Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 12. Nov. 2014 - 3 TaBV 5/14

bei uns veröffentlicht am12.11.2014

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund vom 12.05.2014 – 2 BV 10/13 – abgeändert.

Die Anträge des Beteiligten zu 1 aus der Antragsschrift gerichtet auf die Einsetzung einer Einigungsstelle werden zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Notwendigkeit zur Errichtung einer Einigungsstelle, um die Person des/der Vorsitzenden sowie um die Anzahl der Beisitzer.

2

Es bestehen insbesondere unterschiedliche Auffassungen zwischen den Betriebspartnern im Zusammenhang mit der Einführung und Installation, den Betrieb und die Nutzung der Attrappe einer Videokamera, welche die Beteiligte zu 2 am Hinterausgang des von ihr betriebenen Klinikgebäudes ohne vorherige Zustimmung des Beteiligten zu 1 anbringen ließ.

3

Der Beteiligte zu 1 stellte daraufhin mit Schreiben vom 22.10.2013 bei dem Arbeitsgericht den Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle unter Vorsitz von Herrn A. L. verbunden mit dem Begehr, die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf drei festzusetzen.

4

Zur Begründung der antragstattgebenden Entscheidung führt das Arbeitsgericht aus, von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle nach § 99 Abs. 1 Satz 2 ArbGG könne nicht ausgegangen werden. Nach dem Vorbringen der Beteiligten sei nicht sofort feststellbar, dass im Zusammenhang mit der installierten Videokamera ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1 unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage käme. In diesem Zusammenhang könne es dahinstehen, ob es sich vorliegend lediglich um eine Kameraattrappe handele. Denn jedenfalls könne von vornherein ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht ausgeschlossen werden.

5

Gegen diese am 19. Mai 2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 02.06.2014 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 2 nebst Begründung.

6

Dem Beteiligten zu 1 sei – nunmehr unstreitig – bekannt, dass es sich bei der in Rede stehenden Kamera lediglich um eine Attrappe handele. Mithin seien Mitbestimmungstatbestände von vornherein nicht ersichtlich, da nur über eine funktionsfähige Videokamera hätten Mitbestimmungstatbestände ausgelöst werden können.

7

Die Beteiligte zu 2 beantragt,

8

in Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund vom 12.05.2014 2 BV 10/13 – die Anträge aus der Antragsschrift des Beteiligten zu 1 gerichtet auf die Einsetzung einer Einigungsstelle zurückzuweisen.

9

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

10

die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen.

11

Der Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, die Beschwerde sei bereits unzulässig, da die Begründungsschrift nicht die inhaltlichen Voraussetzungen an eine hinreichende Begründung erfülle. Die Beschwerde setze sich mit den dargestellten Gründen in der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht auseinander. Zudem sei die Beschwerde jedenfalls nicht begründet. Von einer offensichtlichen Unzuständigkeit im Sinne des § 99 ArbGG könne keine Rede sein. Auch eine Kameraattrappe sei geeignet, das Verhalten der Arbeitnehmer und die Ordnung im Betrieb zu steuern. Die Beteiligte zu 2 habe sich geweigert, die Belegschaft darüber aufzuklären, dass es sich um eine Attrappe handele. Mithin sei eine mittelbare Steuerung des Verhaltens der Mitarbeiter gegeben, so dass der Antrag des Beteiligten zu 1 begründet sei.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

13

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig und begründet.

1.

14

Die Beschwerde ist zulässig.

15

Die Beschwerde kann sich sowohl auf Rechtsfehler des Arbeitsgerichts bei der Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit als auch darauf stützen, die Bestellung einer bestimmten Person zum Vorsitzenden oder die Festsetzung der Anzahl der Beisitzer sei fehlerhaft (ErfK, 15. Auflage/Koch, Rn. 7 zu § 99 ArbGG).

16

Gemessen an diesen Voraussetzungen bestehen an der Zulässigkeit der Beschwerde keine Bedenken. Die Beteiligte zu 2 setzt sich mit ihrer Beschwerdeschrift in hinreichendem Umfang mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander und führt die eigenen Rechtspositionen hinsichtlich der Fragen der offensichtlichen Unzuständigkeit, der Eignung des eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden sowie der Anzahl der Beisitzer jeweils im Sinne von § 99 ArbGG hinreichend deutlich auf.

2.

17

Die Beschwerde ist auch begründet.

