Landgericht Bonn Urteil, 07. Okt. 2016 - 15 O 41/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Beklagte beantragte am 26.5.2014 über die Klägerin als Vermittlerin bei der E GmbH das Leasing eines PKW W Cabriolet. Die E GmbH nahm den Antrag mit Schreiben vom 10.6.2014 an und lieferte den PKW nachfolgend an den Beklagten aus. Der Beklagte entschloss sich im 3. Quartal 2015 dazu, ein anderes Kfz bei der N Niederlassung in C zu leasen. Dort wurde dem Beklagten angeboten, dass sein bisher geleaster W zu seinem derzeitigen Marktpreis i. H. v. EUR 27.050,00 in Zahlung genommen werden könne.
3Der Beklagte kam sodann mit der Klägerin überein, dass der Leasingvertrag über den PKW W Cabriolet durch dessen Kauf vorzeitig beendet werden sollte, damit der Kläger einen Fahrzeugwechsel vornehmen könne. Zu diesem Zwecke erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Kfz von der E GmbH und verkaufte ihn anschließend mit Vertrag vom 4.9.2015 zu einem Bruttokaufpreis von EUR 26.982,55 an den Beklagten.
4In der zweiten Septemberhälfte 2015 erlangte der Beklagte Kenntnis davon, dass in dem von ihm erworbenen W der vom so genannten Abgasskandal betroffene Motortyp EA ### verbaut worden war. Die Motorsteuerung der von den hierdurch betroffenen Kfz ist mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxidausstoß (NOx) im Prüfstandlauf (NEFZ) dergestalt beeinflusst, dass bestimmte Normwerte eingehalten werden können. Die N Niederlassung in C teilte dem Beklagten daraufhin Anfang Oktober 2015 mit, dass aufgrund der Mängel an dem in Zahlung zu nehmenden Kfz der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis von EUR 27.050,00 nicht mehr gerechtfertigt sei und eine Inzahlungnahme nur noch zu einem Preis von EUR 20.500,00 infrage komme.
5Der Beklagte forderte daraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 22.10.2015 unter Fristsetzung bis zum 20.11.2015 zur Mängelbeseitigung auf und erklärte zudem am 29.10.2015, dass er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Kaufpreises berufe. Die Klägerin forderte ihrerseits vom Beklagten am 30.11.2015 die Zahlung des Kaufpreises. Sie führte aus, dass eine Umsetzung der erforderlichen technischen Maßnahmen zur Behebung der Problematik zwar vorbereitet werde, sich aber zu diesem Zeitpunkt noch in Erarbeitung befinde. Mit Schreiben vom 10.12.2015 erklärte der Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag und verweigerte den Rechnungsausgleich.
6Die Klägerin ist der Ansicht, dass dem Beklagten kein Rücktrittsrecht zustehe und er deswegen den Kaufpreis zu zahlen habe. Zunächst liege bereits kein Mangel vor, da das Fahrzeug trotz Vorhandenseins der besagten Software technisch sicher und in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Insbesondere verfüge es über alle erforderlichen Genehmigungen, von einem Zulassungsentzug sei bis zu einer Überarbeitung des Kfz durch den Hersteller darüber hinaus nicht auszugehen. Ein erhöhter NOX-Ausstoß sei außerhalb der NEFZ-Prüfung in Ermangelung gesetzlicher Regelungen über Emissionsgrenzen im regulären Fahrbetrieb irrelevant für die Zulassungsfähigkeit des Pkw. Darüber hinaus ist – was zwischen den Parteien unstreitig ist – seit dem 30.8.2016 die Freigabe seitens des Herstellers erteilt worden, dass eine Nacherfüllung durch ein Softwareupdate bei dem Kfz durchgeführt werden könne. Von einer Nacherfüllung im Rechtssinne könne allerdings nach Ansicht der Klägerin keine Rede sein, weil die Softwareupdates lediglich Ausfluss der unternehmenspolitischen Verantwortung des Herstellers seien.
7Des Weiteren ist die Klägerin der Ansicht, dass, selbst wenn in der verbauten Software ein Mangel zu ersehen sei, dieser jedenfalls nicht erheblich sei. Zu dessen vollständiger Behebung sei lediglich das besagte Software-Update erforderlich, dessen Implementierung Kosten von deutlich weniger als EUR 100,00 verursache und lediglich eine halbe Stunde in Anspruch nehme. Nach dessen Umsetzung seien zudem keinerlei negative Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschimmissionen zu verzeichnen und ein Wertverlust hinsichtlich des Kfz ausgeschlossen.
8Schließlich habe der Beklagte der Klägerin nur eine unangemessen kurze Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Eine angemessene Fristsetzung habe zu berücksichtigen, dass die zur Abhilfe notwendigen technischen Maßnahmen nur nach entsprechender Instruktion des Herstellers vorgenommen werden können, der hierzu in enger Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt kooperiere, und insofern angesichts der Größenordnung der zu erwartenden Nacherfüllungsverlangen eine Gesamtkoordination und ein abgestimmter Zeitplan vonnöten seien.
9Die Klägerin beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 26.982,55 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.12.2015 zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte ist der Ansicht, dass er die Zahlung des Kaufpreises aufgrund Rücktritts nicht schulde. Hierzu behauptet er, dass er im Vorfeld des Leasings ausdrücklich nach einem umweltfreundlichen und treibstoffsparenden Cabriolet nachgefragt habe und im Rahmen der Beratung durch die Klägerin auf das streitgegenständliche Fahrzeug, das zudem aufgrund öffentlicher Äußerungen des Herstellers eine besondere Umweltverträglichkeit suggeriere, verwiesen worden sei. Insoweit ist er der Ansicht, dass ein Mangel bereits aufgrund der Nichteinhaltung einer Beschaffenheitsvereinbarung vorliege. Darüber hinaus verstoße der Einsatz der eingesetzten Software als Abschalttechnik gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 und führe allein deswegen zur Mangelhaftigkeit des Kfz. Die Nacherfüllungsfrist sei von dem Beklagten darüber hinaus hinreichend lang bemessen worden, auf eine Mangelbeseitigung innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr habe er sich nicht verweisen zu lassen. Eine Erheblichkeit des Mangels zeige sich schließlich bereits darin, dass der Inanzahlungnahmepreis nach Bekanntwerden des sog. Abgasskandals seitens der N Niederlassung in C um EUR 6.550,00 gesenkt worden sei.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kaufpreisanspruch der Klägerin gemäß § 433 Abs. 2 BGB ist infolge des Rücktritts des Beklagten vom Kaufvertrag erloschen.
16I.
17Die Parteien haben sich mit Vertrag vom 4.9.2015 über den Kauf des streitgegenständlichen Kfz zu einem Bruttokaufpreis von EUR 26.982,55 geeinigt.
18II.
19Der Beklagte hat durch seine Rücktrittserklärung vom 10.12.2015 dieses Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis gemäß §§ 346 ff. BGB gewandelt. Der Beklagte übte hierdurch sein Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434, 323 BGB aus.
20III.
21Ein den Rücktritt begründender Sachmangel liegt zum einen in dem Verstoß gegen die Verwendungszweckvereinbarung, nach welcher dem Beklagten eine kurzfristige Weiterveräußerung des Kfz hätte möglich sein sollen, und zum anderen in der Ausstattung des Kfz mit der im sogenannten Abgasskandal genutzten Software.
221. Ein Sachmangel des streitgegenständlichen Kfz liegt bereits aufgrund der nicht vorhandenen Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB vor. Dieser von den Parteien vorausgesetzte Zweck kann auch in einem Weiterverkauf der Sache zu sehen sein (Faust, in: Bamberger/Roth, BGB (40. Edition 2014), § 434, Rn. 51). Hintergrund des Kaufvertragsschlusses zwischen den Parteien war die gegenüber der Klägerin geäußerte Absicht des Beklagten, dass er einen Fahrzeugwechsel anstrebe und den Leasingvertrag hierzu durch Kauf des streitgegenständlichen Kfz beenden wolle. Zu diesem Zweck war beiden Parteien jedenfalls konkludent bewusst, dass der Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeuges nicht dazu diente, dass der Beklagte das Kfz als solches zur Fortbewegung im Straßenverkehr nutzen werde, sondern dazu, es gleichsam als Mittelsmann kurzfristig weiterveräußern zu können. Dieser geplanten Weiterveräußerung stand die Ausstattung des Kfz mit der im sogenannten Abgasskandal genutzten Software entgegen. Weil das Fahrzeug erst am 30.8.2016 einem Softwareupdate hätte unterzogen werden können, um auch langfristig den Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes zu genügen und nicht dem Risiko des Verlusts der allgemeinen Betriebserlaubnis ausgesetzt zu werden, wies es zu diesem Zeitpunkt einen Mangel auf, aufgrund dessen sich die Weiterveräußerung jedenfalls zu dem von den Parteien bestimmten Marktpreis erschwerte.
232. Der die Weiterveräußerung hindernde Mangel – aufgrund dessen Vorliegens alleine schon ein den Rücktritt rechtfertigender Mangel besteht – ist in der Ausstattung des Kfz mit der im sogenannten Abgasskandal genutzten Software zu erkennen. Ein mit der genannten Software ausgestattetes Kfz, das zwar zum Zeitpunkt des Kaufs und bis zu einer für einen später Zeitpunkt angesetzten Nacherfüllung über alle erforderlichen Genehmigungen verfügt und von einem Zulassungsentzug bis zu einer Überarbeitung durch den Hersteller nicht bedroht ist, genügt dennoch nicht der nach objektiven Maßstäben zu bestimmenden Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und weist nicht eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Ein Softwareproblem, das zu einer für den Käufer letztlich nicht fakultativen Rückrufaktion führt, weil sie dem Erhalt der Zulassungsfähigkeit des Kfz dient, begründet die Mangelhaftigkeit des Kfz. Von einem Mangel in diesem Sinne muss ausgegangen werden, soweit nicht gesichert ist, dass die allgemeine Betriebserlaubnis des Kfz nicht auch ohne die Implementierung des vorzunehmenden Softwareupdates im Rahmen des vom Hersteller vorgesehenen Nacherfüllungsplans erhalten bleibt (vgl. LG Frankenthal v. 12.5.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996).
243. Darüber hinaus liegt zudem allein aufgrund der Tatsache, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt des Kfz aufgenommenen Abgaswerte nicht eingehalten werden, weil eine Software im Kfz installiert worden ist, die über den NOx-Ausstoß unter realen Bedingungen täuscht, ein Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor (vgl. LG Münster v. 14.3.2016 – 011 O 341/15, BeckRS 2016, 06090; LG Bochum v. 16.3.2016 – I-2 O 425/15, BeckRS 2016, 05964; LG München I v. 14.4.2016 – 23 O 23033/15, BeckRS 2016, 10952; LG Dortmund v. 12.5.2016 – 25 O 6/16, BeckRS 2016, 12836; LG Paderborn v. 9.6.2016 – 3 O 23/16, BeckRS 2016, 13271).
254. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob auch allein aufgrund des beklagtenseits geäußerten Verdachts, dass das beabsichtigte Softwareupdate entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen werde, ein Mangel zu erblicken ist (so allerdings LG Krefeld v. 14.9.2016 – 2 O 72/16, BeckRS 2016, 16674).
26IV.
27Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 22.10.2015 unter Fristsetzung bis zum 20.11.2015 erfolglos eine gem. § 323 Abs. 1 BGB angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt. Soweit die Parteien keine Absprache über die Dauer der Frist zur Nacherfüllung getroffen haben, beurteilt sich die Bemessung der Angemessenheit der Frist nach objektiven Maßstäben. Das Gericht hat sich bei deren Bestimmung von den Gegebenheiten des Einzelfalls und insbesondere den erkennbaren Parteiinteressen leiten zu lassen. Eine absolute Obergrenze der angemessenen Dauer dürfte allgemein kaum bestimmbar sein. Klauselrechtliche Wertungen, nach denen etwa im Rahmen von § 308 BGB Nachbesserungsfristen von mehr als sechs Wochen oder mehr als zwei Monaten als Verstoß gegen eine grundsätzliche gesetzgeberische Wertung anzusehen seien (vgl. LG München I v. 14.4.2016 – 23 O 23033/15, BeckRS 2016, 10952), dürften für die Bewertung der Angemessenheit von Fristen im Rahmen von Sekundäranspruchen, die im konkreten Fall keiner Regelung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen, außen vor bleiben.
281. Ist die kaufvertragliche Leistung für den Beklagten durch die pünktliche Leistung der Klägerin aufgrund einer besonderen Dringlichkeit im Hinblick auf die Weiterverwertung der Kaufsache gekennzeichnet, kann dieses Interesse höher zu bewerten sein als das Interesse der Klägerin an der nachträglichen Erbringung der mangelfreien Leistung. Dies kann im Einzelfall eine kürzere Nacherfüllungsfrist rechtfertigen (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB (7. Aufl. 2016), § 323 BGB, Rn. 72). Nichtsdestotrotz ist auf Seiten der Klägerin zu beachten und ihr für die Bestimmung der Angemessenheit der Frist zuzugestehen, dass Sie nicht in der Lage ist, das avisierte Softwareupdate selbst durchzuführen und insofern auf eine Leistung des Herstellers angewiesen ist, die ihrerseits in Anbetracht der erheblichen Anzahl der betroffenen Fahrzeuge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert (vgl. LG Münster v. 14.3.2016 – 011 O 341/15, BeckRS 2016, 06090).
292. Soweit sich die Parteien darauf geeinigt haben, dass das streitgegenständliche Kfz lediglich zum Weiterverkauf durch den Beklagten erworben wird, mag zwar die zunächst gesetzte Frist von ungefähr einem Monat durch den Beklagten in Anbetracht des erheblichen hinter der Nacherfüllung stehenden Verwaltungsaufwands des Herstellers somit zu kurz bemessen sein. Eine derart zu kurz bemessene Frist setzt allerdings eine angemessene Frist in Gang (BGH v. 12.8.2009 – VIII ZR 254/08, NJW 2009, 3153, 3154 m. w. N.). Vor dem Hintergrund, dass für den Beklagten jedenfalls bis zur Erbringung der Nacherfüllung Lager- und Instandhaltungskosten für ein Kfz anfallen, dass er nach der vertraglich vorausgesetzten Verwendung im Straßenverkehr nicht nutzen wollte, dürfte eine Frist, die ein halbes Jahr übersteigt, jedenfalls angemessen sein (so im Ergebnis auch LG München I v. 14.4.2016 – 23 O 23033/15, BeckRS 2016, 10952). Zudem ist zu beachten, dass der Kläger gerade auch aufgrund des zunächst nicht konkretisierten Nacherfüllungstermins über einen nicht unerheblichen Zeitraum in seiner Disposition hinsichtlich des Kfz beeinträchtigt war.
30V.
31Der zum Rücktritt berechtigende Mangel ist zudem nicht unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Auch die Bestimmung der Erheblichkeit des Mangels hängt von einer umfassenden Interessenabwägung auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls ab, wobei insbesondere der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand zu berücksichtigen ist (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB (7. Aufl. 2016), § 323 BGB, Rn. 248 ff.).
321. Der Frage, ob eine vollständige Mangelbeseitigung mit dem von der Klägerin behaupteten finanziellen Aufwand von weniger als EUR 100,00 und dem zeitlichen Einsatz von einer halben Stunde tatsächlich zu bewerkstelligen ist, musste das Gericht im Rahmen der Beurteilung der Erheblichkeit des Mangels nicht nachgehen (so allerdings LG Münster v. 14.3.2016 – 011 O 341/15, BeckRS 2016, 06090; LG Bochum v. 16.3.2016 – I-2 O 425/15, BeckRS 2016, 05964; LG Dortmund v. 12.5.2016 – 25 O 6/16, BeckRS 2016, 12836).
332. Eine derartige Erheblichkeit wird im Fall einer Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Absatz ein S. 1 BGB hinsichtlich der Kaufsache indiziert (BGH v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365, 1366). Diese Überlegung hat in gleichem Maße für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB Platz zu greifen, die vorliegend – wie gesehen – in der kurzfristigen Weiterverkaufsmöglichkeit zum Marktwert zu sehen ist. Denn sobald die Parteien die Verwendung der Kaufsache für einen bestimmten Zweck in dem Maße hervorheben, dass sie bei Fehlen der vorausgesetzten Verwendungsmöglichkeit als sachmangelbehaftet gilt, ergibt regelmäßig bereits die Parteiabrede, dass die mangelnde Verwendungseignung auch einen erheblichen Sachmangel konstituiert. Umstände, aufgrund derer trotz der vertraglich vorausgesetzten Verwendung die mangelnde Eignung zum Weiterverkauf nicht als erheblicher Mangel zu bewerten ist, sind weder dargelegt noch sonst dem Gericht ersichtlich.
343. Darüber hinaus zeigt sich die Erheblichkeit des Mangels auch durch den erheblichen Verwaltungsaufwand seitens des Herstellers im Vorfeld der – lediglich klägerseits behaupteten – kurzen und kostengünstigen Nacherfüllung. Wie das LG München I (Urteil v. 14.4.2016 – 23 O 23033/15, BeckRS 2016, 10952) zu Recht anmerkt, darf der Aufwand der Mangelbeseitigung nicht durch eine isolierte Betrachtung der eigentlichen Nacherfüllungshandlung bestimmt werden, wenn ihr ein erheblicher Vorbereitungssaufwand in Form logistischer Tätigkeit und behördlicher Kooperation vorausgeht.
35VI.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
37Der Streitwert wird auf 26.982,55 EUR festgesetzt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Bonn Urteil, 07. Okt. 2016 - 15 O 41/16
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Referenzen - Gesetze
Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht
Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 434 Sachmangel
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
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(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat, - 2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und - 3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, - 2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung - a)
der Art der Sache und - b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
- 3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und - 4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage
- 1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder - 2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 23.490,-- € festgesetzt.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages im Zusammenhang mit dem sog. „VW-Abgasskandal“.
- 2
Bei der Beklagten, die in Bad D. eine Niederlassung betreibt, handelt es sich um eine Vertragshändlerin u.a. der Audi AG. Der Kläger, ein Arzt, erwarb dort durch Kaufvertrag vom 21.12.2012 einen PKW des Typs Audi A3 2,0 TDI zum Preis von 23.490,-- €. Das am 23.04.2012 erstzugelassene Fahrzeug hatte damals eine Laufleistung von 26.500 km und ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgerüstet. Die Auslieferung des Fahrzeuges erfolgte am 09.01.2013. Der Kläger legte mit dem Fahrzeug bis zum 08.02.2016 rund 90.000 km zurück.
