreuungsstelle mit, dass Frau Rotter zur Übernahme einer ehrenamtlichen Betreuung bereit sei. Das Amtsgericht Miesbach ordnete mit Beschluss vom 02.10.2015 eine vorläufige Kontrollbetreuung, zunächst befristet bis 01.06.2016, an, und bestellte Rechtsanwältin K2. zur Kontrollbetreuerin (Bl. 83). Nach Beschwerde des Bevollmächtigten wurde diese Anordnung mit Beschluss der Kammer vom 16.06.2016 bestätigt (Bl. 159). Durch Beschluss vom 05.07.2016 (Bl. 180) ordnete das Amtsgericht Miesbach die endgültige Kontrollbetreuung an für die Aufgabenkreise Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten sowie Widerruf der dem Luigi V. erteilten Vollmacht vom 02.11.2009 an. Die Überprüfungsfrist wurde bis 04.07.2017 gesetzt. Die Betroffene legte gegen diesen Beschluss über ihren Rechtsanwalt Beschwerde ein.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 06.10.2016 (Bl. 221) wurde die Kontrollbetreuung erweitert. Sie umfasste hiernach neben den bisherigen Aufgabenkreisen zudem den Aufgabenkreis Widerruf aller durch Maria V. erteilten Kontovollmachten bzgl. ihrer Konten bei der Hypovereinsbank. Auch gegen diesen Beschluss legte die Betroffene über ihren Rechtsanwalt Beschwerde ein. Am 17.10.2016 hörte die beauftragte Richterin der Kammer die Betroffene deswegen an (Bl. 238). Bei der Anhörung wurde u.a. vereinbart, dass der Rechtsanwalt der Betroffenen die vorliegenden Kontoauszüge und die Kontoauszüge für November und Dezember 2015 der Kontrollbetreuerin zur Verfügung stellt, sowie die Auszüge des Depotkontos.

Mit dem hier angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 10.11.2016 (Bl. 253) wurde die Kontrollbetreuung eingeschränkt: Sie umfasst nunmehr nur noch den Aufgabenkreis Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten.

Mit Schreiben vom 16.11.2016 (Bl. 262) nahm die Betroffene die Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.10.2016 zurück wegen des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses durch die mehrfach erlassenen Beschlüsse und beantragte, dem Amtsgericht Miesbach die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 24.11.2016 (Bl. 264) legte die Kammer die Hälfte der notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auf, da zwar die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung vorlagen, der Rechtspfleger des Amtsgerichts jedoch den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vollmacht nicht hätte anordnen dürfen.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2016, mutmaßlich per Fax eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag (per Post am 16.12.2016), legte die Betroffene über ihren Rechtsanwalt Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.11.2016 ein (Bl. 272). Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Einsetzung der Kontrollbetreuerin keinen ausreichenden Grund habe, dass die Kosten in keinem Verhältnis zu den angeblichen Unkorrektheiten stehen, dass die Einrichtung der Kontrollbetreuung nicht zum Schutz der Interessen der Betroffenen eingerichtet worden sei, sondern mit dem Ziel, ein regelmäßiges Einkommen für die Betreuerin zu schaffen, dass die eine Betreuerin eingesetzt worden sei, die nicht bereit oder in der Lage sei, die Interessen der Betroffenen zu beachten, und dass die Einrichtung der Kontrollbetreuung nicht den wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen, sondern denen der eingesetzten Betreuerin diene. Die vorgeschlagene Betreuerin habe in Kooperation mit dem Landratsamt einen Diebstahl begangen und die gestohlenen Unterlagen bis jetzt nicht wieder zurückgegeben; auch habe die vorgeschlagene Betreuerin ihr Fahrzeug in der Garage der Betroffenen abgestellt. Die Kontrollbetreuerin habe die Vollmacht des Bevollmächtigten der Betroffenen bei der Hypovereinsbank widerrufen und das Konto der Betroffenen ohne vorherige Ankündigung gepfändet.

Das Amtsgericht Miesbach half der Beschwerde mit Beschluss vom 11.01.2017 nicht ab.

