Landgericht Augsburg Urteil, 19. Aug. 2015 - JNs 404 Js 104801/15
Gericht
Gründe
Landgericht Augsburg
Az.: J Ns 404 Js 104801/15 jug
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
35 Ds 404 Js 104801/15 jug AG Augsburg
Rechtskräftig seit 19.08.2015.
Augsburg, 14.09.2015
..., Urk.Beamtin der Geschäftsstelle
des Landgerichts Augsburg -Jugendkammer
In dem Strafverfahren
gegen
1) L., geboren am (..).1995 in ...
Verteidiger: ...
2) F. geboren am (..) 1996 in ...
Verteidiger: ...
wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses
hier: Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Augsburg
aufgrund der Hauptverhandlung
vom 19.08.2015,
an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Landgericht als Vorsitzender als Schöffin als Schöffe Staatsanwältin als Vertreter der Staatsanwaltschaft Rechtsanwalt ..., als Verteidiger, ... JAng als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendgerichts -Augsburg vom 09.06.2015 werden kostenpflichtig verworfen.
Gründe:
(Abgekürzt gem. § 267 StPO)
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts - Jugendgerichts - Augsburg vom 9.6.2015 wurden die Angeklagten der Erregung öffentlichen Ärgernisses schuldig gesprochen und die Angeklagte L. mit 1 Freizeitarrest und einer Arbeitsauflage von 32 Stunden und der Angeklagte F. mit 2 Wochen Dauerarrest belegt.
Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegten, auf Freispruch gerichteten Berufungen der Angeklagten blieben ohne Erfolg.
II.
Wegen der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten, ihres Werdegangs und etwaiger Vorverurteilungen wird auf Ziffer I der Gründe des Ersturteils Bezug genommen.
Ergänzend ist festzustellen, dass beide Angeklagte miteinander liiert sind.
Die Angeklagte L. hat den QA und auch ihren bisherigen Ausbildungsabschluss als Hauswirtschafterin und im Mai 2015 die schriftliche Prüfung im Rahmen ihrer weiterführenden Ausbildung als Familienpflegerin mit Notendurchschnitten von etwa 2,3 geschafft. Zu diesem Ausbildungsabschluss gehört ein Praktikum von 800 Stunden, wobei ein Gehalt in gleicher Höhe wie das bisherige Meister-BAFöG gezahlt wird. Die Praktikumsstelle beim (...) hat sie allerdings aufgrund Kündigung während der Probezeit verloren. Die Gründe, die hierzu geführt haben, kann oder mag sie nicht angeben. Derzeit sucht sie eine neue Praktikumsstelle zur Ableistung der noch fehlenden etwa 450 Stunden. Sie lebt derzeit von ihren Ersparnissen.
Der Angeklagte F. sieht auch im Hinblick auf seine Beziehung zur Angeklagten L., bei der er gelegentlich übernachtet oder tageweise wohnt, wenn seine Zirkustätigkeit dies zulässt, keine Veranlassung für eine berufliche Lebensplanung. Er ist nicht akrobatisch tätig, sondern hilft dem Zirkusinhaber als eine Art „Mädchen für alles“, u. a. auch an der Kasse. Er möchte sich irgendwann selbstständig machen, wofür ja genug Zirkuswagen vorhanden seien. Er könne sich vorstellen, den Zirkus einmal (...) zu übernehmen; ob auch (...) eine solche Perspektive im Auge hat, weiß er nicht. Im Rahmen seiner Vorahndung wurde neben der Fahrerlaubnissperre und dem Fahrverbot auch eine richterliche Weisung erteilt.
III.
1. Am Abend des 26.12.2014 hielten sich die Angeklagten gemeinsam mit dem Zeugen E. in der Ti.-Therme auf. Man konsumierte Alkohol, so dass beim späteren Eintreffen der Polizei der Angeklagte F. eine AAK von 0,70 mg/l und die Angeklagte L. eine AAK von 0,57 mg/l aufzuweisen hatte.