- 3
Nachdem die US-Umweltbehörde im September 2015 den sog. „VW-Abgasskandal“ publik gemacht und der Kläger festgestellt hatte, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war, wandte er sich durch Anwaltsschreiben vom 13.10.2015 an die Beklagte und machte im Hinblick auf „das nunmehr bekannt gewordene Problem der Abgaswerte“ Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend und bat hierzu um Stellungnahme. Die Beklagte reagierte hierauf nicht. In einem weiteren Anwaltsschreiben vom 16.11.2015, dessen Zugang die Beklagte in Abrede stellt, ließ der Kläger die Beklagte auffordern, den Kaufvertrag im Wege der Nacherfüllung bis spätestens 27.11.2015 vollständig und mangelfrei zu erfüllen. Mit Anwaltsschreiben vom 28.12.2015 ließ er sodann die Wandelung des mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrages erklären und diese auffordern, den gezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Übergabe des Kfz zurück zu erstatten (GA 27).
- 4
Mit seiner am 30.12.2015 eingegangenen Klage fordert der Kläger die vollständige Rückzahlung des an die Beklagte gezahlten Kaufpreises.
- 5
Hierzu trägt er vor:
- 6
Das streitgegenständliche Fahrzeug sei mangelhaft, denn es sei - insoweit unstreitig - vom „VW-Abgasskandal" betroffen und erfülle damit nicht die Normen, die ihm, dem Kläger, seinerzeit zugesichert worden seien. Das Fahrzeug verfüge über eine Software, die erkenne, wenn es sich im Testbetrieb befinde und verschiebe dann das Motorenkennfeld zum Zwecke der Reduzierung der gemessenen Stickoxide. Da diese Software bereits beim Verkauf des Fahrzeugs installiert gewesen sei, verstoße es gegen die geltenden Normen zur Belastung der Umwelt mit derartigen Abgasen und befinde sich damit nicht in einem Zustand wie konkludent zugesichert (Beweis: Sachverständigengutachten).
- 7
Die den Mangel begründende Software sei vom VW-Konzern zu Manipulationszwecken bewusst eingesetzt worden und den Kunden, also auch ihm, dem Kläger, gegenüber arglistig verschwiegen worden. Da die Beklagte auf ihrer Homepage damit werbe, eine Audi-Zweigniederlassung zu sein und sie auch sonst eng mit diesem Hersteller verknüpft sei, müsse sie sich dessen arglistiges Verhalten zurechnen lassen. Da die Beklagte somit rechtlich gesehen selbst den Mangel arglistig verschwiegen habe, könne sie sich nicht auf das Recht des Verkäufers zur Nachbesserung berufen. Erschwerend komme hinzu, dass die Beklagte seinen, des Klägers, Aufforderungen zur Nacherfüllung vor Erklärung der Wandelung nicht nachgekommen sei.
- 8
Die Arglist der Beklagten führte auch dazu, dass er, der Kläger, sich keinen Abzug für die von ihm gezogenen Nutzungen gefallen lassen müsse, sodass er den vollen Kaufpreis zurückverlangen könne.
- 9
Der Kläger beantragt,
- 10
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.490,-- € zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Audi A3 Sportback 2,0 TDI DPF, Fahrzeug-Identnummer: ...;
- 11
2. festzustellen, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befindet.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Die Beklagte trägt vor:
- 15
Das streitgegenständliche Fahrzeug weise schon keinen Mangel auf, jedenfalls habe der Kläger einen solchen nicht substantiiert und damit einlassungsfähig vorgetragen. Der Kläger trage weder vor, dass und wodurch „Normen“ zugesichert worden seien, noch, inwieweit das Fahrzeug hinter diesen Normen zurückbleibe. Jedenfalls sei das Fahrzeug technisch sicher und in seiner Fahreigenschaft in keiner Weise eingeschränkt. Es besitze die erforderliche EG-Typengenehmigung, die auch unverändert wirksam und nicht etwa aufgehoben worden sei und könne deshalb vom Kläger uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden.
- 16
Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass bei dem fraglichen Fahrzeug nach den Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes ein Software-Update erforderlich sei. Dies beruhe auf einer freiwilligen Maßnahme des VW-Konzerns, woraus nicht das Eingeständnis eines Mangels geschlossen werden könne. Vielmehr werde der VW-Konzern bzw. die Audi AG mit dem beabsichtigten Software-Update ihrer unternehmenspolitischen Verantwortung gerecht.
- 17
Gehe man von einem Mangel aus, so sei dieser jedenfalls geringfügig. Das SoftwareUpdate sei mit einem Aufwand von voraussichtlich deutlich unter 100,-- € pro Fahrzeug zu installieren, womit sich die Kosten der Mangelbeseitigung auf weniger als 0,5 % des Kaufpreises beliefen, was nach der Rechtsprechung des BGH einem wirksamen Rücktritt in jedem Fall entgegenstehe.
- 18
Jedenfalls habe der Kläger ihr, der Beklagten, auch keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Im Schreiben vom 13.10.2015 sei keine Frist gesetzt worden, das Schreiben vom 16.11.2015 sei ihr nicht zugegangen. Unabhängig hiervon sei die dort gesetzte Frist viel zu knapp bemessen, da sie, die Beklagte, abwarten müsse, bis das erforderliche Software-Update vom VW-Konzern zur Verfügung gestellt werde, um dann in einem mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan installiert werden zu können. Es sei dem Kläger zumutbar, diesen Zeit- und Maßnahmenplan abzuwarten, denn er könne sein Fahrzeug bis dahin ohne Einschränkungen nutzen.
- 19
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 20
Die Klage unbegründet. Der Kläger ist nicht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten und hat deshalb auch nicht gem. § 346 Abs. 1 BGB Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises.
- 21
1. Dabei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig vom sog. VW-Abgasskandal betroffen ist, also mit einer Software ausgestattet ist, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipuliert und es die geltenden Abgasgrenzen deshalb nur scheinbar einhält, als Fahrzeugmangel anzusehen ist. Dies folgt im Grunde genommen schon daraus, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Laufe des Jahres 2016 einem Software-Update unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Wenn es dem Kläger m.a.W. nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs im Laufe des Jahres 2016 Folge zu leisten und dessen Zulassung zum Straßenverkehr damit zu erhalten, dann kann aus dem derzeitigen Fehlen des beim Rückruf aufzuspielenden Software-Updates auch auf die Mangelhaftigkeit des klägerischen Fahrzeugs geschlossen werden. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in den von der Beklagten zitierten Urteilen des Landgerichts Münster vom 14. März 2016 (- 11 O 341/15, 011 O 3011 O 341/15 -, Rn. 18, juris) und des Landgerichts Bochum vom 16. März 2016 (- 2 O 425/15, I-2 O 4252 O 425/15 -, Rn. 17, juris) Bezug genommen.
- 22
2. Ein wirksamer Rücktritt des Klägers wegen dieses Mangels scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger der Beklagten vor Erklärung seiner „Wandelung“, die als Rücktritt auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB), keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat bzw. eine solche weder bei Klageerhebung noch zum gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen gewesen wäre. Gem. §§ 437 Nr. 3, 323 Abs. 1 BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass der Mangel nicht nur erheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), sondern dass der Käufer dem Verkäufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.
- 23
a) Eine derartige Fristsetzung war entgegen der Auffassung des Klägers nicht entbehrlich, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Mangel arglistig verschwiegen habe. Zwar ist richtig, dass der Bundesgerichtshof insbesondere in Fällen, in denen der Verkäufer den Käufer bei Vertragsschluss über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes getäuscht hat, regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Käufers annimmt, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen, und deshalb dem Verkäufer gem. § 440, § 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2 BGB eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen durch Nachbesserung zugunsten eines sofortigen Schadensersatz- oder Rücktrittsrechts des Käufers versagt (BGH, Urteil vom 10. März 2010 - VIII ZR 182/08 -, Rn. 19, juris). Ein arglistiges Verhalten kann der Beklagten indes nicht vorgehalten werden.
- 24
Der Kläger teilt schon nicht mit, wer aus dem VW-Konzern für die Entwicklung und den Einsatz der fraglichen Software verantwortlich war und wer hiervon Kenntnis hatte. Damit können bereits die Voraussetzungen für eine etwaige Haftung des VW-Konzerns nach § 31 BGB nicht festgestellt werden.
- 25
Abgesehen hiervon müsste sich die Beklagte aber auch ein etwaiges arglistiges Verhalten des VW-Konzerns nicht zurechnen lassen. Bei der Beklagten handelt es sich um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin, die als solche Produkte aus dem VW-Konzern vertreibt, was aber nichts daran ändert, dass die Beklagte eine rechtlich selbstständige Verkäuferin dieser Produkte, die sie nicht selbst hergestellt, ist. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Homepage der Beklagten (http://www.audi-m....de/) verweist, wo davon die Rede ist, dass „es hier zu unseren Audi Zweigniederlassungen geht", belegt dies nicht eine „enge Verflechtung" der Beklagten zum VW-Konzern, die eine Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB begründen würde. Der fragliche Passus auf der Homepage der Beklagten stellt lediglich diejenigen Niederlassungen der Beklagten vor, in denen der Kunde Audi-Fahrzeuge erwerben kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beklagte rechtlich selbstständiger Vertragshändler der Audi AG ist. Der Kläger muss sich darauf verweisen lassen, dass ein Vertragshändler kein Handelsvertreter, sondern ein sonstiger Absatzmittler ist, für den der Geschäftsherr schon nicht nach § 31 BGB haftet (vgl. MüKoBGB/Arnold BGB § 31 Rn. 22). Noch weniger haftet umgekehrt der Vertragshändler für ein etwaiges Verschulden des Herstellers, dessen Produkte er vertreibt. Auch findet im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller keine Wissenszurechnung in entsprechender Anwendung von § 166 BGB statt (vgl. LG Bielefeld, Urteil vom 03. Februar 2010 - 3 O 222/09 -, Rn. 25, juris).
- 26
Vielmehr gilt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer ist; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urteil vom 02. April 2014 - VIII ZR 46/13 -, BGHZ 200, 337-350, Rn. 31 m.w.N.). Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn dies dem Verkäufer (hier also der Beklagten) bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt oder für diesen zumindest erkennbar war, wofür jedoch im Streitfall nichts ersichtlich ist.
- 27
b) Der Kläger hat der Beklagten vor seine „Wandelungserklärung" keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das Schreiben des Klägervertreters vom 13.10.2015 keine Fristsetzung enthält. Zwar bedarf es insoweit nicht der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins. Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügt es vielmehr, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (BGH, Urteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 176/14 -, Rn. 11, juris). Indes hat der Kläger die Beklagte im Schreiben vom 13.10.2015 gerade nicht zu einer bestimmten Leistung aufgefordert, sondern lediglich allgemein „Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht“ und um Stellungnahme hierzu gebeten. Dies genügt auch bei großzügiger Auslegung nicht den Anforderungen an eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, was wohl auch der Klägervertreter selbst so gesehen hat, da er dann im Schreiben vom 16.11.2015 eine derartige Fristsetzung ausdrücklich erklärt hat (GA 28). Den Zugang dieser Aufforderung hat die Beklagte indes in Abrede gestellt. Da der Kläger die Beweislast für den Zugang der Fristsetzung trägt (BeckOK BGB/H. Schmidt BGB § 323 Rn. 12-12b, beck-online) und er keinen Beweis für den Zugang anbietet, ist zu seinen Lasten davon auszugehen, dass die Fristsetzung vom 16.11.2015 der Beklagten nicht zugegangen ist, so dass es vor der als Rücktrittserklärung auszulegenden „Wandelung“ vom 28.12.2015 an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung fehlt.
- 28
c) Eine solche war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beklagte innerhalb angemessener Frist den streitgegenständlichen Mangel ohnehin nicht hätte beheben können, weil ihr nach ihrem eigenen Vorbringen das hierzu erforderliche Software-Update erst im Laufe des Jahres 2016 von der Herstellerfirma bzw. dem VW-Konzern zur Verfügung gestellt werden wird, nachdem es vom Kraftfahrtbundesamt freigegeben sein wird.
- 29
aa) Allerdings ergibt sich aus der Wertung des § 440 BGB und dem Grundsatz, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, die auf eine reine Förmelei hinauslaufen würden, zur Vorbereitung eines Gestaltungsrechts nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 - VII ZR 58/13 -, Rn. 29, juris) sowie letztendlich auch aus § 275 BGB, dass vom Käufer eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht verlangt werden kann, wenn von vornherein feststeht, dass der Verkäufer den Mangel innerhalb der gesetzten - angemessenen - Frist nicht wird beseitigen können. Dies wäre hier etwa der Fall, wenn man dem Kläger entgegenhalten würde, er habe der Beklagten vor der Erklärung seines Rücktritts am 28.12.2015 noch eine Frist zur Nacherfüllung von jedenfalls 4 oder 6 Wochen setzen müssen, denn die Beklagte hätte ohnehin keine Möglichkeit gehabt, innerhalb einer solchen Frist das SoftwareUpdate aufzuspielen, da ihr dieses nicht zur Verfügung stand und sie als Händlerin auch nicht befugt gewesen wäre, einseitig, also ohne die erforderliche Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt, Eingriffe in die Motorsteuerung des fraglichen Fahrzeugs zu nehmen.
- 30
bb) Aus dem gleichen Grund, nämlich dem der faktischen Unmöglichkeit einer kurzfristigen Mangelbeseitigung, verfängt auch der Einwand der Beklagten nicht, der Kläger könne deshalb nicht vom Vertrag zurücktreten, weil die Nacherfüllung im Sinne der Installation des Software-Updates für sie, die Beklagte, nur mit Kosten von maximal 100,-- €, also weniger als einem Prozent des Kaufpreises, verbunden sein werde, weshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13 -, BGHZ 201, 290-310, Rn. 19; vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10 -, Rn. 19, juris) in jedem Fall von einem nur unerheblichen Mangel auszugehen sei, bei dem ein Rücktritt nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Die Beklagte übersieht dabei, dass für die Beurteilung der Frage, ob die in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist und es dem erklärten Rücktritt deshalb nicht die Wirksamkeit nimmt, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand behebbare Mangel mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand korrigiert werden kann (BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 139/09 -, Rn. 9, juris). Für den Streitfall bedeutet das, dass man dann, wenn man dem Kläger das Recht zubilligen wollte, von der Beklagten am 28.12.2015 eine Mangelbeseitigung innerhalb einer Frist von 4 oder 6 Wochen zu verlangen, nicht von einem nur unerheblichen Mangel ausgegangen werden könnte, weil die Beklagte innerhalb dieser Frist gerade nicht Möglichkeit gehabt hätte, den Mangel mit einem geringfügigen Kostenaufwand zu beheben. Vielmehr war es der Beklagten innerhalb einer solchen Frist unmöglich, den Mangel zu beheben, da ihr das hierzu erforderliche Software-Update nicht zur Verfügung stand und sie auch nicht Möglichkeit gehabt hätte, ein solches zu entwickeln und dessen Zulassung zum Straßenverkehr zu erreichen. Dies hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2016 auch bestätigt (GA 77).
- 31
d) Indes wäre eine Frist zur Mangelbeseitigung von 4 oder 6 Wochen nicht angemessen i.S. v. § 323 Abs. 1 BGB; vielmehr wäre eine angemessene Frist noch immer nicht abgelaufen.
- 32
aa) Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich zwar vorrangig nach dem Interesse des Käufers, der gerade bei den Alltagsgeschäften die kurzfristige Reparatur oder den sofortigen Austausch der mangelhaften Sache beanspruchen kann (vgl. BT-Drucks. 10/6040, S. 234). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verkäufer dem Käufer die Zeit zugestehen muss, die dieser für die geforderte Art der Nacherfüllung bei objektiver Betrachtung benötigt, weshalb letztendlich die Frage der Angemessenheit der Frist nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden kann (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. 902f). Anders ausgedrückt bestimmt sich die Angemessenheit der Frist nach den Umständen des konkreten Vertrags, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Einerseits hat der Gläubiger ein Interesse an alsbaldiger Klarheit darüber, ob der Schuldner die Leistung erbringen wird; andererseits soll dem Schuldner die letzte Möglichkeit gegeben werden, die Leistung tatsächlich noch zu erbringen. Die Frist muss daher so lang bemessen sein, dass der Schuldner in der Lage ist, die bereits begonnene Erfüllung zu beschleunigen und zu vollenden. Sie braucht jedoch nicht so lang zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, erst jetzt mit der Leistungsvorbereitung, z.B. der Beschaffung von Gattungssachen, zu beginnen (vgl. Alpmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 323 BGB, Rn. 24).
- 33
bb) Nach diesen Grundsätzen kann, bezogen auf den Zeitpunkt 28.04.2016 (§ 128 Abs. 2 S. 2 ZPO), nicht davon ausgegangen werden, dass eine vom Kläger der Beklagten zuzugestehende Frist zur Nacherfüllung bereits abgelaufen wäre.
- 34
Aus der von der Beklagten vorgelegten Pressemitteilung der Volkswagen AG vom 25.11.2015 (GA 93), die auch dem Kläger bei Erklärung seines Rücktritts zugänglich war, ergibt sich, dass für die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt und in Abstimmung mit diesem ein ServiceKonzept erarbeitet werden soll, dessen Umsetzung sich für alle Motorvarianten über das Jahr 2016 erstrecken wird. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die betroffenen Fahrzeuge auch bis zu ihrer Umrüstung weiterhin technisch sicher und fahrbereit sind und deshalb uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden können. Letzteres wird auch vom Kläger, der selbst keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Benutzbarkeit seines Fahrzeugs geltend macht, nicht in Zweifel gezogen.
