Landgericht Koblenz Beschluss, 16. Nov. 2016 - 2 S 99/15 WEG

ECLI:ECLI:DE:LGKOBLE:2016:1116.2S99.15WEG.0A
bei uns veröffentlicht am16.11.2016

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die am 10.10.2015 eingelegte Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Trier vom 30.09.2015, Az: 5 C 188/15 WEG, gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Im Kosteninteresse wird deshalb dem Verfügungskläger Berufungsrücknahme empfohlen.

3. Der Verfügungskläger erhält Gelegenheit, zum Hinweisbeschluss bis zum 09.12.2016 schriftlich Stellung zu nehmen bzw. die empfohlene Berufungsrücknahme zu erklären.

Gründe

1

Die Voraussetzungen des § 522 II 1 ZPO sind in der vorliegenden Sache erfüllt, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

I.

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Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft … in Trier. Die Verfügungsklägerin ist Sondereigentümerin des Appartements Nr. …, der Antragsgegner ist Sondereigentümer des Appartements Nr. …, das ca. 30 qm groß ist. Die Verfügungsklägerin ist zudem die Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage. Seit der Errichtung der Wohnanlage im Jahre 1983 wurde diese als Studentenwohnanlage betrieben. Die Baugenehmigung enthält die Klausel, dass die Genehmigung ausschließlich für die Nutzung als Studentenwohnheim erteilt wird (Bl. 9 d.A.).

3

ln der Teilungserklärung vom 25.01.1984 ist unter § 7 (Bl. 29 d.A.) die Art der Nutzung geregelt. § 7 lautet wie folgt:

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„1. Jeder Miteigentümer ist berechtigt, seine Wohnung zu Wohnzwecken bzw. Teileigentum gewerblich zu nutzen. Jede Änderung der Art der Nutzung bedarf der Zustimmung des Verwalters. In den ersten 30 Jahre ist eine gewerbliche Nutzung nur mit schriftlicher Zustimmung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, Kultusverwaltung, möglich. Die Bestimmungen der öffentlichen Förderung bei der Vermietung an Studenten sind von jedem Wohnungseigentümer zu beachten. Sie werden vom Verwalter überwacht.
2. …“

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Die ersten 30 Jahre sind am 31.12.2014 um 24.00 Uhr abgelaufen. Der Verfügungsbeklagte hat das in seinem Eigentum stehende Doppelappartement seit dem 13.08.2015 der Stadt Trier zur Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung gestellt. Die Stadt Trier hat weitere zwei Betten in das Appartement verbracht und zunächst vier, seit September 2015 dann nur noch zwei oder drei (die Zahl ist zwischen den Parteien streitig) … Asylbewerber dort untergebracht.

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Die Verfügungsklägerin hat deshalb im Verfahren der einstweiligen Verfügung beantragt,

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1. dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, es mit sofortiger Wirkung zu unterlassen, die in seinem Sondereigentum stehende Wohnung Nr. ... im Studentenwohnheim … Trier, der Stadt Trier oder sonstigen Dritten zum Zwecke der Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung zu stellen und ab sofort ausschließlich an Studenten zu vermieten,

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2. dem Verfügungsbeklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

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Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem angefochtenen Urteil vom 30.09.2015 (Bl. 60 ff. d.A.) zurückgewiesen. Mit ihrer am 10.10.2015 bei Gericht eingegangenen Berufung (Bl. 78 f., 109 ff. d.A.) verfolgt die Verfügungsklägerin ihr ursprüngliches Klageziel weiter. Der Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen (Bl. 129 ff. d.A.).

II.

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Die Berufung der Verfügungsklägerin hat nach derzeitiger Einschätzung der Kammer keine Aussicht auf Erfolg, da es an einem Verfügungsanspruch fehlt.

11

Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten keinen Anspruch auf die begehrte Unterlassung, da die Vereinbarung zwischen dem Verfügungsbeklagten und der Stadt Trier nicht gegen rechtliche Vorgaben verstößt.

