Landgericht Hamburg Beschluss, 27. Sept. 2016 - 326 T 139/16

Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 16.9.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 6.9.2016, Aktenzeichen 67c IN 318/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert wird auf 26.496 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Mit Schreiben vom 13.7.2016, eingegangen bei Gericht am 14.7.2016, stellte die Beschwerdeführerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A. H. I. GmbH wegen einer titulierten Forderung in Höhe von 20.000 € nebst Zinsen und Gerichtskosten. Der beauftragte Obergerichtsvollzieher habe festgestellt, dass die Schuldnerin an ihrem bisherigen Geschäftssitz nicht mehr zu ermitteln sei, obwohl sie im Handelsregister noch auf diese Adresse eingetragen sei. Eine Kontaktaufnahme zu den bisherigen Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin, um die neue Geschäftsanschrift zu erfahren, sei erfolglos geblieben. Offensichtlich versuche die Schuldnerin, sich dem Zugriff ihrer Gläubiger zu entziehen.
- 2
Der Versuch des Insolvenzgerichts, den Insolvenzantrag der Schuldnerin zur Gewährung rechtlichen Gehörs an ihrem bisherigen Geschäftssitz zuzustellen, scheiterte. Die Post war rückläufig, ein beauftragter Wachtmeister machte aktenkundig, dass unter der Anschrift die Schuldnerin nicht zu ermitteln sei. Das Gericht gab der Beschwerdeführerin auf, binnen 2 Wochen eine zustellungsfähige Anschrift der Schuldnerin mitzuteilen.
- 3
Mit Schreiben vom 10.8.2016 beantragte die Beschwerdeführerin, den eingereichten Insolvenzantrag gemäß §§ 8,9 InsO öffentlich bekannt zu machen, hilfsweise die öffentliche Zustellung gemäß §§ 185,186 ZPO zu veranlassen. Ferner wurde um Fristverlängerung für die vom Gericht gemachte Auflage gebeten. Mit Schreiben vom 23.8.2016 regte die Beschwerdeführerin an, die Zustellung mithilfe der Deutschen Post AG noch einmal zu versuchen, da die Postleitzahl offenbar vom Gericht bei der Zustellung falsch angegeben worden war. Mit Schreiben vom 5.9.2016 bat die Beschwerdeführerin erneut um Fristverlängerung, da noch Auskünfte des Registergerichts fehlen würden.
- 4
Mit Beschluss vom 6.9.2016 wies das Amtsgericht den Eröffnungsantrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück. Ein Insolvenzantrag müsse dem Bestimmtheitserfordernis genügen, um den Schuldner zu individualisieren und die Zuständigkeit des Gerichts prüfen zu können. Dazu benötigte man die zustellfähige Anschrift des Schuldners. Auch seien Insolvenzeröffnungsverfahren stets eilbedürftig, so dass eine wiederholte Fristverlängerung nicht in Betracht komme. Ein Gläubigerantrag müsse sorgfältig vorbereitet werden. Dazu gehöre die Vergewisserung, dass eine zustellfähige Anschrift genannt werden könne.
- 5
Am 16.9.2016 legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und beantragte erneut, eine öffentliche Bekanntmachung bzw. öffentliche Zustellung ihres Insolvenzantrages. Die Rechtsauffassung des Insolvenzgerichts sei fehlerhaft. Das Gericht hätte den Weg der öffentlichen Bekanntmachung bzw. der öffentlichen Zustellung wählen müssen. Deren Voraussetzungen seien von der Beschwerdeführerin belegmäßig nachgewiesen worden. Die Schuldnerin sei unbekannten Aufenthalts.
- 6
Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
- 8
Die Beschwerdeführerin kann weder eine öffentliche Bekanntmachung noch eine öffentliche Zustellung ihres Insolvenzantrages verlangen. Ihr Antrag auf Insolvenzeröffnung war mangels Nennung der zustellfähigen Anschriften der gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin als unzulässig zurückzuweisen.
1.
- 9
Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf öffentliche Bekanntmachung ihres Insolvenzantrages.
- 10
Die öffentliche Bekanntmachung ist in § § 8,9 InsO geregelt. Neben den im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen kann eine öffentliche Bekanntmachung zwar nach pflichtgemäßer Ermessensentscheidung des Gerichtes, insbesondere in Fällen wo Personen unbekannten Aufenthalts sind (§ 8 II InsO), angeordnet werden (vgl. Hamburger Kommentar/Rüther, InsR, 5. Aufl. § 9 Rn. 2). Ein Ermessensfehlgebrauch des Amtsgerichts ist im vorliegenden Fall jedoch dennoch nicht festzustellen.
a)
- 11
Es ist schon zweifelhaft, ob man bei einer juristischen Person überhaupt davon ausgehen kann, dass diese unbekannten Aufenthalts sein kann. Die juristische Person ist lediglich ein rechtliches Konstrukt, das nirgendwo körperlich anwesend sein kann. Die Zustellung an juristische Personen erfolgt daher grundsätzlich an deren gesetzlichen Vertreter (Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 170 Rn. 3 m.w.N.). Die Zustellung kann nur zusätzlich auch in den Geschäftsräumen der juristischen Person an dortige Mitarbeiter im Wege der Ersatzzustellung erfolgen.
b)
- 12
Selbst wenn man aber mit der Beschwerdeführerin davon ausginge, dass eine juristische Person unbekannten Aufenthalts sein kann, sobald sie ihren Geschäftssitz aufgegeben hat, würde im vorliegenden Fall dennoch eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 9 InsO aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht kommen.
