Landgericht Freiburg Beschluss, 17. Juni 2003 - 4 T 105/03

bei uns veröffentlicht am17.06.2003

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 24.03.2003 (15a UR II 2/02) aufgehoben.

Die Erinnerung der Beteiligten zu 1 vom 03.09.2001 gegen den Kostenansatz des Notariats 3 - Nachlassgericht - Freiburg vom 25.07.2001 (3 GR N 196/01) wird zurückgewiesen.

Das Erinnerungs- und das Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Am 15.06.2001 hat das Amtsgericht Berlin-Mitte ein am 03.09.1942 verfasstes eigenhändiges Testament des Erblassers eröffnet. Die hieraus resultierende, vom Nachlassgericht Freiburg anzusetzende Gebühr ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Bereits am 29.10.1996 hatte die Abteilung III des Notariats Freiburg auf Ableben des Ehemannes, des Erblassers, ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute H. eröffnet.
Die Beteiligte zu 1 wendet sich dagegen, für die Eröffnung zweier Testamente zahlen zu müssen, an der Eröffnung des Testaments aus dem Jahre 1942 habe es keinerlei Interesse mehr gegeben.
Das Amtsgericht hat auf die Erinnerung der Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 24.03.2003 die angesetzten Kosten in Höhe von DM 355,- gemäß § 16 KostO niedergeschlagen. Auf den Inhalt der genannten Entscheidung wird Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse, die der Beteiligten Ziffer 1 zur Kenntnis gegeben worden ist.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen der Nichterhebung der Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 16 KostO sind nicht gegeben, weil das Amtsgericht Berlin-Mitte mit der Eröffnung des Testamentes des Erblassers aus dem Jahre 1942 die Sache richtig behandelt hat. Im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgerichts liegt ein "Militärtestament" nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, dass auch solche "Militärtestamente" nicht notwendig innerhalb der Jahresfrist nach Art. I § 3 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit und andere Rechtsangelegenheiten in der Wehrmacht vom 24. April 1934 (RGBl I 335) ihre Gültigkeit verlieren (vgl. Satz 2 der genannten Bestimmung) und möglicherweise selbst solche "Militärtestamente" eröffnet werden müssen (vgl. Staudinger/Baumann [August 1995] § 2260 Rn. 14 für den rechtsähnlichen Fall von außerordentlichen Testamenten nach Fristablauf - § 2252 BGB). Über letzteres hat die Kammer vorliegend jedoch nicht zu entscheiden.
Das Gesetz vom 24. April 1934 sollte nicht etwa das Errichten letztwilliger Verfügungen für den von ihm erfassten Personenkreis erschweren, sondern erleichtern. Folglich konnten Wehrmachtsangehörige sich auch der ordentlichen und außerordentlichen Testamentsformen des BGB bedienen (vgl. Staudinger/Firsching 10./11.A. vorb. Rdnr. 69 vor § 2229; vgl. auch Art. I § 2 Abs. 2 des genannten Gesetzes, wonach für die Errichtung von Testamenten auch die Vorschriften des BGB entsprechend gelten). Art. I § 3 des Gesetzes stellt lediglich weitere Formen letztwilliger Verfügungen zur Verfügung und bezeichnet diese als "Militärtestament" (sog. Militärtestament im engeren Sinne, Wehrmachtsnottestament, vgl. Firsching aaO Rdnr. 70). Lediglich solche "Militärtestamente" verloren grundsätzlich binnen der genannten Jahresfrist ihre Gültigkeit. Art. I § 3 Abs. 1 a des Gesetzes bezeichnet als gültig errichtetes "Militärtestament" eine solche letztwillige Verfügung, die der Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat.
Vorliegend hatte der Erblasser nicht nur eigenhändig geschrieben und unterschrieben, sondern auch das Datum der Errichtung des Testaments angegeben. Damit hat er die Form des seit 1938 gültigen Testamentgesetzes (TestG) vom 31.07.1938 (RGBl I 973) eingehalten, das an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches getreten war. § 21 Abs. 1 TestG bestimmte, dass der Erblasser ein Testament in ordentlicher Form durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten kann. Nach Abs. 2 der Vorschrift war es nicht notwendig, aber rätlich, dass der Erblasser in der Erklärung angibt, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er sie niedergeschrieben hat. Nach Abs. 3 sollte der Erblasser mit Vornamen und Familiennamen unterschreiben. Unterschrieb er in anderer Weise, etwa lediglich mit dem Vornamen oder durch Angabe der Familienstellung, und reichte diese Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung aus, so stand eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen. Ein solches Testament im Sinne von § 21 TestG hat der Erblasser am 03.09.1942 errichtet. Unschädlich ist dabei, dass er als Ort der Errichtung des Testaments lediglich "Ortsunterkunft" angegeben hat. Für die Gültigkeit des zivilen Testament ist eine Ortsangabe nämlich nicht zwingend.
Somit war der Erblasser nicht auf die Formerleichterung aus § 3 Abs. 1 a des Gesetzes vom 24.04.1934 angewiesen. Die darin vorgesehenen Erleichterungen der Form (vgl. § 3 Abs. 2, Abs. 4) hatten durch § 21 TestG ohnehin ihre wesentliche Bedeutung verloren. Vor Inkrafttreten des TestG hatte nämlich § 2231 Nr. 2 BGB für das eigenhändige Testament notwendig vorgesehen, dass der Erblasser unter Angabe des Ortes und des Tages eigenhändig die Erklärung schreibt und unterschreibt (vgl. im einzelnen Staudinger/Firsching, BGB 12. Auflage Vorbemerkungen zu §§ 2229 bis 2264 Rdnr. 67; Hesse, DJ 1944 109, 110).
Ob der Erblasser in der Form eines Militärtestamentes testieren wollte, ist demgegenüber ohne Bedeutung (vgl. Staudinger/Firsching 11./12.A.. Vorbem. vor § 2229 Rdnr. 73; LG Düsseldorf NJW 1953, 508). Entscheidend ist vielmehr, dass er - ggf. auch - die Förmlichkeiten eines zivilen Testaments eingehalten hat.
10 
Somit war die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 03.09.1942 nicht kraft Gesetzes unwirksam geworden. Ob das Testament von 1942 durch das später errichtete gemeinschaftliche Testament des Erblassers aufgehoben worden war, war, wie allgemein anerkannt ist, vom Nachlassgericht nicht zu prüfen.
11 
Gemäß § 2260 BGB hat jedes Nachlassgericht, sobald es vom Tode des Erblassers Kenntnis erlangt zur Eröffnung eines in seiner Verwahrung befindlichen Testamentes einen Termin zu bestimmen und in diesem Termin das Testament zu eröffnen. Dass andere Nachlassgerichte bereits andere letztwillige Verfügungen des Erblassers eröffnet haben, ist hierbei ohne Bedeutung. Ebenfalls ohne Bedeutung ist, wie lang der Todesfall bereits zurückliegt (vgl. im einzelnen KG Rpfleger 2002, 383).
12 
Dass das Nachlassgericht Berlin-Mitte, nachdem das Testament von 1942 sich mehr als 30 Jahre in amtlicher Verwahrung befunden hatte, möglicherweise entgegen der Verpflichtung aus § 2263 a BGB von Amts wegen keine Ermittlungen darüber angestellt hat, ob der Erblasser noch lebt, ist kostenrechtlich ohne Bedeutung. Hierdurch wäre das zweimalige Anfallen der Eröffnungsgebühr nicht vermieden worden. Das Nachlassgericht war nicht gehalten, den Erblasser zu dessen Lebzeiten anzuschreiben und zu fragen, ob er das nunmehr 30 Jahre in Verwahrung gehaltene Testament aus der amtlichen Verwahrung zurücknehmen will oder nicht. Es war Sache des Erblassers, sich um in amtliche Verwahrung gegebene frühere Testamente zu kümmern und daraus resultierende kostenrechtliche wie auch andere erbrechtliche Folgen zu beachten.
13 
Die Höhe der angesetzten Gebühr ist nicht zu beanstanden.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2231 Ordentliche Testamente