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Insbesondere verstößt sie nicht gegen § 15 I WEG i.V.m. § 7 Ziffer 1 der Teilungserklärung vom 25.01.1984. Zwar ist das in § 7 Ziffer 1 der Teilungserklärung erwähnte Erfordernis der Genehmigung des Landes Rheinland-Pfalz für eine gewerbliche Nutzung seit dem 31.12.2014 ausgelaufen, davon unberührt bleibt aber die grundlegende Bestimmung der Teilungserklärung, dass jeder Eigentümer seine Wohnung nur zu Wohnzwecken nutzen darf. Hiergegen verstößt die Vereinbarung des Verfügungsbeklagten mit der Stadt nicht. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2012, Az.: V ZR 72/09 (dort Rn. 13, 16; zit. nach juris) steht die Vermietung einer Eigentumswohnung sogar an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste der in der Teilungserklärung bestimmten Vorgabe der Nutzung zu Wohnzwecken dann nicht entgegen, wenn eine solche Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung des Wohnungseigentums typischerweise zu erwarten ist. Hierbei stellt der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Parallele zur Überlassung einer Eigentumswohnung als Unterkunft für einen laufend wechselnden Kreis von Aus- und Übersiedlern auf (a.a.O. Rn. 16), was entsprechend auch für Asylbewerber zu gelten hat. Die Nutzung der Eigentumswohnung des Verfügungsbeklagten durch die Stadt Trier als Unterkunft für Asylbewerber beeinträchtigt die übrigen Wohnungseigentümer nicht mehr als die eigentlich vorgesehene Nutzung als Studentenwohnung. Denn auch bei einer Vermietung der Wohnung an Studenten ist mit einer deutlich höheren Fluktuation der Bewohner zu rechnen, als bei einer Vermietung z.B. an Familien. Es muss damit in der gesamten Anlage wenigstens im Semesterrhythmus (mithin ca. alle 6 Monate) mit einer Vielzahl an Bewohnerwechseln gerechnet werden. Hinzu kommt, dass es auch Studenten gibt, die während des laufenden Semesters Studien- und Wohnort wechseln. Eine darüber hinausgehende Fluktuation ist zumindest derzeit nicht zu erwarten, da die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Asylverfahren z.B. für Afghanen zum Stichtag 01.03.2016 im Bereich der Aufnahmestelle Trier 1 14,6 Monate betrug und auch die Bearbeitungszeiten von Asylanträgen von Angehörigen anderer Nationen zwischen 5,9 (Mazedonier) und 32,0 (Iraner) Monaten lagen (Antwort der Bundesregierung vom 22.04.2016 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg, Irene Mihalic, Volker Beck [Köln], weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Damit wäre bei einer Unterbringung von Asylanten eher noch mit einer geringeren Fluktuation zu rechnen als bei der eigentlich vorgesehenen Vermietung an Studenten.

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Auch die Belegung mit 2 bis 3 Personen hält sich im Rahmen der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zur zulässigen Belegung von Wohnnutzungsraum bei vorübergehender Unterbringung von Asylbewerbern bzw. Aussiedlern (OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.08.1992, Az.: 8 W 219/92, Rn. 32, 33, zit. nach juris: 2 Personen pro Zimmer bei einer Verbleibdauer von ca. ½ Jahr; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 11.05.1994, Az.: 20 W 216/94, Rn. 4, zit. nach juris: 6 qm pro Person; AG Laufen, Urteil vom 04.02.2016, Az.: 2 C 565/15 WEG, Rn. 16, zit. nach juris: 8 Personen auf 92 qm; Bärmann-Suilmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 13 Rn. 35: 3 Personen pro Zimmer mit Verweildauer von mindestens ½ Jahr; Jennißen-Schultzky, WEG, 4. Auflage 2015, § 15, Rn. 28 [unter Bezugnahme auf das hessische Wohnungsaufsichtsgesetz]: 9 qm pro Person).