- 35
Bei dieser Sachlage war es dem Kläger aus Sicht des Gerichts aber zumutbar, es der Beklagten zu ermöglichen, das „Service-Konzept" des VW-Konzerns auch an seinem Fahrzeug zunächst einmal umzusetzen, anstatt der Beklagten eine so kurze Frist zur Nacherfüllung zu setzen, die ihm, dem Kläger, ermöglichte, sich von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zu lösen, bevor das Software-Update für sein Fahrzeug überhaupt zur Verfügung stand. Es trifft zwar durchaus zu, dass im Hinblick darauf, dass diese Frist nach der zitierten Pressemitteilung ein Jahr betragen kann, dem Kläger als Käufer damit ein ungewöhnlich langes Zuwarten zugemutet wird, das deutlich über demjenigen liegt, das Käufer von Kraftfahrzeugen sonst hinnehmen müssen. Andererseits gilt aber auch, dass - anders als in sonstigen Mängelfällen - der Kläger sein Fahrzeug bis zum Aufspielen des Software-Updates uneingeschränkt nutzen kann. Der Kläger muss sich in diesem Zusammenhang darauf verweisen lassen, dass dann, wenn der „VW-Abgaskanal" nicht aufgedeckt worden wäre, er überhaupt keine Veranlassung gehabt hätte, über eine Nacherfüllung oder über einen mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag auch nur nachzudenken.
- 36
Ein objektiv erkennbares Interesse, dass das fragliche Software-Update vor Ende des Jahres 2016 aufgespielt wird, macht der Kläger auch nicht geltend. Für den Kläger stellt sich die Situation, jedenfalls was die Nutzung des fraglichen Fahrzeugs anbelangt, derzeit nicht anders dar als in den über 2% Jahren vor Aufdeckung des „VW - Abgaskanals", in denen er - jedenfalls soweit ersichtlich - keinerlei Beanstandungen hinsichtlich des fraglichen Fahrzeugs hatte. Sonstige denkbare Einwände gegen eine „Stillhalten" bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Fahrzeug des Klägers mit dem Software-Update „an der Reihe ist", werden vom Kläger nicht einmal geltend gemacht.
- 37
So macht der Kläger nicht geltend, er habe sein Fahrzeug unabhängig vom Auftreten des „VW-Abgaskanals" veräußern wollen und sei nunmehr hieran gehindert, weil er nicht mehr den ansonsten zu erwartenden Verkaufserlös erzielen könne. Es kann deshalb dahinstehen, ob dies ein Gesichtspunkt wäre, der dem Kläger die Möglichkeit geben könnte, sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zu lösen.
- 38
cc) Hinzu kommt, dass es dem Kläger im Ergebnis auch nicht darum geht, im Wege der Nacherfüllung ein Kraftfahrzeug zu erhalten, das den geltenden Normen entspricht, sondern dass er offenbar beabsichtigt, aus dem „VW-Abgaskanal" Profit zu schlagen, was sich insbesondere daraus erschließt, dass der Kläger den vollen Kaufpreis für das Fahrzeug zurück verlangt, obwohl er mit diesem bereits eine Fahrstrecke von 90.000 km beanstandungsfrei zurückgelegt hat. Der Kläger muss sich insoweit darauf verweisen lassen, dass er diese - für ihn äußerst lukrative - „Problemlösung" selbst dann nicht einfordern könnte, wenn er bei Abschluss des Kaufbetrages arglistig getäuscht worden wäre, da er auch dann im Rahmen des Vorteilsausgleichs sich die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsste (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 06. November 2014 - 8 U 163/13 -, Rn. 99, juris).
- 39
Für den vorliegenden Fall würden sich diese wie folgt berechnen: Da es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Dieselfahrzeug eines namhaften Herstellers handelt, kann von einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgegangen werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 02. Oktober 2015 - 17 U 43/15 -, Rn. 48, juris), sodass sich bei einer Laufleistung von 26.500 km bei Übergabe eine Restlaufleistung von 223.500 km ergibt. Hiervon hat der Kläger mit gefahrenen 90.000 km ca. 40,2 % „verbraucht", so dass er sich einen entsprechenden Abzug vom gezahlten Kaufpreis, hier also von ca. 9.443,-- €, gefallen lassen müsste, weshalb seine Klage in dieser Höhe selbst bei Erfolg seiner Rücktrittsverlangens unbegründet wäre.
- 40
dd) Letztendlich gilt aber, dass dem Kläger im derzeitigen Zeitpunkt überhaupt kein Rücktrittsrecht zuzugestehen ist, weil er aus den dargelegten Gründen zunächst einmal den Erfolg der noch ausstehenden Nacherfüllung abzuwarten hat.
- 41
Wie das Landgericht Münster in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14. März 2016 zutreffend ausgeführt hat, ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass vielmehr allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen sind, weshalb insofern dem VW-Konzern und auch seinen Vertragshändlern zuzugestehen war und ist, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden (LG Münster, Urteil vom 14. März 2016 - 11 O 341/15, 011 O 3011 O 341/15 -, Rn. 20, juris).
- 42
ee) Ein Zuwarten, ggfls. bis zum Ende des Jahres 2016, ist für den Kläger schließlich auch nicht deshalb unzumutbar, weil er ansonsten die Verjährung seiner Gewährleistungsrechte befürchten müsste. Soweit der Kläger sich insoweit - allerdings zu Unrecht, s. O. - auf eine arglistige Täuschung seitens der Beklagten beruft, ist im Hinblick darauf, dass der „VW-Abgasskandal“ erst im Lauf des Jahres 2015 bekannt wurde, eine Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs nicht vor Ende des Jahres 2018 zu besorgen (§ 438 Abs. 3 BGB i. V. m. §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die „gewöhnlichen“, kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte des Klägers, für die gem. §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB eine zweijährige Verjährungsfrist, beginnend mit der Ablieferung der Kaufsache, gilt, waren im Hinblick darauf, dass die Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 09.01.2013 erfolgt ist, bei Aufdeckung des „VW-Abgasskandals“ im September 2015 bereits verjährt, sodass auch insoweit ein Rechtsnachteil durch Vollendung der Verjährung nicht zu besorgen war.
- 43
Auch unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung ist es dem Kläger also zuzumuten, noch so lange zuzuwarten, bis sein Fahrzeug nach dem zwischen dem VW-Konzern und dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten bzw. abzustimmenden Maßnahmenplan „an der Reihe ist“, denn ein besonderes, anerkennenswertes Interesse an einem sofortigen Rücktritt macht der Kläger nicht geltend und versucht dies noch nicht einmal. Zum gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO im Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt des 28. April 2016 ist die der Beklagten zuzugestehende Frist zur Nacherfüllung somit noch nicht abgelaufen.
- 44
3. Ob dann, wenn das erforderliche Software-Update für das Fahrzeug des Klägers zur Verfügung stehen wird, durch dieses eine ordnungsgemäße Nacherfüllung gewährleistet sein wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt ebenso wie die Frage, ob dann der Geringfügigkeitseinwand der Beklagten durchgreifen wird, dahinstehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage jedenfalls verfrüht erhoben und deshalb als unbegründet abzuweisen.
- 45
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 ZPO.
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat, - 2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und - 3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, - 2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung - a)
der Art der Sache und - b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
- 3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und - 4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage
- 1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder - 2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, das Abgassystem einschließlich der dazugehörigen Software an dem Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, FIN WVGZZZ5NZEW045254, so nachzubessern, dass es den gesetzlichen Abgasvorgaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (September 2013) und den technischen Daten gemäß dem Datenblatt vom 14.10.2013 (Anlage K 2 = Anlage 1 zum Urteil) entspricht.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte T., in Höhe von 93,42 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 120 % vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer gewerblichen Auto- und VW-Vertragshändlerin, in erster Linie Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages, hilfsweise Mangelbeseitigung bzw. Neulieferung.
3Streitgegenständlich ist der Erwerb eines Pkw der Marke VW, Modell Tiguan 4Motion, 2,0 TDI zu einem Kaufpreis in Höhe von 36.999,99 €. Der Vertragsschluss erfolgte im September 2013, die Übergabe des Fahrzeugs am 14.11.2015. In dem Pkw ist ein Motor des Typs EA 189 verbaut. Dieser steht in Verbindung mit einer manipulierten Abgassoftware, welche Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert. Nur aufgrund der manipulierten Software, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird oder sich auf der Straße befindet, hält der genannte Motor die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Für eine Behebung der Manipulation genügt ein Softwareupdate, welches mit einem Zeitaufwand von circa einer halben Stunde und einem Kostenaufwand von unter 100,00 € verbunden ist.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.10.2015 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aufgrund der manipulierten Abgassoftware und setzte erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 04.11.2015. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 11.11.2015 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs auf.
5Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei aufgrund der manipulierten Software mangelhaft im Sinne von § 434 BGB.
6Der Kläger beantragt,
71.
8die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.999,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 22.11.2015 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, FIN WVGZZZ5NZEW045254;
92.
10festzustellen, das sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu Ziff. 1. näher bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
113.
12hilfsweise, für den Fall, dass die Klage mit den Anträgen zu Ziff. 1. und Ziff. 2. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, das im Klageantrag zu Ziff. 1. näher bezeichnete Fahrzeug so nachzubessern, dass das Fahrzeug die in dem als Anlage 1 dem Urteil beigefügten Datenblatt ausgewiesenen Abgaswerte sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb einhält, insbesondere dass der Ausstoß von NOx einen Wert von 119 mg pro gefahrenem Kilometer nicht übersteigt;
134.
14hilfsweise für den Fall, dass die Klage mit den Anträgen zu Ziff. 1, zu Ziff. 2. und zu Ziff. 3. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Fahrzeug VW Tiguan, Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, BM Technology 103 Kw mit den in der Anlage 2 dem Urteil beigefügten Rechnung beschriebenen Ausstattungsmerkmalen zu liefern, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des im Klageantrag zu Ziff. 1 näher bezeichneten Fahrzeugs;
155. d
16ie Beklagte zu verurteilen, ihn von der T. & Günther GbR, in Höhe von 807,36 € freizustellen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie behauptet, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, da es – unstreitig – technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Die EG-Typengenehmigung sei unverändert wirksam. Sie ist weiter der Auffassung, dass – wenn überhaupt – allenfalls ein unerheblicher Mangel vorliege. Dem Rückabwicklungsbegehren stehe außerdem eine unangemessene Nachfristsetzung entgegen.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
21Die Klage ist per Fax am 13.11.2015 eingegangen und der Beklagten am 02.12.2015 zugestellt worden.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist nur teilweise begründet.
24I.
25Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückabwicklungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen gemäß §§ 437 Nr. 2, Alt. 1, 323 BGB sind nicht erfüllt.
261.
27Allerdings ist das Fahrzeug mangelhaft. Es liegt ein Verstoß gegen § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor. Das Fahrzeug eignet sich zwar trotz der manipulierten Abgassoftware für die gewöhnliche Verwendung. Es weist angesichts dieser Manipulation aber kein Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält.
282.
29Dem Rücktritt steht schon entgegen, dass die vom Kläger gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung nicht angemessen war.
30Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung zurücktreten, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit hier nach objektiven Maßstäben. Insoweit ist zunächst die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der VW-Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen. Insofern war und ist dem VW-Konzern und damit auch den VW-Vertragshändlern zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Fristsetzung nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigem Sach- und Streitstand in keiner Weise eingeschränkt ist. Der Kläger ist für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen. Für ihn ist es daher letztlich unerheblich, wann das Update aufgespielt wird. Inwiefern der Kläger auf die zügige Behebung des Softwareproblems angewiesen ist, ist jedenfalls weder dargelegt noch ersichtlich.
31Vor diesem Hintergrund war die mit Schreiben vom 21.10.2015 gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 04.11.2015 unangemessen kurz. Der Beklagten standen unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten von ein bis drei Tagen für die Mangelbeseitigung nicht einmal zehn Werktage zur Verfügung.
32Die mit Schreiben vom 21.10.2015 erfolgte Fristsetzung ist damit indes nicht schlechthin unwirksam. Vielmehr ist mit vorgenanntem Schreiben eine angemessene Frist in Gang gesetzt worden. Unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände, insbesondere in Anbetracht der erheblichen Anzahl der betroffenen Fahrzeuge auf der einen Seite und der uneingeschränkten Nutzbarkeit dieser Fahrzeuge auf der anderen Seite, liegt eine angemessene Frist zumindest nicht unter einem Zeitraum von vier Monaten, so dass auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung kein erfolgloser Fristablauf vorlag.
33Dass die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach den §§ 323 Abs. 2, 440 BGB vorliegen, ist weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine Entbehrlichkeit entgegen dem Vorbringen des Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2016 nicht nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. In dem Bestreiten des Mangels durch die Beklagte liegt keine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung. Dass die Beklagte bereit ist, das Fahrzeug zu überarbeiten, ergibt sich u.a. aus dem - ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsatz - vom 09.03.2016.
343.
35Unabhängig von dem mangelnden Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist steht dem Rücktritt ferner eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB entgegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen. Eine Mangelbeseitigung ist mit geringem finanziellem Aufwand pro Fahrzeug möglich (100,00 €). Die Fahrtauglichkeit des Fahrzeugs wird durch den Mangel nicht eingeschränkt.
36II.
37Dem Kläger steht wegen der Mangelhaftigkeit des Pkw dagegen der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Mangelbeseitigung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zu. Dieser ist indes lediglich darauf gerichtet, dass die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einschlägigen Abgasnormen sowie die technischen Angaben im Datenblatt (Anlage K 2 zur Klageschrift) eingehalten werden. Dass eine Mangelbeseitigung in dieser vom Kläger zumindest auch begehrten Form nach § 275 Abs. 1 BGB objektiv unmöglich ist, ist von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich. Vor diesem Hintergrund scheitert indes auch ein auf § 326 Abs. 5 BGB gestütztes Rückabwicklungsbegehren.
38III.
39Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren ist nach § 439 Abs. 2 BGB gerechtfertigt (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 439, Rn. 11). Zu Grunde zu legen ist allerdings ein Streitwert in Höhe von bis zu 100,00 €, da allein der Anspruch auf Mangelbeseitigung und nicht der Rückabwicklungsanspruch begründet ist. Der (von der Beklagten zu tragende) Kostenaufwand der Mangelbeseitigung liegt nicht über 100,00 €. Begründet ist der Anspruch demnach in Höhe von 93,42 € (brutto).
40IV.
41Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
42Der Streitwert wird auf bis zu 37.000,00 € festgesetzt.
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I
2. Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 17.930,54 € festgesetzt.
Tatbestand
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.930,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 562,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I im Rechtsstreit 23 O 23033/15 vom 19.01.2016 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe
I.
„Seit
II.
III.
IV.
V.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufs eines Pkw des Herstellers VW wegen eines von ihm behaupteten Mangels.
3Durch verbindliche Bestellung vom 29.04.2013 kaufte der Kläger bei der Beklagten, einer unabhängigen Händlerin, welche Fahrzeuge der Marke VW vertreibt, den PKW Golf VI Variant mit der Fahrzeug-Ident-Nr. …. und einer Motorleistung von 103 KW (140 PS). Das Fahrzeug war erstmals am 31.05.2012 zugelassen worden und wurde anschließend als Mietwagen eingesetzt. Zur Zeit der Bestellung wies es eine Gesamtfahrleistung von 18.580 km auf; als Kaufpreis für das „gebrauchte Fahrzeug“ wurde im Vertrag ein Betrag von 20.450,00 € vereinbart. Über einzelne Emissionswerte des Fahrzeugs wurde vor dem Vertragsschluss nicht gesondert gesprochen, wohl aber darüber, dass der Kläger ein verbrauchsfreundliches Fahrzeug suchte. Das Fahrzeug wurde am 17.05.2013 an den Kläger ausgeliefert, wobei die Rechnung vom gleichen Tage sich nur auf 19.850,00 € belief – ein Messegutschein über 600,00 € war bereits verrechnet worden (vgl. insgesamt zu Vorstehendem: Anlage K1 – K3). Der Kauf war durch ein Darlehen der VW Bank in Höhe von 11.500,00 € teilfinanziert worden. Die Finanzierung wurde inzwischen abgelöst; die Kreditkosten betrugen insgesamt 211,52 € (vgl. Anlage 2 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2016).
4In dem vom Kläger erworbenen Pkw ist ein Motor des Typs EA 189 EU5 (2,0 l Diesel) verbaut. Dieser steht in Verbindung mit einer Abgassoftware, welche Stickoxidwerte im Prüfstandlauf beeinflusst. Nur aufgrund dieser Software, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird oder sich auf der Straße befindet und entsprechend das „Verhalten“ des Motors in Bezug auf die Abgase verändert, hält der genannte Motor während des Prüfstandtests die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug anderweitig betrieben und werden die im Prüfstand erzielten Stickoxidwerte (erheblich) überschritten.
5In Deutschland hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) über zwei Millionen VW-Markenfahrzeuge zurückgerufen und VW auferlegt, „die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen“. Das KBA vertritt die Auffassung, dass es sich bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Nach dem Bescheid des KBA vom 15.10.2015 sind neben der Entfernung der Software geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, wobei der am 7. Oktober 2015 durch VW vorgelegte Maßnahmenplan in der Anordnung Berücksichtigung findet (Pressemitteilung des KBA vom 16.10.2015; abrufbar über die www.kba.de).
6Von dem Rückruf und den bezeichneten Maßnahmen wird auch das Fahrzeug des Klägers betroffen sein. Wann dies konkret der Fall sein wird, ist dem Kläger noch nicht mitgeteilt worden. Bis heute verfügt das Fahrzeug des Klägers noch über sämtliche erforderlichen Genehmigungen. Insbesondere ist die EG-Typengenehmigung weiterhin unverändert wirksam, so dass er es uneingeschränkt nutzen darf. Dass das Fahrzeug im Übrigen fahrbereit und verkehrssicher ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
7Mit Anwaltsschreiben vom 27.10.2015 (Anlage K6) erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte von der Beklagten die Rückabwicklung Zug um Zug gegen Erstattung sämtlicher geleisteter Zahlungen (Anzahlung von 8.350,00 €, Darlehnsraten von 11.500,00 €) nebst daraus gezogenen Nutzungen, zusammen 21.142,85 €. Hilfsweise erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung.
