Landgericht Hamburg Beschluss, 20. März 2017 - 333 O 26/17

20.03.2017

Tenor

1. Der Antrag vom 3. März 2017 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgelehnt.

2. Der Antragssteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 65.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt als ehemaliger Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) die Unterlassung der Auslieferung von Waren, die in einem Warenlager der ausschließlich für die Antragsgegnerinnen tätigen S. B. G. GmbH in der B. Str. ... in H. lagern und die durch die Antragsgegnerin zu 1) auf Veranlassung der Antragsgegnerin zu 2) für in China ansässige Online-Händler nach Deutschland importiert worden sind, an die jeweiligen Käufer (eBay und amazon), solange die Einfuhrumsatzsteuer bzw. Zölle auf diese Waren nicht vollständig gezahlt worden bzw. entsprechende Sicherheit geleistet ist. Der Antragsteller, der bis 19. Januar 2017 zudem als Bevollmächtigter für die S. B. G. GmbH tätig war, befürchtet eine Inanspruchnahme für die Zahlung von Zöllen sowie Einfuhrumsatzsteuer und trägt in diesem Zusammenhang vor, dass den jeweiligen Zollerklärungsdienstleistern in den Niederlanden offenbar gefälschte Vollmachten bzw. Bestätigungen vorgelegt worden seien, nach denen die Antragsgegnerin zu 1) die Einfuhrumsatzsteuer bezahlt hätte bzw. diese in Deutschland durch die Antragsgegnerin zu 1) gezahlt werden sollte. Zudem seien offenbar Zollanmeldungen in zu geringer Höhe erfolgt.

2

Der CEO der Antragsgegnerin zu 2) habe den Antragsteller über die Entrichtung der Abgaben und darüber, dass er persönlich kein Risiko trage, getäuscht, tatsächlich schütze ihn das „Service Agreement“ (Anlage As 8) jedoch nicht vor einer Haftung. Diese Täuschung müsse sich die Antragsgegnerin zu 1), deren Gesellschafterin die Mutter des CEO der Antragsgegnerin zu 2) sei, zurechnen lassen. Die im Lager befindlichen Waren dürften nicht durch die drohende Auslieferung der abgabenrechtlichen Sachhaftung für die Einfuhrabgaben (Zölle und Einfuhrumsatzsteuer) entzogen werden.

3

Der Antragsteller hat eine Selbstanzeige beim Hauptzollamt H. sowie eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft u.a. gegen den CEO der Antragsgegnerin zu 2) erstattet. Das Hauptzollamt H.-Stadt hat mit Email-Schreiben vom 16. März 2017 mitgeteilt, dass eine Entscheidung über eine etwaige Sachhaftung kurzfristig nicht herbeigeführt werden könne.

II.

4

Der Antrag ist unbegründet. Es besteht kein Verfügungsanspruch.

5

Zwar dürfte dem Antragsteller gegen die Antragsgegnerin zu 1) ein Anspruch auf Freihaltung wegen etwaiger Zollabgaben- und Einfuhrumsatzsteuerschulden zustehen. Dabei kann dahinstehen, ob die in dem Lager der S. B. G. gelagerten Waren der Sachhaftung gemäß § 76 Abgabenordnung unterfallen. Denn es ist jedenfalls nicht dargetan, dass der Antragsteller als potentieller Abgabenschuldner in Betracht kommt mit der Folge, dass die Sachhaftung zu einer Reduzierung seiner Beitragsschuld führen würde.

6

Gemäß Art. 201 des bis zum 30. April 2016 geltenden Zollkodex (Verordnung EWG Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1) kann im Falle einer fehlerhaften Zollanmeldung, die dazu führt, dass die gesetzlichen Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, auch die Person als Zollschuldner angesehen werden, die die für die Abgabe der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert hat, obwohl sie wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Angaben unrichtig waren.

7

Eine entsprechende Regelung findet sich in dem seit dem 1. Mai 2016 geltenden Zollkodex der Europäischen Union (Verordnung EU Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269/1), dort Artt. 77, 79.

8

Die Vorschriften setzen mithin Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Antragstellers voraus, die nach dem Vorbringen des Antragstellers jedoch nicht vorliegt, weil der Antragsteller selbst vorträgt, dass ihm die Zollanmeldungen nicht bekannt waren, weil diese mit gefälschten Vollmachten durchgeführt worden sein sollen.

9

Auf die Einfuhrumsatzsteuer sind die Vorschriften für Zölle gemäß § 21 Abs. 2 UStG entsprechend anzuwenden.

10

Mangels einer möglichen Haftung auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers kann daher auch dahinstehen, ob eine Haftung der Antragsgegnerin zu 2) auf der Grundlage des „Service Agreement“ bzw. sonstiger Zusicherungen in Betracht kommt.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 21 Besondere Vorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer


(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung. (2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr. (2a) Abfert

Abgabenordnung - AO 1977 | § 76 Sachhaftung


(1) Verbrauchsteuerpflichtige Waren und einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtige Waren dienen ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern (Sachhaftung). (2) Die Sachhaftung entsteht bei einfuhr- und ausfuhrab

Referenzen

(1) Verbrauchsteuerpflichtige Waren und einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtige Waren dienen ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern (Sachhaftung).

(2) Die Sachhaftung entsteht bei einfuhr- und ausfuhrabgaben- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, mit ihrem Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes, bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren auch mit Beginn ihrer Gewinnung oder Herstellung.

(3) Solange die Steuer nicht entrichtet ist, kann die Finanzbehörde die Waren mit Beschlag belegen. Als Beschlagnahme genügt das Verbot an den, der die Waren im Gewahrsam hat, über sie zu verfügen.

(4) Die Sachhaftung erlischt mit der Steuerschuld. Sie erlischt ferner mit der Aufhebung der Beschlagnahme oder dadurch, dass die Waren mit Zustimmung der Finanzbehörde in einen steuerlich nicht beschränkten Verkehr übergehen.

(5) Von der Geltendmachung der Sachhaftung wird abgesehen, wenn die Waren dem Verfügungsberechtigten abhanden gekommen sind und die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in einen Herstellungsbetrieb aufgenommen oder die einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtigen Waren eine zollrechtliche Bestimmung erhalten.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.