2. Ab etwa 21.15 Uhr hielten sich die Angeklagten in der sogenannten „Erlebnisgrotte“ auf, wo sie über einen Zeitraum von mindestens 5 1/2 Minuten geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen bzw. den Geschlechtsverkehr ausübten.
Insbesondere streifte der Angeklagte F. auf einer dort im Beckenbereich befindlichen Sprudelbank seine Badehose bis zu den Knien herunter und die Angeklagte L. zog eine über ihrem Bikiniunterteil getragene Badehose aus und beide übten ca. 1 1/2 Minuten lang geschlechtsverkehrsähnliche Bewegungen aus, wobei die Angeklagte L. auf dem entblößten Unterleib des Angeklagten F. saß und der Angeklagte F. sein erigiertes Glied und die Angeklagte L. ihren Vaginalbereich aneinander rieben. Ob die unter der Badehose der Angeklagten L. getragene Bikinihose geschlitzt war und es zu einem wenigstens teilweisen Eindringen in ihre Scheide gekommen ist, konnte nicht sicher festgestellt werden. Die Angeklagten ließen sich dadurch nicht stören, dass mehrere Badegäste im Beckenbereich der Erlebnisgrotte am Ort des Geschehens vorbeikamen. Unmutsäußerungen von diesen gegenüber den Angeklagten konnten nicht festgestellt werden. Der Vorgang wurde über aus Sicherheitsgründen installierte Kameras auf einen in der Kabine der Badeaufsicht vorhandenen Monitor übertragen. Dort nahm der Bademeister G. (...) über seine berufliche Unterbindungspflicht hinaus auch persönlich Anstoß an dem nach seiner Überzeugung vollzogenen Geschlechtsverkehr. Dass die Angeklagten sich hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit ihrer sexuellen Handlungen für dritte Personen über eine Übertragungsanlage Gedanken gemacht hätten, konnte nicht nachgewiesen werden.
Der Zeuge G. informierte über F. seinen Schichtführer, den gerade im Technikraum tätigen Bademeister K. Währendessen bewegten sich die Angeklagten etwa 2 1/2 Minuten lang in Art eines Rittes kreuz und quer durch den gesamten Bereich der Erlebnisgrotte, in dem sich auch andere Badegäste aufhielten, wobei der Angeklagte F. seine Badehose weiter bis über die Knie herabgelassen hatte, sie demonstrativ kopulierende Bewegungen der vorgenannten Art vollführten und die Angeklagte L. teilweise auch gleichzeitig am erigierten Penis des Angeklagten F. manipulierte. Diesbezügliche Unmutsäußerungen von Badegästen gegenüber den Angeklagten konnten nicht festgestellt werden.
Sodann begaben sich die Angeklagten in eine Ecke, wo der Angeklagte F. die Angeklagte L. gegen die Wand drückte und weiterhin ca. 1 1/2 Minuten lang intensive geschlechtsverkehrsartige Bewegungen ausgeübt wurden. Ob es dabei - nachdem die Angeklagte L. ihr Bikinihöschen zur Seite geschoben hatte - auch zum Vollzug des vaginalen Geschlechtsverkehrs kam, konnte nicht sicher festgestellt werden. Auch hierbei ließen sich die Angeklagten durch vorbeikommende Badegäste nicht stören. Von solchen gegenüber den Angeklagten geäußerte Unmutsäußerungen konnten nicht festgestellt werden.
Vor einem Einschreiten gegenüber den Angeklagten versicherten sich die Zeugen G. und K. nochmals am Monitor darüber, dass - nach ihrer Überzeugung Geschlechtsverkehr - mindestens aber geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen ausgeübt wurden. Der Zeuge K. nahm - anders als der Zeuge G. - über seine berufliche Einschreitenspflicht hinaus nicht persönlich Anstoß an dem Wahrgenommenen. Auch dass die Angeklagten sich in dieser Situation hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit ihrer sexuellen Handlungen für dritte Personen über eine Übertragungsanlage Gedanken gemacht hätten, konnte nicht nachgewiesen werden.