8Durch Schreiben vom 12.11.2015 (Anlage K7) lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Fahrzeugs ab, und verzichtete im Hinblick auf etwaige Sachmängelgewährleistungsansprüche wegen der in Rede stehenden Software auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2016, soweit mögliche Ansprüche bisher nicht verjährt gewesen seien. Zudem führte die Beklagte aus, dass der Hersteller VW in Abstimmung mit dem KBA mit „Hochdruck“ an technischen Lösungen arbeite.
9Der Kläger ist der Auffassung, dass das von ihm erworbene Fahrzeug mangelhaft sei, da es die nach der Schadstoffklasse EU5 zulässigen Sickoxidwerte im tatsächlichen Betrieb nicht einhalte, sondern diese vielmehr um mindestens das 30-fache überschreite. Er habe jedoch gezielt (auch) ein umweltfreundliches Fahrzeug erwerben wollen. Insoweit sei auch ein Rechtsmangel gegeben, denn nach den derzeitigen Gegebenheiten hätte sein Fahrzeug die erforderlichen Zulassungen mangels Einhaltung der Grenzwert nicht erhalten; insoweit müsse jederzeit mit einem Entzug der Zulassung gerechnet werden.
10Der Kläger meint zudem, dass er sich nicht auf eine Nachbesserung des Fahrzeugs einlassen müsse. Diese sei ihm schon deshalb nicht zumutbar, weil er zumindest durch den Hersteller arglistig über die Funktionsweise der fraglichen Software getäuscht worden sei. Die Beklagte sei zwar gleichfalls getäuscht worden, zeige jedoch durch ihr Gebaren im Rahmen der begehrten Rückabwicklung, das sie einseitig die Interessen des Herstellers, von dem sie wirtschaftlich abhänge, wahre, indem sie ihn, den Kläger auf die allein im Herstellerinteresse liegende Nachbesserung verweise. Damit sei die Möglichkeit einer erneuten Manipulation seines Fahrzeugs gegeben, denn die Nachbesserung werde faktisch nicht von der Beklagten, sondern allein vom Hersteller gesteuert. Der aber habe schon bei der Herstellung das Fahrzeug unzulässig manipuliert.
11Der Kläger bezweifelt zudem, dass die von der Beklagten beabsichtigten Maßnahmen zu einer dauerhaften und wertminderungsfreien Nacherfüllung führen würden. Vielmehr sei nach den Erfahrungen, die sich im Nachgang der Nachbesserungsmaßnahmen des VW Amarok wegen der gleichgelagerten Problemstellung um den Motor des Typs EA 189 EU5 mit der vom KBA beanstandeten Software ergeben hätten, davon auszugehen, dass es zumindest zu einem Mehrverbrauch komme. Was die Auswirkungen der beabsichtigten Maßnahmen auf die Leistungsdaten und Geräuschemissionen des Fahrzeugs betreffe, seien diese gleichfalls ungewiss.
12Der Kläger ist der Auffassung, dass die von der Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung im Hinblick auf den Mangel des PKWs auch erheblich sei, so dass ein Ausschluss seines Rechts zum Rücktritt nicht greife. Insoweit sei hier nicht auf den Kostenaufwand der Mangelbeseitigung – den die Beklagte ins Blaue hinein mit einem sehr geringen Betrag beziffere – allein abzustellen. Wichtig sei vielmehr auch der Umstand, dass die Pflichtverletzung dazu geführt habe, dass seit der Nutzung des streitgegenständlichen PKW, der jetzt ca. 98.500 km gelaufen sei, mindestens das 30-fache der erlaubten Stickoxidemissionen in die Umwelt gelangt sei, nämlich 531,9 t NOx. Diese Belastung der Luft mit gesundheitsgefährdenden Stoffen, die seinen auch auf die Schonung der Umwelt gerichteten Intentionen beim Erwerb des Fahrzeugs zuwiderlaufe und nicht mehr rückgängig zu machen sei, mache die Pflichtverletzung erheblich.
13Infolge der massiven Umweltbeeinträchtigung seien mit der Nutzung des Fahrzeugs auch keine Gebrauchsvorteile gegeben, die auszugleichen seien; es handele sich nicht um eine übliche Rückabwicklung.
14Schließlich befürchtet der Kläger auch eine nachteilige Auswirkung des gesamten Geschehens auf den Verkehrswert seines Fahrzeugs.
15Der Kläger stellt folgende Anträge:
161. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 20.450,00 € aus dem Kaufvertrag mit Rechnung vom 17.05.2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2013 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Golf Variant 2,0 TDI 103 KW, Fahrgestellidentifikationsnummer … zu zahlen.
172. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 211,52 € zu zahlen.
183. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag zu 1) näher bezeichneten Fahrzeugs seit dem 10.11.2015 im Verzug der Annahme befindet.
194. Die Beklagte wird verurteilt, ihn von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.348,27 € freizustellen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte meint, dass das Fahrzeug keinen Mangel, insbesondere keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweise. Eine solche läge nur dann vor, wenn im realen Fahrzeugbetrieb die Wirksamkeit der Abgasreinigungsanlage reduziert werde, was hier nicht der Fall sei. In Deutschland seien im Rahmen der Typengenehmigung zudem allein die im künstlichen Fahrzyklus ermittelten Emissionswerte maßgeblich. Es gebe keine gesetzliche Vorgabe, die die Einhaltung der Emissionswerte im normalen Straßenbetrieb regelt. Gleichwohl seien technische Überarbeitungen des Motors und ein Softwareupdate auf Kosten des Herstellers vorgesehen. Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen werde voraussichtlich weniger als eine Stunde in Anspruch nehmen und die Kosten hierfür weniger als 100,00 € betragen. Entgegen der Behauptung des Klägers seien durch die Umsetzung der geplanten Maßnahmen keine Veränderungen der Motorleistung des Kraftstoffverbrauchs oder der Geräuschemissionen zu erwarten.
23Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass der Kläger ihr zu Unrecht keine Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt habe. Angesichts des geringen Aufwands für die Beseitigung der behaupteten Mängel, sei das Rücktrittsrecht auch wegen Geringfügigkeit ausgeschlossen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2016 verwiesen, in der sie auch persönlich gehört worden sind.
25Entscheidungsgründe
26Die zulässige Klage ist unbegründet.
27Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von insgesamt 20.450,00 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. den §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, Abs. 2, 320, 348 BGB oder sonstigen Rechtsgründen zu.
28Die Parteien des Rechtsstreits haben zwar einen Kaufvertrag im Sinne von § 433 BGB geschlossen. Auch weist das streitgegenständliche Fahrzeug einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf. Nach der vorgenannten Vorschrift ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Im vorliegenden Fall eignet sich das streitgegenständliche Fahrzeug grundsätzlich für den Fahrbetrieb und somit für die gewöhnliche Verwendung.
29Jedoch hat es gleichwohl keine solche Beschaffenheit, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Auch nach den Darlegungen der Beklagten ist es derart hergestellt, dass der Motor bzw. die ihn steuernde Software im Prüfstandsbetrieb andere Emissionswerte vortäuscht als im normalen Straßenverkehr eingehalten werden können. Dies hat nichts mit dem von der Beklagten bemühten Unterschied zwischen dem synthetischem Prüfstandsbetrieb und dem realen Alltagsbetrieb zu tun. Selbstverständlich unterscheiden sich die Emissionswerte im Alltagsbetrieb eines Fahrzeugs von denen in einem synthetischen Prüfzyklus. Das ergibt sich schon daraus, dass sie von einer Vielzahl von Faktoren wie Fahrverhalten, Verkehrsfluss usw. abhängig sind, die im Prüfzyklus nur standardisiert stattfinden. Dennoch besteht bei einem die Prüfstandswerte nicht manipulierenden Fahrzeug die Gewähr dafür, dass die Vermeidung schädlicher Emissionen im Straßenverkehr mit derselben Effektivität wie auf dem Prüfstand erfolgt. Dies ist bei dem klägerischen Pkw jedoch nicht der Fall. Hier sorgt eine technische Vorrichtung dafür, dass im Prüfstandsbetrieb eine Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb schon grundsätzlich nicht stattfindet. Ein Käufer eines entsprechend zugelassenen Fahrzeugs darf indes annehmen, dass das Fahrzeug hinsichtlich des Schadstoffausstoßes die für die Emissionsklasse „Euro 5“ vorgegebenen Grenzwerte im Rahmen des für die Einstufung maßgeblichen Prüfverfahrens auch tatsächlich einhält. Diese Erwartung wird enttäuscht durch den Umstand, dass das Ergebnis im Prüfstand nur aufgrund einer speziellen, in dem Fahrzeug verbauten Software erzielt wird, die den künstlichen Fahrzyklus erkennt und in einen Betriebsmodus schaltet, der den Stickoxidausstoß reduziert.
30Dem Rücktritt steht jedoch entgegen, dass der Kläger der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger im Fall einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung des Schuldners vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Vorliegend hat der Kläger jedoch die sofortige Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs von der Beklagten gefordert, ohne ihr vorher die Gelegenheit zur Mangelbeseitigung gewährt zu haben.
31Die Einräumung einer Gelegenheit zur Nacherfüllung war nicht entbehrlich. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 440 S. 1 Alt. 3 BGB nicht vor. Nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB bedarf es außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und § 323 Abs. 2 der Fristsetzung unter anderem auch dann nicht, wenn dem Käufer die Nacherfüllung unzumutbar ist. Dabei ist die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung – im Gegensatz zu der Vorschrift des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB – allein aus der Perspektive des Käufers zu bestimmen und kann sich aus der Person des Verkäufers, der Art der Mangelhaftigkeit sowie den mit der Nacherfüllung verbundenden Begleitumständen ergeben (vgl. Faust in Beck‘scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, Stand 01.08.2014, § 440 Rn. 35 ff.). Dies zugrunde gelegt kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die von der Beklagten weiterhin angebotene Nacherfüllung unzumutbar ist, was zugleich bedeutet, dass auch nach der allgemeinen Vorschrift des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB die Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht entbehrlich ist. Im Einzelnen:
32Der von dem Kläger beanstandete Mangel in Form des erhöhten Abgasausstoßes im gewöhnlichen Fahrbetrieb führt zu keinerlei funktionellen Beeinträchtigung in der Nutzung des Fahrzeugs. Insbesondere verfügt das Fahrzeug nach wie vor über alle erforderlichen Genehmigungen zur Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr.
33Wenn der Kläger darauf verweist, dass die Duldung des derzeitigen Zustands durch das KBA eher wirtschaftlichen und politischen Motiven geschuldet sei, da die gegebene Funktionsweise des Motors einer Zulassung entgegenstehe, ist dies unerheblich, da sich nachteilige Auswirkungen für den Kläger insoweit nicht ergeben. Auch ist derzeit nicht im Ansatz abzusehen, dass sich am gegebenen Zustand etwas ändert.
34Soweit der Kläger darauf abstellt, dass zu berücksichtigen sei, dass die Umwelt durch die Abgassoftware über die bisherige Lebensdauer des Fahrzeugs erheblich mehr Stickoxid abgegeben habe, als bei Berücksichtigung der Grenzwerte zulässig, so ist zunächst zu sagen, dass die Berechnungen des Klägers darunter leiden, dass er fälschlicherweise die Einheiten „mg“ und „g“ verwechselt. Anders als der Kläger errechnet geht es also nicht um 531,9 t NOx, die sein Fahrzeug bei insgesamt gefahrenen 98.500 km erzeugt haben soll, sondern „nur“ um 531,9 kg NOx. Dass die in der Vergangenheit liegenden Auswirkungen auf die Umwelt Einfluss darauf haben sollen, dass dem Kläger ein Zuwarten auf einen Nachbesserungsversuch nicht zumutbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Allenfalls bleibt als unter Umständen relevanter Ansatz, dass es dem Kläger unzumutbar sei, ein Fahrzeug zunächst bis zur – zeitlich noch nicht fixierten – Nachrüstung zu nutzen, von dem er nunmehr weiß, dass es mit einer manipulierenden Software ausgestattet ist. Dies allein vermag aber die Unzumutbarkeit nicht zu begründen, denn die wesentliche Funktion des Fahrzeugs, die Fortbewegungsmöglichkeit, ist nach wie vor gegeben.
35Eine Unzumutbarkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass eine Nacherfüllung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp derzeit zeitlich noch nicht fixiert ist. Der Kläger war und ist nach wie vor in der Lage, das Fahrzeug bis zu diesem Zeitpunkt ohne für ihn spürbare Beeinträchtigungen weiter nutzen. Erhebliche, über die bloße Zeitspanne bis zur tatsächlichen Vornahme der Nachbesserungsarbeiten hinausgehende Unannehmlichkeiten oder sonstige Nachteile, die mit der angebotenen Nacherfüllung durch die Beklagte einhergehen, sind von dem Kläger jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte gegenüber dem Kläger auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche im Zusammenhang mit der Verwendung der Software bis zum 31.12.2016 verzichtet, soweit nicht Verjährung bereits eingetreten ist.
36Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund der behaupteten arglistigen Täuschung des Herstellers über den tatsächlichen Schadstoffausstoß des Fahrzeugs im Fahrbetrieb, die die Beklagte sich nach Auffassung des Klägers letztlich entgegenhalten lassen müsse. Zwar kann bei Täuschung über einen Mangel durchaus ein Verlust der Vertrauensgrundlage gegeben sein, der eine Nacherfüllung deswegen als unzumutbar erscheinen lässt. Dass dies auf die Person der Beklagten zutrifft, lässt sich aber entgegen der klägerischen Betrachtung gerade nicht sagen:
37So behauptet der Kläger schon nicht, dass die Beklagte selbst um die manipulierte Software wusste. Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Beklagte sich das – zumindest bei irgendeinem der dortigen Mitarbeiter vorhandenes – Wissen des Herstellers um die Software im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger zurechnen lassen muss, sind gleichfalls weder vorgetragen noch ersichtlich. Insofern ist zu betonen, dass die Beklagte als Verkäuferin zwar für die Mängel eines Produkts im Rahmen des Gewährleistungsrechts einzustehen hat, nicht aber für jegliches (Fehl-)Verhalten des Herstellers haftbar gemacht werden kann. Allein der Umstand, dass die Beklagte sich nach Bekanntwerden des „VW-Abgasskandals“ im September 2015 mit dem Hersteller abstimmt und dergestalt an alle ihre Kunden, auch den Kläger, herantritt, bewirkt keine Zurechnung etwaigen betrügerischen Verhaltens des Herstellers auf die Beklagte. Das Interesse der Beklagten, hier im Rahmen einer einheitlichen Problembehandlung in Abstimmung mit dem Hersteller zu agieren ist vielmehr vor dem Hintergrund, dass bundesweit mehr als 2 Mio. Fahrzeuge des Herstellers VW betroffen sind und Ansprechpartner in allererster Linie die jeweiligen Händler sein werden, nachvollziehbar.
38Überdies ist zu bedenken, dass ein Verlust der Vertrauensgrundlage auf Seiten des getäuschten Käufers, der Grund für den Wegfall der Nacherfüllungsmöglichkeit des Verkäufers in Fällen der arglistigen Täuschung ist, dann nicht anzunehmen ist, wenn besondere Umstände vorliegen (vgl. BGH Urteil vom 09. Januar 2008, VIII ZR 210/06, zit. nach juris), die erwarten lassen, dass eine ordnungsgemäße Nachbesserung stattfinden wird. Vorliegend kommt in Betracht, dass solche besonderen Umstände darin zu sehen sind, dass die Nachbesserungsarbeiten der Beklagten in enger Zusammenarbeit des Herstellers mit dem Kraftfahrtbundesamt und damit unter staatlicher Aufsicht erfolgen. In diesem Zusammenhang haben das Kraftfahrtbundesamt und der Hersteller einen übergeordneten Maßnahmenplan sowie darauf aufbauend konkrete Umsetzungsvereinbarungen getroffen, um die Nachbesserungsarbeiten an den betroffenen Fahrzeugen zu gewährleisten.
39Der Kläger kann sich derzeit auch nicht darauf berufen, dass die von der Beklagten angebotene Nacherfüllung nicht dauerhaft und wertminderungsfrei erfolgen könne oder aber zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch führen werde. Dafür, dass die beabsichtigte und von der Beklagten beschriebene Nachbesserung von vorneherein nicht erfolgreich sein kann, ist bislang nichts ersichtlich. Sollten die klägerischen Behauptungen aber tatsächlich zutreffen und die Nachbesserung erfolglos verlaufen, so stünden dem Kläger dann, aber eben erst nach Erfolglosigkeit der Nacherfüllungsbemühungen, ggfls. Gewährleistungsrechte gegen die Beklagte zu, die diesbezüglich bis zum 31.12.2016 auf die Einrede der Verjährung ausdrücklich verzichtet hat.
40Nach alledem liegen jedenfalls derzeit die Voraussetzungen für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht vor. Auf die weitere streitige Frage, ob der Rücktritt wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist, kam es nicht mehr an.
41Mangels Hauptanspruchs hat der Kläger auch keinen Zinsanspruch aus den §§ 288 Abs. 1, 286 BGB oder § 291 BGB. Auch die weiter mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sind mangels wirksamen Rücktritts nicht begründet.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
43Der Streitwert wird auf bis zu 22.000 € festgesetzt.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.276,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2016 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi A6 Avant 2.0 TDI, Fahrzeug-Ident-Nummer: XXX, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 28.01.2016 mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt im Rahmen des sog. VW-Abgasskandals nach seinem Rücktritt von einem Kaufvertrag über einen Audi A6 mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von 44.200,00 € unter Abzug der von ihr in der Klageschrift näher berechneten Nutzungsentschädigung von 4.103,23 €.
3Die Beklagte ist Vertragshändlerin des Pkw-Herstellers Audi, der dem VW-Konzern angehört. Sie ist nicht in die Konzernstruktur des Herstellers eingebunden. Im Rahmen des VW-Vertriebssystems handelt die Beklagte im eigenen Namen für eigene Rechnung.
4Die Parteien schlossen im Februar 2014 einen Kaufvertrag über den im Tenor näher bezeichneten Pkw, für den der Kläger einen Kaufpreis von 44.200,00 € an die Beklagte leistete. In dem Wagen ist ein 2,0-Liter-Dieselmotor vom Typ EA 189 eingebaut, dessen Motorsoftware zur Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren beigetragen hat. Die Software erkennt, ob sich das Kfz auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder im üblichen Straßenverkehr befindet. Auf dem Rollenprüfstand spielt die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß ein anderes Motorprogramm ab als im Normalbetrieb. Hierdurch werden auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt. Nur so wurden die nach der Euro-5-Abgasnorm vergebenen NOx-Grenzwerte eingehalten. Der Hersteller Audi bewirbt den Fahrzeugtyp im Rahmen der Auflistung der technischen Daten mit der Euro-5-Abgasnorm.