18

Eine offensichtliche Unzuständigkeit im Sinne des § 99 ArbGG ist dann gegeben, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht auf festgestellter Tatsachengrundlage sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt (ErfK, 15. Auflage/Koch, Rn. 3 zu § 99 ArbGG m. w. N.).

a)

19

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG scheidet vorliegend bereits auf den ersten Blick ersichtlich aus, da die hier gegebene Kameraattrappe jedenfalls objektiv nicht geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (vgl. insoweit auch ErfK, 15. Auflage/Kania, Rn. 55 zu § 87 BetrVG m. w. N.).

b)

20

Eine analoge Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf die vorliegende Fallkonstellation verbietet sich ebenfalls. Denn nach Sinn und Zweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers vor Eingriffen durch anonyme technische Kontrolleinrichtungen bezweckt (ErfK, 15. Auflage/Kania, Rn. 48 zu § 87 BetrVG). Derartige Eingriffe sind von einer Attrappe ersichtlich nicht zu erwarten.

c)

21

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist hier ebenfalls nicht ersichtlich.

22

Gegenstand von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer, welches der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen und Anordnungen beeinflussen und koordinieren kann. Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, die Arbeitnehmer an solchen Maßnahmen im Sinne einer gleichberechtigten Gestaltungsteilnahme zu beteiligen (BAG vom 25.09.2012 – 1 ABR 50/11 – juris Rn. 14).

23

Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht gegeben.

24

Der Geltungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist vorliegend bereits deshalb nicht eröffnet, weil die Anbringung der Attrappe einer Videokamera im Außenbereich auf den ersten Blick keine Auswirkungen auf das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer bei der Beteiligten zu 2 entfalten kann. Auch ist nicht erkennbar, welche konkreten (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten sich diesbezüglich ergeben sollen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu bedenken, dass die Arbeitnehmer nach wie vor den betroffenen Eingang betreten und verlassen können, ohne neuen zusätzlichen Regelungen unterworfen zu sein. Durch die Attrappe wird gerade nicht kontrolliert, wann wer das Gebäude durch den betroffenen Zugang betritt oder verlässt (vgl. insoweit auch BAG vom 10.04.1984 – 1 ABR 69/82 – juris Rn. 16).

3.

25

Dem Beteiligten zu 2 ist zwar zuzugestehen, dass in der Literatur vereinzelnd unter Hinweis auf den umfassenden Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eine weitergehende Auslegung zum Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vertreten wird (vgl. beispielsweise DKKWF/Klebe, 14. Auflage, Rn. 57 zu § 87 BetrVG). Jedoch ist auch nach dieser Ansicht die Feststellung einer objektiv tatsächlich vorgenommenen Kontrolle erforderlich, was sich insbesondere aus der folgenden Formulierung (DKKWF, a. a. O., Rn. 58) ergibt:

26

„Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass alle Anforderungen des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitsleistung mitbestimmungspflichtig sind, wenn mittelbar oder direkt eine Reglementierung bzw. ein einheitliches Verhalten der Arbeitnehmer erreicht werden soll. Hierunter fällt auch jede abstrakt-generelle Regelung, die die Kontrolle der Arbeitnehmer beinhaltet und damit auf ihr Verhalten einwirkt.“

27

Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben, da eine – wie hier - im Außenbereich angebrachte Attrappe einer Videokamera nicht in der Lage ist, eine tatsächliche Kontrollwirkung auszuüben und mithin die Persönlichkeitsrechte der bei der Beteiligten zu 2 beschäftigten Arbeitnehmer objektiv nicht tangieren kann.

4.

28

Diese Entscheidung ergeht durch den Vorsitzenden allein (§ 98 Abs. 2 Satz 3 ArbGG).

29

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben (§ 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 25. Sept. 2012 - 1 ABR 50/11

bei uns veröffentlicht am 25.09.2012

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. Mai 2011 - 6 TaBV 11/11 - aufgehoben und die Beschwerde des

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(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18. Mai 2011 - 6 TaBV 11/11 - aufgehoben und die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 4. November 2010 - 51 BV 27 c/10 - zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung eines Laufzettels „Arbeitsmittel und Berechtigungen“.

2

Die Arbeitgeberin befasst sich mit dem Planen, Bauen und Betreiben von Einrichtungen und Systemen der technischen Infrastruktur. Zu ihrem Unternehmen gehört ua. die Niederlassung H, für die der antragstellende Betriebsrat gewählt ist.