Sodann begaben sich beide Bademeister zur Erlebnisgrotte. Von einem Umgang aus sind dort Löcher in der Umwandung der Grotte vorhanden, durch die in gebückter Haltung Einblicke in die Grotte möglich sind. Der Zeuge G. bückte sich herab, nahm wahr, dass die Angeklagten weiterhin in Ausübung des Geschlechtsverkehrs begriffen waren, und forderte sie auf, ihr Tun einzustellen und herauszukommen. Dass die Angeklagten sich angesichts der Größe und Positionierung dieser Löcher Gedanken hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit ihrer sexuellen Handlungen für dritte Personen vom Umgang aus Gedanken gemacht hätten, konnte nicht nachgewiesen werden.
Erschrocken über das Einschreiten von Aufsichtspersonen stellten die Angeklagten ihre sexuelle Betätigung ein und verließen das Becken.
Gegenüber dem Zeugen G. beschwerte sich ein unbekannt gebliebener Badegast kurz danach über die von den Angeklagten ausgeübte „Schweinerei“.
3. Nach dem Verlassen der Erlebnisgrotte stellte der Angeklagte F. gegenüber den Zeugen G. und K. minutenlang und dabei ausfällig werdend die Ausübung sexueller Handlungen, insbesondere des Geschlechtsverkehrs, mit der Angeklagten L. zunächst in Abrede und erklärte schließlich nach Konfrontation mit den eindeutigen Wahrnehmungen beider Bademeister, er könne Geschlechtsverkehr haben, mit wem und wo er wolle.
Der Zeuge K. forderte daraufhin beide sichtlich alkoholisierte Angeklagte auf, sich binnen 10 Minuten umzuziehen und nach Meldung bei der Badeaufsicht die Ti.-Therme zu verlassen. Nachdem die Angeklagten nach etwa 15 Minuten nicht bei der Badeaufsicht erschienen waren, schickte der Zeuge K. den Zeugen G. auf die Suche nach den Angeklagten. Dieser fand sie im Bereich der sog. Trichtergalerie auf einer Liege sitzend und gemeinsam mit dem Zeugen E. weiter Alkohol konsumierend vor. Da alle 3 Personen uneinsichtig und unverschämt waren, rief er den Zeugen K. hinzu, der die Verständigung der Polizei veranlasste. Gegenüber den eintreffenden Polizeibeamten leugneten die Angeklagten die Tat.
Aufgrund ihres Gesamtverhaltens wurde den Angeklagten durch die Betriebsleitung der Ti.-Therme ein bis 31.12.2016 befristetes Hausverbot erteilt und gegen beide Angeklagte Strafantrag gestellt.
4. Auch in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zeigten sich die Angeklagten - insbesondere der Angeklagte F. - so uneinsichtig, dass es einem äußerst erfahrenen Jugendrichter nicht möglich war, die Voraussetzungen einer Einstellung nach § 47 JGG gegen geringe Auflagen herbeizuführen. Der Angeklagte F. verhielt sich sogar dermaßen renitent und unverschämt, dass eine geordnete Verhandlungsführung äußerst erschwert war. Auch sozialpädagogische Einwirkung durch den Vertreter der Jugendgerichtshilfe während einer mit dem Ziel einer Beruhigung des Angeklagten F. eingelegten Verhandlungspause war nicht geeignet, zu einer Mäßigung des Angeklagten F. beizutragen.
IV.
Die Angeklagten ließen in der Berufungshauptverhandlung durch Verteidigererklärungen, die sie sich zu Eigen machten, die Ausübung geschlechtsverkehrsähnlicher Handlungen einräumen.
Die von den Zeugen G. und K. berichtete Ausübung auch des vaginalen Geschlechtsverkehrs durch die Angeklagten war auf der im Großformat in Augenschein genommenen Videoaufzeichnung zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht eindeutig erkennbar.
Die Berufungshauptverhandlung hat ergeben, dass die Ausübung von Geschlechtsverkehr in der Erlebnisgrotte der Ti.-Therme keineswegs ungewöhnlich ist, wobei allerdings sonstige Pärchen abweichend von dem von den Angeklagten gezeigten Verhalten für ihre Betätigung die Abgeschiedenheit und vermeintliche Unbeobachtetheit suchen und auf Beanstandungen der Bademeister verschämt und einsichtig reagieren.