5Unter Bezugnahme auf den sog. VW-Abgasskandal verlangte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 04.01.2016 Nacherfüllung bis zum 20.01.2016 und erklärte für den Fall der Verweigerung den Rücktritt; im Anwaltsschreiben vom 08.03.2016 erklärte er nach fruchtlosem Ablauf der Nacherfüllungsfrist nochmals den Rücktritt und forderte von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Kfz.
6Mit Schreiben vom 19.01.2016 verwies die Beklagte den Kläger darauf, dass der Hersteller Audi dabei sei, ein Software-Update für die Motoren zu entwickeln, deren Ausstoß von NOx auf dem Prüfstand optimiert worden sei. Die Maßnahmen sollten für sämtliche Motorvarianten so schnell wie möglich abgeschlossen werden, bis dahin bitte man um Geduld. Der Zeitaufwand für das Aufspielen der Software werde etwa 30 Minuten betragen und auf Kosten von Audi durchgeführt. Ziel sei es, dass die Maßnahmen keinen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung hätten. Die Beklagte verzichtete auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2017 wegen etwaiger Ansprüche, die im Zusammenhang mit der eingebauten Software bestehen könnten.
7Die Beklagte ist für die Änderung der Motorsoftware auf die Handlungsanweisungen sowie die Bereitstellung des Software-Updates durch den Hersteller Audi angewiesen. Zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts hatte Audi nur eine sog. Konzeptsoftware entwickelt. Ein auf den spezifischen Fahrzeugtyp abgestimmtes Software-Update hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch nicht freigegeben und eine Rückrufaktion noch nicht genehmigt. Im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts konnte die Beklagte keine Angaben über den konkreten Zeitplan der Mangelbeseitigung machen. Der Bescheid des KBA zur Freigabe des Updates für das klägerische Fahrzeug erging erst am 27.05.2016; danach werden die Grenzwerte für Schadstoffemissionen eingehalten, die Motorleistung bleibt unverändert und die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen werden bestätigt.
8Auch ohne das Software-Update ist das streitgegenständliche Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typengenehmigung wurde bislang nicht entzogen. Das KBA betrachtet das Aufspielen des Software-Updates jedoch als verpflichtend.
9Der Kläger behauptet:
10Das Fahrzeug halte die Euro-5-Abgasnorm nicht ein. Tatsächlich überschritten die NOx-Werte im normalen Fahrbetrieb die Grenzwerte um ein Vielfaches. Auf einem Prüfstand hingegen werde - unstreitig - die Motorsteuerung automatisch so geschaltet, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden. Es sei bei Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag für ihn nicht absehbar gewesen, ob sich die Kraftstoffverbrauchswerte sowie die CO2-Emissionen ebenso wie die Motorleistung und das maximale Drehmoment des Fahrzeuges nach dem Software-Update verändern würden. Das sei auch nicht zu erreichen, da es bekanntermaßen einen Zielkonflikt zwischen günstigen Stickstoffwerten und günstigen Kohlendioxid-Abgaswerten gebe. Es sei zu vermuten, dass eine Verbesserung der Stickoxidwerte nur unter Inkaufnahme neuer Mängel beim CO2-Ausstoß oder beim Kraftstoffverbrauch oder unter Inkaufnahme von erhöhtem Motorverschleiß möglich sei. Er befürchte daher, dass die Nacherfüllung wiederum zu einem Folgemangel an dem Pkw führe. Auch unter zeitlichen Aspekten sei ihm das Abwarten der Mangelbeseitigung nicht zumutbar gewesen, weil er währenddessen mit einem Auto hätte fahren müssen, das die Umweltgesetze nicht einhalte. Sein Vertrauensverhältnis zum Hersteller sei aufgrund der Vorfälle und der intransparenten Informationspolitik im Rahmen des VW-Abgasskandals nachhaltig gestört. Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung sei nicht ausgeschlossen gewesen, dass dem Fahrzeug aufgrund der rechtswidrig erlangten EG-Typengenehmigung die Zulassung entzogen und es stillgelegt würde, da zu diesem Zeitpunkt - unstreitig - das KBA die Rückrufaktion noch nicht genehmigt habe. Ferner habe der Hersteller Audi die Käufer arglistig getäuscht, sodass ihm eine Nacherfüllung, die faktisch durch den Hersteller erfolge, unzumutbar sei. Schließlich sei im Falle der Nachbesserung ein merkantiler Minderwert von 20% zu befürchten, da sich ein Preisverfall bereits bei anderen Fahrzeugen zeige und allgemein beobachtet werde, dass Händler vom Abgasskandal betroffene Fahrzeuge nicht in Zahlung nehmen würden. Denn der durch die Softwareverwendung ausgelöste VW-Abgasskandal habe zu einem Vertrauensverlust nicht nur bei dem Kläger, sondern allgemein in der Bevölkerung in die Marken des VW-Konzerns geführt.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.096,77 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2016 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi A6 Avant 2.0 TDI, Fahrzeug-Ident-Nummer: XXX, abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 953,18 € zu zahlen;
13festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 28.01.2016 mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde;
14die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.706,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2016 zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei technisch sicher, in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt und verfüge über alle notwendigen Genehmigungen. Es sei nicht mangelhaft. Die Emissionsgrenzwerte der Abgasnormen müssten im normalen Fahrbetrieb nicht erreicht werden. Eine unzulässige Abschalteinrichtung sei nicht zum Einsatz gekommen. Die bisherige Motorsteuerung habe auf dem Prüfstand vielmehr in den NOx-optimierten Modus 1 geschaltet, bei dem es eine erhöhte Abgasrückführungsrate gegeben habe; im normalen Fahrbetrieb habe sich der Motor im Partikel-optimierten Modus 0 befunden. Nach dem Software-Update gebe es nur noch den Modus 1. Selbst wenn aber ein Mangel vorliege, sei er unerheblich, da der Mangelbeseitigungsaufwand unter Einbeziehung der Entwicklungskosten mit weniger als 100,00 € zu kalkulieren sei und damit bei nur 0.25 % des Kaufpreises liege. Das Software-Update führe auch nicht zu irgendwelchen Nachteilen oder negativen Folgen für Verbrauch, Leistung, Abgaswerte oder Haltbarkeit. Abgesehen davon hätte der Kläger eine längere Frist zur Nacherfüllung setzten müssen. Die Länge der angemessenen Frist hänge dabei auch von dem zwischen dem Hersteller und dem KBA abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan ab.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Klage hat ganz überwiegend Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 44.200,00 € abzüglich gezogener Nutzungen i.H.v. 4.923,88 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des im Tenor bezeichneten Fahrzeuges (§§ 346 Abs. 1, 348 i.V.m. § 437 Nr. 2, § 440 Satz 1 Mod. 3, 323 Abs. 1 BGB). Lediglich der Nutzungsersatz war geringfügig höher anzusetzen und es besteht kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
21Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 23.03.2016 einen anderen Antrag angekündigt hat als den aus der Klageschrift, den er dann in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, gebot das nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Anträge sich nicht in der Sache, sondern nur sprachlich unterscheiden.
22I.
23Der Kläger ist spätestens mit Schreiben vom 08.03.2016 wirksam wegen Mangelhaftigkeit von dem Kaufvertrag mit der Beklagten über den streitgegenständlichen Audi A6 zurückgetreten. Der Pkw wies bei Gefahrübergang einen Sachmangel auf. Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich und die Pflichtverletzung war nicht unerheblich; diese beiden Voraussetzungen des Rücktrittsrechts hängen eng miteinander zusammen.
241.
25Der Ist-Zustand des Wagens wich bei Gefahrenübergang vom Soll-Zustand ab. Das Kfz erfüllte die Euro-5-Abgasnorm nicht. Damit fehlte ihm jedenfalls eine Beschaffenheit, wie sie bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).
26Zur Beschaffenheit eines Kaufgegenstands können alle Eigenschaften gehören, die der Sache selbst anhaften sowie alle Beziehungen einer Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsanschauung Einfluss auf die Wertschätzung haben oder die Brauchbarkeit der Sache beeinflussen und ihr unmittelbar anhaften (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. § 434 Rdn. 10). Ein Emissionsverhalten des Motors entsprechend der Euro-5-Abgasnorm (bzw. allgemein der gesetzlichen Abgasvorschriften) stellt eine solche Eigenschaft dar. Die Kläger durfte bei ihrer Kaufentscheidung davon ausgehen, dass der erworbene Audi A6 die für ihn geltenden Abgasvorschriften einhält und die dazugehörigen (und auch in der Werbung bzw. den Prospekten zum Fahrzeugtyp angegebenen) Emissionswerte korrekt ermittelt wurden. Tatsächlich wurde die Einhaltung der Euro-5-Norm nur wegen des Einsatzes manipulierender Software und damit nicht vorschriftsgemäß sichergestellt. Wäre die Software nicht eingesetzt worden, wären im Prüfverlauf die gesetzlichen vorgeschriebenen NOx-Emissionswerte überschritten worden (vgl. LG Münster, Urteil v. 14.03.2016 - 11 O 341/15; LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16; LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15).
27Allerdings leugnet die Beklagte einen Mangel. Sie beruft sich darauf, der Motor verfüge nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung des Emissionskontrollsystems, die im Prüfstandmodus geschaltet worden sei. Dieser Einwand greift jedoch aus mehreren Gründen nicht durch.
28Zunächst spricht der Hersteller Audi in der von dem Kläger als Anlage K2 vorgelegten Kundeninformation selbst davon, dass es Ziel der Nachbesserung sei, die Emissionsgrenzwerte einzuhalten, was nur bedeuten kann, dass sie ohne Nachbesserung nicht eingehalten wurden. Weiter hätte sich das KBA kaum veranlasst gesehen, die Nachbesserung für verpflichtend zu erklären, wenn die Emissionen ohnehin den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hätten; und der Hersteller Audi (wie auch der gesamte VW-Konzern) hätte sich ohne Notwendigkeit wohl nicht veranlasst gesehen, eine derart aufwändige und kostspielige Nachbesserung aus reiner Kulanz anzubieten.
29Schließlich geht der Vortrag der Beklagten zur Mangelhaftigkeit schon am Kern des Problems vorbei. Der Mangel wird hierdurch sogar zugestanden, wenn sie behauptet, eine unzulässige Abschalteinrichtung sei nicht zum Einsatz gekommen, weil die bisherige Motorsteuerung auf dem Prüfstand in den NOx-optimierten Modus 1 (mit einer erhöhten Abgasrückführungsrate) geschaltet, während sich der Motos im normalen Fahrbetrieb im Partikel-optimierten Modus 0 befunden habe. Denn der Prüfstandmodus gibt zwar nicht den realen Fahrbetrieb wieder, die Motorsteuerung muss aber jedenfalls im Wesentlichen identisch wie dort funktionieren (ähnlich LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15). Nur so wird gewährleistet, dass die Abgas- und Verbrauchswerte, die nicht mit denen des realen Fahrbetriebs übereinstimmen müssen, in einer gewissen Korrelation zueinander stehen und eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zulassen: Niedrige Werte im Prüfstandmodus lassen auch niedrige Werte im realen Fahrbetrieb erwarten und umgekehrt. Die Fahrzeuge müssen die Prüfstandsituation zwar erkennen können und in einen Prüfstandmodus umschalten, damit die Fahrzeugassistenzsysteme nicht falsch reagieren (etwa deshalb, weil sich hier die Hinterräder nicht mitdrehen), der Prüfstandmodus dient aber nicht dazu, das Emissionskontrollsystem anders zu steuern. Letzteres geschah bei dem Motor im Wagen des Klägers, der Motor wurde (so die Beklagte selbst in ihrem Schriftsatz vom 24.08.2016) - nur! - bei der Prüfstandfahrt in einen Modus mit höherer Abgasrückführung und dadurch bedingt geringeren NOx-Werten gebracht (den von der Beklagten sog. Modus 1), wohingegen der Motor im realen Fahrbetrieb (dem von der Beklagten sog. Modus 0) eine geringere Abgasrückführung und damit höhere NOx-Werte aufwies. Da nur die Prüfstandfahrt Grundlage der EG-Typengenehmigung ist und nur dessen Werte öffentlich (in Prospekten und der Werbung) bekannt gemacht werden, werden Kunden (und auch die Genehmigungsbehörde) über die Aussagekraft der Messwerte und die im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerte getäuscht (ähnlich LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15).
302.
31Dem Rücktritt des Kläger steht nicht entgegen, dass sie der Beklagten nur eine kurze Frist zur Nacherfüllung nach § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hat. Denn eine Fristsetzung wäre gem. § 440 Satz 1 Mod. 3 BGB wegen Unzumutbarkeit vollständig entbehrlich gewesen (a.A. LG Frankenthal, Urteil v. 12.05.2016 - 8 O 208/15).
32Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233 f.), eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung; die Unzumutbarkeit ist allein aus der Perspektive des Käufers, also des Klägers, zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2014, § 440 Rdn. 23 f.).
33a.
34Die Nachbesserung war dem Kläger schon deshalb unzumutbar, weil er die begründete Befürchtung hegen durfte, dass das beabsichtigte Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde.
35Es war vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist (BGH, Urteil v. 15.06.2011 - VIII ZR 139/09), nicht auszuschließen, dass die Beseitigung der Manipulations-Software negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Im Gegenteil, derartige Befürchtungen wurden gerichtsbekannt auch von Fachleuten mehrfach öffentlich geäußert und beruhten auf der naheliegenden Überlegung, warum der Hersteller Audi nicht schon bei der Entwicklung der Motoren zur Erstellung einer entsprechenden Software in der Lage gewesen sei bzw. warum Audi nicht schon viel früher, nämlich schon weit vor Bekanntwerden des Abgasskandals, die Entwicklung der jetzt in Aussicht gestellten Software unternommen habe. Sie beruhten weiter auf dem bekannten Zielkonflikt zwischen günstigen Stickoxidwerten und günstigen Kohlendioxidwerten. Die Beklagte selbst drückte diese Unsicherheit über die Möglichkeit einer erfolgreichen Nachbesserung ohne Inkaufnahme anderweitiger Nachteile in ihrem Schreiben vom 19.01.2016 dahingehend aus, Ziel sei es, dass die Maßnahmen keinen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung haben werden. Sie hat den berechtigten Mangelverdacht des Klägers auch nicht durch einen Gegenbeweis (etwa in Form eines unabhängigen Gutachtens) oder eine Garantieerklärung (seitens der Beklagten selbst oder von Audi) ausgeräumt. Das KBA kam erst am 27.05.2016 - also 3 Monate nach Rücktrittserklärung - zu dem Ergebnis, dass Folgemängel nicht zu befürchten seien.
36Der berechtigte Mangelverdacht reicht aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen. Es genügt nämlich grundsätzlich nicht, einen Mangel abzustellen, wenn dafür ein anderer Mangel entsteht (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 440 Rdn. 7). Dass dies geschehen wird, muss der Kläger nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten. Das würde ihn als Käufer überfordern. Seine Interessen sind vielmehr schon hinreichend beeinträchtigt, wenn er aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit anderer Mängel hat. Das ist für sog. Montagsautos anerkannt (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2013 - VIII ZR 140/12 Rdn. 24) und beruht dort auf der Überlegung, dass ein Auto, das schon einige Mängel zeigte, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (aber nicht mit Sicherheit), weitere Mängel aufweisen wird. Ähnlich ist es vorliegend. Der Mangelverdacht ergibt sich aus plausiblen Überlegungen, die auf tatsächlichen Annahmen beruhen und die die Beklagte - jedenfalls zum Zeitpunkt des Rücktritts - nicht widerlegt hat.
37b.
38Es war für den Kläger auch zeitlich unzumutbar, auf die Nacherfüllung zu warten (ähnlich LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16).
39Die angemessene Wartezeit richtet sich vorrangig nach dem Interesse des Käufers, weil - wie dargelegt - allein aus seiner Sicht die Unzumutbarkeit zu beurteilen ist. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass es nicht auf eine rein subjektive Betrachtung ankommt, was bereits daraus folgt, dass ein Käufer dem Verkäufer grundsätzlich eine angemessene Frist zu setzen hat, eine zweite Andienung also nicht in seinem Belieben steht (§ 323 Abs. 1 BGB). Bei der Bestimmung der Angemessenheit dieser Frist sind zunächst objektive Faktoren maßgeblich, was vordergründig im Streitfall dafür sprechen könnte, die Zeitspanne für Entwicklung, Prüfung, Genehmigung und (massenhaftes) Aufspielen der Software für angemessen zu halten. Die alleinige Maßgeblichkeit objektiver Faktoren im vorliegenden Fall würde aber die Interessen des Klägers als Käufer in unangemessener Weise hintanstellen. Die Beklagte war nämlich im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (noch) gar nicht in der Lage, den Mangel zu beseitigen, da ihr das erforderliche Software-Update bis dahin nicht zur Verfügung stand. Auch wenn sie hierbei auf die Unterstützung des Herstellers und die Freigabe durch das KBA angewiesen war, konnte die Nacherfüllungsfrist wegen dieser Umstände nicht zum Nachteil der Kläger für eine zunächst ungewisse Zeit hinausgezögert werden. Erst später, nämlich im Verlauf des Prozesses, stellte sich Gewissheit über die Genehmigung des Software-Updates ein, ein konkreter Nachbesserungstermin für das Fahrzeug des Klägers war aber auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, also fast ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals, noch nicht bekannt bzw. benannt. Angesichts dieser Unsicherheit war es dem Kläger überhaupt nicht möglich, sinnvoll eine Frist zu setzen. Schon allein das Abwarten ins Ungewisse hinein erscheint unzumutbar.
