Landgericht Kiel Beschluss, 07. Jan. 2013 - 2 Qs 93/12

ECLI:ECLI:DE:LGKIEL:2013:0107.2QS93.12.0A
bei uns veröffentlicht am07.01.2013

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Einziehungsbeteiligten wird für das selbständige Einziehungsverfahren Dr. M. als Vertreter beigeordnet.

Die Landeskasse trägt die notwendigen Auslagen des Einziehungsbeteiligten im Beschwerdeverfahren.

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet. Gemäß §§ 440 Abs. 3, 434 Abs. 2 StPO kann das Gericht dem Einziehungsbeteiligten einen Rechtsanwalt oder eine andere Person, die als Verteidiger bestellt werden darf, beiordnen, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist oder wenn der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.

2

Diese Voraussetzungen liegen vor, da der Einziehungsbeteiligte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist bei der Beurteilung, ob ein Beteiligter seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann, nicht allein auf die persönlichen Fähigkeiten des Einziehungsbeteiligten, insbesondere seine intellektuellen Möglichkeiten, abzustellen. Vielmehr kommen noch Gründe anderer Art in Betracht, die ihn hindern, sein Recht auf Anwesenheit im Termin selbst wahrzunehmen, wie Krankheit, weite Entfernung oder Auslandsaufenthalt (Löwe-Rosenberg § 434 StPO Rn 11; KMR § 434 StPO Rn 8). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 434 Abs. 2 StPO, das für die einschränkende Auslegung des Amtsgerichts keinen Anhaltspunkt bietet. Die für § 140 Abs. 2 StPO geltenden Grundsätze können hier schon deshalb nicht vollständig übertragen werden, da jedenfalls in der Hauptverhandlung die Anwesenheit des Angeklagten grundsätzlich zwingend ist und sich die Frage einer (lediglich) tatsächlichen Verhinderung des Angeklagten als Grund für die Unfähigkeit zur Selbstverteidigung insoweit nicht stellen wird.

3

Da die Anwesenheit eines Nebenbeteiligten im Hauptverhandlungstermin nicht vorgeschrieben ist, käme allerdings grundsätzlich anstelle der Beiordnung eines Vertreters die Vernehmung eines verhinderten Nebenbeteiligten durch einen beauftragten oder ersuchten Richter in Betracht, um ihm rechtliches Gehör gewähren zu können. Da der Nebenbeteiligte jedoch aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und für die Justiz auch unbekannten Aufenthalts ist sowie im Hinblick auf den Umfang der Sache kommt eine kommissarische Vernehmung tatsächlich als Alternative zur Beiordnung eines Vertreters hier nicht in Betracht.

4

Die Kammer hat das ihr im Beschwerdeverfahren selbst zustehenden Ermessen dahin ausgeübt, dem Einziehungsbeteiligten einen Vertreter beizuordnen. Hierfür spricht zunächst, dass es ihm tatsächlich nicht nur schwierig sondern unmöglich sein dürfte, sich selbst an dem selbständigen Einziehungsverfahren zu beteiligen. Zum Anderen handelt es sich auch angesichts des eingeschränkten Prüfungsumfanges um keine ganz einfach gelagerte Sache.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Kiel Beschluss, 07. Jan. 2013 - 2 Qs 93/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Kiel Beschluss, 07. Jan. 2013 - 2 Qs 93/12

Referenzen - Gesetze

Landgericht Kiel Beschluss, 07. Jan. 2013 - 2 Qs 93/12 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 140 Notwendige Verteidigung


(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g

Strafprozeßordnung - StPO | § 434 Entscheidung im Nachverfahren


(1)Die Entscheidung über die Einziehung im Nachverfahren trifft das Gericht des ersten Rechtszuges. (2) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, gegen den sofortige Beschwerde zulässig ist. (3) Über einen zulässigen Antrag wird auf Grund münd

Referenzen

(1)Die Entscheidung über die Einziehung im Nachverfahren trifft das Gericht des ersten Rechtszuges.

(2) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, gegen den sofortige Beschwerde zulässig ist.

(3) Über einen zulässigen Antrag wird auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden, wenn die Staatsanwaltschaft oder sonst der Antragsteller es beantragt oder das Gericht dies anordnet; die Vorschriften über die Hauptverhandlung gelten entsprechend. Wer gegen das Urteil eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen.

(4) Ist durch Urteil entschieden, so gilt § 431 Absatz 4 entsprechend.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)