Die Betreuungsstelle und die Kontrollbetreuerin nahmen im Beschwerdeverfahren Stellung. Der Anwalt der Betroffenen erbat mit Schreiben vom 25.04.2017 die Übersendung diesbezüglicher Schriftsätze, die am 27.04.2017 erfolgte. Eine ankündigte Stellungnahme ging bis jetzt nicht ein.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere geht die Kammer - nach Vorlage des Telefax-Sendeprotokolls - auch davon aus, dass die Beschwerde fristgerecht eingelegt worden ist.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in dem mit Beschluss vom 10.11.2016 angeordneten Umfang liegen auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch vor:

Eine (Kontroll) Betreuung ist dann einzurichten, wenn der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht besteht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird, z.B. wenn gegen die Redlichkeit oder Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (BGH vom 01.08.2012, XII ZB 438/11).

Dies ist vorliegend zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nach wie vor der Fall.

1. Nach den gutachterlichen Feststellungen des Dr. G2. in dessen Stellungnahme vom 19.5.2016 ist die Betroffene aufgrund eines hirnorganischen Psychosyndroms, möglicherweise darüber hinaus einer beginnenden dementiellen Entwicklung, nicht mehr in der Lage, die Ausübung der Vollmacht zu kontrollieren. An der vorbezeichneten Diagnose hat die Kammer weiterhin keinen Zweifel. Dr. G2. hat bei der Betroffenen ein etwas beschleunigtes, weitschweifiges und sprunghaftes formales Denken festgestellt. Im Antrieb wirke die Betroffene erheblich gesteigert und es fanden sich fragliche paranoide Wahnvorstellungen. Weiter wurden mittelgradige Störungen im Bereich der Merkfähigkeit festgestellt.

Die Fähigkeit zur Bildung eines freien Willens in Bezug auf eine Kontrollbetreuung wird ebenfalls nachvollziehbar als erheblich beeinträchtigt geschildert.

2. Die im Beschluss der Kammer vom 16.06.2016 aufgeführten Verdachtsmomente gegen die Redlichkeit des Bevollmächtigten bestehen fort:

a) Bereits den Beschluss vom 16.06.2016 stützte die Kammer auf folgende Verdachtsmomente gegen den Bevollmächtigten:

Die Betreuerin hat im Schreiben vom 22.2.2016 insgesamt neun Abbuchungen vom Konto der Betroffenen für Tankvorgänge im Zeitraum 01.09.2015 bis 5.10.2015 festgestellt. Auch wenn der Betroffene damit eigene Tankkosten für Besuchszwecke tilgt, kann ein solches Tankvolumen (im September 402,00 €) damit nicht gerechtfertigt werden, sondern steht in einem zweifelsohne näher zu hinterfragendem Zusammenhang mit einer Italienreise. Auch die weiteren Abhebungen im September in Supermärkten und bei Swarovski bedürfen einer Abklärung.

b) Die bei Anordnung der Betreuung festgestellten Unregelmäßigkeiten sind weiterhin nicht aufgeklärt. Nach Angaben der Kontrollbetreuerin besteht beim Bevollmächtigten keine Bereitschaft, mit ihr zusammenzuarbeiten. Insbesondere seien die Konto- und Depotunterlagen der Betroffenen - entgegen der bei der Anhörung am 17.10.2016 erfolgten Zusage - bis jetzt nicht der Kontrollbetreuerin zur Verfügung gestellt worden. Eine durch den Rechtsanwalt der Betroffenen am 25.04.2017 angekündigte Stellungnahme hierzu ist - auch nach Zusendung aller relevanten Schriftstücke am 27.04.2017 - nicht mehr erfolgt.