40Zwar war der Wagen fahrbereit, er entsprach aber nicht den für ihn geltenden Umweltvorschriften. Wollte man aber allein auf die objektiv notwendige Zeit zur Mängelbeseitigung abstellen, würde das bedeuten, dass der Kläger mit dem mangelhaften Fahrzeug nach Bekanntwerden des Abgasskandals im Herbst 2015 noch ca. 1 Jahr hätte fahren müssen. Das würde man bei einem Wagen, der lediglich eine optische Beeinträchtigung wie etwa einen Lackschaden aufweist, als nicht hinnehmbar bezeichnen. Der Mangel am klägerischen Fahrzeug ist aber wegen der damit verbundenen Mehrbelastung für die Umwelt objektiv erheblich bedeutender, auch wenn man ihn nicht sieht und spürt und die Fahrbereitschaft nicht beeinträchtigt ist.
41Die (zeitlichen) Probleme auf Herstellerseite bei der Entwicklung des Software-Updates wirken allein zu Lasten der Beklagten und sind ihrem Risikobereich zuzuordnen, weil sie zur Nachbesserung auf den Hersteller Audi angewiesen ist. Wie bereits ausgeführt, wusste Audi seit der Entwicklung des Motors von dem Mangel und hätte seitdem an seiner Beseitigung arbeiten können und müssen.
42Für eine zeitliche Unzumutbarkeit spricht schließlich auch der Sinn und Zweck der Frist: Sie soll den Schuldner in die Lage versetzen, seine Leistung zu vollenden und nicht mit ihr zu beginnen (vgl. MünchKommBGB-Ernst, 7. Aufl. § 323 Rdn. 73). Dauert die Mangelbeseitigung aber unabsehbar an, so stellt sich die Lage für den Käufer dar, als würde der Schuldner mit Fristsetzung erstmals den Versuch der Bewirkung einer Leistung unternehmen.
43c.
44Schließlich gründet sich die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auch auf eine nachhaltige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Hersteller Audi. Aufgrund der tatsächlich engen Verbindung zwischen der Beklagten als Vertragshändlerin und Audi im Rahmen des selektiven Vertriebssystems strahlt dieser Vertrauensverlust gegenüber dem Hersteller auch auf die Beziehung der Kläger zur Beklagten aus.
45In der Rechtsprechung des Bundegerichtshofes ist es anerkannt, dass einem Käufer die Nachbesserung durch den Verkäufer in der Regel unzumutbar ist, wenn dieser ihn arglistig über den Kaufgegenstand oder bei der Vertragsabwicklung getäuscht hat. Wegen der erwiesenen Unzuverlässigkeit des Verkäufers darf der Käufer von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.2010 - VIII ZR 182/08 Rdn. 19/20). Wenn der Wagen direkt von Audi an den Kläger verkauft worden wäre, wäre nach diesen Grundsätzen ohne Weiteres eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung anzunehmen. Audi hat die Behörden und massenhaft Kunden über die Umweltfreundlichkeit der Motoren des Typs EA 189 und dessen Abgaswerte getäuscht und sich hierdurch Wettbewerbsvorteile verschafft. Dabei ist es belanglos, ob der Vorstand von dem Einsatz der manipulierenden Software wusste, ihn gebilligt oder ihn gar angeordnet hat; denn in jedem Fall ist Audi das Handeln der im Unternehmen tätigen Personen zuzurechnen.
46Die erwähnte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist vorliegend allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil die Beklagte und nicht Audi Verkäuferin war, die Beklagte den Kläger (oder andere Käufer) nicht selbst getäuscht hat und ihr die Täuschung von Audi auch nicht im rechtlichen Sinn zuzurechnen ist (so die h.M.; für einer weitergehende Zurechnung von Herstellerverschulden spricht sich mit erheblichen Argumenten Weller NJW 2012, 2312 aus). Dennoch führt die Täuschung durch Audi aufgrund der Besonderheiten des Vertriebssystems und der Besonderheiten der Mängelbeseitigung vorliegend zu einer Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Entscheidend ist nämlich nicht das unmittelbare arglistige Verhalten, sondern die dadurch erwiesene Unzuverlässigkeit von Audi.
47Auch wenn das Software-Update von der Beklagten auf den Wagen des Klägers aufgespielt werden soll, stellt sich dies als bloß untergeordneter Akt der gesamten Nachbesserung dar. Die wesentlichen Nachbesserungsschritte, die Entwicklung der Software, deren Test und die Einholung der Genehmigungen, werden hingegen von Audi geleistet, also von demjenigen, der getäuscht und sich dadurch als unzuverlässig erwiesen hat.
48Die Beklagte trägt das Risiko, dass der Kläger den Hersteller Audi zu Recht für unzuverlässig hält. Der Kläger selbst ist dem Hersteller allenfalls durch die Herstellergarantie verbunden; jedenfalls hat er sich ihm nicht zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient. Das ist bei der Beklagten entscheidend anders. Audi ist in Bezug auf das Software-Update Erfüllungsgehilfe der Beklagte im Sinne von § 278 BGB, da die Beklagte die Nachbesserung ohne diese allein vom Hersteller zur Verfügung gestellte Software nicht durchführen kann. Sie selbst dürfte wegen des dadurch hervorgerufenen Verlusts der Betriebserlaubnis gar nicht eigenständig nachbessern.
49Abgesehen davon hätte die Beklagte ohne Audi den Wagen erst gar nicht liefern können und sie ist für sämtliche Reparatur- und Serviceleistungen in der Zukunft auf Audi angewiesen. Das allein zeigt die enge Verbindung zwischen Audi als Hersteller und der Beklagten als Verkäuferin. Die Beklagte will als Teil eines selektiven Vertriebssystem beim Verkauf ihrer Fahrzeuge vom guten Ruf des Herstellers profitieren, muss dann aber im Fall des erheblichen Ansehensverlustes des Herstellers und dessen arglistigem Verhalten im Gegenzug hinnehmen, dass der Kunde eine Nachbesserung durch den Hersteller ablehnt. Wegen der Brisanz des Abgasskandals, des im Raum stehenden Vorwurfs eines millionenfachen Betrugs und stets neuen Enthüllungen über das Ausmaß des Skandals ist nachvollziehbar, dass der Kläger nicht mehr darauf vertraut, dass die Nacherfüllung in ihrem Interesse erfolgt und sie objektiv über alle Umstände und mögliche Folgemängel informiert wird. Aufgrund der faktischen Nähe der Beklagten als Vertragshändlerin zu Audi und dem VW-Konzern darf der Kläger die Befürchtung haben, dass die Beklagte eher im Lager des VW-Konzerns steht und dessen wirtschaftliche Interessen verfolgt bzw. bevorzugt, als ihren berechtigten Belangen als Kundin nachzukommen. Dies umso mehr als die Beklagte (und wohl auch der Hersteller Audi selbst) den Mangel noch während des Prozesses leugnet (zuletzt im nachgelassenen Schriftsatz vom 24.08.2016) und damit offenbar das angekündigte Software-Update als bloße Kulanzmaßnahme hinstellen will.
50Die Nachbesserung wird für den Kläger nicht deshalb zumutbar, weil das KBA das Software-Update genehmigt und in dieser Genehmigung vom 20.06.2016 die Grenzwerte für Schadstoffemissionen als eingehalten sowie die Motorleistung als unverändert bezeichnet und die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt hat. Zwar ist es vorstellbar, dass die Nachbesserung durch eine an sich unzuverlässige Person einem Käufer deshalb zumutbar werden kann, weil sie unter behördlicher Aufsicht vorgenommen wird. Vorliegend ist die (erst nach dem Rücktritt erteilte) Genehmigung des KBA aber schon nicht zur Vertrauensbildung geeignet, weil das KBA bei der ursprünglichen Typengenehmigung des Wagens versagt hat, indem es die manipulierende Software nicht erkannt hat. Auch später ist das KBA nicht tätig geworden, obwohl es entsprechende Anzeichen gegeben haben muss, die zu den entsprechenden Untersuchungen in den USA geführt haben. Schließlich dürfte die Genehmigung des KBA allein auf öffentlich-rechtliche Belange hin erteilt worden sein (die Abgasvorschriften), aus ihr ergibt sich jedenfalls nicht, ob und ggf. inwieweit ein Fahrzeug mit dem Software-Update von dem kaufrechtlich Geschuldeten abweicht.
513.
52Nach den Umständen des vorliegenden Falles ist im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht von einer nur unerheblichen Pflichtverletzung im Sinne § 323 Abs. 5 S. 2 BGB auszugehen, die einen Rücktritt ausschließen würde (ebenso LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16; a.A. 16; LG Bochum, Urteil v. 16.03.2016 - 2 O 425/15).
53Wann von einer Unterschreitung der Erheblichkeitsschwelle im Sinne dieser Vorschrift auszugehen ist, bedarf einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei die Bedeutung des Mangels in der Verkehrsanschauung und alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen sind (vgl. BGH, Urteil v. 15.06.2011 - VIII ZR 139/09). Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (vgl. BGH, Urteil v. 15.06.2011 - VIII ZR 139/09 Rdn. 9). Insbesondere sind dabei der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, die Qualität des Vertragsgegenstandes, die Anzahl der Mängel, die Auswirkung auf die beeinträchtigte Leistung und die für die Kaufentscheidung maßgeblichen Kriterien heranzuziehen (vgl. Beck'scher Online-Kommentar BGB-Schmidt, Stand 01.08.2016, § 323 Rdn. 39).
54Der Bundegerichtshof stellt unter anderem auf die Kosten der Mangelbeseitigung ab; danach ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (vgl. Urteil v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze unter Heranziehung der Mängelbeseitigungskosten bei einem Prozentsatzes von 5 % des Kaufpreises nur in der Regel gilt (vgl. Urteil v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13 Rdn. 38). Demnach ist also weiterhin eine flexible und den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Handhabung der Erheblichkeitsschwelle angezeigt. Eine schematische Betrachtung verbietet sich.
55a.
56Im Rahmen der Interessenabwägung sind aus Sicht der Beklagten als Verkäuferin die Relation von Kaufpreis und Kosten der Nachbesserung sowie der Zeitaufwand der Nachbesserung zu berücksichtigen. Die Kosten des 30-minütigen Software-Updates samt Arbeitskosten belaufen sich nach Behauptung der Beklagten auf ca. 100,00 €. Das Verhältnis zum Kaufpreis von 44.200,00 € betrüge demnach ca. 0,25 %.
57b.
58Aus der Sicht des Klägers muss im Rahmen der Interessenabwägung beachtet werden, wie schwer sie der Mangel trifft und was eine Nacherfüllung für sie konkret bedeutet. Danach liegt ein erheblicher Mangel schon allein deshalb vor, weil zum Zeitpunkt der Rücktritterklärung - wie ausgeführt - bei dem Kläger trotz des damals schon angekündigten (aber noch nicht genehmigten) Software-Updates ein erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben ist und damals noch nicht konkret absehbar war, wann der Wagen des Klägers nachgebessert werden würde. Hier greifen die Gründe, die dem Kläger eine Nachbesserung unzumutbar machen und die den Mangel erheblich machen, ineinander.
59c.
60Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Kläger auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten könnte, sondern im Rahmen der mit dem KBA ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet wäre, das Software-Update aufspielen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeuges zukünftig nicht zu gefährden, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit (vgl. auch LG München, Urteil v. 14.04.2016 - 23 O 23033/15). Der Kläger würde ohne einen Rücktritt faktisch zu einer Nachbesserung gezwungen, die ihm nach den obigen Ausführungen an sich unzumutbar ist. Deshalb scheidet eine Minderung als alternatives Gewährleistungsrecht praktisch aus.
61d.
62Ferner war es im Zeitpunkt des Rücktritts nicht auszuschließen, dass der Sachmangel einen merkantilen Minderwert verursacht, weil sich der mit dem Abgasskandal verbundene erhebliche Imageverlust von Audi und dem ganzen VW-Konzern bei der Preisbildung auf dem Gebrauchtwagenmarkt niederschlägt. Selbst zum heutigen Zeitpunkt ist dies noch nicht endgültig absehbar, da noch nicht alle Motoren über die neue Software verfügen und von unabhängigen Fachleuten noch nicht auf negative Veränderungen geprüft wurden. Außerdem dürften Fahrzeuge mit nachgebesserten Motoren noch nicht in aussagekräftiger Zahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden sein.
63e.
64Schließlich ist zu bedenken, dass der Vertrauensverlust, der die konkrete Nachbesserung mit dem Software-Update unzumutbar macht, auch Auswirkungen auf das zukünftige Vertrauen in das Fahrzeug zeigt. Ein Autokauf ist zwar zunächst ein zeitlich begrenzter Leistungsaustausch und kein Dauerschuldverhältnis. Ein Auto ist aber ein langlebiges, hochwertiges Wirtschaftsgut, das im Laufe seiner Nutzung ständig gepflegt, gewartet und repariert werden muss. Hierzu bedarf es der ständigen Leistung des Herstellers, weil dieser Wartungsintervalle und -maßnahmen vorgibt und die Ersatzteile produziert. Das erfordert ebenfalls ein gewisses Vertrauen in dessen Zuverlässigkeit, das durch das arglistige Handeln von Audi gestört ist.
654.
66Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Die Beklagte hat den Kaufpreis zu erstatten und erhält neben dem Wagen auch die durch Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Kfz ersetzt (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis in Höhe von 44.200,00 € hat sich der Kläger deshalb eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen. Das Fahrzeug weist eine Laufleistung von 27.850 km auf. Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges auf mindestens 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199). Für den Gebrauchsvorteil (Bruttokaufpreis x gefahrene KM ÷ Gesamtlaufleistung) muss er daher einen Nutzungsersatz von 4.923,88 € leisten. Mithin besteht ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 39.276,12 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Kfz.
67II.
68Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
69III.
70Ferner hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Diese war wegen der verweigerten Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Kfz gem. §§ 298, 293 BGB in Verzug. Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 04.01.2016 unter Fristsetzung bis zum 27.01.2016 den Pkw ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, siehe § 756 ZPO (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2001 - VII ZR 27/00 Rdn. 27).
71IV.
72Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.706,94 € als Verzugsschaden nach §§ 286, 288 BGB nicht zu. Das Anwaltsschreiben vom 04.01.2016 hat den Verzug der Beklagten erst begründet. Eine andere Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
73V.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
75Der Streitwert wird auf 40.096,77 € festgesetzt.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- 1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder - 3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
- 1.
(Annahme- und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 zu leisten; - 1a.
(Zahlungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht, von mehr als 30 Tagen nach Zugang dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist; - 1b.
(Überprüfungs- und Abnahmefrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist; - 2.
(Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält; - 3.
(Rücktrittsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse; - 4.
(Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; - 5.
(Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass - a)
dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und - b)
der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
- 6.
(Fiktion des Zugangs) eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt; - 7.
(Abwicklung von Verträgen) eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, - a)
eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder - b)
einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
- 8.
(Nichtverfügbarkeit der Leistung) die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet, - a)
den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und - b)
Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten;
- 9.
(Abtretungsausschluss) eine Bestimmung, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird - a)
für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder - b)
für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, wenn - aa)
beim Verwender ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss nicht besteht oder - bb)
berechtigte Belange des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegen;
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I
2. Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 17.930,54 € festgesetzt.
Tatbestand
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.930,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 562,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I im Rechtsstreit 23 O 23033/15 vom 19.01.2016 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe
I.
„Seit
II.
III.
IV.
V.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, das Abgassystem einschließlich der dazugehörigen Software an dem Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, FIN WVGZZZ5NZEW045254, so nachzubessern, dass es den gesetzlichen Abgasvorgaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (September 2013) und den technischen Daten gemäß dem Datenblatt vom 14.10.2013 (Anlage K 2 = Anlage 1 zum Urteil) entspricht.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte T., in Höhe von 93,42 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 120 % vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer gewerblichen Auto- und VW-Vertragshändlerin, in erster Linie Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages, hilfsweise Mangelbeseitigung bzw. Neulieferung.
3Streitgegenständlich ist der Erwerb eines Pkw der Marke VW, Modell Tiguan 4Motion, 2,0 TDI zu einem Kaufpreis in Höhe von 36.999,99 €. Der Vertragsschluss erfolgte im September 2013, die Übergabe des Fahrzeugs am 14.11.2015. In dem Pkw ist ein Motor des Typs EA 189 verbaut. Dieser steht in Verbindung mit einer manipulierten Abgassoftware, welche Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert. Nur aufgrund der manipulierten Software, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird oder sich auf der Straße befindet, hält der genannte Motor die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Für eine Behebung der Manipulation genügt ein Softwareupdate, welches mit einem Zeitaufwand von circa einer halben Stunde und einem Kostenaufwand von unter 100,00 € verbunden ist.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.10.2015 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aufgrund der manipulierten Abgassoftware und setzte erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 04.11.2015. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 11.11.2015 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs auf.
5Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei aufgrund der manipulierten Software mangelhaft im Sinne von § 434 BGB.
6Der Kläger beantragt,
71.
8die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.999,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 22.11.2015 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, FIN WVGZZZ5NZEW045254;
92.
10festzustellen, das sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu Ziff. 1. näher bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
113.
12hilfsweise, für den Fall, dass die Klage mit den Anträgen zu Ziff. 1. und Ziff. 2. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, das im Klageantrag zu Ziff. 1. näher bezeichnete Fahrzeug so nachzubessern, dass das Fahrzeug die in dem als Anlage 1 dem Urteil beigefügten Datenblatt ausgewiesenen Abgaswerte sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb einhält, insbesondere dass der Ausstoß von NOx einen Wert von 119 mg pro gefahrenem Kilometer nicht übersteigt;
134.
14hilfsweise für den Fall, dass die Klage mit den Anträgen zu Ziff. 1, zu Ziff. 2. und zu Ziff. 3. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Fahrzeug VW Tiguan, Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, BM Technology 103 Kw mit den in der Anlage 2 dem Urteil beigefügten Rechnung beschriebenen Ausstattungsmerkmalen zu liefern, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des im Klageantrag zu Ziff. 1 näher bezeichneten Fahrzeugs;
155. d
16ie Beklagte zu verurteilen, ihn von der T. & Günther GbR, in Höhe von 807,36 € freizustellen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie behauptet, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, da es – unstreitig – technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Die EG-Typengenehmigung sei unverändert wirksam. Sie ist weiter der Auffassung, dass – wenn überhaupt – allenfalls ein unerheblicher Mangel vorliege. Dem Rückabwicklungsbegehren stehe außerdem eine unangemessene Nachfristsetzung entgegen.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
21Die Klage ist per Fax am 13.11.2015 eingegangen und der Beklagten am 02.12.2015 zugestellt worden.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist nur teilweise begründet.
