Landgericht Kiel Beschluss, 05. Juli 2010 - 3 T 6/06

ECLI:ECLI:DE:LGKIEL:2010:0705.3T6.06.0A
bei uns veröffentlicht am05.07.2010

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Gründe

1

I. Am 07.10.2005 gebar die Beteiligte zu 2. in Rendsburg einen Sohn. Sie gab ihrem Sohn den Vornamen „xxx“. Die Beteiligte zu 2. ist ledig und deutsche Staatsangehörige, deren Identität urkundlich nachgewiesen ist. Das Kind erhielt den Geburtsnamen „xxx“. Der Kindesvater, der Beteiligte zu 3., ist seinen Angaben zufolge libanesischer Staatsangehöriger. Einen gültigen libanesischen Pass besitzt er nicht, seine Identität und Staatsangehörigkeit sind nicht zweifelsfrei nachgewiesen.

2

Am 11.10.2005 erkannte er die Vaterschaft des Kindes vor dem Standesamt Rendsburg an. Die Vaterschaftsanerkennung wurde mit einem entsprechenden einschränkenden Zusatz in das Geburtenbuch eingetragen.

3

Die Kindeseltern wünschten übereinstimmend, dass das Kind den Namen „xxx“ als Geburtsnamen erhalte. Das Standesamt beurkundete daher am 11.10.2005 die Namenserteilung, in der die alleinsorgeberechtigte Beteiligte zu 2. dem Kind den Familiennamen „xxx“ erteilte und der Beteiligte zu 3. einwilligte.

4

Aufgrund der nicht nachgewiesenen Identität und Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 3. hat die Standesbeamtin die Eintragung der Namenserteilung zurückgestellt und die Sache dem Amtsgericht als Zweifelsvorlage gemäß § 45 Abs. 2 PstG vorgelegt (Bl. 2 f. d. A.). Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 01.12.2005 (Bl. 18 d. A.) den Standesbeamten des Standesamtes Rendsburg angewiesen, dem Geburtseintrag einen Randvermerk über die Namenserteilung vom 11.10.2005 beizuschreiben mit dem Zusatz:

5

„Die Identität des Kindesvaters ist nicht nachgewiesen. Der dem Kind erteilte Familienname steht deshalb nicht fest.“

6

Dagegen hat der Beteiligte zu 1. sofortige Beschwerde eingelegt. Auf die Beschwerdeschrift vom 20.12.2005 (Bl. 24 ff.) wird verwiesen.

7

Die Berichterstatterin der Kammer hat die Ausländerakte des Beteiligten zu 3. beigezogen und weitere Ermittlungen angestellt. Der Beteiligte zu 3. ist aufgefordert worden, das Original des zwischenzeitlich in Kopie vorgelegten Ausweispapiers in arabischer Sprache vorzulegen (Bl. 59 d. A.). Der Beteiligte zu 3. hat darauf nicht reagiert.

8

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 49 Abs. 1 PStG statthaft und zulässig, sie ist auch begründet.

9

Die Geburt eines Kindes ist nach § 16 PStG dem Standesbeamten, in dessen Bezirk es geboren ist, binnen einer Woche anzuzeigen. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG ist das Geburtenbuch neben den Angaben zum Kind der Vor- und Familiennamen der Eltern, ihr Beruf und Wohnort, sowie ihre Staatsangehörigkeit einzutragen, wenn sie nicht Deutsche sind und ihre ausländische Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist. Gemäß § 20 PStG muss der Standesbeamte die Angaben des Anzeigenden nachprüfen, wenn an ihrer Richtigkeit Zweifel bestehen. Dazu hat er nach § 261 Abs. 1 allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden, nachfolgend DA genannt) gegebenenfalls weitergehende Ermittlungen anzustellen. Zu diesem Zweck kann er die Vorlage aller sachdienlichen Urkunden und Bescheinigungen verlangen. Bereitet die Beschaffung der Urkunden erhebliche Schwierigkeiten oder unverhältnismäßig hohe Kosten, so kann sich der Standesbeamte gemäß § 258 Abs. 3 DA mit der Vorlage anderer beweiskräftiger Bescheinigungen begnügen oder sich auf andere Weise Gewissheit von der Richtigkeit der gemachten Angaben verschaffen. Der eindeutige Identitätsnachweis ist zur Vermeidung von Falschbeurkundungen erforderlich.

