Landgericht Bonn Beschluss, 24. Mai 2016 - 39 T 405/15


Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde wird die unter dem 30.06.2015 getroffene Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Festsetzung von Zustellungskosten und die Verwerfung des Einspruchs in der selben Entscheidung aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 EUR wegen unvollständiger Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2013 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 11.11.2014, zugestellt am 14.11.2014, angedroht. Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 30.06.2015 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.
4Gegen die ihr am 02.07.2015 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 16.07.2015 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdeführerin bekannt gemachter Entscheidung vom 26.08.2015 hat das Bundesamt für Justiz der Beschwerde nicht abgeholfen.
5II.
6Die gemäß § 335a Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und S. 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
7Die Ordnungsgeldentscheidung ist rechtswidrig ergangen.
8Die Beschwerdeführerin hat nicht gegen sie treffende Offenlegungsverpflichtungen verstoßen. Sie war nicht verpflichtet, den Anhang zu veröffentlichen. Die Beschwerdeführerin ist nach ihren Angaben als Kleinstkapitalgesellschaft nach § 267 a HGB zu qualifizieren, was in den Folgejahren auch von dem Bundesanzeiger akzeptiert worden war und genügt entsprechend ihrer Offenlegungsverpflichtung durch dauerhafte Hinterlegung der Bilanz – ohne Anhang – nebst Hinterlegungsauftrag.
9Zwar hat die Beschwerdeführerin einen solchen Hinterlegungsauftrag nicht erteilt, dies hat sie im Beschwerdeverfahren jedoch damit erläutert, dass sie sich im Rahmen der Eingabe in das Portal des Bundesanzeigers versehentlich als „kleine“ Kapitalgesellschaft bezeichnet hat.
10Dieses Versehen fällt der Beschwerdeführerin aufgrund der Gesetzeslage jedoch nicht zur Last. Denn dem Bundesanzeiger war das Versehen der Beschwerdeführerin aufgefallen, wie sich aus der Korrespondenz des Bundesanzeigers mit dem Bundesamt für Justiz ergibt (E-Mail vom 16.06.2015). Der Bundesanzeiger hat die Beschwerdeführerin hiernach auf das Versehen aufmerksam gemacht und aufgefordert, die Meldung entweder mit einem Anhang zu Versehen oder aber die Bezeichnung in Kleinstkapitalgesellschaft abzuändern. Diese Mitteilung blieb durch die Beschwerdeführerin unbeantwortet. Jedoch resultiert hieraus nicht die Rechtsfolge des § 329 Abs. 2 HGB, nach welchem die Erleichterungen bei fehlender Mitteilung als zu Unrecht in Anspruch genommen gelten. Denn die Beschwerdeführerin hat sich nicht versehentlich „kleiner“ sondern versehentlich „größer“ gemacht als sie eigentlich ist. Gegen eine analoge Anwendung von § 329 Abs. 2 HGB spricht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift. Aus dem Vorhandensein von § 329 Abs. 2 HGB ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei Fällen, in denen die Fiktion nicht greift, durch Auslegung und/oder weitere Befragung die beabsichtigte Einreichung zu ermitteln ist. Da das Versehen der Beschwerdeführerin erkennbar war – wie die Reaktion des Bundesanzeigers zeigt – ist die Beschwerdeführerin so zu stellen, als hätte sie die dauerhafte Hinterlegung beauftragt. Bei verständiger Würdigung der eingereichten Unterlagen musste davon ausgegangen werden, dass dies der wahre Wille der Beschwerdeführerin war, der – mangels Anwendbarkeit des § 329 Abs. 2 HGB – entsprechend zu ermitteln war.
11Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335a Abs. 2 S. 6 HGB).
12Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten und weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Wie dargestellt, betrifft der Sachverhalt einen gesetzlich derzeit nicht geregelten Fall.
13Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 EUR.
14Rechtsbehelfsbelehrung:
15Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
16Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde.
17Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach schriftlicher Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
181. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
192. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
20- die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
21- soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
22Die Beteiligten müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für das Bundesamt für Justiz. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.


Annotations
(1) Gegen die Entscheidung, durch die das Ordnungsgeld festgesetzt oder der Einspruch oder der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen wird, sowie gegen die Entscheidung nach § 335 Absatz 3 Satz 5 findet die Beschwerde nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt, soweit sich aus Satz 2 oder den nachstehenden Absätzen nichts anderes ergibt. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zum Gegenstand hat.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; über sie entscheidet das für den Sitz des Bundesamtes zuständige Landgericht. Zur Vermeidung von erheblichen Verfahrensrückständen oder zum Ausgleich einer übermäßigen Geschäftsbelastung wird die Landesregierung des Landes, in dem das Bundesamt seinen Sitz unterhält, ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Entscheidung über die Rechtsmittel nach Satz 1 einem anderen Landgericht oder weiteren Landgerichten zu übertragen. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt diese Kammer an die Stelle der Zivilkammer. Entscheidet über die Beschwerde die Zivilkammer, so sind die §§ 348 und 348a der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden; über eine bei der Kammer für Handelssachen anhängige Beschwerde entscheidet der Vorsitzende. Das Landgericht kann nach billigem Ermessen bestimmen, dass den Beteiligten die außergerichtlichen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten sind. Satz 6 gilt entsprechend, wenn das Bundesamt der Beschwerde abhilft. § 91 Absatz 1 Satz 2 und die §§ 103 bis 107 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. § 335 Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden.
(3) Gegen die Beschwerdeentscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Landgericht sie zugelassen hat. Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend, soweit sich aus diesem Absatz nichts anderes ergibt. Über die Rechtsbeschwerde entscheidet das für den Sitz des Landgerichts zuständige Oberlandesgericht. Die Rechtsbeschwerde steht auch dem Bundesamt zu und kann auch gegen eine vom Landgericht gewährte Wiedereinsetzung in die Sechswochenfrist nach § 335 Absatz 4 Satz 1 zur Erfüllung der gesetzlichen Offenlegungspflicht zugelassen werden. Vor dem Oberlandesgericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen; dies gilt nicht für das Bundesamt. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 6 und 8 gelten entsprechend.
(4) Auf die elektronische Aktenführung des Gerichts und die Kommunikation mit dem Gericht nach den Absätzen 1 bis 3 sind die folgenden Vorschriften entsprechend anzuwenden:
- 1.
§ 110a Absatz 1 Satz 1 und § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sowie - 2.
§ 110a Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 2 Satz 1 und § 134 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten mit der Maßgabe, dass die Landesregierung des Landes, in dem das Bundesamt seinen Sitz hat, die Rechtsverordnung erlässt und die Ermächtigungen durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen kann.