Der Verdacht des Missbrauchs der Vollmacht durch den Bevollmächtigten steht danach weiterhin im Raum. Der notwendige (vgl. BGH XII ZB 177/15) Versuch, durch den Kontrollbetreuer positiv einzuwirken, ist fehlgeschlagen. Daher war die Fortdauer der Kontrollbetreuung anzuordnen, da andernfalls die Gefahr besteht, dass ein möglicher Missbrauch der Vollmacht nach Beendigung der Kontrollbetreuung fortgesetzt oder wiederaufgenommen wird. Dies könnte für die Betroffene Schäden zur Folge haben, die den Aufwand für die Kontrollbetreuung übersteigen.

c) Die übrigen Einwände der Beschwerde greifen nicht durch: 1) Die für die Kontrollbetreuung anfallenden Kosten hindern die Anordnung der Kontrollbetreuung nicht, selbst wenn die Kosten der im Raum stehenden Unregelmäßigkeiten den Betrag dieser Kosten nicht erreichen. Die Anordnung der Kontrollbetreuung dient auch dem Zweck, eventuellen zukünftigen Schaden für die Betroffene zu vermeiden: Es ist naheliegend, dass es derzeit, bei bestehender Kontrollbetreuung, nicht zu weiteren Unregelmäßigkeiten auf dem Konto der Betroffenen kommt. Zudem kann die Höhe eventueller Unregelmäßigkeiten derzeit nicht nachgeprüft werden, da der Kontrollbetreuerin die Konten- und Depotunterlagen der Betroffenen nicht zur Verfügung gestellt wurden, und der Bevollmächtigte nicht mit ihr zusammenarbeitet.

2) Für den Vorwurf, die Kontrollbetreuerin verfolgte eigene wirtschaftliche Interessen unter Missachtung der Interessen der Betroffenen, gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Widerruf der Ermächtigung des Bevollmächtigten bei der Hypovereinsbank nicht im Interesse der Betroffenen erfolgt wäre; jedenfalls ist ein wirtschaftlicher Nutzen der Kontrollbetreuerin hieraus nicht festzustellen. Auch geht der Vorwurf fehl, die Kontrollbetreuerin habe den Widerruf in Kenntnis der Unwirksamkeit ihrer fehlenden Ermächtigung hierzu erklärt: Mit Beschluss vom 05.07.2016 wurde der Aufgabenkreis „Widerruf der dem Luigi V. erteilten Vollmacht“ aufgenommen. Mit Schreiben vom 30.09.2016 kündigte die Kontrollbetreuerin gegenüber dem Amtsgericht ihre Absicht an, die Girokontovollmacht zu widerrufen. Mit Schreiben vom 11.10.2016 gegenüber der Hypovereinsbank widerrief die Kontrollbetreuerin die Vollmacht. Erst bei der Anhörung am 17.10.2016 äußerte die beauftragte Richterin die Ansicht, dass der Rechtspfleger diesen Aufgabenkreis nicht habe zuweisen können.

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, wenn die Kontrollbetreuerin von ihren gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch macht und Ihre Entgeltansprüche zwangsweise gegen die Betroffene durchsetzt. Vielmehr belegt es eher die Notwendigkeit der Kontrollbetreuung, wenn der Bevollmächtigte sich nicht darum kümmert, dass die Betroffene fällige Vergütungsansprüche begleicht.

Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Auswahl der Kontrollbetreuerin.

3) Zwischen den von der Beschwerde erhobenen Vorwürfen gegen die (durch die Betreuungsstelle) vorgeschlagene Betreuerin, Frau Rotter, wegen eines Diebstahls und des Abstellens ihres Fahrzeugs, und der hier zu entscheidenden Anordnung einer Kontrollbetreuung ist kein Zusammenhang ersichtlich.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten sind nicht gegeben.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - XII ZB 177/15

bei uns veröffentlicht am 14.10.2015

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 27. März 2015 aufgehoben.

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 27. März 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Anordnung einer Kontrollbetreuung.

2

Für die 81-jährige - an Demenz und an einem leichten bis mittelschweren hirnorganischen Psychosyndrom leidende - Betroffene besteht seit dem Jahr 2007 eine bis heute fortgeltende General- und Vorsorgevollmacht zugunsten ihrer Tochter (Beteiligte zu 1). Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin von mehreren Immobilien, die sie von ihrem 2012 verstorbenen Vater - dem Ehemann der Betroffenen - teils geschenkt erhalten und teils als Alleinerbin nach dessen Tod geerbt hatte. Alle Immobilien waren mit einem Nießbrauch zugunsten der Betroffenen belastet. Am 5. Februar 2014 schloss die Beteiligte zu 1 im eigenen Namen und im Namen der Betroffenen eine Abfindungsvereinbarung, wonach die Betroffene gegen Zahlung einer dinglich gesicherten Leibrente in Höhe von monatlich 1.200 € auf den zu ihren Gunsten eingeräumten Nießbrauch an den Immobilien verzichtete.

