Landgericht Dortmund Urteil, 19. Feb. 2015 - 2 O 239/14

Gericht
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.000,68 € (in Worten: vierunddreißigtausend 68/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 34.068,00 € die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger unterhielt als Fußballprofi bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung unter Geltung der VB 2000 KTG KT mit einem Tagegeld von 190,00 €. Am 09.01.2013 verdrehte er sich beim Training das linke Knie, das nach einem Kreuzbandriss im Jahre 1998 bereits zweimal operiert worden war. Am 28.01.2013 fand wegen der Trainingsverletzung eine Meniskus-Operation statt. Wegen darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit zahlte die Beklagte nach Ablauf der vereinbarten Karenzzeit das vereinbarte Krankentagegeld bis einschließlich 30.04.2013. Für die Zeit danach reduzierte sie das Tagegeld auf täglich 23,33 €, da sie im März 2013 erfahren hatte, dass der Kläger ab 21.02.2013 von der gesetzlichen Unfallversicherung ein Verletztengeld nach § 47 SGB V von täglich 186,67 € erhalten hatte, das die Beklagte ab 01.05.2013 auf das vereinbarte Krankentagegeld gemäß § 3 Abs. 1 VB anrechnete. Ab dem 21.11.2013 stellte die Beklagte die Zahlungen ganz ein, weil sie nach einem Gutachten vom 21.08.2013 davon ausging, dass wegen eines Instabilitätsgefühls im linken Kniegelenk und eines Unsicherheitsgefühls beim Laufen Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Profifußballer vorlag. Dagegen wendet sich der Kläger nicht. Er hält aber die Kürzung des Tagegeldes auf 23,33 € für unberechtigt und macht die Differenz zum vereinbarten Tagegeld von 166,67 € für 204 Tage mit der Klage geltend.
3Er ist der Auffassung, dass das Verletztengeld nicht leistungsmindernd zu berücksichtigen sei, weil die Krankentagegeldversicherung Summenversicherungi und das Verletztengeld ohnehin kein Krankengeld sei.
4Der Kläger beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.000,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2013 zu zahlen.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie ist der Ansicht, dass § 3 Abs. 1 VB eine Anspruchsbegrenzung enthalte und auch Verletztengeld zu berücksichtigen sei, das von der Funktion her mit Krankengeld identisch sei. Außerdem habe sie das Tagegeld gemäß § 3 Abs. 6 VB herabsetzen können.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
11Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
12Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung des vereinbarten Krankentagegeldes für den streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 190,00 € täglich verlangen, so dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der zwischen den Parteien abgeschlossenen Krankentagegeldversicherung die tägliche Differenz von 186,67 € für die Zeit vom 01. Mai 2013 bis 20. November 2013 zu bezahlen.
13- 14
1. Auf § 1 Abs. 1 Satz 2 der Versicherungsbedingungen VB 2000 kann sich die Beklagte für die vorgenommene Kürzung des Tagegeldes nicht stützen. Zwar ist darin geregelt, dass anderweitige Krankentagegelder und Krankengelder auf das Krankentagegeld angerechnet werden. Bei dieser Regelung handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten indes nicht um eine Anspruchsbegrenzung, sondern um einen unverbindlichen Programmsatz. Dies folgt aus dem Charakter der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung sowie aus der Regelung in § 3 Abs. 6 VB 2000, wonach der Krankentagegeldversicherer verpflichtet ist, seine Leistungen im bisherigen Umfang bis zum Zeitpunkt einer von ihm vorgenommenen Herabsetzung des Tagegeldes zu erbringen. Dementsprechend steht die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur auf dem Standpunkt, dass es sich bei einer Regelung wie in § 3 Abs. 1 Satz 2 VB 2000 nicht um eine objektive Anspruchsbegrenzung, sondern um einen unverbindlichen Programmsatz handelt (OLG Saarbrücken ZFS 2002, 445; OLG Hamm VersR 2000, 750, 751; VersR 1996, 880; OLG Köln VersR 1990, 769 (771); Willmes in Bach Moser, Private Krankenversicherung, 4. Auflage, § 4 MB/KT Rn. 9; Hütt in Langheit/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, § 192 Rn. 139; Rogler in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, HK-VVG, 2. Auflage, § 4 MB/KT Rn. 1; Wriede in Bruck/Möller, VVG, Band VI 2 Anmerkung G 53; a. A. OLG Celle, VersR 2010, 1486 und VersR 1999, 352; LG Duisburg NVersZ 2002, 174; Voit in Prölss/Martin, VVG 28. Auflage, § 4 MB/KT 2009 Rn. 5).
