Landgericht Itzehoe Urteil, 30. März 2010 - 1 S 145/09

ECLI: ECLI:DE:LGITZEH:2010:0330.1S145.09.0A
published on 30.03.2010 00:00
Landgericht Itzehoe Urteil, 30. März 2010 - 1 S 145/09
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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Itzehoe vom 7. Juli 2009 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

2

In der Sache geht es kurz zusammengefasst um Folgendes:

3

Die Klägerin und ihr Ehemann unterhalten bei der Beklagten ein sog. Oder-Konto. Die Klägerin bezieht Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 1.184,70 Euro, das am 28. November 2008 auf dem Konto gutgeschrieben wurde. Am 11. Dezember 2008 wurde der Beklagten ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der xxx gegen den Ehemann der Klägerin zugestellt. Als die Klägerin einen Tag später am 12. Dezember 2008 das Guthaben vom Konto abheben wollte, verweigerte die Beklagte im Hinblick auf den Pfändung- und Überweisungsbeschluss die Auszahlung. Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die auf Antrag der Klägerin ergangene einstweilige Verfügung aufrecht erhalten, wonach der Beklagten aufgegeben worden ist, das vorhandene Guthaben auszuzahlen und Verfügungen der Klägerin über das monatlich eingehende Arbeitslosengeld I zuzulassen.

4

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch sachlich gerechtfertigt.

5

Nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 11. Dezember 2008 stand der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens auf dem gemeinsam mit ihrem Ehemann unterhaltenen Oder-Konto nicht mehr zu.

6

Das Oder-Konto ist ein gemeinschaftliches Konto, bei dem kraft Abrede aller Beteiligten jeder Inhaber für sich über das gesamte Guthaben verfügen kann. Eine Folge dieser Gesamtberechtigung ist, dass eine Pfändung des Anspruches eines der Oder-Konto-Inhaber den gesamten Auszahlungsanspruch erfasst. Bei dem Oder-Konto besteht dabei die Besonderheit, dass die Bank nach dem Prioritätsgrundsatz an den leisten muss, der ihr dies gegenüber zuerst verlangt. Die Pfändung und Überweisung zur Einziehung stellt grundsätzlich ein derartiges Leistungsverlangen dar (Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 428 Rdnr. 4; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., 1. Kap. Rdnr. 339 ).

7

Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte deshalb am 12. Dezember 2008, einen Tag nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, dem Auszahlungsverlangen der von der Pfändung nicht betroffenen Klägerin nicht mehr entsprechen.

8

Da es sich bei dem überwiesenen Arbeitslosengeld I um eine Sozialgeldleistung handelt, hätte die Klägerin nur die Möglichkeit gehabt, innerhalb von 7 Tagen nach der Überweisung über den gutgeschriebenen Betrag zu verfügen. Gem. § 55 I SGB I ist die Forderung gegen das Geldinstitut, die durch die Gutschrift einer Sozialgeldleistung entsteht, innerhalb von 7 Tagen seit der Lastschrift unpfändbar. Diese siebentägige Frist war jedoch zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bereits abgelaufen.

9

Nach Ablauf der siebentägigen Schonfrist erfasst der Pfändungsbeschluss das Kontoguthaben des Schuldners in vollem Umfang. Daher ist es dem Geldinstitut gem. § 829 I 1 ZPO ab diesem Zeitpunkt verboten, an den Schuldner zu leisten. Nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses darf zudem aufgrund des Prioritätsgrundsatzes nicht an den von der Pfändung nicht betroffenen Kontoinhaber geleistet werden.

10

Durch die Regelung des § 55 IV SGB I, der einen verlängerten Kontenschutz gewährt, erweitert sich der Pfändungsschutz zugunsten der Klägerin ebenfalls nicht.

11

Anders als § 55 I SGB I, der die Reichweite des Pfändungsbeschlusses während der 7 Tage seit Gutschrift der Überweisung eingeschränkt, ermöglicht es § 55 IV SGB I dem Kreditinstitut nicht, den pfändungsfreien Betrag ohne eine gerichtliche Entscheidung freizugeben. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vollstreckungsschuldner nach Ende der Schonfrist nach § 55 I SGB I beim Vollstreckungsgericht im Wege der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO eine Abänderung des Pfändungsbeschlusses dahingehend erwirkt, dass ihm der in § 55 IV SGB I genannte Betrag bis zum nächsten Zahlungstermin pfandfrei belassen wird (BGH NJW 2004, 3262, 3263). Diese Möglichkeit ist der Klägerin jedoch verwehrt, da sich die Zwangsvollstreckung nicht gegen sie, sondern ihren Ehemann richtet.

12

Will sich die Klägerin davor schützen, dass Gläubiger ihres Ehemannes auf ihre Sozialgeldleistungen Zugriff nehmen, muss sie entweder innerhalb von 7 Tagen nach Gutschrift über das Arbeitslosengeld I verfügen oder sich ein eigenes Konto einrichten und auf dieses das Arbeitslosengeld I überweisen lassen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.


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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.