Hinsichtlich der Anstoßerregung an den im Bereich der Erlebnisgrotte der Ti.-Therme demonstrativ ausgeübten sexuellen Handlungen und des diesbezüglichen Vorsatzes der Angeklagten kam es aus den aus im Rahmen der getroffenen Feststellungen (III:) dargestellten Gründen allein auf die Wahrnehmung des unbekannt gebliebenen Badegastes an, der sich beim Zeugen G. über das Verhalten der Angeklagten beschwert hat. Angesichts der Fortsetzung der kopulierenden Tätigkeit der Angeklagten auch beim Vorbeikommen von Badegästen und insbesondere des demonstrativen Vorgehens der Angeklagten bei ihrem kopulierenden Ritt kreuz und quer durch die Erlebnisgrotte ist von direktem Vorsatz der Angeklagten hinsichtlich der Verletzung von Anschauungen und Gefühlen von Beobachtern auszugehen, ohne dass es darauf ankommt, welchen Teil des Geschehens der unbekannte Badegast beobachtet und woran er konkret Anstoß genommen hat.
Von diesem Badegast hat der Zeuge G., der bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 15.1.2015 angegeben hatte, es habe sich über die Angeklagten niemand beschwert, zwar erstmals in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung berichtet. Die Darstellung des Zeugen erwies sich jedoch als glaubhaft. Der Zeuge berichtete, dass er bereits am Tag nach der polizeilichen Vernehmung mit einem Vorgesetzten darüber gesprochen habe, dass sich doch jemand bei ihm beschwert habe und ob er diesbezüglich die Polizei kontaktieren solle; hiervon sei ihm abgeraten und ihm empfohlen worden, dies im Rahmen eine etwaigen gerichtlichen Zeugenvernehmung richtigzustellen. Dass es möglicherweise gerade auf einen unbekannten Beobachter ankommen könne, war für den Zeugen G. auch keineswegs offensichtlich, da sich in erster Instanz das Interesse an der tatbestandsmäßigen Anstoßerregung auf die Wahrnehmungen der Bademeister konzentrierte, ohne dass thematisiert wurde, dass es darauf eventuell nicht ankommen könne. Der Zeuge G. zeigte auch ansonsten in der Berufungsinstanz keinerlei Belastungseifer, sondern berichtete ruhig und besonnen, was er an be- oder entlastenden Details wahrgenommen habe oder nicht.
V.
Die Angeklagten haben sich durch ihr Verhalten der Erregung sexuellen Ärgernisses gemäß § 183a StGB schuldig gemacht.
Soweit die Verteidiger der Angeklagten rechtshistorische Erwägungen zu Sinn und Zweck des § 183a StGB anstellten, sollte damit wohl die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im Lichte einer fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung und damit verbundenen Veränderung des moralischen Wertekanons in Zweifel gezogen werden. Die Jugendkammer ist aber zu der Überzeugung gelangt, mit § 183a StGB nicht nur formell geltendes Gesetzesrecht, sondern auch eine verfassungskonforme Vorschrift anzuwenden.
Es ist nämlich keineswegs so, dass in Folge einer sexuellen Liberalisierung und Enttabuisierung auch ein Zurückweichen strafrechtlicher Sanktionierungen angezeigt und möglich gewesen wäre. In der Zeit nach der Entstehung des § 183a StGB in der noch heute gültigen Fassung (1974) war aus Kreisen einer heute staatstragenden Partei sogar das politische Ansinnen erhoben worden, sexuellen Missbrauch von Kindern straffrei zu stellen. Mittlerweile besteht aber ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass gerade im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung der Opferschutz verbessert werden muss, was über Jahrzehnte hinweg sogar zu einer deutlichen Verschärfung des Sexualstrafrechts geführt hat.
VI.
