Landgericht München I Endurteil, 10. Mai 2016 - 13 S 13503/15

published on 10/05/2016 00:00
Landgericht München I Endurteil, 10. Mai 2016 - 13 S 13503/15
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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 24.06.2015, Az. 113 C 27219/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.150,57 € festgesetzt.

Tatbestand

I.

1. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Endurteil wird Bezug genommen.

2. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte den erstinstanzlich gestellten Antrag auf Klageabweisung weiter, die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

3. Die Beklagte ist der Auffassung, ein fahrlässiges Verhalten liege nicht vor, da es zum Schadenszeitpunkt dunkel gewesen wie, begleitet von starkem Schneetreiben, so dass der Hinweis auf dem Tankdeckel nicht zu erkennen gewesen sei. Außerdem sei ein Mitverschulden auf Seiten der Klagepartei in Ansatz zu bringen, wegen des angeblichen Hinweises eines Mitarbeiters der Klägerin, dass die beiden Fahrzeuge gleich zu bedienen seien.

4. In der mündlichen Verhandlung am 26.04.2014 wurde die Klägerin persönlich angehört. Insoweit wird auf das Protokoll vom 26.04.2016 Bezug genommen.

Gründe

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 535 Abs. 1 BGB ist begründet. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils Bezug genommen (dort 1. a) und b).

2. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten, §§ 280 Abs. 1, 278 Abs. 1 BGB.

Die im Mietvertrag vereinbarte Haftungsfreistellung deckt den streitgegenständlichen Schaden infolge der Falschbetankung nicht ab. Die Haftungsfreistellung orientiert sich am Leitbild der Kaskoversicherung und umfasst lediglich unfallbedingte Schäden, nicht jedoch Betriebsschäden (Ziffer I Nr. 4 der Allgemeinen Vermietbedingungen: „Brems-, Betriebs-, und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden“). Der durch die Wahl des falschen Kraftstoffs entstandene Motorschaden ist kein Unfallschaden, sondern ein Betriebsschaden, der nicht der vertraglichen Haftungsfreistellung unterfällt (vgl. BGH, Urteil vom 25.06.2003 – IV ZR 322/02).

Die Beklagte haftet daher gemäß § 276 BGB bereits für einfache Fahrlässigkeit. Eine Haftungsprivilegierung auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz ist nicht gegeben. Die Beklagte hat hier jedenfalls fahrlässig gehandelt, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (§ 276 Abs. 2 BGB). Erforderlich ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist (BGH NJW 72, 151; Palandt/Grünenberg, BGB, § 276, Rn. 16). Die Beklagte handelte fahrlässig, indem sie sich nicht des benötigten Kraftstoffes vergewisserte, bevor sie tankte. Die Rechtsprechung geht bei der Betankung eines Leihfahrzeugs mit dem falschen Kraftstoff regelmäßig von einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aus. In Anbetracht der allgemeinen Verbreitung sowohl diesel- als auch benzin-getriebener Personenkraftwagen ist es für jeden Autofahrer eine offenkundig auf der Hand liegende Selbstverständlichkeit sich vor dem Betanken jedenfalls eines fremden, erstmals von ihm benutzten Kraftfahrzeugs zu vergewissern, welches der geeignete Kraftstoff für das Fahrzeug ist. In diesem Sinn handelt es sich bei dem fehlerhaften Betanken eines fremden Fahrzeugs um ein besonders leichtfertiges Vernachlässigen einer naheliegenden, Jedermann einleuchtenden und zumutbaren Sorgfalt. Dies gilt erst recht, wenn auf der Innenseite des Tankdeckels des Fahrzeugs – wie hier – ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis angebracht ist (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 30.03.2006 – 3 A 100/04 = BeckRS 2006, 22507; OVG Koblenz, Beschluss vom 26.02.2004 – 2 A 11982/03 = NVwZ-RR 2004, 366). Das Fahrzeug wurde hier von der Beklagten trotz deutlicher Hinweise sowohl auf dem Tankdeckel aus auch auf dem Tankverschluss mit Benzin statt mit Diesel betankt. Selbst wenn es bei dem Tankvorgang Nacht war und Schneetreiben herrschte bzw. es graupelte – wie die Beklagte in der Anhörung angab – ist angesichts der auffälligen Farbe und Beschriftung des Tankdeckels davon auszugehen, dass die Beklagte die angebrachten Hinweise erkennen hätte können, zumal Tankstellen in der Nacht beleuchtet sind. Es muss als fernliegend angesehen werden, dass die Betankung des Fahrzeugs bei solcher Dunkelheit und schlechtem Wetter überhaupt hätte durchgeführt werden können, die das Erkennen der Hinweise unmöglich gemacht hätte. Denn in diesem Falle ließe sich kaum erklären, wie der richtige Treibstoff überhaupt ausgewählt und in die Tanköffnung getroffen worden sein soll.

