Landgericht Itzehoe Urteil, 30. Okt. 2009 - 9 S 11/09

Gericht
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 06.01.2009 - 65 C 234/08 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter Verletzung anwaltlicher Pflichten in Anspruch.
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Die Klägerin – ein Sachverständigenbüro – fertigte im Auftrag eines Herrn ... ein Privatgutachten zur Vorlage beim .... ... hatte der Klägerin am 02. 03. 2006 seinen Schadensersatzanspruch gegen die Versicherung zur Sicherheit abgetreten (Bl. 6). Die Klägerin übersandte das Gutachten an den Beklagten als den vom Geschädigten ... beauftragten Rechtsanwalt. In ihrem Anschreiben vom 07. 03. 2006 schrieb sie (Bl. 8 ):
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„Wir bitten, das Gutachten nur zusammen mit der Sicherungsabtretung betreffend unserer Kostenrechnung an die gegnerische Haftpflichtversicherung weiterzuleiten. Sollten Sie hierzu nicht bereit sein, bitten wir um Rücksendung des Gutachtens. Wir sehen diese Bitte als Treuhandauftrag an.„
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte dieser Weisung entsprochen hat. Die Versicherung zahlte die gesamte Entschädigung an den Beklagten aus, der sie in voller Höhe an den Geschädigten ... weiterleitete. Da ... in Vermögensverfall geriet, hat die Klägerin ihre Gutachtertätigkeit nicht beglichen erhalten.
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Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 491,84 € nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 3. Februar 2007 verurteilt, weil zwar zwischen den Parteien kein Treuhandauftrag geschlossen worden sei, denn der Beklagte habe sich zu dem klägerischen Angebot nicht erklärt; sein Schweigen stelle keine konkludente Vertragsannahme dar. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich jedoch aus § 44 S. 2 BRAO. Danach sei ein Rechtsanwalt verpflichtet, unverzüglich mitzuteilen, falls er einen Auftrag nicht annehmen wolle. Komme er dieser Pflicht nicht nach und daraus erwachse ein Schaden, sei der Anwalt ersatzpflichtig. Hier sei ein Schaden dadurch ausgelöst worden, dass der ... von der Forderungsabtretung keine Kenntnis erlangt und deshalb die Auszahlung ungekürzt an den Geschädigten vorgenommen habe. Das habe der Beklagte zu verantworten.
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Die Berufung werde zugelassen, weil obergerichtliche Rechtsprechung zur Schadensersatzpflicht gemäß § 44 S. 2 BRAO nicht ersichtlich sei.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Ziel auf Klagabweisung weiter: Die Klägerin habe mit ihm kein Mandatsverhältnis begründen, sondern ihn vielmehr als Ersatzschuldner gewinnen wollen. Die Klägerin hätte darauf hinweisen müssen, dass sie zu einer Gutachtenerstattung nur bereit gewesen sei, falls er ihr ebenfalls hafte. Es handele sich um eine erzwungene Geschäftsführung ohne Auftrag, die für ihn als Rechtsanwalt eine Zumutung darstelle.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Änderung des am 06. 01. 2009 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Pinneberg die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden.
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Zutreffend hat das Amtsgericht durch den bloßen Zugang eines Auftrages in der Kanzlei des beklagten Anwaltes oder auf dessen Schreibtisch den Anwalt noch nicht zum Vertreter gemacht (BGH, Beschl. v. 28. 11. 1962 – VIII ZB 34/62 - ). Ein Treuhandverhältnis zur Klägerin ist nicht allein durch den Hinweis der Klägerin in ihrem Anschreiben an den Beklagten zustande gekommen, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte über das übergesandte Gutachten verfügen dürfe.
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Es hätte einer ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Annahme dieses Antrages bedurft. Daran fehlt es.
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Nimmt ein Rechtsanwalt gleich aus welchem Grund einen Verwahrungsvertrag nicht an, treffen ihn aber gleichwohl vorvertragliche Sorgfaltspflichten, die ihm auch die Pflicht auferlegen, dafür Sorge zu tragen, dass die Weitergabe des Gutachtens nur unter Beachtung der ihm gesetzten Vorgaben erfolgt, also unter Mitteilung der Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen Schädiger und Versicherung an die Klägerin. Diese Pflicht hat der Beklagte fahrlässig verletzt ( so erkannt für Notar durch: OLG Frankfurt, Urt. v. 18. 06. 2008 – 4 U 229/07 - ). Überdies traf den beklagten Rechtsanwalt die Pflicht kraft Gesetzes gem. § 44 BRAO, sich ab Eingang des Auftragsschreibens der Klägerin über Annahme oder Ablehnung des Auftrages schlüssig zu werden und dies im Falle einer Ablehnung auch der Klägerin als Auftraggeberin mitzuteilen. Das Anschreiben der Klägerin war für den Beklagten erkennbar ein entsprechendes Auftragsschreiben, da es den Hinweis auf einen Treuhandauftrag und genaue Hinweise auf die gewünschte Handhabung gab. Hätte der Beklagte gegenüber der Klägerin abgelehnt, hätte diese den ... direkt über die Abtretung unterrichten und damit die Rechtsfolgen des § 407 Abs. 1 BGB auslösen können. Verletzt der Anwalt aber diese Pflicht, so ist er kraft Gesetzes ersatzpflichtig. Die Vorschrift des § 44 BRAO will den Auftraggeber schützen und vor Schaden bewahren (BGH, Urt. v. 19. 04. 1967 – VIII ZR 46/65 - ). Dieser Schaden ist für die Klägerin dadurch eingetreten, dass die Versicherung mangels Kenntnis von der Abtretung an den früheren Gläubiger mit befreiender Wirkung hat leisten können (§ 407 Abs. 1 BGB) und dass die Klägerin ihren Vergütungsanspruch gegenüber dem Geschädigten infolge Vermögensverfalls nicht mehr wird durchsetzen können.
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Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, weil die streitgegenständlichen Rechtsfragen durch die genannten Entscheidungen höchst- bzw. obergerichtlich geklärt sind.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Annotations
Der Rechtsanwalt, der in seinem Beruf in Anspruch genommen wird und den Auftrag nicht annehmen will, muß die Ablehnung unverzüglich erklären. Er hat den Schaden zu ersetzen, der aus einer schuldhaften Verzögerung dieser Erklärung entsteht.
(1) Der neue Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.
(2) Ist in einem nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt hat.
Der Rechtsanwalt, der in seinem Beruf in Anspruch genommen wird und den Auftrag nicht annehmen will, muß die Ablehnung unverzüglich erklären. Er hat den Schaden zu ersetzen, der aus einer schuldhaften Verzögerung dieser Erklärung entsteht.
(1) Der neue Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.
(2) Ist in einem nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt hat.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)