Landgericht Duisburg Beschluss, 23. Feb. 2016 - 5 S 91/15
Gericht
Tenor
weist die Kammer darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, innerhalb eines Monats ab Zugang dieses Beschlusses zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Die Rücknahme der Berufung ist kostenrechtlich priviligiert. Es fallen statt 4 nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1422 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).
1
Gründe:
2Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
3Das Amtsgericht hat zutreffend allein die Flugverspätung als Mangel feststellen können und insbesondere weder eine Reisepreisminderung noch einen Schadensersatzanspruch auf die Magen-Darm-Erkrankung infolge eines Defekts der Kläranlage gestützt.
4Wegen der im Zusammenhang mit der Erkrankung behaupteten Umstände kommt eine Reisepreisminderung nicht in Betracht, weil die Klägerin dafür beweisfällig geblieben ist, dass die Erkrankung auf Umständen beruhte, die der Beklagten zuzurechnen sind. Die Beklagte hat eine solche Kausalität bestritten, ohne dass die Klägerin dazu einen tauglichen Beweis angeboten hätte. Hierauf beziehen sich ersichtlich auch die Ausführungen des Amtsgerichts auf S. 5 des angegriffenen Urteils. Die Klägerin kann den Beweis, dass ihre Erkrankung auf Umstände zurückzuführen ist, die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegen, mit den angebotenen Beweismitteln nicht führen. Sie hat lediglich Indizien vorgetragen. Sie verkennt jedoch, dass eine Beweisaufnahme über Indiztatsachen nur einen Sinn ergibt, wenn diese bei Unterstellung als wahr den Schluss auf die zu beweisende Haupttatsache zulassen. Hierzu sind die vorgetragenen Indizien, nämlich das Auftreten einer Magen-Darm-Grippe einerseits und das verunreinigte Meerwasser andererseits, indessen nicht geeignet. Denn es ist allgemein bekannt, dass Magen-Darm-Erkrankungen verschiedene Ursachen haben können. Daher ist ohne einen Abgleich der Erreger aus dem Stuhl der Klägerin mit einer Probe belasteten Meerwassers o. ä. der Kausalitätsnachweis im strengen Sinne nicht zu führen. Weil die vorgenannten Daten infolge einer unterlassenen Beweissicherung vor Ort nicht zur Verfügung stehen, könnte selbst ein Sachverständiger allenfalls Aussagen über statistische Wahrscheinlichkeiten treffen, die zur Beweisführung im Sinne der ZPO nicht ausreichen. Daher stellt es entgegen dem Berufungsvorbringen keinen Rechtsfehler dar, dass das Amtsgericht kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Die Nichteinholung steht insbesondere auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die von der Klägerin zitiert wird. Denn es ist auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin völlig ausgeschlossen, dass aus einem Sachverständigengutachten ohne Entnahme einer Stuhlprobe und einer zum Abgleich dienenden Wasserprobe zum damaligen Zeitpunkt jetzt noch eine Kausalität zwischen einer etwaigen Verschmutzung des Meerwassers und der Erkrankung der Klägerin festgestellt werden kann.
5Auch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung (Anlage K2), die aus der Zeit nach Urlaubsrückkehr stammt, vermag entsprechenden Beweis nicht zu erbringen, denn die behandelnde Ärztin hat zu der Ursache der Infektion und dem Krankheitsverlauf unmittelbar nach der Infektion keine Angaben machen können, sondern nur das spätere Krankheitsbild festgestellt.
6Unterstellt, der Vortrag zur Entstehung der Krankheit wäre in das Zeugnis des Zeugen Q (S. 2 des Schriftsatzes vom 15.07.2015) gestellt, so wäre auch diesem Zeugenbeweis nicht nachzugehen. Die Ursache einer Erkrankung kann durch Zeugen nicht bewiesen werden. Es handelt sich dabei um einen Vorgang innerhalb des menschlichen Körpers, der für einen Dritten allenfalls nachzuvollziehen ist, wenn er über die dazu erforderlichen medizinischen Kenntnisse verfügt. Dies ist hinsichtlich des benannten Zeugen weder vorgetragen noch ersichtlich.
7Schließlich kommt der Klägerin auch keine Beweiserleichterung nach den Regeln des sog. Anscheinsbeweises zugute. Nach gefestigter Rechtsprechung kommt die Anwendung des Anscheinsbeweises im Reiserecht bei Erkrankungen durch verdorbene Speisen in Betracht (Führich, Reiserecht, 7. Auflage 2015, § 11, Rn. 27, 107). Diese Fallkonstellation ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, denn bei einem Defekt einer Kläranlage handelt es sich um einen außerhalb des Organisationsbereichs des Reiseveranstalters liegenden Mangel. In der Fallgruppe der verdorbenen Speisen besteht nach der Rechtsprechung gerade dann keine Einstandspflicht des Reiseveranstalters (Führich, a. a. O., Rn. 107 unter (3)). Darüber hinaus müsste unstreitig sein oder zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass eine Vielzahl von Reisenden während des gleichen Zeitraums an den gleichen Symptomen erkrankt ist. Auch dies ist vorliegend nicht der Fall, denn die Klägerin hat auf den Hinweis des Gerichts und auch in der Berufungsbegründung nicht ausreichend substantiiert zu der behaupteten Magen-Darm-Erkrankung und der erforderlichen Kausalität vorgetragen. Der Reisende muss für das Eingreifen eines Anscheinsbeweises Art, Dauer und Intensität nicht nur der eigenen Erkrankung, sondern auch den etwaigen Krankheitsverlauf der angeblich erkrankten Mitreisenden substantiiert vortragen. Bis auf die pauschale Behauptung, es sei eine Vielzahl von Personen erkrankt und darüber gebe es eine mediale Berichterstattung, hat die Klägerin nichts vorgetragen.
8Entgegen dem Berufungsvorbringen ist es der Klägerin gerade nicht unzumutbar, die erforderliche Vielzahl von Zeugen ausfindig zu machen und dem Gericht namentlich zu benennen, denn nur so wäre dem Gericht eine Beweisaufnahme zur Klärung der Grundlagen des Anscheinsbeweises (vorbehaltlich von dessen Anwendbarkeit im vorliegenden Fall, s. o.) möglich gewesen. Der pauschale Vortrag zu der großen Anzahl erkrankter Hotelgäste ist, worauf das Amtsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, ungeeignet, um darauf eine Beweisaufnahme zu stützen.
9Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.