14

Allerdings kommt es darauf vorliegend letztlich nicht an, da die Verfügungsklägerin keinen Gestaltungsantrag beispielsweise dahingehend gestellt hat, es dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, sein Sondereigentum Dritten zur Unterbringung von nicht mehr als zwei Asylbewerbern zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist darauf gerichtet, die beschriebene Nutzungsüberlassung dem Verfügungsbeklagten generell zu untersagen und eine generelle Untersagung der Nutzung ist nach den v.g. Ausführungen nicht geboten. Der Verfügungsbeklagte wird allerdings (ggf. durch eine entsprechende Vertragsgestaltung mit der Stadt Trier; vgl. KG, Beschluss vom 10.07.1992, Az.: 24 W 3030/92, Rn. 11, zit. nach juris) zur Vermeidung einer entsprechenden Gestaltungsklage im eigenen Interesse darauf zu achten haben, dass die entsprechenden Vorgaben zur Zahl der Bewohner und zur Verweildauer eingehalten werden.

15

Die streitgegenständliche Gebrauchsüberlassung widerspricht auch nicht § 14 WEG. Soweit der Verfügungskläger insoweit behauptet, es bestehe die Gefahr, dass andere Wohnungseigentümer es dem Verfügungsbeklagten gleichtun könnten, wodurch das Sondereigentum der anderen Wohnungseigentümer erheblich entwertet werde, ist dies rein spekulativ, zumal nicht einmal vorgetragen wurde, dass überhaupt andere Eigentümer ähnliches beabsichtigten wie der Verfügungsbeklagte. Die behauptete Überbelegung mit mehr als 2 Personen würde, die Wahrheit dieser Behauptung unterstellt, auch nicht dazu führen, dass andere Eigentümer mehr Betriebskosten zahlen müssten. Denn der vom Verfügungskläger insoweit in Bezug genommene Wirtschaftsplan (Bl. 40 d.A.) bezieht sich nur auf die monatlich zu erbringenden Betriebskostenvorauszahlungen, deren Höhe von der Art des Appartements (Einzel- oder Doppelappartement bzw. Hausmeisterwohnung) abhängt. Die tatsächlichen Betriebskosten werden mit der Jahresabrechnung in Rechnung gestellt und werden verbrauchsabhängig erhoben, so dass die übrigen Miteigentümer auch nur ihre eigenen Betriebskosten zu zahlen haben. Schließlich behauptet der Verfügungskläger, durch die streitgegenständliche Nutzungsüberlassung verliere die Wohnanlage als Ganzes ihren traditionellen Charakter als Studentenwohnheim, was darüber hinaus auch gegen die Baugenehmigung verstoße. Dies überzeugt ebenfalls nicht. Denn abgesehen davon, dass die Baugenehmigung nicht die Rechte einzelner Wohnungseigentümer untereinander regelt, sondern allein Wirkung gegenüber dem Bauherrn entfaltet, steht der Charakter der Gesamt-Wohnanlage als Studentenwohnheim auch unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen Gebrauchsüberlassung nicht in Frage. Diese Argumentation könnte allein bei einer vollständigen Umwidmung der Gebäudenutzung verfangen; eine solche ist aber weder streitgegenständlich noch könnte sie der Verfügungsbeklagte alleine vornehmen.

16

Mangels Verfügungsanspruch in der Hauptsache kann auch der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg haben.

17

Vor diesem Hintergrund wären die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 97 I ZPO der Verfügungsklägerin aufzuerlegen. Da zudem die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO aufgrund des Einzelfallcharakters der Entscheidung der Kammer nicht vorliegen, empfiehlt die Kammer ihm aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung.

18

Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren entsprechend der von den Parteien nicht bemängelten erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auf 4.000,00 € festzusetzen.

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Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 14 Pflichten des Wohnungseigentümers


(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, 1. die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und2. das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses un

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(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,

1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und
2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.

(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,

1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und
2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.

(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.