3

Bereits im September 2013 hatte der Sohn der Betroffenen (Beteiligter zu 2) beim zuständigen Notariat die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene angeregt. Das Notariat hat die Anordnung einer Betreuung nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung der Betroffenen abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht die Entscheidung des Notariats abgeändert und eine Rechtsanwältin (Beteiligte zu 4) zur berufsmäßigen Kontrollbetreuerin mit dem Aufgabenkreis "alle Vermögensangelegenheiten, insbesondere Erbschaftsangelegenheiten" bestellt und die Kontrollbetreuerin "erforderlichenfalls" zum "Widerruf erteilter Vollmachten für diesen Aufgabenkreis" ermächtigt.

4

Mit ihrer im eigenen Namen eingelegten Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 eine Aufhebung der Betreuung erreichen.

II.

5

1. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beteiligte zu 1 beschwerdeberechtigt, d.h. dazu befugt, sich im eigenen Namen mit einem Rechtsmittel gegen die Anordnung der Betreuung für die Betroffene zu wenden. Dies ergibt sich zwar nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Stellung als Vorsorgebevollmächtigte, wohl aber daraus, dass sie als am Verfahren beteiligte Tochter der Betroffenen gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zum Kreis beschwerdeberechtigter Angehöriger gehört (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 14 f.).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

7

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:

8

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung seien nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten gegeben. Die Betroffene sei aufgrund ihrer schwerwiegenden geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit sowie eingeschränkter Urteils- und Kritikfähigkeit sei ihre Geschäftsfähigkeit deutlich eingeschränkt.

9

Zur Geltendmachung der Rechte der Betroffenen gegenüber der Beteiligten zu 1 sei die Einrichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beteiligte zu 1 von ihrer Vollmacht nicht mehr im Interesse der Betroffenen Gebrauch mache. Zwar müsse die von ihrem Ehemann enterbte Betroffene einen etwaigen ergänzenden Pflichtteilsanspruch von der Beteiligten zu 1 nicht zwingend einfordern. Es könne unter Berücksichtigung des Erblasserwillens auch hingenommen werden, dass der Wert des der Betroffenen durch das Vermächtnis ihres Ehemannes eingeräumten Nießbrauchs hinter dem Wert des Pflichtteils zurückbleibe. Um dies beurteilen zu können, müssten aber zunächst der Wert des Nießbrauchs sowie der Wert eines etwaigen Pflichtteilsanspruches nachvollziehbar sein. Die bloße Behauptung der Beteiligten zu 1, der eingeräumte Nießbrauch am Nachlass übersteige sogar den Wert des Pflichtteilsanspruches, reiche hierfür nicht.

10

Vor allem sei schon nach den eigenen Ausführungen der Beteiligten zu 1 zweifelhaft, ob die Abfindungsvereinbarung vom 5. Februar 2014 den wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen gerecht werde. Die Betroffene erhalte als Ersatz für Nutzungen an vier Eigentumswohnungen und einem Einfamilienhaus nur eine Rente von 1.200 €. Nach den Behauptungen des Beteiligten zu 2 seien Mieteinnahmen von insgesamt 4.000 € monatlich erzielbar. Aufgrund der Stellungnahmen der Beteiligten und der vorgelegten Unterlagen (Steuerbescheid, Lichtbilder und Zustandsbeschreibungen) könne nicht nachvollzogen werden, ob die vereinbarte Rente von 1.200 € angemessen sei. Soweit es den Nießbrauch an den zum Nachlass gehörenden Immobilien betreffe, falle zudem auf, dass in dem von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Rechenwerk nicht mit möglichen Einnahmen aus Mietverhältnissen, sondern lediglich mit Zinseinnahmen von 2 % des Nachlasswertes kalkuliert worden sei. Ferner habe weder in der mündlichen Anhörung noch in den folgenden Schriftsätzen eine Klärung der von dem Beteiligten zu 2 erhobenen Vorwürfe erfolgen können, wonach die Beteiligte zu 1 im Zeitraum von April 2012 bis März 2014 der Nießbrauchsberechtigten zustehende Beträge in Höhe von 85.000 € vereinnahmt habe, ohne dass diese der Betroffenen zugeflossen seien. Bei der Beteiligten zu 1 sei im Bereich der Vermögensangelegenheiten ein erheblicher Interessenkonflikt vorhanden. Einerseits sei sie Alleinerbin nach ihrem Vater, andererseits solle sie Ansprüche der Betroffenen - insbesondere Pflichtteilsansprüche - gegen sich selbst prüfen. Dies könne der Geltendmachung berechtigter Ansprüche im Wege stehen und bedürfe aus Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers einer Kontrolle.