Ein Testament kann in ordentlicher Form errichtet werden1.zur Niederschrift eines Notars,2.durch eine vom Erblasser nach § 2247 abgegebene Erklärung.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2252 Gültigkeitsdauer der Nottestamente


(1) Ein nach § 2249, § 2250 oder § 2251 errichtetes Testament gilt als nicht errichtet, wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt. (2) Beginn und Lauf der Frist sind gehemmt, solange der Erblasser außerstan

Referenzen

(1) Ein nach § 2249, § 2250 oder § 2251 errichtetes Testament gilt als nicht errichtet, wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt.

(2) Beginn und Lauf der Frist sind gehemmt, solange der Erblasser außerstande ist, ein Testament vor einem Notar zu errichten.

(3) Tritt im Falle des § 2251 der Erblasser vor dem Ablauf der Frist eine neue Seereise an, so wird die Frist mit der Wirkung unterbrochen, dass nach Beendigung der neuen Reise die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.

(4) Wird der Erblasser nach dem Ablauf der Frist für tot erklärt oder wird seine Todeszeit nach den Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes festgestellt, so behält das Testament seine Kraft, wenn die Frist zu der Zeit, zu welcher der Erblasser nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, noch nicht verstrichen war.

Ein Testament kann in ordentlicher Form errichtet werden

1.
zur Niederschrift eines Notars,
2.
durch eine vom Erblasser nach § 2247 abgegebene Erklärung.