24I.
25Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückabwicklungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen gemäß §§ 437 Nr. 2, Alt. 1, 323 BGB sind nicht erfüllt.
261.
27Allerdings ist das Fahrzeug mangelhaft. Es liegt ein Verstoß gegen § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor. Das Fahrzeug eignet sich zwar trotz der manipulierten Abgassoftware für die gewöhnliche Verwendung. Es weist angesichts dieser Manipulation aber kein Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält.
282.
29Dem Rücktritt steht schon entgegen, dass die vom Kläger gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung nicht angemessen war.
30Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung zurücktreten, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit hier nach objektiven Maßstäben. Insoweit ist zunächst die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der VW-Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen. Insofern war und ist dem VW-Konzern und damit auch den VW-Vertragshändlern zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Fristsetzung nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigem Sach- und Streitstand in keiner Weise eingeschränkt ist. Der Kläger ist für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen. Für ihn ist es daher letztlich unerheblich, wann das Update aufgespielt wird. Inwiefern der Kläger auf die zügige Behebung des Softwareproblems angewiesen ist, ist jedenfalls weder dargelegt noch ersichtlich.
31Vor diesem Hintergrund war die mit Schreiben vom 21.10.2015 gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 04.11.2015 unangemessen kurz. Der Beklagten standen unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten von ein bis drei Tagen für die Mangelbeseitigung nicht einmal zehn Werktage zur Verfügung.
32Die mit Schreiben vom 21.10.2015 erfolgte Fristsetzung ist damit indes nicht schlechthin unwirksam. Vielmehr ist mit vorgenanntem Schreiben eine angemessene Frist in Gang gesetzt worden. Unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände, insbesondere in Anbetracht der erheblichen Anzahl der betroffenen Fahrzeuge auf der einen Seite und der uneingeschränkten Nutzbarkeit dieser Fahrzeuge auf der anderen Seite, liegt eine angemessene Frist zumindest nicht unter einem Zeitraum von vier Monaten, so dass auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung kein erfolgloser Fristablauf vorlag.
33Dass die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach den §§ 323 Abs. 2, 440 BGB vorliegen, ist weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine Entbehrlichkeit entgegen dem Vorbringen des Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2016 nicht nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. In dem Bestreiten des Mangels durch die Beklagte liegt keine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung. Dass die Beklagte bereit ist, das Fahrzeug zu überarbeiten, ergibt sich u.a. aus dem - ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsatz - vom 09.03.2016.
343.
35Unabhängig von dem mangelnden Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist steht dem Rücktritt ferner eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB entgegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen. Eine Mangelbeseitigung ist mit geringem finanziellem Aufwand pro Fahrzeug möglich (100,00 €). Die Fahrtauglichkeit des Fahrzeugs wird durch den Mangel nicht eingeschränkt.
36II.
37Dem Kläger steht wegen der Mangelhaftigkeit des Pkw dagegen der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Mangelbeseitigung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zu. Dieser ist indes lediglich darauf gerichtet, dass die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einschlägigen Abgasnormen sowie die technischen Angaben im Datenblatt (Anlage K 2 zur Klageschrift) eingehalten werden. Dass eine Mangelbeseitigung in dieser vom Kläger zumindest auch begehrten Form nach § 275 Abs. 1 BGB objektiv unmöglich ist, ist von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich. Vor diesem Hintergrund scheitert indes auch ein auf § 326 Abs. 5 BGB gestütztes Rückabwicklungsbegehren.
38III.
39Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren ist nach § 439 Abs. 2 BGB gerechtfertigt (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 439, Rn. 11). Zu Grunde zu legen ist allerdings ein Streitwert in Höhe von bis zu 100,00 €, da allein der Anspruch auf Mangelbeseitigung und nicht der Rückabwicklungsanspruch begründet ist. Der (von der Beklagten zu tragende) Kostenaufwand der Mangelbeseitigung liegt nicht über 100,00 €. Begründet ist der Anspruch demnach in Höhe von 93,42 € (brutto).
40IV.
41Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
42Der Streitwert wird auf bis zu 37.000,00 € festgesetzt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die beklagte Autohändlerin aus abgetretenem Recht des Käufers aus einem Gebrauchtwagenkauf in Anspruch. Dieser erwarb von der Beklagten mit schriftlichem Kaufvertrag vom 4. Dezember 2005 einen Pkw Mercedes SL 230 Pagode, Baujahr 1966, zum Preis von 34.900 €. Im Frühjahr 2006 beanstandete der Käufer Mängel am Motor des Fahrzeugs. Er forderte die Beklagte zur umgehenden Beseitigung auf und kündigte an, anderenfalls werde er eine andere Werkstatt mit der Reparatur beauftragen. Entgegen einer von ihrem Mitarbeiter zunächst erteilten Zusage, sich um die Angelegenheit zu küm- mern, meldete sich die Beklagte in der Folgezeit nicht bei dem Käufer; dessen Versuch, die Beklagte telefonisch zu erreichen, scheiterte. Daraufhin ließ der Käufer das Fahrzeug bei der H. GmbH zu Kosten von 2.194,09 € reparieren.
- 2
- Das Amtsgericht hat die auf Erstattung dieser Kosten gerichtete Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
- 5
- Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beseitigung der von ihm behaupteten Fahrzeugmängel nicht zu. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB lägen nicht vor, denn der Käufer habe der Beklagten keine Frist zur Nachbesserung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB gesetzt und die Fristsetzung sei auch nicht gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen.
- 6
- Die Aufforderung des Käufers an die Beklagte, die geltend gemachten Mängel "umgehend" zu beseitigen, stelle keine ausreichende Fristsetzung im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB dar. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung genüge die Aufforderung zur "unverzüglichen" oder "umgehenden" Leistung nicht. Schon nach dem Wortsinn liege eine Fristsetzung nur dann vor, wenn ein konkreter Zeitraum bestimmt sei, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist ablaufe, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt würden. Die Angabe eines konkreten Zeitraums verdeutliche dem Schuldner, dass er nach Fristablauf mit der Geltendmachung anderer Gewährleistungsrechte rechnen müsse. Dieser Zweck werde durch die Aufforderung zur unverzüglichen oder umgehenden Nacherfüllung nicht in gleicher Weise erreicht, weil damit eine Unsicherheit entstehe, zu welchem Zeitpunkt der Gläubiger zu anderen Gewährleistungsansprüchen übergehen könne. Eine solche Unsicherheit habe das Gesetz aber durch das Erfordernis der Setzung einer angemessenen Frist vermeiden wollen.
II.
- 7
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung , der Käufer habe der Beklagten mit der Aufforderung zur umgehenden Mangelbeseitigung keine Frist zur Nacherfüllung im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB gesetzt, kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht verneint werden.
- 8
- Zwar verlangt die überwiegende Meinung in der Literatur - ebenso wie das Berufungsgericht - für eine Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB die Bestimmung eines konkreten Zeitraums, entweder durch Mitteilung eines be- stimmten Termins, zu dem die Frist abläuft, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt werden (MünchKommBGB /Ernst, 5. Aufl., § 323 Rdnr. 68; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 281 Rdnr. 9; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rdnr. 80). Nach dieser Auffassung genügt die Aufforderung zur "sofortigen" bzw. "unverzüglichen" oder - wie hier - "umgehenden" Leistung nicht. Teilweise wird dies damit begründet, dass nach dem Wegfall der nach früherem Recht vorgesehenen Ablehnungsandrohung allein die Fristsetzung die Warnfunktion gegenüber dem Schuldner erfülle und an sie deshalb strenge Anforderungen zu stellen seien (MünchKommBGB /Ernst, aaO).
- 9
- Demgegenüber vertritt ein weiterer Teil der Literatur die Auffassung, auch eine Aufforderung zur unverzüglichen Leistung könne ausreichen (Staudinger /Otto, BGB (2004), § 281 Rdnr. B 62 und § 323 Rdnr. B 59; Bamberger /Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 281 Rdnr. 16), zumindest in Fällen besonderer Dringlichkeit (Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl., § 281 Rdnr. 6; vgl. auch MünchKommBGB/Ernst, aaO, Rdnr. 74).
- 10
- Auszugehen ist vom Wortlaut des Gesetzes. Dem Begriff der Fristsetzung lässt sich nicht entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist. Eine in dieser Weise bestimmte Frist verlangt § 281 Abs. 1 BGB - anders als § 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB für den Verzugseintritt ohne Mahnung - nicht. Vielmehr kann die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden; dies ist insbesondere bei rechtsgeschäftlichen Fristen häufig der Fall (MünchKommBGB/Grothe, aaO, § 186 Rdnr. 4). Nach allgemeiner Meinung ist eine Frist ein Zeitraum, der bestimmt oder bestimmbar ist (RGZ 120, 355, 362; Palandt/Heinrichs, aaO, § 186 Rdnr. 3; Erman /Palm, BGB, 12. Aufl., vor § 186, Rdnr. 1; Bamberger/Roth/Henrich, aaO, § 186 Rdnr. 2; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 186 Rdnr. 3). Mit der Aufforderung, die Leistung oder die Nacherfüllung "in angemessener Zeit", "umgehend" oder "so schnell wie möglich" zu bewirken, wird eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist.
- 11
- Auch der Zweck der Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 BGB erfordert es nicht, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird bereits durch die Aufforderung, innerhalb "angemessener Frist", "unverzüglich" oder - wie hier - "umgehend" zu leisten, hinreichend erfüllt. Zwar besteht für den Schuldner dann die Ungewissheit, welcher genaue Zeitraum ihm für die Leistung bzw. Nacherfüllung zur Verfügung steht. Diese Ungewissheit besteht aber in vielen Fällen auch bei Angabe einer bestimmten Frist, nämlich immer dann, wenn die vom Gläubiger gesetzte Frist zu kurz ist. Eine solche Fristsetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang, die gegebenenfalls vom Gericht in einem späteren Prozess festgestellt wird (BGH, Urteil vom 21. Juni 1985 - V ZR 134/84, NJW 1985, 2640, unter II 1 a m.w.N.). Diese - zu § 326 BGB aF ergangene - Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsreform ausdrücklich unberührt lassen (BT-Drs. 14/6040, S. 138). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Fristsetzung im Übrigen auch nicht zu einer Hürde werden, an der der Käufer aus formalen Gründen scheitere (BTDrs. 14/6040, S. 185). Für eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB genügt es deshalb, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht.
III.
- 12
- Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben, es ist daher aufzuheben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den behaupteten Mängeln des Fahrzeugs getroffen hat. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider
AG Bochum, Entscheidung vom 19.02.2008 - 63 C 491/07 -
LG Bochum, Entscheidung vom 27.08.2008 - I-9 S 73/08 -
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I
2. Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 17.930,54 € festgesetzt.
Tatbestand
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.930,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 562,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I
Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I im Rechtsstreit 23 O 23033/15 vom 19.01.2016 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Gründe
I.
„Seit
II.
III.
IV.
V.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- 1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder - 3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, das Abgassystem einschließlich der dazugehörigen Software an dem Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, FIN WVGZZZ5NZEW045254, so nachzubessern, dass es den gesetzlichen Abgasvorgaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (September 2013) und den technischen Daten gemäß dem Datenblatt vom 14.10.2013 (Anlage K 2 = Anlage 1 zum Urteil) entspricht.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte T., in Höhe von 93,42 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 120 % vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer gewerblichen Auto- und VW-Vertragshändlerin, in erster Linie Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages, hilfsweise Mangelbeseitigung bzw. Neulieferung.
3Streitgegenständlich ist der Erwerb eines Pkw der Marke VW, Modell Tiguan 4Motion, 2,0 TDI zu einem Kaufpreis in Höhe von 36.999,99 €. Der Vertragsschluss erfolgte im September 2013, die Übergabe des Fahrzeugs am 14.11.2015. In dem Pkw ist ein Motor des Typs EA 189 verbaut. Dieser steht in Verbindung mit einer manipulierten Abgassoftware, welche Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert. Nur aufgrund der manipulierten Software, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird oder sich auf der Straße befindet, hält der genannte Motor die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Für eine Behebung der Manipulation genügt ein Softwareupdate, welches mit einem Zeitaufwand von circa einer halben Stunde und einem Kostenaufwand von unter 100,00 € verbunden ist.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.10.2015 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aufgrund der manipulierten Abgassoftware und setzte erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 04.11.2015. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 11.11.2015 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs auf.
5Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei aufgrund der manipulierten Software mangelhaft im Sinne von § 434 BGB.
6Der Kläger beantragt,
71.
8die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.999,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 22.11.2015 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs VW Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, FIN WVGZZZ5NZEW045254;
92.
10festzustellen, das sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu Ziff. 1. näher bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet;
113.
12hilfsweise, für den Fall, dass die Klage mit den Anträgen zu Ziff. 1. und Ziff. 2. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, das im Klageantrag zu Ziff. 1. näher bezeichnete Fahrzeug so nachzubessern, dass das Fahrzeug die in dem als Anlage 1 dem Urteil beigefügten Datenblatt ausgewiesenen Abgaswerte sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb einhält, insbesondere dass der Ausstoß von NOx einen Wert von 119 mg pro gefahrenem Kilometer nicht übersteigt;
134.
14hilfsweise für den Fall, dass die Klage mit den Anträgen zu Ziff. 1, zu Ziff. 2. und zu Ziff. 3. abgewiesen wird, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Fahrzeug VW Tiguan, Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, BM Technology 103 Kw mit den in der Anlage 2 dem Urteil beigefügten Rechnung beschriebenen Ausstattungsmerkmalen zu liefern, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des im Klageantrag zu Ziff. 1 näher bezeichneten Fahrzeugs;
155. d
16ie Beklagte zu verurteilen, ihn von der T. & Günther GbR, in Höhe von 807,36 € freizustellen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie behauptet, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, da es – unstreitig – technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Die EG-Typengenehmigung sei unverändert wirksam. Sie ist weiter der Auffassung, dass – wenn überhaupt – allenfalls ein unerheblicher Mangel vorliege. Dem Rückabwicklungsbegehren stehe außerdem eine unangemessene Nachfristsetzung entgegen.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
21Die Klage ist per Fax am 13.11.2015 eingegangen und der Beklagten am 02.12.2015 zugestellt worden.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist nur teilweise begründet.
24I.
25Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückabwicklungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen gemäß §§ 437 Nr. 2, Alt. 1, 323 BGB sind nicht erfüllt.
261.
27Allerdings ist das Fahrzeug mangelhaft. Es liegt ein Verstoß gegen § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor. Das Fahrzeug eignet sich zwar trotz der manipulierten Abgassoftware für die gewöhnliche Verwendung. Es weist angesichts dieser Manipulation aber kein Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält.
282.
29Dem Rücktritt steht schon entgegen, dass die vom Kläger gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung nicht angemessen war.
30Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung zurücktreten, wenn er dem Schuldner zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit hier nach objektiven Maßstäben. Insoweit ist zunächst die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der VW-Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen. Insofern war und ist dem VW-Konzern und damit auch den VW-Vertragshändlern zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Fristsetzung nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigem Sach- und Streitstand in keiner Weise eingeschränkt ist. Der Kläger ist für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen. Für ihn ist es daher letztlich unerheblich, wann das Update aufgespielt wird. Inwiefern der Kläger auf die zügige Behebung des Softwareproblems angewiesen ist, ist jedenfalls weder dargelegt noch ersichtlich.
31Vor diesem Hintergrund war die mit Schreiben vom 21.10.2015 gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 04.11.2015 unangemessen kurz. Der Beklagten standen unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten von ein bis drei Tagen für die Mangelbeseitigung nicht einmal zehn Werktage zur Verfügung.
32Die mit Schreiben vom 21.10.2015 erfolgte Fristsetzung ist damit indes nicht schlechthin unwirksam. Vielmehr ist mit vorgenanntem Schreiben eine angemessene Frist in Gang gesetzt worden. Unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände, insbesondere in Anbetracht der erheblichen Anzahl der betroffenen Fahrzeuge auf der einen Seite und der uneingeschränkten Nutzbarkeit dieser Fahrzeuge auf der anderen Seite, liegt eine angemessene Frist zumindest nicht unter einem Zeitraum von vier Monaten, so dass auch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung kein erfolgloser Fristablauf vorlag.
33Dass die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach den §§ 323 Abs. 2, 440 BGB vorliegen, ist weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine Entbehrlichkeit entgegen dem Vorbringen des Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2016 nicht nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. In dem Bestreiten des Mangels durch die Beklagte liegt keine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung. Dass die Beklagte bereit ist, das Fahrzeug zu überarbeiten, ergibt sich u.a. aus dem - ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsatz - vom 09.03.2016.
343.
35Unabhängig von dem mangelnden Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist steht dem Rücktritt ferner eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB entgegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen. Eine Mangelbeseitigung ist mit geringem finanziellem Aufwand pro Fahrzeug möglich (100,00 €). Die Fahrtauglichkeit des Fahrzeugs wird durch den Mangel nicht eingeschränkt.
36II.
37Dem Kläger steht wegen der Mangelhaftigkeit des Pkw dagegen der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Mangelbeseitigung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zu. Dieser ist indes lediglich darauf gerichtet, dass die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einschlägigen Abgasnormen sowie die technischen Angaben im Datenblatt (Anlage K 2 zur Klageschrift) eingehalten werden. Dass eine Mangelbeseitigung in dieser vom Kläger zumindest auch begehrten Form nach § 275 Abs. 1 BGB objektiv unmöglich ist, ist von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich. Vor diesem Hintergrund scheitert indes auch ein auf § 326 Abs. 5 BGB gestütztes Rückabwicklungsbegehren.
38III.
39Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren ist nach § 439 Abs. 2 BGB gerechtfertigt (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 439, Rn. 11). Zu Grunde zu legen ist allerdings ein Streitwert in Höhe von bis zu 100,00 €, da allein der Anspruch auf Mangelbeseitigung und nicht der Rückabwicklungsanspruch begründet ist. Der (von der Beklagten zu tragende) Kostenaufwand der Mangelbeseitigung liegt nicht über 100,00 €. Begründet ist der Anspruch demnach in Höhe von 93,42 € (brutto).