3

Nach der bei der Arbeitgeberin geltenden Richtlinie „Ausgabe, Verwaltung und Rücknahme von Arbeitsmitteln und Berechtigungen“ („Richtlinie“) wird für jeden Beschäftigten ein „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ angelegt. Darauf werden ua. die ausgegebenen Arbeitsmittel, wie Mobiltelefon und Laptop, die Zugänge und Berechtigungen zu IT-Systemen, -Diensten und -Anwendungen einschließlich erforderlicher Belehrungen sowie Zutrittsberechtigungen zu Gebäuden, Räumen und Gegenständen (zB Schlüssel, Zugangs-/Codekarten usw.) vermerkt. Die Genehmigung der Arbeitsmittel, Zutrittsberechtigungen und Vollmachten wird auf dem Laufzettel durch Unterschriften des Kostenstellenverantwortlichen und des Beschäftigten dokumentiert. Der Laufzettel verbleibt im Original beim zuständigen Kostenstellenverantwortlichen, der Arbeitnehmer erhält eine Kopie. Bei einem Wechsel der Tätigkeit wird der Laufzettel aktualisiert. Zum Beschäftigungsende werden dem Mitarbeiter alle Arbeitsmittel und Berechtigungen vom Kostenstellenverantwortlichen auf der Grundlage des Laufzettels entzogen.

4

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Einführung der Laufzettel sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig, weil diese das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer berührten. Es gehe der Arbeitgeberin darum, dass sich Arbeitnehmer in bestimmter, standardisierter Weise verhalten sollen.

5

Der Betriebsrat beantragt:

        

1.    

Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, die „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“, vergebene Arbeitsmittel und Berechtigungen an Beschäftigte, welche sie von den Arbeitnehmern ausgefüllt zurückerhalten hat, an die jeweiligen Arbeitnehmer - mit Ausnahme der leitenden Angestellten - zurückzugeben und dort zu belassen, bis die Zustimmung des Beteiligten zu 1. zu der Verwendung dieser „Laufzettel“ vorliegt oder durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

2.    

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1. die von den Arbeitnehmern des Betriebes Niederlassung H zurückerhaltenen, ausgefüllten „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“, vergebene Arbeitsmittel und Berechtigungen an Beschäftigte auszuhändigen und bei diesen zu belassen, bis der Beteiligte zu 1. die Zustimmung zu der Verwendung der Laufzettel erteilt hat bzw. diese Zustimmung durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

3.    

für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. und 2. die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, die ihr von den Arbeitnehmern der Niederlassung H ausgefüllt zurückgegebenen „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“, vergebene Arbeitsmittel und Berechtigungen an die Beschäftigten zu vernichten;

        

4.    

der Beteiligten zu 2. zu untersagen, in Umsetzung der Richtlinie „Ausgabe, Verwaltung und Rücknahme von Arbeitsmitteln und Berechtigungen“ den „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ gegenüber ihren Arbeitnehmern, mit Ausnahme der leitenden Angestellten, zu verwenden, bevor nicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1. vorliegt bzw. durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

5.    

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 4., der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, die Ausgabe bzw. die Rückgabe der Arbeitsmittel und Berechtigungen durch Ausfüllen des „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ und Gegenzeichnung dieser Laufzettel durch die Beschäftigten dokumentieren bzw. begleiten zu lassen, bevor nicht die Zustimmung des Beteiligten zu 1. vorliegt bzw. durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

6.    

weiterhin hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 4., der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, die ausgefüllten und gegengezeichneten „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ von den Arbeitnehmern wieder zurückzunehmen bzw. entgegenzunehmen, bevor der Beteiligte zu 1. nicht der Verwendung der „Laufzettel Arbeitsmittel und Berechtigungen“ zugestimmt hat bzw. die Zustimmung durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist.

6

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Betriebsrats den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Anträgen entsprochen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

8

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

9

I. Die Anträge sind in der gebotenen Auslegung zulässig. Soweit der Betriebsrat im Antrag zu 4. verlangt, die Verwendung der Laufzettel zu „untersagen“, ist damit ersichtlich gemeint, der Arbeitgeberin aufzugeben, die weitere Verwendung des Laufzettels zu unterlassen. Nur ein solcher Antrag wäre gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 ZPO vollstreckbar. Mit diesem Inhalt ist dieser Antrag ebenso wie die weiteren Anträge hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

10

II. Die Anträge sind unbegründet.

11

1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann der Betriebsrat nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen, sondern sich ebenso gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren(BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 63/10 - Rn. 14 mwN, EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 6).

12

2. Die Verwendung der Laufzettel nach Maßgabe der bei der Arbeitgeberin geltenden Richtlinie unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

13

a) Nach dieser Bestimmung hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen.

