Landgericht Augsburg Beschluss, 08. Mai 2014 - 1 Qs 160/14

bei uns veröffentlicht am08.05.2014

Gericht

Landgericht Augsburg

Gründe

I.

Die Sachverständige, promovierte Humanbiologin hatte im Ausgangsverfahren ein anthropologisches Vergleichsgutachten erstellt und mit Gebührenrechnung vom 02.12.2013 beantragt, den Stundensatz gemäß Anlage 1 zu § 9 JVEG der Honorargruppe 8 (Stundensatz: 100,- €) zu entnehmen.

Nach entgegenstehender Stellungnahme des Bezirksrevisors, der eine Einstufung in die Honorargruppe 6 für angemessen und ausreichend erachtet (Stundensatz: 90,- €) hat das AG Nördlingen die Vergütung antragsgemäß festgesetzt und wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Beschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 13.03.2014, der das Amtsgericht Nördlingen mit Verfügung vom 18.03.2014 nicht abgeholfen hat.

II.

Die schon wegen Erreichens des Beschwerdewerts zulässige und im Übrigen auch zugelassene Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht Nördlingen hat zu Recht die Vergütung auf 689,25 € festgesetzt.

Die Vergütung der Sachverständigen ist der Honorargruppe 8 zu entnehmen.

1. Eine ausdrückliche Eingruppierung anthropologischer Vergleichsgutachten in eine der Honorargruppen der Anlage 1 zu § 9 JVEG ist bislang durch den Gesetzgeber noch nie erfolgt. Die Praxis der Einordnung war uneinheitlich; die Rechtsprechung vor der letzten Novellierung des Gesetzes ist uneinheitlich, hat sich aber mehrheitlich für die Einordnung unter die Honorargruppe 6 ausgesprochen (vgl. LG Berlin, VRS 121, 56-58; OLG Dresden, DAR 2006, 338; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 392; OLG Bamberg, NStZ-RR 2005, 359-360; a. A. (Honorargruppe 8) z. B.: OLG Celle, Beschluss vom 26. Oktober 2007, Az. 2 W 102/07; LG Hildesheim, Beschluss vom 03.05.2005, 15 Qs 7/05).

Durch das 2. Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.07.2013 (BGBl. 2013, Teil I Nr. 42, S. 2586) ist die notwendige Klarstellung nicht erfolgt.

Die Vergütungsgruppe ist daher gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG nach wie vor nach billigem Ermessen zu bestimmen.

2. Maßgeblich bei dieser Art der Festsetzung sind die üblicherweise gerichtlich und außergerichtlich vereinbarten Stundensätze für diese Art der Tätigkeit. Da anthropologische Vergleichsgutachten aber auf dem freien Markt normalerweise nicht nachgefragt werden, können übliche Stundensätze insoweit nicht festgestellt werden(so auch BT-Drucks 17/11471, S. 355).

3. Eine Eingruppierung kann jedenfalls nicht in die Honorargruppen M 1-3 vorgenommen werden, weil diese ausschließlich medizinischen Begutachtungen vorbehalten sind. Zwar wäre über das medizinische Teilgebiet der Anatomie durchaus eine gewisse Nähe zu diesem Bereich feststellbar. In ihrer Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung ebenfalls den Gedanken aufgebracht, die Vergütung in der Praxis den Vergütungsgruppen M1 bis M 3 zu entnehmen ohne eine konkrete Zuordnung zu diesen Gruppen vorzunehmen (BT-Drucks 17/11471, S. 355). Tatsächlich hat der Gesetzgeber anthropologische Gutachten letztlich aber weder diesen Gruppen noch einer anderen Vergütungsgruppe zugeordnet. Der Schwerpunkt der Begutachtung liegt bei Vergleichsgutachten aber nicht in speziellen medizinischen Kenntnissen, sondern in der reinen äußerlichen Beschreibung von Körpermerkmalen. Auf die Funktion der zu beschreibenden Merkmale kommt es insoweit nicht an. Ein anthropologischer Vergleich stellt daher keine Leistung dar, die einer medizinischen (oder psychologischen) Begutachtung gleichkommt.