11

b) Diese Ausführungen halten den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

12

aa) Nach § 1896 Abs. 1 a BGB darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Daher muss auch vor der Bestellung eines Kontrollbetreuers festgestellt werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB und des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen. Die Feststellungen zum krankheitsbedingten Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschlüsse vom 30. Juli 2014 - XII ZB 107/14 - FamRZ 2014, 1626 Rn. 14 und vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 9 mwN).

13

bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Dezember 2013 ausgeführt, dass die Betroffene "wegen der mangelnden Einsichtsfähigkeit sowie eingeschränkter Urteils- und Kritikfähigkeit" in ihrer "Geschäftsfähigkeit deutlich eingeschränkt" sei. Konzediert der Sachverständige indessen selbst, dass die Betroffene wegen ihrer eben nur "eingeschränkten Geschäftsfähigkeit" möglicherweise für einen gegenständlich abgrenzbaren Kreis von Angelegenheiten noch zu einer freien Willensbestimmung in der Lage ist, konnte das Landgericht auf dessen Gutachten nicht ohne weiteres die Feststellung stützen, dass der Betroffenen die freie Entscheidung gegen die Bestellung eines Kontrollbetreuers nach eigenständiger Abwägung der für und gegen die Kontrolle ihrer Bevollmächtigten durch einen Betreuer sprechenden Gesichtspunkte nicht mehr möglich ist. Auch die weitergehenden Ausführungen des Sachverständigen dazu, dass die Betroffene aufgrund ihrer geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage sei, einen Bevollmächtigten zu kontrollieren, führen insoweit nicht weiter, weil sich hieraus zwar Anhaltspunkte für die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen, nicht aber für den Ausschluss der freien Willensbildung in Bezug auf die Betreuerbestellung entnehmen lassen.

14

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.

15

a) Soweit das Landgericht die Kontrollbetreuerin dazu ermächtigt hat, erforderlichenfalls die zugunsten der Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht für den Bereich der Vermögenssorge zu widerrufen, fehlt es hierfür gegenwärtig an einer Grundlage.

16

aa) Beabsichtigt das Gericht, die Befugnisse eines Betreuers auf den Widerruf erteilter Vorsorgevollmachten zu erstrecken, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Selbst wenn behebbare Mängel bei der Vollmachtsausübung festzustellen sein sollten, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer positiv auf den Bevollmächtigten einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechnungslegung sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - als ultima ratio - verhältnismäßig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - juris Rn. 17 und vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 34 ff.).

17

bb) Gemessen daran mögen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zwar die in tatrichterlicher Verantwortung vorgenommene Beurteilung rechtfertigen, es bestünden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, dass dem Betreuungsbedarf der Betroffenen in Vermögens- und Erbschaftsangelegenheiten durch die Vollmacht nicht Genüge getan wird. Tatsächliche Mängel bei der Vollmachtsausübung sind - wovon das Landgericht selbst ausgeht - aber noch nicht festzustellen, ohne dass sich die Kontrollbetreuerin einen umfassenden Überblick über die vermögensrechtlichen Ansprüche der Betroffenen gegenüber der Beteiligten zu 1 verschafft hat. Bei dieser Sachlage ist die bereits mit der Bestellung der Kontrollbetreuerin verbundene Ermächtigung zum Widerruf der erteilten Vollmacht nicht verhältnismäßig.

18

b) Im Übrigen ist die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose                    Schilling                          Günter

             Botur                          Guhling