Landgericht Hamburg Urteil, 19. Jan. 2018 - 329 O 207/17

Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem Schiffsfonds.
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Er zeichnete am 16.09.2008 eine Beitrittserklärung, mit der er sich mittelbar über eine Treuhänderin mit einem Betrag in Höhe von € 200.000,- an der MS „T. S.“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (Fondsgesellschaft) beteiligte (Anlage K 1). Seiner Beitrittsentscheidung lag der Emissionsprospekt vom 27.06.2008 zugrunde (Anlage K 2).
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Die Beklagte ist Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft. Deren Gegenstand waren der Erwerb und der Betrieb des Bulk Carriers MS „T. S.“.
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Der Kläger zahlte den Beteiligungsbetrag am 09.10.2008 ein.
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Die Fondsgesellschaft ist inzwischen insolvent. Mit Schreiben vom 29.04.2016 (Anlage K 3) forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte unter Fristsetzung zum 20.05.2016 zur Zahlung von Schadensersatz auf. Die Beklagte wies den Anspruch zurück (Anlage K 4).
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Der Kläger macht geltend, er sei vorvertraglich nicht hinreichend aufgeklärt worden; der Prospekt sei fehlerhaft. Die Darstellung des Wiederauflebens der Haftung der Kommanditisten sei nicht korrekt. Er sei nicht über einen Einbruch der Höhe der Charterraten im September 2008 unterrichtet worden, vielmehr werde im Prospekt die positive Entwicklung der Charterraten in der Vergangenheit hervorgehoben. Der Prospekt erläutere nicht die Folgen der hohen Anzahl von Schiffsneubau-Bestellungen seit 2006, nämlich ein drohendes Überangebot. Die 105-%-Währungsklausel im Darlehensvertrag und die damit verbundenen Risiken seien im Prospekt fehlerhaft nicht dargestellt. Der Prospekt informiere nicht darüber, dass die Beklagte eine Vergütung für die Finanzierungsvermittlung erhalte, ohne entsprechende Leistungen erbracht zu haben.
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Sofern er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, würde er sich nicht beteiligt haben. Er würde dann mit einer anderen Kapitalanlage eine Verzinsung in Höhe von mindestens 2 % auf den Beteiligungsbetrag erzielt haben, insgesamt € 30.455,56 (vgl. Berechnung gemäß Anlage K 8).
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 230.455,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2016 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung des Klägers in Höhe von nominal € 200.000,- Anteils-Nr... , an der MS „T. S.“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG.;
die Beklagte verurteilen, an den Kläger weitere € 3.856,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte aus der Beteiligung des Klägers an der MS „T. S.“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, Anteils-Nr... , über nominal € 200.000,- im Verzug befinden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend, sie hafte mangels Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nicht aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Der Prospekt sei fehlerfrei.
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Sie erhebt die Einrede der Verjährung, da der Kläger spätestens im Herbst 2011 von den tatsächlichen Marktrisiken und der tatsächlichen Ertragslage Kenntnis erlangt habe, wie auch über die Existenz und die Risiken der Währungsklausel (Anlage B 1), im Jahre 2012 Information über Überkapazitäten und schwache Nachfrage erhalten habe (Anlage B 2) und schließlich bereits im Jahre 2013 die Insolvenz der Fondsgesellschaft eingetreten sei.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB oder einer anderen Anspruchsgrundlage.
