Landgericht Augsburg Entscheidung, 15. Jan. 2014 - 2 Qs 1002/14
Gericht
Principles
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde hat den im Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. a. Die Anklage gegen die Angeklagte S. P. war mit der Maßgabe der rechtlichen Einordnung als Gehilfin zur Hauptverhandlung zuzulassen. Eine tateinheitliche Begehung von Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist nicht vorzunehmen (vgl. BGH v. 18.05.2010, 1 StR 111/10, wistra 2010, 408). Die Hinzufügung des Arbeitnehmers M. B. erfolgt aufgrund des Umstandes, dass er zwar als Arbeitnehmer zu Beginn der Anklageschrift aufgeführt wird, jedoch später bei der Tatbeschreibung offensichtlich versehentlich nicht benannt wird, wenngleich er in seiner Vernehmung angibt, von Montag bis Freitag (teilweise auch samstags) von 07.00 Uhr bis 18.00 Uhr (1 Stunde Mittagspause) bei einem Stundenlohn von 12,00 Euro gearbeitet zu haben, vgl. Zeugenvernehmung vom 18.03.2011, Bl. 261 d. A. Der Arbeitnehmer M. B. wird auch in den Anlagen für den relevanten Zeitraum berücksichtigt. Hinsichtlich der Korrektur des Zeitraum „September 2007“ handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, da der Betrugszeitraum ausweislich der Anlage 2 zur Anklageschrift bereits im August 2007 beginnt.
b. Für eine täterschaftliche Begehung der Taten durch die Angeklagte S. P. ergibt sich, wie auch bereits das Amtsgericht A. zutreffend ausgeführt hat, auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens aus den bisherigen Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht. Dies gilt auch für eine Beauftragung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB bzw. Teilbetriebsleitung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB (zu den strengen Voraussetzungen vgl. BGH v. 12.09.2012, 5 StR 363/13, BGHSt 58, 10). Im Rahmen einer durch die Kammer angestellten Gesamtwürdigung ist die Angeklagte S. P. keine faktische Geschäftsführerin der P. GmbH. Faktischer Geschäftsführer ist derjenige, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der
b. Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (vgl. BGH v. 22.09.1982, 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122; v. 10.05.2000, 3 StR 101/00
Ein deutliches Übergewicht gegenüber dem Angeklagten P. P. als formellem Geschäftsführer lässt sich den bisherigen Ermittlungen nicht entnehmen; hiergegen spricht auch das im Verhältnis zum Angeklagten P. P. geringe Gehalt in Höhe von 650,00 Euro (Angeklagter P. P.: 6.150,00 Euro zzgl. Firmenwagen, vgl. Bl. 1920 d. A.). Schließlich oblag dem Angeklagten P. P. die Letztentscheidung bei unternehmensgestaltenden Fragen und auch hinsichtlich wichtiger Personalentscheidungen.
c. Indes lässt sich ein hinreichender Tatverdacht bezüglich einer Gehilfenstellung der Angeklagten S. P. zu den Taten des Angeklagten P. P. annehmen. Die Angeklagte S. P. ist insoweit hinreichend verdächtig, eigenverantwortlich für die Lohnabrechnung, Personaleinstellung - mit Ausnahme der leitenden Angestellten - sowie die Personalverwaltung und Buchhaltung zuständig zu sein. Eine solche eigenverantwortliche Tätigkeit in den vorgenannten Bereichen ist für eine Strafbarkeit als Gehilfin zum Veruntreuen bzw. Vorenthalten von Arbeitsentgelt ausreichend (vgl. BGH v. 12.09.2012, 5 StR 363/12, BGHSt 58, 10, hinsichtlich einer Angeklagten, die den Personalsektor eigenverantwortlich allein abwickelte, wobei die Personalverhältnisse in enger Abstimmung zwischen dem Mitangeklagten geregelt wurden). Der entsprechende (doppelte) Gehilfenvorsatz und insoweit die Kenntnis der gesetzlichen Anforderungen (u. a. Mindestlohn) ergibt sich aus der langjährigen (eigenverantwortlichen) Tätigkeit im Bereich Lohn/Buchhaltung/Personal (u. a. auch die abschließende Kontrolle der Lohnabrechnung) der Angeklagten S. P. im verfahrensgegenständlichen mittelständischen Unternehmen mit ca. 90 (!) Mitarbeitern und ihrem Mitwirken nach außen im Rahmen von Berufsausbildungsabenden. Letztlich hat die Angeklagte S. P. ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Personal und Wirtschaftsprüfung. Vor diesem Hintergrund erscheint eine im Raum stehende Unkenntnis der Angeklagten S. P. als reine Schutzbehauptung, die im Rahmen eines (wohl vermeidbaren) Irrtums rechtlich zu würdigen sein wird.
d. Die Straferwartung der Angeklagten S. P. übersteigt, nach Würdigung sämtlicher Umstände, die Strafgewalt des Strafrichters nicht, zumal der Strafrahmen gem. §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB zwingend zu mildern ist.
2. Die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich des Angeklagten P. P. zum Strafrichter (Ziff. III. des Beschlusses) begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem zuständigen Tatgericht steht diesbezüglich ein Ermessenspielraum bei der Beurteilung der zu erwartenden Strafe zur Verfügung. Die Straferwartung übersteigt, nach Ansicht der Kammer, die den nachvollziehbaren Ausführungen des Amtsgerichts A. beitritt, auch unter Berücksichtigung einer möglichen Gesamtstrafenbildung (bzw. zweier Gesamtstrafen) mit der Strafe aus der Verurteilung des Amtsgerichts Aichach, die Strafgewalt des Strafrichters nicht. Diese Einschätzung kann auch das Beschwerdevorbringen nicht entkräften.
Hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Abänderungen wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. II. 1a. Bezug genommen. Die Kammer kann diese rechtlichen und tatsächlichen Änderungen im Beschwerdeverfahren vornehmen, obwohl die Staatsanwaltschaft A. die Ziff. III. des Beschlusses des Amtsgerichts A. ausweislich ihrer Beschwerdebegründung nur hinsichtlich der Verweisung an das Amtsgericht A. - Strafrichter - angreift, vgl. BayObLG v. 07.11.1986, 3 St ObWs 1/86, NJW 1987, 511.
Annotations
(1) Handelt jemand
- 1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, - 2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder - 3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten
- 1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder - 2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.