10

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist nach Auffassung der Kammer die Eintragung des erteilten Familiennamens nicht vorzunehmen. Vorliegend ist der Beteiligte zu 3. nicht im Besitz von Urkunden, die einen Nachweis seiner Identität und ihrer Staatsangehörigkeit ermöglichen. Der Beteiligte zu 3. hat nicht auf Anschreiben im Rahmen dieses Verfahrens reagiert. Aus der Ausländerakte ergaben sich ebenfalls keine Erkenntnisse zu seiner Identität. Weitere Erkenntnisquellen stehen derzeit nicht zur Verfügung. Zwar gilt der so genannte Annäherungsgrundsatz, wonach die erwiesenen Tatsachen eingetragen und hinsichtlich der nicht belegten Tatsachen die Eigenangaben übernommen und mit einem Zusatz versehen werden, der die Beweiskraft des Eintrags entsprechend einschränkt. Dieser Grundsatz trägt einerseits dem Interesse des Betroffenen Rechnung, zur Ermöglichung der Teilnahme am Rechtsverkehr schnell Lebensvorgänge im Wesentlichen beurkundet zu erhalten, andererseits dient er der Rechtssicherheit, indem der Beweiswert der Eintragung deutlich gemacht wird. Allerdings liegt hier kein typischer Fall für die Anwendung des Annäherungsgrundsatzes vor; denn der Familienname des Kindes ist überall das maßgebliche Ordnungskriterium. Maßgebend muss sein, dass keine Scheinidentität geschaffen, auf der anderen Seite aber eine im Interesse des Kindes liegende Lösung gefunden wird. Vorliegend ist es so, dass das Kind durch Geburt von seiner Mutter die deutsche Staatangehörigkeit und einen gesicherten Familiennamen erworben und damit ein effektives deutsches Namensstatut hat (Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Das Kind hat damit die Möglichkeit, einen Familiennamen, der urkundlich gesichert ist, zu führen. Demgegenüber steht die Möglichkeit, dass mit der Namenserteilung eine Scheinidentität des Kindes geschaffen wird, die nicht urkundlich belegt und nicht gesichert ist. Unter Berücksichtigung der Ordnungsfunktion des Personenstandsregisters und des Umstandes, dass Falschbeurkundungen zu vermeiden sind, andererseits aber ein gesicherter Familienname in diesem Fall feststeht, hält es die Kammer für gerechtfertigt und angebracht, die Eintragung des Familiennamens nicht vorzunehmen. Dabei hat die Kammer auch in die Abwägung einbezogen, dass die Namenserteilung materiell-rechtlich wirksam vorgenommen wurde.

11

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde gegeben. Sie wäre einzulegen binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses durch einen von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterzeichneten Schriftsatz oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig, dem Landgericht Kiel oder dem Amtsgericht Rendsburg.


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Referenzen - Gesetze

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Personenstandsgesetz - PStG | § 49 Anweisung durch das Gericht


(1) Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden. (2) Das Standesamt kann in Zweifelsfällen auch von sich aus die Entscheidung des G

Personenstandsgesetz - PStG | § 21 Eintragung in das Geburtenregister


(1) Im Geburtenregister werden beurkundet1.die Vornamen und der Geburtsname des Kindes,2.Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt,3.das Geschlecht des Kindes,4.die Vornamen und die Familiennamen der Eltern, ihr Geschlecht. (2) Ist ein Kind tot

Personenstandsgesetz - PStG | § 45 Erklärungen zur Namensführung des Kindes


(1) Die Erklärung, durch die 1. Eltern nach der Beurkundung der Geburt den Geburtsnamen eines Kindes bestimmen,2. ein Kind sich der Bestimmung seines Geburtsnamens durch die Eltern anschließt,3. ein Kind beantragt, den von seiner Mutter zur Zeit sein

Personenstandsgesetz - PStG | § 16 Fortführung


(1) Zum Eheeintrag werden Folgebeurkundungen aufgenommen über1.den Tod des erstverstorbenen Ehegatten,2.die Todeserklärung oder die gerichtliche Feststellung der Todeszeit eines Ehegatten und die Aufhebung solcher Beschlüsse sowie die Auflösung der E

Personenstandsgesetz - PStG | § 20 Anzeige durch Einrichtungen


Bei Geburten in Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen, in denen Geburtshilfe geleistet wird, ist der Träger der Einrichtung zur Anzeige verpflichtet. Das Gleiche gilt für Geburten in Einrichtungen, die der Unterbringung psychisch Kranker dienen,

Referenzen

(1) Die Erklärung, durch die

1.
Eltern nach der Beurkundung der Geburt den Geburtsnamen eines Kindes bestimmen,
2.
ein Kind sich der Bestimmung seines Geburtsnamens durch die Eltern anschließt,
3.
ein Kind beantragt, den von seiner Mutter zur Zeit seiner Geburt geführten Namen als Geburtsnamen zu erhalten, wenn es den Namen eines Mannes führt, von dem rechtskräftig festgestellt wurde, dass er nicht der Vater des Kindes ist,
4.
ein Mann den Antrag nach Nummer 3 stellt, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
5.
ein Kind sich der Änderung des Familiennamens der Eltern oder eines Elternteils anschließt,
6.
der Elternteil, dem die elterliche Sorge allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, oder sein Lebenspartner dem Kind ihren Ehenamen oder ihren Lebenspartnerschaftsnamen erteilen oder diesen Namen dem von dem Kind zur Zeit der Erklärung geführten Namen voranstellen oder anfügen,
7.
der Elternteil, dem die elterliche Sorge allein zusteht, dem Kind den Namen des anderen Elternteils erteilt,
sowie die zu den Nummern 6 und 7 erforderlichen Einwilligungen eines Elternteils oder des Kindes können auch von den Standesbeamten beglaubigt oder beurkundet werden. Gleiches gilt für die etwa erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu einer in Satz 1 genannten Erklärung.

