Landgericht Hamburg Beschluss, 26. Feb. 2016 - 326 T 61/15
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 03.06.15, gegen den Beschluss des Amtsgericht Hamburg vom 22.05.15, Aktenz.: 67c IN 423/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Am 07.12.11 wurde über das Vermögen des Schuldners das Regelinsolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Dr. J.-H. M. bestellt. Am 04.09.12 wurde das Verfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben. Dem Schuldner wurden die Verfahrenskosten für die Restschuldbefreiungsphase gestundet. Der Insolvenzverwalter wurde zum Treuhänder bestellt. Ihm wurde von den Gläubigern kein Überwachungsauftrag erteilt.
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In seinem Bericht vom 02.10.14 führte der Treuhänder aus, dass er keine Erkenntnisse über veränderte Vermögens- oder Einkommensverhältnisse des Schuldners habe.
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Am 07.10.14 schrieb das Gericht den Schuldner an. Er wurde aufgefordert, binnen einer Woche, zum Nachweis seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, Kopien seiner letzten Gehalts- oder Lohnabrechnungen bzw. Leistungsbescheide vorzulegen, ggf. sein Bemühen um eine zumutbare Arbeit darzulegen und glaubhaft zu machen (bei telefonischer Bewerbung durch Nennung der Telefonnummer, des Datums des Gesprächs, des Arbeitgebers, des Ansprechpartners) oder eine ärztliche Bescheinigung über eine etwaige gesundheitliche Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Die Änderung oder Aufhebung der Stundungsbewilligung wurde ihm angedroht. Das Schreiben konnte erst nach eine Meldeabfrage zugestellt werden.
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Dieser reichte am 21.10.14 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu Akte (Bl. 13 f. d. Stundungsbandes). Einen Leistungsbescheid für die Zeit von 01.09.14 bis 28.02.2015 legte er bei. Er führte aus, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, Arbeit aufzunehmen. Eine vorzeitige Verrentung werde durch das Jobcenter geklärt. Eine entsprechende Bestätigung fügte er bei (Bl. 18 d.A.).
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Mit Schreiben vom 11.05.15, zugestellt am 15.05.15, wurde der Schuldner durch das Gericht erneut aufgefordert, binnen einer Woche, zum Nachweis seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, Kopien seiner letzten Gehalts- oder Lohnabrechnungen bzw. Leistungsbescheide vorzulegen, ggf. sein Bemühen um eine zumutbare Arbeit darzulegen und glaubhaft zu machen oder eine ärztliche Bescheinigung über eine etwaige gesundheitliche Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Eine Aufhebung der Stundungsbewilligung wurde angedroht.
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Der Schuldner übersandte wiederum eine ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und fügte einen Leistungsbescheid bei. Er befinde sich in ärztlicher Behandlung. Name und Anschrift des Arztes teilte er mit. Er gab an, sich um eine dauerhafte Arbeit bemühen zu wollen, sobald es ihm gesundheitlich besser gehe.
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Mit Beschluss vom 22.05.15, zugestellt am 28.05.15, wurde die Verfahrenskostenstundung aufgehoben, da der Schuldner seine Mitwirkungs- und Auskunftspflichten hartnäckig verletzt habe. Trotz inzwischen zweimaligen Hinweises auf die Erforderlichkeit, habe er für seine behauptete Erwerbsunfähigkeit keine entsprechende ärztliche Bescheinigung beigefügt.
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Am 03.06.15 legte der Schuldner sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und legte ein ärztliches Attest vom 02.06.15 des von ihm zuvor bereits benannten Arztes vor (Bl. 37 d.A.). Darin wurde festgehalten, dass der Schuldner arbeitsunfähig erkrankt sei bis mindestens 30.09.15.
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Dem Schuldner wurde durch das Gericht Gelegenheit gegeben, weitere Belege vorzulegen. Dem vorgelegten Attest sei in keiner Weise zu entnehmen, dass der Schuldner seit Beginn der Wohlverhaltensphase arbeitsunfähig gewesen sei. Bemühungen über eine zumutbare Arbeit seien ebenfalls nicht nachgewiesen worden.
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Am 10.06.15 teilte der Schuldner mit, er habe keine Nachweise über seine telefonischen Bemühungen um eine Arbeit. Er bat um Fristverlängerung bis nach seinem Arzttermin vom 12.06.15 um seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen zu können.
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Am 25.06.15 half das Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landgericht zur Entscheidung vor.