aa)
- 13
Im vorliegenden Fall hat der Obergerichtsvollzieher der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1.3.2016 mitgeteilt, dass die Geschäftsräume der Schuldnerin möglicherweise nach (PLZ) H., R... Chaussee ... verlegt worden sein könnten (vgl. Bl. 16 d.A.). Die Beschwerdeführerin hat nicht dargetan, einen Vollstreckungsversuch unter dieser Alternativadresse überhaupt versucht zu haben.
bb)
- 14
Gemäß § 8 Abs. II S. 2 InsO erfolgt eine Zustellung ferner auch bei Personen, die unbekannten Aufenthaltsorts sind, an deren berechtigten Vertreter. Im Falle einer GmbH als juristischen Person ist dies der Geschäftsführer, im Insolvenzfall, wenn der Geschäftsführer sein Amt wirksam niedergelegt haben sollte, wohl auch deren Gesellschafter (vgl. § 15 InsO). Dass der Geschäftsführer der hiesigen Schuldnerin unbekannten Aufenthaltsortes sein oder sein Amt niedergelegt haben könnte und darüber hinaus auch die Gesellschafter nicht auffindbar sein könnten, hat die Beschwerdeführerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Die Zustelladressen der fraglichen Personen wurden von ihr gegenüber dem Amtsgericht zu keiner Zeit angegeben.
2.
- 15
Eine öffentliche Zustellung des Insolvenzantrages gemäß § 185 ZPO kam vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Auch diese Norm sieht eine öffentliche Zustellung gemäß ihrer Ziffer 1 nur dann vor, wenn eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten, hat die Beschwerdeführerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht (s.o.).
3.
- 16
Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht dagegen beschweren, dass ihr wiederholter Antrag auf Fristverlängerung für weitere Adressermittlungen nicht erneut positiv beschieden wurde. Zu Recht hat das Insolvenzgericht insoweit darauf hingewiesen, dass Insolvenzeröffnungsverfahren grundsätzlich eilbedürftig sind. Aufgrund der Bedeutung des Zeitpunktes des Insolvenzeröffnungsantrages für spätere Anfechtungsansprüche und dem drohenden Vermögensbeschlag ist es erforderlich, sowohl im Interesse der Gläubiger als auch der Schuldner über einen Insolvenzantrag zügig eine verbindliche Entscheidung zu treffen und Rechtssicherheit zu schaffen. Mehrfache Fristverlängerungen sind damit unvereinbar.
4.
- 17
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Insolvenzantrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen wurde, da sie die zustellfähigen Adressen der möglichen Vertreter der Schuldnerin dem Gericht nicht fristgemäß mitgeteilt hat. Sie hat auch nicht dargelegt, dass ihr deren Mitteilung trotz erheblicher Bemühungen nicht möglich gewesen sein könnte.
5.
- 19
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung.
- 20
Der Gegenstandswert richtet sich nach § 58 Abs. 2 GKG.

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Annotations
(1) Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt durch eine zentrale und länderübergreifende Veröffentlichung im Internet *); diese kann auszugsweise geschehen. Dabei ist der Schuldner genau zu bezeichnen, insbesondere sind seine Anschrift und sein Geschäftszweig anzugeben. Die Bekanntmachung gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.
(2) Das Insolvenzgericht kann weitere Veröffentlichungen veranlassen, soweit dies landesrechtlich bestimmt ist. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der zentralen und länderübergreifenden Veröffentlichung im Internet zu regeln. Dabei sind insbesondere Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Veröffentlichungen
- 1.
unversehrt, vollständig und aktuell bleiben, - 2.
jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.
(3) Die öffentliche Bekanntmachung genügt zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten, auch wenn dieses Gesetz neben ihr eine besondere Zustellung vorschreibt.
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www.insolvenzbekanntmachungen.de
(1) Zum Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist außer den Gläubigern jedes Mitglied des Vertretungsorgans, bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien jeder persönlich haftende Gesellschafter, sowie jeder Abwickler berechtigt. Bei einer juristischen Person ist im Fall der Führungslosigkeit auch jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt.
(2) Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern, allen Gesellschaftern der juristischen Person, allen Mitgliedern des Aufsichtsrats oder allen Abwicklern gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird. Zusätzlich ist bei Antragstellung durch Gesellschafter einer juristischen Person oder Mitglieder des Aufsichtsrats auch die Führungslosigkeit glaubhaft zu machen. Das Insolvenzgericht hat die übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans, persönlich haftenden Gesellschafter, Gesellschafter der juristischen Person, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Abwickler zu hören.
(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend für die organschaftlichen Vertreter und die Abwickler der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter. Entsprechendes gilt, wenn sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
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der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens werden nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, werden nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt. Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist von den bei der Fortführung erzielten Einnahmen nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben ergibt. Dies gilt auch, wenn nur Teile des Unternehmens fortgeführt werden.
(2) Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag nach dem Betrag seiner Forderung, wenn jedoch der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, nach diesem Wert erhoben.
(3) Bei der Beschwerde des Schuldners oder des ausländischen Insolvenzverwalters gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse gilt Absatz 1. Bei der Beschwerde eines Gläubigers gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Eröffnungsantrags gilt Absatz 2.
(4) Im Verfahren über einen Antrag nach Artikel 36 Absatz 7 Satz 2 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Mehrbetrag, den der Gläubiger bei der Verteilung anstrebt.
(5) Im Verfahren über Anträge nach Artikel 36 Absatz 9 der Verordnung (EU) 2015/848 bestimmt sich der Wert nach dem Betrag der Forderung des Gläubigers.
(6) Im Verfahren über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102c § 26 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gegen die Entscheidung über die Kosten des Gruppen-Koordinationsverfahrens bestimmt sich der Wert nach der Höhe der Kosten.