Die Beklagte hat in der Verhandlung vor dem Amtsgericht selbst eingeräumt, dass sie sich beim Tanken keine Gedanken gemacht habe.

Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, ihr sei bei Fahrzeugübergabe von einem Mitarbeiter der Klägerin mitgeteilt worden, sie bekäme ein gleichwertiges bzw. gleiches Fahrzeug wie das vorige, es funktioniere genauso wie das andere (so ihre Einlassung in der Anhörung vor der Kammer). Zum einen hat sie selbst eingeräumt eine B-Klasse statt wie zuvor eine A-Klasse bekommen zu haben, so dass ihr bewusst war, dass es sich gerade nicht um das gleiche Fahrzeug handelte. Dass ein Fahrzeug genauso funktioniert bzw. zu bedienen ist wie ein anderes, lässt noch keinen Rückschluss auf die Kraftstoffart zu. An der Funktionsweise des Fahrzeugs ändert sich für den Fahrer nichts dadurch, welchen Kraftstoff er an der Tankstelle auszuwählen hat. Es war die Pflicht der Beklagten als Mieterin eines Fahrzeuges, sich mit der Handhabung und den notwendigen Betriebsmitteln wie die Kraftstoffart des Fahrzeugs vertraut zu machen. Insbesondere hätte sie sich vor dem Tanken des benötigten Kraftstoffes vergewissern müssen. Wie bereits das Amtsgericht dargelegt hat, ist es seine Selbstverständlichkeit, sich vor dem Tankvorgang eines fremden, nur vorübergehend gemieteten Fahrzeugs über den zulässigen Kraftstoff zu informieren bzw. zu vergewissern, dass dass der richtige Kraftstoff getankt wird (vgl. VG Kassel, Urteil vom 08.03.2007 – 1 E 889/06 und OVG Koblenz, Beschluss vom 26.02.2001, a.a.O.).

Auch die von der Beklagten in der Anhörung geschilderte persönliche Situation und die angeblich mangelnde Erfahrung mit Kraftfahrzeugen können den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht ausräumen, da es sich um einen auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteten objektiv- abstrakten Sorgfaltsmaßstab handelt.

3. Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von 1.150,57 € entstanden. Insoweit wird auf diezutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils (dort 1.d) Bezug genommen. Die Berufung wendet sich nicht gegen die Schadenshöhe und die diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts.

4. Ein Mitverschulden der Klagepartei nach § 254 BGB war hier nicht in Ansatz zu bringen. Wie oben ausgeführt war es die Pflicht der Beklagten als Mieterin eines Fahrzeuges, sich mit der Handhabung und den notwendigen Betriebsmitteln wie die Kraftstoffart des Fahrzeugs vertraut zu machen. Die angebliche Aussage eines Mitarbeiters der Klägerin, sie bekomme ein gleichwertiges Fahrzeug wie das vorher angemietete, es funktioniere genauso bzw. sei genauso zu bedienen, lässt wie bereits dargelegt, keinen Rückschluss auf die erforderliche Kraftstoffart zu. Dass ein Fahrzeug genauso funktioniert bzw. zu bedienen ist, besagt keinesfalls, dass auch der gleiche Kraftstoff zu verwenden ist. Jedenfalls entbindet eine solche Aussage die Beklagte als Mieterin nicht, sich vor dem Betanken des benötigten Kraftstoffes zu vergewissern. Tatsächlich hat sie sich jedoch nach eigener Einlassung keine Gedanken mehr gemacht. Über die Betankung wurde auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht konkret gesprochen und sie hat auch nicht behauptet, danach gefragt zu haben. Nachdem sich auf dem Tankdeckel und Tankverschluss eindeutige Hinweise zur Kraftstoffart „Diesel“ befanden, bestand auch keine Veranlassung für die Klagepartei, darauf nochmals ausdrücklich hinzuweisen. Nicht zuletzt aufgrund dieser eindeutigen Hinweise, welche die Beklagte beim Tanken ohne weiteres erkennen können hätte, da sie ja den Tankdeckel zum Tanken abschrauben musste, kommt ein anzurechnendes Mitverschulden nicht in Betracht.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 713 ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall, der keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
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published on 25/06/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 322/02 Verkündet am: 25. Juni 2003 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________
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Annotations

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.