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Mit Schreiben vom 20.07.15 führte der Schuldner aus, vom 01.05.12 bis 28.02.13 eine Anstellung als Bäckergehilfe gehabt zu haben, jedoch wegen mehrfacher Krankheit gekündigt worden zu sein. Mit dem Jobcenter stehe er in engem Kontakt, sei jedoch auch dort wegen seines Alters nicht vermittelbar. Er nannte Arbeitgeber, bei denen er sich telefonisch beworben habe, jedoch weder deren Telefonnummer, noch Gesprächsdaten oder Ansprechpartner. Ferner legte er eine ärztliche Bescheinigung seines Hausarztes über seine dortigen Termine vor. Danach war er ab dem 07.09.13 arbeitsfähig und hat er sich in 2014 dort nicht mehr als krank vorgestellt. Erst zum 02.06.15, 12.06. und 7.7.15 ist er wieder beim Arzt erschienen.
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Der Schuldner beruft sich auf die Entscheidung des BGH v. 02.12.10, IX ZB 160/10, wonach die Stundungsbewilligung nicht aufgehoben werden könne, wenn der Schuldner ohnehin nicht in der Lage wäre, Einkünfte oberhalb der Pfändungsfreigrenze zu erzielen. Eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen, wie es der Stundungswiderruf erfordere, sei dann nicht gegeben. In diesem Fall sei es unerheblich, wenn der Schuldner seiner Auskunftspflicht hinsichtlich seiner Erwerbsbemühungen nicht in schlüssiger Weise nachkomme.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
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Das Insolvenzgericht kann die Stundung der Verfahrenskosten aufheben, wenn der Schuldner sich schuldhaft nicht ausreichend um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht, § 4c Ziffer 4 InsO. Hierbei hat der Schuldner erhebliche Anstrengungen zu leisten. Er hat sich aktiv für eine angemessene Berufstätigkeit zu bewerben (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 4c Rn. 18 f.).
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Der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, dass es dem Jobcenter nicht gelungen sei, ihn zu vermitteln.
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Der BGH hat insoweit vom Schuldner verlangt, dass er im Regelfall nicht nur bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet ist und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern hält, sondern sich zusätzlich selbst aktiv und ernsthaft um eine Arbeitsstelle bewirbt. Als ungefähre Richtgröße hat der Senat zwei bis drei Bewerbungen in der Woche angegeben (BGH v. 13.09.12, IX ZB 191/11 m.w.N.).
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Dem hiesigen Schuldner ist danach eine schuldhafte Verletzung seiner Erwerbsbemühungspflichten vorzuwerfen. Zwar behauptet er, sich telefonisch um Arbeit bemüht zu haben, kann dies jedoch nicht belegen. Über die Pflichten, sich Notizen über telefonische Bewerbungen zu machen, war er aber spätestens durch das Schreiben des Gerichts vom 07.10.14 informiert. Dennoch hat der Schuldner es ohne nachvollziehbaren Grund und damit offenbar grob fahrlässig unterlassen, sich entsprechende Belege und Daten zu sichern, um seine Bemühungen nachweisen zu können.
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Seit dem 07.09.13 war der Schuldner nach den schriftlichen Angaben seines Arztes auch nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Dem Jobcenter gegenüber hat er dies jedoch nicht offengelegt, anderenfalls hat diese Behörde am 23.09.14 nicht im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung vermerkt, dass die Erwerbsfähigkeit zunächst noch abgeklärt werden müsse (vgl. Bl. 18 d. Stundungsbandes).
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Der Schuldner kann sich auch nicht unter Hinweis auf die von ihm zitierte BGH-Rechtsprechung darauf berufen, dass er nicht mehr vermittelbar sei und deswegen seine Erwerbsbemühungen nicht darlegen müsse.
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Insoweit unterscheidet sich er hier zu entscheidende Fall von der durch den BGH im Jahr 2010 zu beurteilenden Sachlage. Dort wurde von Dritter Seite (Diakonisches Werk) objektiv nachvollziehbar bestätigt, dass die Schuldnerin wegen ihrer mangelnden Schul- und Ausbildung nicht vermittelbar sei. Diese Sachlage ist im hiesigen Fall nicht gegeben. Der Schuldner hat eine abgeschlossen Ausbildung als KFZ-Mechaniker und hat sein eigenes Transportunternehmen geleitet. Er ist somit ausreichend qualifiziert. Auch hat der Schuldner selbst vorgetragen, im Jahr 2012 bis 2013 trotz seines Alters noch eine Arbeit gefunden zu haben. Nur wegen der (inzwischen vorübergegangenen) Erkrankung sei er gekündigt worden. Wäre der Schuldner tatsächlich unvermittelbar, hätte das Jobcenter mit ihm ferner keine Eingliederungsvereinbarung anvisiert und diese nur wegen der behaupteten angeblich fortdauernden Erkrankung verschoben.
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Es kann somit nur davon ausgegangen werden, dass der Schuldner lediglich Schutzbehauptungen erhebt und seinen Erwerbsbemühungen schuldhaft nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgekommen ist.
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Die Verfahrenskostenstundung wurde daher zu Recht aufgehoben. Die sofortige Beschwerde war zurückzuweisen.
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Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung. Die Rechtsbeschwerde war daher nicht zuzulassen.
Annotations
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.