4. Angemessen ist aber eine Eingruppierung in die Honorargruppe 8. Den dort genannten Schriftgutachten kommt ein anthropologisches Vergleichsgutachten am nächsten. In beiden Fällen werden rein äußerliche Merkmale anhand von Vergleichsmaterial verglichen und bewertet. Ob es sich beim Gegenstand der Begutachtung um Menschen bzw. Fotos von Menschen handelt oder um Schriftzeichen, spielt insoweit keine entscheidende Rolle. Die Schwierigkeit der Begutachtung ergibt sich aus der festzustellenden und zu bewertenden Ähnlichkeit von Vorlage und Vergleichsmaterial. Dabei können in beiden Fällen gleichartige Methoden wie z. B. Längenmessungen erfolgen. Auch die Beschreibung der Ähnlichkeit oder Verschiedenheit muss in beiden Fällen so beschrieben oder erklärt werden, dass sie vom Gericht nachvollzogen werden kann.

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Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG | § 9 Honorare für Sachverständige und für Dolmetscher


(1) Das Honorar des Sachverständigen bemisst sich nach der Anlage 1. Die Zuordnung der Leistung zu einem Sachgebiet bestimmt sich nach der Entscheidung über die Heranziehung des Sachverständigen. (2) Ist die Leistung auf einem Sachgebiet zu erbri

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Oberlandesgericht Köln Beschluss, 04. Aug. 2014 - 2 Ws 419/14

bei uns veröffentlicht am 04.08.2014

Tenor Die weitere Beschwerde wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die dem früheren  Betroffenen  entstandenen  notwendigen  Auslagen zu tragen hat, verworfen. 1                                                         Gründe: 2

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(1) Das Honorar des Sachverständigen bemisst sich nach der Anlage 1. Die Zuordnung der Leistung zu einem Sachgebiet bestimmt sich nach der Entscheidung über die Heranziehung des Sachverständigen.

(2) Ist die Leistung auf einem Sachgebiet zu erbringen, das nicht in der Anlage 1 aufgeführt ist, so ist sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze nach billigem Ermessen mit einem Stundensatz zu vergüten, der den höchsten Stundensatz nach der Anlage 1 jedoch nicht übersteigen darf. Ist die Leistung auf mehreren Sachgebieten zu erbringen oder betrifft ein medizinisches oder psychologisches Gutachten mehrere Gegenstände und sind diesen Sachgebieten oder Gegenständen verschiedene Stundensätze zugeordnet, so bemisst sich das Honorar für die gesamte erforderliche Zeit einheitlich nach dem höchsten dieser Stundensätze. Würde die Bemessung des Honorars nach Satz 2 mit Rücksicht auf den Schwerpunkt der Leistung zu einem unbilligen Ergebnis führen, so ist der Stundensatz nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(3) Für die Festsetzung des Stundensatzes nach Absatz 2 gilt § 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Beschwerde gegen die Festsetzung auch dann zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro nicht übersteigt. Die Beschwerde ist nur zulässig, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist.

(4) Das Honorar des Sachverständigen für die Prüfung, ob ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen, beträgt 120 Euro je Stunde. Ist der Sachverständige zugleich der vorläufige Insolvenzverwalter oder der vorläufige Sachwalter, so beträgt sein Honorar 95 Euro je Stunde.

(5) Das Honorar des Dolmetschers beträgt für jede Stunde 85 Euro. Der Dolmetscher erhält im Fall der Aufhebung eines Termins, zu dem er geladen war, eine Ausfallentschädigung, wenn

1.
die Aufhebung nicht durch einen in seiner Person liegenden Grund veranlasst war,
2.
ihm die Aufhebung erst am Terminstag oder an einem der beiden vorhergehenden Tage mitgeteilt worden ist und
3.
er versichert, in welcher Höhe er durch die Terminsaufhebung einen Einkommensverlust erlitten hat.
Die Ausfallentschädigung wird bis zu einem Betrag gewährt, der dem Honorar für zwei Stunden entspricht.

(6) Erbringt der Sachverständige oder der Dolmetscher seine Leistung zwischen 23 und 6 Uhr oder an Sonn- oder Feiertagen, so erhöht sich das Honorar um 20 Prozent, wenn die heranziehende Stelle feststellt, dass es notwendig ist, die Leistung zu dieser Zeit zu erbringen. § 8 Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß.