Landgericht Kiel Beschluss, 24. Apr. 2013 - 4 T 16/13

ECLI:ECLI:DE:LGKIEL:2013:0424.4T16.13.0A
bei uns veröffentlicht am24.04.2013

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 2. April 2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 26. März 2013 wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag der Gläubigerin vom 27. Februar 2013 auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht deshalb zurückzuweisen, weil das von der Gläubigerin benutzte Formular nicht dem Formularzwang folge.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird dem Amtsgericht übertragen.

Gründe

1

Die Gläubigerin geht aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde gegen den Schuldner vor. Mit Antrag vom 27. Februar 2013, eingegangen beim Vollstreckungsgericht am 1. März 2013, hat die Gläubigerin unter Einzahlung der Gerichtskosten um den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nachgesucht. Für ihren Antrag hat sie das Formular Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) verwendet, welches im konkreten Fall in Schwarz-Weiß gehalten ist. Indessen sieht sowohl die gesetzliche Anlage als auch das vom Bundesministerium der Justiz im Internet zum Download bereitgestellte Formular „Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses insbesondere wegen gewöhnlicher Geldforderungen“ eine farbliche Gestaltung vor. Diese besteht darin, dass gewisse, vom Gläubiger zu bearbeitende, freie Flächen des Formulars hellblau unterlegt sind. Die balkenartige Umrandung des Textes auf Seite 1 des Formulars ist in grüner Farbe gehalten. Der Kasten „vom Gericht auszufüllen“ auf Seite 7 des Formulars ist grün unterlegt. Dieser Formularteil erscheint in der Schwarz-Weiß-Fassung dunkelgrau.

2

Das Vollstreckungsgericht hat die Gläubigerin unter dem 4. März 2013 darauf hingewiesen, dass der Antrag noch nicht vollzogen werden könne, weil das zur Anwendung gekommene Antragsformular nicht farbig sei. Nachdem die Gläubigerin ihren Antrag nicht nachgebessert hat, ist die angefochtene Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ergangen. Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Gläubigerin nicht das gesetzlich vorgesehene Formular benutzt habe. Die Veröffentlichung des Formulars sei farbig erfolgt, so dass auch die Farbgebung als verbindlich angesehen werde. Es gäbe keine eindeutige Aussage, dass die Farbe nicht Pflicht sei.

3

Gegen den am 28. März 2013 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin eingehend beim Vollstreckungsgericht am 5. April 2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wie beantragt zu erlassen.

4

In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 22. April 2013 hat das Vollstreckungsgericht an seiner Auffassung festgehalten, dass der Antrag der Gläubigerin habe zurückgewiesen werden müssen, weil er nicht unter Verwendung eines farbig gestalteten Formulars gestellt worden sei. Der Formzwang erfasse alle Merkmale des vom Gesetzgeber veröffentlichten Formulars. Dazu gehöre auch die Farbgebung. Die Richtigkeit dieser Interpretation ergebe sich insbesondere unter Würdigung der farblichen Gestaltung des Kastens „vom Gericht auszufüllen“ auf Seiten 7 und 8 des Formulars. Es sei davon auszugehen, dass diese Farbgestaltung dazu diene, dem Drittschuldner respektive Arbeitgeber einen deutlichen Hinweis zu geben, der anderenfalls, also ohne farbliche Hervorhebung, überlesen werden könne. Durch die Darstellung in dunkelgrau gehe die Signalwirkung verloren. Im Gegenteil bestehe die Gefahr, dass dieser Teil des Textes unleserlich werde. Da sich diese Passage an den Drittschuldner richte, sei sie nach dem Willen des Gesetzgebers besonders hervorhebungsbedürftig.

5

Auch im Übrigen stelle das von der Gläubigerin benutzte Formular gegenüber dem Gesetzestext eine deutliche Veränderung dar. Mit einem Umfang von elf Seiten unterscheide es sich deutlich von dem amtlichen Formular, welches neun Seiten aufweise. Auf Seite 5 sei der Kasten bezüglich des Anspruchs D um weitere sieben Punkte verlängert worden. Auf Seite 6 befänden sich Kästen, die sich im Originalformular auf Seite 5 befänden. Dadurch verschiebe sich der Kasten betreffend den Anspruch G auf Seite 7, wo er eine ganze Seite in Anspruch nehme. Auch alle weiteren Seiten seien entsprechend nach hinten verschoben. Dies stelle eine deutliche Veränderung des Formulars dar, so dass es auch deshalb nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspreche. Die Intention des Gesetzgebers, das Formular übersichtlich zu halten, werde dadurch verfehlt. Der Charakter des Formulars werde verändert.

