Landgericht München I Endurteil, 07. Nov. 2017 - 13 S 6708/17

bei uns veröffentlicht am07.11.2017

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 20.04.2017, Az. 274 C 21792/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 699,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Endurteils wird Bezug genommen.

2. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

3. Die Kammer hat den Beklagten zur Sache angehört. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache im Ergebnis als unbegründet.

1. Ein Kaufvertrag wurde zweifelsohne zwischen den Parteien geschlossen. Das Angebot des Beklagten war eindeutig und annahmefähig.

2. Die Verpflichtung des Beklagten zur Erfüllung des Kaufvertrags ist durch die vom Beklagten unverzüglich erklärte Anfechtung - E-Mail des Beklagten vom 16.06.2016, 19.30 Uhr („Sorry, das war als eine Auktion gedacht! Leider waren Sie schneller, wie ich den Fehler merkte! Ich werde es von meiner Seite Annullieren, da sie die Zeit der geboten haben wie es bearbeitet wurden ist. Gruß ...“ - erloschen (§ 142 BGB). Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung steht dem Kläger daher nicht zu.

Der Beklagte trägt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Anfechtung die Beweislast. Der Beweis ist geführt. Die Kammer ist aufgrund der persönlichen Anhörung des Beklagten überzeugt davon, dass der Beklagte einem zur Anfechtung berechtigenden Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB unterlegen ist. Der Beklagte wollte den Koffer grundsätzlich in der Auktion verkaufen und mit einem Startpreis von 1,00 € die Auktion beginnen. Er wollte die Auktion aber noch gar nicht starten, sondern zunächst nur die Vorschau anschauen. Tatsächlich stellte er die entsprechenden Eingabefelder versehentlich so ein, dass er den Koffer zum Preis von 1,00 € zum Verkauf anbot und er dieses Verkaufsangebot sogleich aktivierte.

Die Kammer hat den Beklagten zur Sache angehört. Die Angaben des Beklagten waren für die Kammer glaubhaft. Wie es zu der zweimaligen Fehleingabe (Verkauf anstelle Auktion, Aktivieren anstelle Vorschau) gekommen ist, konnte der Beklagte zwar nicht erklären, er konnte insoweit nur Vermutungen äußern (Eingabe über Tabulatoren, versehentlich auf Taste gekommen). Das überrascht allerdings nicht und spricht nicht gegen die Behauptung des Beklagten, da sich Eingabefehler bzw. versehentliches Betätigen von Taste in aller Regel der bewussten Wahrnehmung entziehen und von daher nicht erinnert, sondern allenfalls „rekonstruiert“ werden können.

Für die Angaben des Beklagten spricht ganz wesentlich die Tatsache, dass sich der Beklagte bereits in seiner ersten und sehr zeitnahen Reaktion über die Mitteilung des stattgefundenen Verkaufs des Koffers zum Preis von 1,00 € ganz ausdrücklich auf genau diesen Irrtum berufen hat.

Auch in der nachfolgenden vorprozessualen Korrespondenz ist er bei dieser Darstellung geblieben - E-Mail des Beklagten vom 19.06.2016, 00:17 Uhr: „… Da ich mich auf den Irrtumsparagraphen (§ 119 BGB) beziehen werde! … “ und Schreiben des Beklagten vom 08.08.2016 (Anlagen zur Klagebegründung). Es sind für die Kammer keine Anhaltspunkte ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen der Beklagte einen solchen Irrtum vorgeschoben haben sollte.

Es ist für die Kammer auch in hohem Maße plausibel, dass der Beklagte kein Verkaufsangebot für 1,00 € abgeben wollte, was wirtschaftlich gesehen einer Schenkung entsprochen hätte.

Dass der Beklagte ein erfahrener E-Bay Verkäufer ist, spricht nicht gegen seine Angaben. Eingabefehler oder versehentliches Betätigen von Tasten können auch einem erfahrenen EBay Verkäufer unterlaufen.

Die Anfechtung wurde unverzüglich erklärt. Die Erklärung des Beklagten in der oben aufgeführten E-Mail vom 16.06.2016 ist ihrem Inhalt nach als Anfechtungserklärung - Lösung vom Vertrag aufgrund Irrtums - auszulegen.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708, 713 ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Landgericht München I Endurteil, 07. Nov. 2017 - 13 S 6708/17 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen


Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 142 Wirkung der Anfechtung


(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgesc

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(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.