40IV.
41Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
42Der Streitwert wird auf bis zu 37.000,00 € festgesetzt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Im November 2009 bestellte der Kläger bei der Beklagten, einer B. - Vertragshändlerin, einen PKW B. als Neuwagen zum Preis von 39.000 €. Hierauf leistete der Kläger eine Anzahlung von 10.000 €; der Restbetrag sollte vereinbarungsgemäß über ein bei der B. Bank aufgenommenes Darlehen bereitgestellt werden. Eine am 29. Dezember 2009 vorgesehene Fahrzeugübergabe scheiterte, weil der Kläger wegen Beschädigungen des Fahrzeugs im Bereich der linken hinteren Seitenwand und des Kofferraumdeckels die Entgegennahme verweigerte. Ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die hintere linke Seitenwand im Radbogenbereich verformt, die Stoßstange im hinteren linken Flankenbereich angeschlagen sowie Motorhaube und Kofferraumdeckel an der Lackoberfläche milchig blass seien. Nach einer vom damaligen Bevollmächtigten des Klägers unter Fristsetzung bis zum 15. Januar 2010 verlangten Nachbesserung lehnte der Kläger - unter anderem gestützt auf ein weiteres Sachverständigengutachten , welches die Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtete - die Annahme des ihm am 14. Januar 2010 zum zweiten Mal zur Übergabe angebotenen Fahrzeugs erneut ab. Im März 2010 erklärte er schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte sich zuvor unter Hinweis auf ein von ihr selbst eingeholtes Sachverständigengutachten darauf berufen hatte, das Fahrzeug sei nunmehr mängelfrei.
- 2
- Die auf Rückerstattung der geleisteten Anzahlung, Freistellung von den zur Fahrzeugfinanzierung eingegangenen Verbindlichkeiten sowie Ersatz der Gutachterkosten gerichtete Klage hat das Berufungsgericht unter Abänderung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger, der im März 2012 aus im Einzelnen streitigen Gründen das Fahrzeug nach vorheriger Ablösung des hierfür aufgenommenen Kredits von der Beklagten ausgehändigt erhalten hat, die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 5
- Zwar sei das verkaufte Fahrzeug nicht nur bei der für den 29. Dezember 2009 vorgesehenen ersten Übergabe, sondern auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der späteren Rücktrittserklärung mängelbehaftet gewesen. Gleichwohl könne der Kläger auf diese Mängel keinen Rücktritt vom Kaufvertrag stützen.
- 6
- Zum erstgenannten Zeitpunkt sei das Fahrzeug an der hinteren linken Seitenwand im Bereich des Radbogens und der angrenzenden Stoßfängerverkleidung beschädigt gewesen und habe Eindellungen und Kratzer aufgewiesen. Darüber hinaus hätten sich Lackkratzer am gesamten Pkw sowie einige wenige Lackeinschlüsse befunden. Allein schon die Beschädigung im hinteren linken Bereich habe dabei einen Mangel begründet. Denn der Käufer eines Neufahrzeugs könne ein völlig unbenutztes und unbeschädigtes Fahrzeug erwarten, so dass jede nicht ganz unerhebliche Beschädigung, wie sie hier am Radlauf vorgelegen habe, einen Mangel darstelle, der die vereinbarte Beschaffenheit der Fabrikneuheit aufgehoben habe. Die Beurteilungsgrundlage habe sich allerdings nachfolgend dadurch geändert, dass der Kläger Nachbesserung verlangt habe. Zwar möge das Fahrzeug aufgrund der hierbei durchgeführten Arbeiten nicht mehr "fabrikneu" gewesen sein. Die fehlende Neuwagenqualität könne jedoch nicht mehr als Mangel gewertet werden; zumindest sei eine Berufung des Klägers auf die mangelnde Fabrikneuheit treuwidrig und deshalb nicht zu berücksichtigen, nachdem er die Beklagte in Kenntnis der Tatsache, dass umfängliche Arbeiten erforderlich seien, dahingehend selbst zur Nacherfüllung aufgefordert habe. Er könne deshalb nicht nachträglich geltend machen, dass die von ihm verlangte Reparatur die Neuwagenqualität beseitigt habe.
- 7
- Nach wie vor bestünden zwar Mängel am Fahrzeug, da trotz der Nachbesserungen der Beklagten nahezu umlaufend um das gesamte Fahrzeug Oberflächenverkratzungen und Lackschäden vorhanden seien, die von dem zu erwartenden gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs abwichen. Zudem fän- den sich - ihre Bewertung als weiterer Mangel dahingestellt - am hinteren linken Radlauf im Reparaturbereich Hologrammerscheinungen, Oberflächenunregelmäßigkeiten im Untergrund und eine verbliebene Kante. Der hier vorhandene Schaden sei zwar im Grundsatz sach- und fachgerecht behoben. Allerdings bleibe die Reparatur in ihrer handwerklichen Ausführung hinter dem technisch erreichbaren Reparaturerfolg zurück und entspreche deshalb - wie für einen Fachmann stets zu erkennen - keiner perfekten Reparatur.
- 8
- Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages scheitere indes daran, dass die Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB als unerheblich anzusehen sei. Zwar seien für eine weitere Nachbearbeitung des Fahrzeugs zwecks Behebung der noch vorhandenen Schäden Kosten im Bereich von 2.000 € bis maximal 3.000 € und damit unter Umständen mehr als sieben Prozent des Fahrzeugkaufpreises anzusetzen. Das entscheidende Gewicht im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung und der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung komme hier aber nicht den reinen Mängelbeseitigungskosten, sondern dem Umstand zu, dass sämtliche Mängel lediglich optischer Natur und auch für den sorgfältigen Betrachter kaum wahrnehmbar seien, so dass sie "bei einer Gesamtbetrachtung nicht derart unzuträglich (seien), dass sie eine Rücktrittsreife begründen (könnten)".
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den vom Kläger gemäß § 323 Abs. 1 BGB erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag für unwirksam gehalten, weil es rechtsfehlerhaft die in den festgestellten Mängeln zum Ausdruck kom- mende Pflichtverletzung für unerheblich und den Rücktritt deshalb gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB für ausgeschlossen erachtet hat.
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass an dem als Neuwagen verkauften Fahrzeug auch bei dem zweiten Übergabeversuch noch Oberflächenverkratzungen und Lackschäden vorhanden waren, die von dem zu erwartenden gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs abweichen. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Damit fehlte dem Fahrzeug die mit dem Vertragsschluss konkludent vereinbarte, dem Begriff "Neuwagen" innewohnende Beschaffenheit "fabrikneu". Denn Fabrikneuheit verlangt, dass sich das Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer in dem unbenutzten und unbeschädigten Zustand befindet, wie es vom Hersteller ausgeliefert worden ist (Senatsurteil vom 18. Juni 1980 - VIII ZR 185/79, aaO unter II 2 c). Dieser Zustand war nach den festgestellten Oberflächenverkratzungen und Lackschäden nicht mehr gegeben. Zudem waren die am hinteren linken Radlauf ausgeführten Reparaturarbeiten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich von "handwerklicher" und damit nicht von solcher Qualität, wie sie für einen werksseitigen Herstellungszustand bei Auslieferung des Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand zu erwarten war.
- 11
- 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht allerdings - wie die Revision mit Recht rügt -, der Kläger könne aufgrund des von ihm erhobenen Nachbesserungsverlangens die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs nicht mehr als Mangel geltend machen oder sich darauf berufen, dass die von ihm verlangte Reparatur die Fabrikneuheit beseitigt habe. An diese Auslegung des Nachbesserungsverlangens des Klägers ist der Senat nicht gebunden. Zwar handelt es sich hierbei um eine Individualerklärung, deren tatrichterliche Auslegung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein aner- kannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist (vgl. nur Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 225/05, WM 2007, 1227 Rn. 13 mwN; vom 26. Oktober 2011 - VIII ZR 108/10, juris Rn. 12). Solche Rechtsfehler liegen hier jedoch vor, weil die Auslegung des Berufungsgerichts, ohne dass besondere Umstände festgestellt oder sonst erkennbar sind, dem üblichen Bedeutungsgehalt eines Nachbesserungsverlangens nicht gerecht wird.
- 12
- a) Die in § 439 Abs. 1 BGB als eine der Modalitäten der Nacherfüllung geregelte Nachbesserung zielt darauf ab, die gekaufte Sache in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, wie er nach § 433 Abs. 1 Satz 2, § 434 Abs. 1 BGB geschuldet ist. Der Verkäufer schuldet deshalb nicht nur bloße Verbesserungen eines bestehenden Mangelzustands, sondern eine vollständige und nachhaltige Beseitigung des Mangels (Senatsurteil vom 22. Juni 2005 - VIII ZR 281/04, BGHZ 163, 234, 242 f.; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 439 Rn. 2; jurisPK-BGB/Pammler, 6. Aufl., § 439 Rn. 13 f.). Zwar steht es einem Käufer frei, Nachbesserung auch dann zu verlangen, wenn eine Behebung des Mangels nicht vollständig möglich ist und er - wenn auch gegebenenfalls unter Ausgleich eines dadurch verbleibenden Minderwerts - bereit ist, sich mit einem Zustand der Sache im Umfang einer möglichen Nachbesserung zu begnügen (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 439 Rn. 38). Dass er bei Stellung eines Nachbesserungsverlangens aber bereit ist, einen Nachbesserungserfolg unterhalb des Möglichen als noch vertragsgerecht hinzunehmen und dadurch auf einen Teil der zu beanspruchenden Leistung zu verzichten , kann - da ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, sondern eindeutiger Anhaltspunkte bedarf (Senatsurteil vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 26 mwN) - nicht ohne Weiteres angenommen werden. Dies hat das Berufungsgericht nicht bedacht.
- 13
- b) Dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Nachbesserungsverlangen des Klägers vom 14. Januar 2010 ist zwar zu entnehmen, dass er für die Frage einer Nachbesserungsfähigkeit der von ihm beanstandeten Beschädigungen nicht darauf abstellen wollte, ob sie vor oder nach Auslieferung durch den Hersteller eingetreten waren (dazu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 557 f. mwN). Er konnte aber - wie die Revision mit Recht geltend macht - grundsätzlich erwarten, dass ihm ein einem Neuwagen entsprechendes mangelfreies Fahrzeug übergeben würde, der herbeizuführende Nachbesserungserfolg also jedenfalls in technischer Hinsicht den Fahrzeugzustand wiederherstellen würde, wie er werksseitig bei Auslieferung des Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand vorgelegen hätte. Das gilt umso mehr, als der Kläger bei seinem Nachbesserungsverlangen auf die ihm zustehende Fabrikneuheit des Fahrzeugs hingewiesen und das Erfordernis einer Makellosigkeit der Lackierung noch einmal eigens hervorgehoben hatte.
- 14
- c) Den danach entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geschuldeten "fabrikneuen" Fahrzeugzustand hat die Beklagte auch bei ihrem zweiten Übergabeversuch durch die von ihr vorgenommenen Nachbesserungsarbeiten nicht erreicht. Das gilt für die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Oberflächenverkratzungen und Lackschäden, die nach den getroffenen Feststellungen "von dem … zu erwartenden, gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs" abwichen und zu deren möglicher Behebung ein weiterer Nachbesserungsaufwand erforderlich gewesen wäre, und ebenso für die am hinteren linken Radlauf ausgeführten Reparaturarbeiten.
- 15
- 3. Zutreffend hat das Berufungsgericht hiernach zwar die von ihm für einschlägig erachteten Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts des Klägers nach § 323 Abs. 1 BGB bejaht. Denn der Kläger hatte das Fahrzeug bei Erklärung seines Rücktritts noch nicht abgenommen, sondern als erfüllungsuntaug- lich zurückgewiesen, nachdem es der Beklagten nach bereits gescheitertem ersten Übergabeversuch trotz der ihr zur Nachbesserung gesetzten Frist nicht gelungen war, das Fahrzeug in einen mangelfreien Zustand zu versetzen (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 434 Rn. 8a, § 437 Rn. 49; Bamberger/ Roth/Faust, BGB, 3. Aufl., § 433 Rn. 41, § 437 Rn. 4). Allerdings bedarf es auch vorliegend keiner Entscheidung über die bereits im Senatsurteil vom 17. Februar 2010 (VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 21 f.) offen gelassene Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen dem Käufer ein Recht zur Zurückweisung einer ihm angebotenen mangelhaften Kaufsache zusteht. Denn dem Berufungsgericht kann jedenfalls nicht darin gefolgt werden, dass eine auf die festgestellten Mängel gestützte Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung scheitere, weil die Mängel lediglich optischer Natur und kaum wahrnehmbar seien.
- 16
- a) Nach dieser Vorschrift ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10, WM 2011, 2149 Rn. 19). Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats eine umfassende Interessenabwägung, in deren Rahmen ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung aber die Erheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel indiziert (Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23 mwN). Ein solcher Fall liegt hier vor.
- 17
- b) Die von den Parteien getroffene Beschaffenheitsvereinbarung ist auch im Rahmen des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB und der dabei anzustellenden Interessenabwägung beachtlich. Hieran gemessen erweist sich die Erwägung des Berufungsgerichts, sämtliche Mängel seien trotz der für ihre Beseitigung aufzuwendenden Kosten im Bereich von 2.000 € bis maximal 3.000 € geringfügig im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, weil sie lediglich optischer Natur und auch für den sorgfältigen Betrachter kaum wahrnehmbar seien, als rechtsfehlerhaft. Abgesehen davon, dass mit der Entscheidung für den Kauf eines Neuwagens für den Käufer gerade typischerweise auch optische Gesichtspunkte, insbesondere eine verarbeitungstechnische Makellosigkeit der Karosserie, eine zumindest mit entscheidende Rolle zu spielen pflegen, kommt dieser Kaufentscheidung zugleich eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Denn Fahrzeuge, die diesen Karosseriestandard - wie hier - nicht oder nicht mehr annähernd aufweisen, werden üblicherweise mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt, da sie in der Wertschätzung des Verkehrs nur noch zweite Wahl sind und deshalb allenfalls noch als bereits in Gebrauch genommene Vorführwagen abgesetzt werden können (vgl. auch Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07, aaO Rn. 25).
- 18
- c) Ohne Bedeutung für die vorzunehmende Interessenabwägung ist es schließlich, ob auf das Nachbesserungsverlangen des Klägers durch Nachbesserungsarbeiten der Beklagten ein einem Neuwagen jedenfalls annähernd entsprechender Karosseriezustand hätte erreicht werden können und ob - wie die Revisionserwiderung geltend macht - mit Blick auf die für die berücksichtigungsfähigen Mängel angesetzten Reparaturkosten im Bereich von fünf Prozent des Kaufpreises gleichwohl von deren Geringfügigkeit und damit einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung auszugehen wäre. Denn für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel als geringfügig im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen (Senatsurteil vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 139/09, WM 2011, 2148 Rn. 9 mwN). Zu diesem Zeitpunkt war es der Beklagten nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch trotz der ihr gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzten Frist nicht gelungen, die zuvor gerügten Schäden fachgerecht zu beseitigen. Ein zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es der Beklagten möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt noch hätte gelingen können, das Fahrzeug in einen der getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung entsprechenden Zustand zu versetzen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 139/09, aaO mwN).
- 19
- 4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig. Denn die Umstände, die nach Erlass des Berufungsurteils eingetreten sind und auf die die Beklagte ihr Begehren auf Zurückweisung der Revision zusätzlich stützt, bedürfen zu ihrer Bewertung weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
- 20
- In der Revisionsinstanz ist zwar unstreitig geworden, dass der Kläger nach Erlass des Berufungsurteils das zur Finanzierung des Kaufs aufgenommene Darlehen vollständig abgelöst und das Fahrzeug von der Beklagten auf sein Verlangen ausgehändigt erhalten hat. Ob dies allerdings - wie die Revisionserwiderung behauptet - vorbehaltlos geschehen ist und dann möglicherweise als eine einvernehmliche Beseitigung der bereits eingetretenen Rücktrittsfolgen oder als ein Verzicht des Klägers auf die ihm aus dem Rücktritt erwachsenen Rechte verstanden werden könnte (vgl. OLG Düsseldorf, ZGS 2004, 393, 394; Erman/Westermann, aaO, § 323 Rn. 24), oder ob dies - wie von der Revision vorgetragen - vor dem Hintergrund einer drohenden Inanspruchnahme des Klägers durch die Bank sowie einer ihm nachteiligen Verwertung des an diese sicherungsübereigneten Fahrzeugs und damit allein zur Schadensgeringhaltung geschehen ist, ist zwischen den Parteien streitig. Dies hindert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung eine Berücksichtigung der neu vorgetragenen Tatsachen durch den Senat.
- 21
- § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen unterliegt, das aus dem Berufungsurteil und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen (BGH, Urteile vom 12. März 2008 - VIII ZR 71/07, WuM 2008, 290 Rn. 25; vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 27; jeweils mwN). Die nach Schluss der Tatsachenverhandlung vor dem Berufungsgericht eingetretenen Umstände sind aber nur in Teilen unstreitig. Über weitere Umstände, die zu einer Bewertung des Verhaltens der Parteien und dessen rechtsgeschäftlicher Aussagekraft für die (Rück-)Abwicklung des Kaufvertrages von wesentlicher Bedeutung sein können, herrscht dagegen Streit, so dass es hierzu ergänzender tatrichterlicher Feststellungen bedarf.
III.
- 22
- Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 561 Abs. 1 ZPO). Da der Kläger das zur Fahrzeugfinanzierung aufgenommene Darlehen unter Entgegennahme des Fahrzeugs inzwischen selbst abgelöst hat, findet das hierauf bezogene Freistellungsbegehren in den dazu vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen keine ausreichend tragfähige Grundlage mehr. Das Berufungsgericht wird deshalb die erforderlichen Feststellungen zu den nachträglich eingetretenen Umständen zu treffen und dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, sein Klagebegehren entspre- chend anzupassen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Bünger
LG Bochum, Entscheidung vom 23.02.2011 - 6 O 151/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.11.2011 - I-2 U 68/11 -
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat, - 2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und - 3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie
- 1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, - 2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung - a)
der Art der Sache und - b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
- 3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und - 4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage
- 1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder - 2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.