6

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses war nicht wegen Verstoßes gegen §§ 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO, 3, 2 Nr. 2 ZVFV zurückzuweisen. Das von der Gläubigerin verwendete Formular genügt den gesetzlichen Anforderungen. Zutreffend ist, dass die Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV mit grünfarbigen Gestaltungsmerkmalen versehen ist und auch das vom Bundesministerium der Justiz zum Download bereitgestellte PDF-Formular in grün gehaltene Merkmale aufweist. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit der Begründung, dass das Papier, auf dem der Antrag fixiert ist, nicht farbig sondern schwarz-weiß ist, zurückzuweisen ist. Der Gesetzgeber hat sich hierzu nicht ausdrücklich erklärt. Aus der Bundesratsdrucksache 326/12 vom 25.05.12 ergibt sich jedoch, dass das Ziel der Einführung des Formularzwangs die Vereinfachung der Bearbeitung entsprechender Anträge war. Auf die Möglichkeit, die Formulare am PC auszufüllen, weist die Begründung ausdrücklich hin. Zur Farbgebung verhält sich die Begründung nicht.

7

Auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz findet sich unter dem Menüpunkt „Fragen und Antworten. Neue Formulare für die Zwangsvollstreckung“ zu Frage Nr. 15, ob das Formular farbig ausgedruckt werden müsse: „Der äußere Aufbau der Formulare und ihr Inhalt werden durch die Veröffentlichung der Rechtsverordnung im Bundesgesetzblatt bestimmt und bringen das vom Bundesjustizministerium Gewollte zum Ausdruck. Die farbigen Elemente der Formulare stellen ein funktionales Gestaltungselement dar. So sind beispielsweise Hinweise grau unterlegt. Den Nutzern der Formulare – gerade auch den nicht professionellen Antragstellern – soll damit eine Hilfe beim Lesen, Verstehen und Ausfüllen gegeben werden. Das Bundesministerium der Justiz kann im Übrigen keine Aussagen zu etwaigen Abweichungen machen, insbesondere nicht dazu, wie die Gerichte im Einzelfall mit Formularen verfahren werden, die im Schwarz-Weiß-Druck eingereicht werden.“

8

Die Verwendung des in Schwarz-Weiß gehaltenen Formulars stellt keinen Verstoß gegen § 829 Abs. 4 ZPO dar. Auch wenn das zur Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses benutzte Formular keine farblichen Merkmale aufweist, so dass die im Gesetzestext farbigen Elemente in Graustufen abgebildet sind, handelt es sich doch um das Originalformular der ZVFV. Die Art der Abbildung ändert daran nichts, genauso, wie eine Schwarz-Weiß-Fotografie das fotografierte Motiv abbildet, obwohl sie keinerlei Farbanteil aufweist. Das Fehlen von Farbe beeinträchtigt die Verwendbarkeit des Formulars nicht. Ziel des Gesetzgebers war die Vereinfachung des Antragsverfahrens. Insbesondere sollte dem Verwender des Formulars das Ausfüllen erleichtert werden. Die Markierungen auf dem Formular tragen dazu bei. Ob sie nun schwarz, grau oder grün sind, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Der entscheidende Anlass für die Einführung einheitlicher Formulare liegt nach der Gesetzesbegründung in der Vorgabe der erforderlichen Angaben zur Begründung des Antrags. Farbige Hervorhebungen können dazu beitragen, dass hier nichts übersehen wird. Ihr Fehlen ist aber ohne Auswirkung, wenn der Antrag seinem übrigen Inhalt nach vollständig ist. Es ist deshalb auch unschädlich, wenn der Kasten auf Seite 7/8 des Formulars „vom Gericht auszufüllen“ nicht grün sondern grau unterlegt ist, falls es sich um einen Schwarz-Weiß-Ausdruck handelt. Eintragungen auf grauem Untergrund sind durchaus sichtbar und leiden nicht an mangelnder Lesbarkeit. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Einführung einheitlicher Formulare Erleichterungen für den Drittschuldner schaffen sollte. Entsprechendes ergibt sich nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren und stimmt auch im Übrigen mit Sinn und Zweck des Formularzwangs nicht überein. Der Drittschuldner wird in jedem Falle die ihm zugestellte Anordnung des Vollstreckungsgerichts sorgfältig zu studieren und zu beachten haben. Farbige Gestaltungsmerkmale im Text der gerichtlichen Anordnung mögen im Einzelfall zu erhöhter Aufmerksamkeit des Verpflichteten beitragen, erforderlich sind sie jedoch nicht.