14

aa) Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen. Sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG allerdings nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Dagegen sind Maßnahmen, die das sog. Arbeitsverhalten regeln sollen, nicht mitbestimmungspflichtig. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird (BAG 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 57 f., BAGE 127, 146).

15

bb) Hiervon ausgehend hat der Senat in der Anordnung des Arbeitgebers, für Angaben der Beschäftigten über den Besitz von Wertpapieren ein von ihm vorgefertigtes Formular zu verwenden (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 101, 216), und in der Anweisung, die Notwendigkeit eines Arztbesuchs während der Arbeitszeit durch ein vorgegebenes Formular zu belegen (BAG 21. Januar 1997 - 1 ABR 53/96 - zu B I 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 23), mitbestimmungspflichtige Anordnungen gesehen. Hierfür war entscheidend, dass der Arbeitgeber den Nachweis einheitlich von allen Arbeitnehmern in einer bestimmten Form verlangt und damit eine Regel aufstellt hat, die für alle - unabhängig von der konkreten Arbeitsleistung - zu beachten war. Dagegen hat er ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Bezug auf vorformulierte standardisierte Verschwiegenheitsvereinbarungen verneint. Die Abgabe derartiger Erklärungen ist ohne Einfluss auf die Art und Weise des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Es geht nicht um die Standardisierung des Verhaltens, sondern um die Abgabe inhaltlich gleicher Erklärungen, was allein nicht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auslöst(BAG 10. März 2009 - 1 ABR 87/07 - Rn. 26, BAGE 129, 364).

16

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht die Verwendung der Laufzettel zu Unrecht als mitbestimmungspflichtige Angelegenheit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG angesehen. Es hat hierbei nicht genügend berücksichtigt, dass die in die Laufzettel aufgenommenen Angaben über den Erhalt von Arbeitsmitteln und Zutrittsberechtigungen einschließlich erforderlicher Belehrungen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung stehen. Diese sind Voraussetzung für deren ordnungsgemäße Erbringung. Das verwendete Formular dient damit der Regelung des Arbeitsverhaltens und nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Die bloße Standardisierung des Arbeitsverhaltens bewirkt keine Zuordnung zum Ordnungsverhalten.

17

c) Da sich die Arbeitgeberin durch die Verwendung der Laufzettel nicht mitbestimmungswidrig verhalten hat, bestehen die vom Betriebsrat geltend gemachten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Platow    

        

    Benrath    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 5 wird das Verfahren eingeleitet auf Antrag

1.
jeder natürlichen oder juristischen Person oder
2.
einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern,
die nach Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung oder der Rechtsverordnung geltend macht, durch die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Rechtsverordnung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat oder die Rechtsverordnung erlassen hat.

(3) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend. In dem Verfahren ist die Behörde, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat oder die Rechtsverordnung erlassen hat, Beteiligte.

(4) Der rechtskräftige Beschluss über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung wirkt für und gegen jedermann. Rechtskräftige Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 sind alsbald der obersten Arbeitsbehörde des Bundes in vollständiger Form abschriftlich zu übersenden oder elektronisch zu übermitteln. Soweit eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Rechtsverordnung rechtskräftig als wirksam oder unwirksam festgestellt wird, ist die Entscheidungsformel durch die oberste Arbeitsbehörde des Bundes im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(5) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 5 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(6) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung oder eine Rechtsverordnung wirksam ist und hat das Gericht ernsthafte Zweifel nichtverfassungsrechtlicher Art an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung oder der Rechtsverordnung, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 auszusetzen. Setzt ein Gericht für Arbeitssachen nach Satz 1 einen Rechtsstreit über den Leistungsanspruch einer gemeinsamen Einrichtung aus, hat das Gericht auf deren Antrag den Beklagten zur vorläufigen Leistung zu verpflichten. Die Anordnung unterbleibt, wenn das Gericht die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Rechtsverordnung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand für offensichtlich unwirksam hält oder der Beklagte glaubhaft macht, dass die vorläufige Leistungspflicht ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Auf die Entscheidung über die vorläufige Leistungspflicht finden die Vorschriften über die Aussetzung entsprechend Anwendung; die Entscheidung ist ein Vollstreckungstitel gemäß § 794 Absatz 1 Nummer 3 der Zivilprozessordnung. Auch außerhalb eines Beschwerdeverfahrens können die Parteien die Änderung oder Aufhebung der Entscheidung über die vorläufige Leistungspflicht wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Ergeht nach Aufnahme des Verfahrens eine Entscheidung, gilt § 717 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 antragsberechtigt.