Bei der Auswahl und Bemessung der für das Fehlverhalten der Angeklagten erforderlichen und angemessenen Sanktionen war zunächst festzustellen, dass Reifeverzögerungen zugunsten der Angeklagten L. jedenfalls nicht auszuschließen sind und beim Angeklagten F. aufgrund seiner festgestellten Entwicklung und des Fehlens jeglicher adäquater Lebensplanung zweifellos vorliegen, weshalb beide Angeklagte gemäß § 105 I JGG nach Jugendstrafrecht zur Verantwortung zu ziehen sind.
Bei der Auswahl und Bemessung der jugendstrafrechtlichen Sanktion kam schon im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot etwas anderes als die Verhängung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln nicht in Betracht. Insoweit kommt der Rechtsgedanke des § 55 I JGG ins Spiel, der nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls der Jugendkammer des Landgerichts Augsburg im Rahmen einer zulässigen Berufung bei unverändertem Sachverhalt dem Berufungsgericht äußerste Zurückhaltung bei der Abänderung vom Erstgericht getroffener Maßnahmen auferlegt.
Gegenüber den Zumessungserwägungen des Erstgerichts hat sich lediglich verändert, dass die Angeklagten in der Berufungsinstanz weitgehende Geständnisse durch Verteidigererklärung abgeben ließen, die sie sich zu Eigen machten. Wie sie persönlich heute zu ihrem Fehlverhalten stehen, konnte bei dieser gewählten Verteidigungskonzeption nicht eruiert werden. In der Berufungshauptverhandlung haben die Angeklagten keinerlei zu beanstandendes Verhalten an den Tag gelegt.
Wenn in der Berufungsinstanz das durch Geständnis eingeräumt wird, was in der ersten Instanz ohne Geständnis überzeugend nachgewiesen wurde, kann dem für die Rechtsfolgenfindung kein großes Gewicht mehr beikommen. Ordnungsgemäßes Verhalten in der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht kompensiert früheres indiskutables Prozessverhalten nicht.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat es die Kammer hinsichtlich der Angeklagten L. bei der erstgerichtlichen Sanktion (1 Freizeitarrest und Arbeitsauflage von 32 Stunden) belassen. Bei der Angeklagten L. stand ersichtlich die Reaktion auf das tatbestandsmäßige Fehlverhalten im Vordergrund, nicht dagegen ein anstößiges Nachtatverhalten.
Beim Angeklagten F. ergibt sich dagegen aus der auch den Sanktionsantrag der Staatsanwaltschaft deutlich übersteigenden Rechtsfolge (2 Wochen Dauerarrest), dass hier für die vom Erstgericht gefundene Sanktion das Nachtatverhalten des Angeklagten - sei es nach der Tat vor Ort in der Ti.-Therme, sei es in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung - für die Differenzierung gegenüber der Angeklagten L. auch unter Berücksichtigung der Vorahndung des Angeklagten F. im Vordergrund stand. Positives oder negatives Nachtatverhalten - sei es im unmittelbaren Anschluss an die Tat, im Ermittlungsverfahren oder in der Hauptverhandlung - ist grundsätzlich geeignet, Erkenntnisse hinsichtlich des Nacherziehungsbedarfs eines Angeklagten zu gewinnen, und daher grundsätzlich für die Rechtsfolgenfindung heranzuziehen. Die vom Erstgericht gefundene Sanktion von 2 Wochen Dauerarrest ist bei Abwägung sämtlicher Umstände keineswegs außerhalb des zur Erziehung des Angeklagten F. Erforderlichen und wurde daher von der Jugendkammer bestätigt.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I StPO. Die Jugendkammer macht in ständiger Rechtsprechung in der Berufungsinstanz von § 74 JGG keinen Gebrauch, wenn die Berufungseinlegung Ausdruck gezeigter Uneinsichtigkeit ist, da es in diesen Fällen auch erzieherisch notwendig ist, den Angeklagten die sozialen Folgekosten der gezeigten Uneinsichtigkeit vor Augen zu führen und sie hierfür einstehen zu lassen.
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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen, - 2.
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist, - 3.
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder - 4.
der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.
(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.
Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 183 mit Strafe bedroht ist.
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.