- 15
2. Auf § 3 Abs. 6 VB 2000 kann die Beklagte die Kürzung des Tagegeldes ebenfalls nicht stützen. Nach dieser Vorschrift kann der Krankentagegeldversicherer ohne Unterschied darauf, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht, das Krankentagegeld herabsetzen, wenn das Nettoeinkommen einer versicherten Person unter die Höhe des der Versicherung zugrunde gelegten Einkommens gesunken ist. Die Voraussetzungen hierfür hat die Beklagte nicht dargelegt. Denn gemäß § 3 Abs. 2 VB 2000 ist das maßgebliche Nettoeinkommen, das durchschnittliche berufliche Nettoeinkommen der letzten 12 Monate. Da § 3 Abs. 2 VB 2000 nicht regelt, von welchem Zeitpunkt an die letzten 12 Monate, die für das maßgebende Nettoeinkommen maßgeblich sein sollen, zu berechnen sind, ist die Vorschrift aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Dieser wird nicht annehmen, dass die Verringerung seines Nettoeinkommens nach einem Versicherungsfall zu einer Reduzierung des Krankentagegeldes führen kann, da er die Krankentagegeldversicherung ja gerade zu dem Zweck abgeschlossen hat, den krankheitsbedingten Verdienstausfall mit der Krankentagegeldversicherung zu kompensieren. Er wird die Regelung vielmehr dahingehend verstehen, dass sich der 12-Monats-Zeitraum auf die Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalls bezieht. Mindestens aber wäre die Regelung unklar, so dass gemäß § 305 c Abs. 2 BGB die für den Kläger günstigste Auslegungsmöglichkeit im Sinne der vorerwähnten Auslegung Q-Platz greifen würde. Aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist damit maßgebend der Zeitraum von 12 Monaten vor Eintritt des Versicherungsfalls. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte eine Absenkung des Nettoeinkommens unter die Höhe des der Versicherung zugrunde gelegten Einkommens nicht dargelegt. Die Minderung des Nettoeinkommens ist vielmehr erst durch den Sportunfall mit darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit eingetreten, so dass eine für § 3 Abs. 6 VB 2000 maßgebende Minderung des Nettoeinkommens nicht eingetreten ist.
- 16
3. Die Klage hatte somit in vollem Umfang Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

moreResultsText
Annotations
(1) Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nach Satz 2 ist der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach Absatz 2 Satz 6 ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. Das nach Satz 1 bis 3 berechnete kalendertägliche Krankengeld darf das sich aus dem Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird nach den Absätzen 2, 4 und 6 berechnet. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen. Bei der Berechnung des Regelentgelts nach Satz 1 und des Nettoarbeitsentgelts nach den Sätzen 2 und 4 sind die für die jeweilige Beitragsbemessung und Beitragstragung geltenden Besonderheiten des Übergangsbereichs nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches nicht zu berücksichtigen.
(2) Für die Berechnung des Regelentgelts ist das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen. Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt. Wenn mit einer Arbeitsleistung Arbeitsentgelt erzielt wird, das für Zeiten einer Freistellung vor oder nach dieser Arbeitsleistung fällig wird (Wertguthaben nach § 7b des Vierten Buches), ist für die Berechnung des Regelentgelts das im Bemessungszeitraum der Beitragsberechnung zugrundeliegende und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgebend; Wertguthaben, die nicht gemäß einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden (§ 23b Abs. 2 des Vierten Buches), bleiben außer Betracht. Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt entspricht. Für die Berechnung des Regelentgelts ist der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a des Vierten Buches der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, dem nach Satz 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzuzurechnen.
(3) Die Satzung kann bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Krankengeldes vorsehen, die sicherstellen, daß das Krankengeld seine Entgeltersatzfunktion erfüllt.
(4) Für Seeleute gelten als Regelentgelt die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 233 Abs. 1. Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. Für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherte ist das Regelentgelt aus dem Arbeitseinkommen zu berechnen, das der Beitragsbemessung für die letzten zwölf Kalendermonate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegen hat; dabei ist für den Kalendertag der dreihundertsechzigste Teil dieses Betrages anzusetzen. Die Zahl dreihundertsechzig ist um die Zahl der Kalendertage zu vermindern, in denen eine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht bestand oder für die nach § 234 Absatz 1 Satz 2 Arbeitseinkommen nicht zugrunde zu legen ist. Die Beträge nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bleiben außer Betracht.
(5) (weggefallen)
(6) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.