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Eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten ist nicht festzustellen. Die Beklagte hatte als Gründungsgesellschafterin die Pflicht, dem Kläger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder sein konnten, verständlich und vollständig aufzuklären. Zu dieser Aufklärung diente unstreitig der streitgegenständliche Prospekt. Dieser ist indes nicht fehlerhaft. Ein Prospekt muss über sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind, richtig und vollständig informieren. Dem wird der streitgegenständliche Prospekt gerecht:
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Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung
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Der Prospekt klärt über die Möglichkeit des Auflebens der Haftung des Anlegers bis zur Höhe der Hafteinlage im Fall von Auszahlungen auf (S. 17, 64, 130 f. des Prospekts). Der Kläger beanstandet insoweit eine nach seiner Auffassung missverständliche Formulierung und macht geltend, es könne der Eindruck entstehen, dass ein solches Aufleben nur die Folge sei, wenn gerade die Auszahlung zur Minderung des Kapitalkontos unter die Hafteinlage führe, also der Fall nicht erfasst sei, dass diese bereits durch Verlustzuweisungen gemindert ist und sodann trotzdem eine Auszahlung erfolgt. Ohne Aufklärung darüber, dass auch Verluste zur Minderung der Hafteinlage führen können, entstehe der Eindruck, dass Auszahlungen aus dem die Hafteinlage übersteigenden Teil der Pflichteinlage stets unschädlich sein müssten. Die Formulierung: „Werden die Kapitalkonten des Anlegers durch Entnahmen (Auszahlungen) unter die Hafteinlage gemindert“ als Voraussetzung des Wiederauflebens der Haftung ist nach Auffassung des Gerichts aber nicht zu beanstanden. Das Aufleben der Haftung ist immer bedingt durch eine Entnahme / Auszahlung, so dass die Formulierung „durch“ zutreffend ist. Zutreffend ist auch, dass das Aufleben der Haftung die (ggf. weitere) Minderung der Haftsummendeckung voraussetzt. Durch die Bezugnahme auf die Kapitalkonten sowie die Darstellung des Unterschieds zwischen Haft- und Pflichteinlage im Prospekt wird hinreichend deutlich, welches der Maßstab der Haftsummen(-unter-)deckung ist. Auf S. 130 des Prospekts findet sich zudem die Klarstellung, dass es bei der Gefahr des Auflebens der Haftung um Auszahlungen geht, die über den handelsrechtlichen Gewinn hinaus erfolgen, woraus der Einfluss von Verlusten auf die Möglichkeit des Auflebens der Haftung ebenso hervorgeht, wie aus der Darstellung von Gewinnauszahlungen und Eigenkapitalrückzahlungen gemäß der Ergebnisprognose auf S. 42 des Prospekts.
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Einbruch der Charterraten
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Der Kläger macht geltend, bereits ab Mai 2008 habe es Frühwarnsignale für einen Einbruch der Charterraten gegeben. Ab August 2008 seien diese massiv eingebrochen. Die Darstellung des Marktes und der erwarteten Chartereinnahmen im Prospekt ist indes nicht fehlerhaft. Auf S. 27 wird unter Benennung der Quelle ausgeführt, es werde in den kommenden Jahren bei der Nachfrage in der Massengutschifffahrt aufgrund der industriellen Produktion und der Nachfrage nach Rohstoffen mit einem leicht reduzierten, aber überdurchschnittlichen Niveau der Zuwachsraten gerechnet. Der Einfluss auf die Entwicklung der Charterraten ist auf S. 32 dargestellt. Hier findet sich auch ein Hinweis darauf, dass diese Entwicklung starken Schwankungen unterliegt. Die Beklagte hat dargelegt (S. 7 des Schriftsatzes vom 03.08.2017, Bl. 35 d. A.), wie angesichts dieser Rahmenbedingungen die Einnahmen prognostiziert worden sind. Dass diese Prognose unvertretbar gewesen sei, hat der Kläger nicht dargetan. Er hat ausgeführt, beginnend August / September 2008 sei es zu einem massiven Verfall der Frachtraten gekommen (S. 10 des Schriftsatzes vom 11.102017, Bl. 56 d. A.). Dass zur Zeit der Prospektherausgabe im Juni 2008 und bis (Anfang bis Mitte) September 2008 bereits Umstände vorgelegen hätten, die die Entwicklung nicht einer - gewohnten - starken Schwankung hätten zurechnen lassen, ist daher nicht vorgetragen. In dem vom Kläger vorgelegten Gutachten gemäß Anlage K 11 wird ausgeführt, dass die Charterraten ab der zweiten Septemberhälfte 2008 eingebrochen seien (dort S. 7). Dort wird auch die Ursache genannt, nämlich „speziell die Lehman-Brothers-Pleite und [der] sich daraus ergebende Kapazitätsüberhang“. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass vor dem genannten Ereignis nicht vorhersehbar war, dass die Immobilien- und Finanzkrise auf die gesamte Weltwirtschaft durchschlagen würde. Der Lehman-Insolvenzantrag wurde erst am 15.09.2008 gestellt. Zuvor waren verschiedene Finanzinstitute, nämlich Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac, gestützt worden. Am 16.09.2008, dem Tag der Beitrittsentscheidung des Klägers, war daher noch kein Prospektnachtrag zur Verfügung zu stellen.
