Landgericht Heilbronn Beschluss, 20. Okt. 2016 - 8 Qs 42/16

published on 20/10/2016 00:00
Landgericht Heilbronn Beschluss, 20. Okt. 2016 - 8 Qs 42/16
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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 9. September 2016, durch welchen die im Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22. Februar 2016 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde,

aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Heilbronn zurückverwiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Heilbronn hat den Verurteilten mit Urteil vom 22. Februar 2016 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und zwei Wochen verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Die auf drei Jahre festgesetzte Bewährungszeit hat mit Rechtskraft des Urteils am 22. Februar 2016 zu laufen begonnen.
Dem Verurteilten ist im begleitenden Bewährungsbeschluss u.a. auferlegt worden einen Geldbetrag in Höhe von 1.000,- EUR, in monatlichen Raten zu je 50,- EUR, ab dem auf die Rechtskraft folgenden Monat, an den Verein Lebensweg e.V. zu bezahlen.
Am 23. August 2016 hat das Amtsgericht Heilbronn den Verurteilten zu einem beabsichtigten Bewährungswiderruf angehört, da dieser bis zu diesem Zeitpunkt keine Raten bezahlt hatte.
Im Rahmen des Anhörungstermins hat es dem Verurteilten im Beschlusswege aufgegeben die rückständigen Raten in Höhe von 250,- EUR binnen zwei Wochen zu bezahlen und die Zahlung der restlichen Raten ab September 2016 zu leisten.
Nachdem eine Nachfrage bei der Zahlungsempfängerin nach Fristablauf ergeben hatte, dass weiterhin keine Zahlungen geleistet worden waren, hat das Amtsgericht Heilbronn die Strafaussetzung mit Beschluss vom 9. September 2016 widerrufen und darin den Widerruf u.a. auf die Nichteinhaltung der gesetzten zweiwöchigen Frist gestützt.
Der Verurteilte hat gegen den Widerrufsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung leidet an einem im Beschwerderechtszug nicht behebbaren Verfahrensmangel. Vor der Entscheidung über einen beabsichtigten Bewährungswiderruf ist der Verurteilte gemäß § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO mündlich zu hören. Die als Sollvorschrift formulierte Regelung ist nach allgemeiner Meinung als zwingend anzusehen. Von einer mündlichen Anhörung kann nur dann abgesehen werden, wenn sie keine weitere Aufklärung verspricht (OLG Jena, NStZ 1998, 216;OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 91), ihr schwerwiegende Gründe entgegenstehen (OLG Hamm, NStZ 1987, 247;OLG Stuttgart, NStZ 1987, 43;LG Bonn, NStZ 1986, 574) oder der Verurteilte auf sie eindeutig und ausdrücklich verzichtet hat (OLG Düsseldorf, NStZ 1988, 243;OLG Frankfurt a.a.O.).
10 
Vorliegend ist der Verurteilte zwar zunächst mündlich angehört worden. Im Rahmen der Anhörung wurde ihm jedoch eine neue Frist zur Auflagenerfüllung gesetzt, nach deren fruchtlosen Verstreichen eine erneute Anhörung erforderlich gewesen wäre (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. Mai 2009 – 1 Ws 183/09 –, juris; OLG Köln NStZ-RR 2011, 220; OLG München NStZ-RR 2012, 63), zumal nicht von vorn herein ausgeschlossen werden kann, dass der Verurteilte für die Nichteinhaltung der neu gesetzten Frist Gründe hätte vortragen können und wollen. Auch hätte eine etwaige Ankündigung des sofortigen Widerrufs nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist an der Notwendigkeit einer erneuten Anhörung nichts geändert (LG Saarbrücken StV 2011, 169).
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Im Ergebnis war der angefochtene Beschluss daher auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hin aufzuheben und die Sache zur Nachholung der mündlichen Anhörung und erneuten Prüfung und Entscheidung über einen möglichen Bewährungswiderruf an das Amtsgericht Heilbronn zurückzuverweisen.
III.
12 
Die Kammer weißt auf folgendes hin:
13 
Beschränkt sich das bewährungsüberwachende Gericht in Konstellationen wie der Vorliegenden darauf nach durchgeführter Anhörung darauf hinzuweisen, dass die Widerrufsvoraussetzungen vorliegen und der Widerruf mit gesondertem Beschluss zeitnah (OLG München StV 2014, 493; LG München StraFo 2015, 126) ergehen wird, und fügt es hinzu, dass im Vorfeld des Erlasses des Beschlusses noch eintretende Veränderungen zu berücksichtigen sein werden, sofern sie dem Gericht zur Kenntnis gelangen, und widerruft es dann die Strafaussetzung, ohne bei der Begründung des Widerrufs auf den weiterhin fruchtlos verstrichenen Zeitraum nach der Anhörung abzustellen, besteht für eine nochmalige Anhörung kein Bedürfnis, weil sich der Widerruf ausschließlich auf den Zeitraum vor der durchgeführten Anhörung bezieht, zu welchem sich der Verurteilte äußern konnte.
IV.
14 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 467, 473 StPO.
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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

Annotations

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.