(2) Zur Entgegennahme der Erklärungen ist das Standesamt zuständig, das das Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, führt. Ist die Geburt des Kindes nicht in einem deutschen Geburtenregister beurkundet, so ist das Standesamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich das Kind oder ein Elternteil seinen Wohnsitz hat oder zuletzt hatte oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, so ist das Standesamt I in Berlin zuständig. Das Standesamt I in Berlin führt ein Verzeichnis der nach den Sätzen 2 und 3 entgegengenommenen Erklärungen.

(3) § 23 des Lebenspartnerschaftsgesetzes bleibt unberührt.

(1) Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden.

(2) Das Standesamt kann in Zweifelsfällen auch von sich aus die Entscheidung des Gerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist. Für das weitere Verfahren gilt dies als Ablehnung der Amtshandlung.

(1) Zum Eheeintrag werden Folgebeurkundungen aufgenommen über

1.
den Tod des erstverstorbenen Ehegatten,
2.
die Todeserklärung oder die gerichtliche Feststellung der Todeszeit eines Ehegatten und die Aufhebung solcher Beschlüsse sowie die Auflösung der Ehe durch Eheschließung des anderen Ehegatten,
3.
die Aufhebung oder die Scheidung der Ehe,
4.
die Feststellung des Nichtbestehens der Ehe,
5.
jede Änderung des Namens der Ehegatten,
6.
jede sonstige Änderung des Personenstandes, soweit sie Angaben im Eheeintrag betrifft,
7.
Berichtigungen.
Auf die Wiederverheiratung oder die Begründung einer Lebenspartnerschaft wird hingewiesen.

(2) Der Eheeintrag wird nicht mehr fortgeführt, wenn nach Absatz 1 Nummer 4 eine Folgebeurkundung über das Nichtbestehen der Ehe eingetragen worden ist. Wurde zum Eheeintrag eine Folgebeurkundung über die Auflösung der Ehe oder die Todeserklärung oder die gerichtliche Feststellung der Todeszeit eines Ehegatten nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 aufgenommen, ist eine weitere Folgebeurkundung nur über die Änderung des Namens, Berichtigungen sowie in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 über die Aufhebung eines Beschlusses und die Auflösung der Ehe durch Eheschließung des anderen Ehegatten einzutragen. Die Änderung der Vornamen oder des Geschlechts ist nicht einzutragen, wenn die Änderung auf Grund des Transsexuellengesetzes, durch Erklärung nach § 45b oder in einem Adoptionsverfahren erfolgt ist. Für einen Ehegatten, der wieder geheiratet oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat, ist nur eine Folgebeurkundung über Berichtigungen nach Absatz 1 Nummer 7 einzutragen.

(1) Im Geburtenregister werden beurkundet

1.
die Vornamen und der Geburtsname des Kindes,
2.
Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt,
3.
das Geschlecht des Kindes,
4.
die Vornamen und die Familiennamen der Eltern, ihr Geschlecht.

(2) Ist ein Kind tot geboren, so werden nur die in Absatz 1 Nr. 2 bis 4 vorgeschriebenen Angaben mit dem Zusatz aufgenommen, dass das Kind tot geboren ist. Auf Wunsch einer Person, der bei Lebendgeburt des Kindes die Personensorge zugestanden hätte, sind auch Angaben nach Absatz 1 Nr. 1 einzutragen. Hätte die Personensorge bei Lebendgeburt des Kindes beiden Elternteilen zugestanden und führen sie keinen gemeinsamen Familiennamen, so kann ein Familienname für das Kind nur eingetragen werden, wenn sich die Eltern auf den Namen eines Elternteils einigen.

(2a) Bei einer vertraulichen Geburt nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes werden nur die in Absatz 1 Nummer 1 bis 3 vorgeschriebenen Angaben aufgenommen. Die zuständige Verwaltungsbehörde bestimmt die Vornamen und den Familiennamen des Kindes.

(3) Zum Geburtseintrag wird hingewiesen

1.
auf die Staatsangehörigkeit der Eltern, wenn sie nicht Deutsche sind und ihre ausländische Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist,
2.
bei einem Kind, dessen Eltern miteinander verheiratet sind, auf deren Eheschließung,
3.
auf die Beurkundung der Geburt der Mutter und des Vaters,
4.
auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes,
5.
auf das Sachrecht, dem die Namensführung des Kindes unterliegt.

Bei Geburten in Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen, in denen Geburtshilfe geleistet wird, ist der Träger der Einrichtung zur Anzeige verpflichtet. Das Gleiche gilt für Geburten in Einrichtungen, die der Unterbringung psychisch Kranker dienen, in Einrichtungen der Träger der Jugendhilfe sowie in Anstalten, in denen eine Freiheitsstrafe, ein Jugendarrest oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird. Die Anzeigeberechtigung der in § 19 genannten Personen und ihre Auskunftspflicht zu Angaben, die der nach Satz 1 oder 2 zur Anzeige Verpflichtete nicht machen kann, bleiben hiervon unberührt.