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Schiffsneubau-Bestellungen
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Entsprechendes gilt für die Rüge, es sei nicht hinreichend auf die Risiken aufgrund des wachsenden Angebots an Containerschiffen hingewiesen. Der Kläger zitiert selbst die Ausführungen auf S. 31 des Prospekts, wo erklärt wird, dass in erheblichem Umfang Bulk Carrier bestellt worden waren und ein hohes Flottenwachstum zu verzeichnen war. Es wird hieraus auf eine „sehr positive Einschätzung des Marktes gerade für dieses Größensegment“ geschlossen. Dass diese Einschätzung nicht bestand oder ersichtlich unvertretbar war, ist nicht dargelegt. Dass ein Flottenwachstum ein steigendes Angebot an Transportkapazität bedeutet, versteht sich von selbst. Dass angesichts der dargestellten wirtschaftlichen Bedingungen vor Mitte/Ende September 2008 davon ausgegangen werden musste, dass dieser keine steigende Nachfrage gegenüberstehen würde, ist nicht dargelegt, kann insbesondere nicht aus zwei Presseartikeln aus dem Jahre 2006 geschlossen werden. Der Artikel gemäß Anlage K 13 formuliert zudem sehr vorsichtig: „Damit könnte der Kapazitätsengpass wieder einem Überangebot weichen“ und spricht nur von einem Ende des „Booms“. Dass die im Prospekt dargestellte Prognose auf der Annahme eines „Booms“ beruhe, ist aber nicht ersichtlich.
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Währungsklausel im Darlehensvertrag
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Bankübliche Klauseln, die im Falle von Wertveränderungen eine Anpassung von Sicherheiten ermöglichen, sind kein besonderes Risiko der Fremdfinanzierung und daher nicht aufklärungspflichtig. Die Möglichkeit des Verlangens einer Ausgleichszahlung in dem Fall, dass aufgrund von Änderungen des Wechselkurses eine Disparität zur Restvaluta in der Leitwährung des Darlehens entsteht, ist eine vergleichbare Regelung. In beiden Fällen muss der Darlehensnehmer weitere Mittel zur Verfügung stellen, um ein gestiegenes Risiko des Darlehensgebers aufgrund von Wertveränderungen auszugleichen. Der Kläger trägt auch selbst vor (S. 12 f. der Klageschrift, Bl. 12 d. A.), dass es sich um eine Sicherheit handelt, die standardmäßig vereinbart wird und stets etwa inhaltsgleich lautet (wenn das Darlehen in einer anderen als der Leitwährung in Anspruch genommen wird oder werden kann). Die Gefahr, die durch eine solche Regelung begründet wird, ist eine Ausprägung des Währungsrisikos, über das auf S. 19 des Prospekts - im Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung - aufgeklärt wird. Auch wird im Prospekt deutlich, dass der Kredit in der Leitwährung US-$ zum Teil in japanischen Yen in Anspruch genommen worden war und weiter genommen werden konnte (S. 44, 47, 76 des Prospekts).
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Vergütung der Beklagten für Finanzierungsvermittlung
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Über Vergütungen für Finanzierungsvermittlungen und andere sogenannte „weiche“ Kosten ist im Prospekt aufzuklären, da sie Einfluss auf die Rentabilität der Anlage haben. Es muss dargestellt werden, welche Beträge der Gesamtmittel nicht in die eigentliche Investition fließen, sondern für andere Zwecke verwendet werden und die eigentliche Investition dadurch mittelbar verteuern. Außerdem müssen etwaige Interessenkonflikte aufgrund solcher Vergütungen erkennbar werden. Der streitgegenständliche Prospekt nennt indes die vom Kläger beanstandete Vergütung, deren Höhe und die Beklagte als Empfängerin, so dass insofern kein Aufklärungsdefizit besteht.

Annotations
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.