9

Auch die Verschiebung der Seitenzahlen und die Veränderung der Proportionen des Antragsformulars führen nicht dazu, dass der Antrag zurückzuweisen wäre. Die Gläubigerin hat das vorgeschriebene Formular benutzt, ausgefüllt und beim Vollstreckungsgericht vorgelegt. Die geringfügigen Veränderungen in Umfang und Seitenzahl ergeben sich zwangsläufig daraus, dass die Gläubigerin, was das Formular ausdrücklich vorsieht, auf Seite 5 im Kasten „Anspruch D (an Kreditinstitute)“ weitere Angaben gemacht hat. Diese Angaben, deren Inhalt das Vollstreckungsgericht nicht beanstandet hat, hat die Gläubigerin zur besseren Übersichtlichkeit dort eingefügt, wo sie hingehören, und nicht auf einem gesonderten Blatt niedergelegt. Der Umstand, dass sich die Seitenzahlen dadurch verschieben, verändert das Formular nur geringfügig und erschwert die Bearbeitung des Antrags nicht.

10

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.


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Referenzen - Gesetze

Landgericht Kiel Beschluss, 24. Apr. 2013 - 4 T 16/13 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 829 Pfändung einer Geldforderung


(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer

Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung


Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung - ZVFV

Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung - ZVFV | § 2 Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses


Für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 829 der Zivilprozessordnung werden folgende Formulare eingeführt: 1. das in der Anlage 3 bestimmte Formular, wenn die Pfändung wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs

Referenzen

Für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 829 der Zivilprozessordnung werden folgende Formulare eingeführt:

1.
das in der Anlage 3 bestimmte Formular, wenn die Pfändung wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach § 850d der Zivilprozessordnung erfolgen soll,
2.
in allen anderen Fällen das in der Anlage 2 bestimmte Formular.

Soweit die Forderung durch einen Beschluss bereits gepfändet worden ist, ist für den Antrag auf Überweisung dieser Forderung die Nutzung der Formulare nicht verbindlich.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Die Pfändung mehrerer Geldforderungen gegen verschiedene Drittschuldner soll auf Antrag des Gläubigers durch einheitlichen Beschluss ausgesprochen werden, soweit dies für Zwecke der Vollstreckung geboten erscheint und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen der Drittschuldner entgegenstehen.

(2) Der Gläubiger hat den Beschluss dem Drittschuldner zustellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieher hat dem Schuldner den Beschluss mit dem Zustellungsnachweis sofort zuzustellen, sofern nicht eine öffentliche Zustellung erforderlich ist. An Stelle einer an den Schuldner im Ausland zu bewirkenden Zustellung erfolgt die Zustellung durch Aufgabe zur Post, sofern die Zustellung nicht nach unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Union zu bewirken ist.

(3) Mit der Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen. Für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren elektronisch bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht elektronisch bearbeiten, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

Für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 829 der Zivilprozessordnung werden folgende Formulare eingeführt:

1.
das in der Anlage 3 bestimmte Formular, wenn die Pfändung wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nach § 850d der Zivilprozessordnung erfolgen soll,
2.
in allen anderen Fällen das in der Anlage 2 bestimmte Formular.

Soweit die Forderung durch einen Beschluss bereits gepfändet worden ist, ist für den Antrag auf Überweisung dieser Forderung die Nutzung der Formulare nicht verbindlich.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Zugleich hat das Gericht an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Die Pfändung mehrerer Geldforderungen gegen verschiedene Drittschuldner soll auf Antrag des Gläubigers durch einheitlichen Beschluss ausgesprochen werden, soweit dies für Zwecke der Vollstreckung geboten erscheint und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen der Drittschuldner entgegenstehen.

(2) Der Gläubiger hat den Beschluss dem Drittschuldner zustellen zu lassen. Der Gerichtsvollzieher hat dem Schuldner den Beschluss mit dem Zustellungsnachweis sofort zuzustellen, sofern nicht eine öffentliche Zustellung erforderlich ist. An Stelle einer an den Schuldner im Ausland zu bewirkenden Zustellung erfolgt die Zustellung durch Aufgabe zur Post, sofern die Zustellung nicht nach unmittelbar anwendbaren Regelungen der Europäischen Union zu bewirken ist.

(3) Mit der Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen. Für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren elektronisch bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht elektronisch bearbeiten, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.